Seit heute bin ich Inhaber eines Museumspasses und werde
also in den nächsten 12 Monaten einige Museen in der weiteren Umgebung
des Oberrheingrabens erkunden. Den Anfang machte heute (vielleicht
relativ bescheiden angesichts der Konkurrenz) die „Klima Arena“
(jaja, Deppenleerzeichen. Ich kann nichts dafür), die sich in der
Sinsheimer Hopp-Vorstadt befindet, also grob neben dem Stadion des
lokalen Männerfußball-Bundesligavereins.
Und so gleich mal ein heißer Tipp: Wenn ihr da hinwollt und es gerade
beqeuem ist, steigt an der S-Bahn-Station Sinsheim-Arena aus. Das ist
vielleicht etwas weiter als vom Hauptbahnhof aus, aber dafür bekommt
ihr eine hautnahe Einführung in den Mobilitätsteil der Klimafrage,
zunächst mit dem Technikmuseum und seinen glücklicherweise stillgelegten
Überschalljets, dann durch die A6 und schließlich durch endlose Wege über
Parkplätze für Fußballfans und SchwimmbadnutzerInnen, die, ihren
Nummernschildern nach zu urteilen, teils über 100 km angefahren waren.
Wie schon angedeutet: Hinter der „Klima Arena“ steckt Dietmar Hopp,
der durch die Warenwirtschafts-Software von SAP reich geworden ist. Da
vieles dafür spricht, dass SAP das Bruttosozialprodukt deutlich gedrückt
hat (Beispiel), ist die Kombination aus Klimaschutz und Computerspielen
vielleicht weniger exotisch als mensch meinen könnte.
Dennoch überrascht nicht, dass sich die „Klima Arena“ schwer tut mit der
Ansage, dass weniger Arbeit und auch dringend weniger Produktion der
einzig aussichtsreiche und vernünftige Weg zu Klimaschutz ist; an eine
auch nur beiläufige Erwähnung des Wortes „Kapitalismus“ in den
zahlreichen Texten kann ich mich nicht erinnern. Ebenso
erwartbarerweise ist alles voll mit großen Monitoren und Beamern, die
zusammen gewiss den Strom eines mittleren Windrades schlucken werden.
Klar spielt da die Verheißung von Wundertechniken eine erhebliche Rolle
in verschiedenen Exponaten.
Augenrollen lässt sich auch nicht vermeiden, wenn allerlei
offensichtlich gescheiterte Politiken kritiklos dargestellt werden. Ein
recht optimistisches Klimamodell etwa wird eingeführt mit diesem Text:
Alle übrigen Treibhausgase verschwinden in gleichem Maße wie
Kohlendioxid, da auch für sie Strafzahlungen geleistet werden müssen.
Ganz falsch ist so eine Erwartung paralleler Entwicklungen von CO₂ und
anderen Treibhausgasen nicht. Nur hat der Emissionshandel schon beim
Kohlendioxid nicht für „Verschwinden“ gesorgt. Es hat noch nicht mal
für eine erkennbare Verlangsamung der galloppierenden Zunahme gereicht
in den Jahren seit Kyoto (1997: ca 23 Gt/yr; aktuell: um die
35 Gt/yr). Wie das Montreal-Protokoll zeigt, geht sowas
durchaus auch anders, wenn mensch nicht auf einen Mumpitz wie
Emissionshandel, sondern auf klare Regulierung setzt (und allen Göttern
sei dank, denn ansonsten würden wir jetzt alle ein Abo auf Sonnencreme
mit Lichtschutzfaktor 50 brauchen).
Andererseits muss mensch nicht lange auf den interaktiven Videowänden
rumtatschen, bevor mensch mit dem Rebound-Effekt bekannt gemacht wird
(also: wenn wir effektivere Motoren bauen, verstärken wir die Panzerung
der Autos und bauen Klimaanlagen ein, so dass wir am Schluss mehr statt
weniger Sprit verschleudern). Eigentlich sollte sich danach all die
Spekulation über technologische Wunder erledigt haben. Und wirklich
spricht die „Klima Arena“ netto deutlich mehr über saisonales und
regionales Essen als über Elektro-Flugtaxis.
Tatsächlich habe ich ein paar Dinge gelernt, so etwa die Kopfzahl, dass
ein Atomkraftwerk wie Phillipsburg I rund eine halbe
Megatonne wiegt (und mithin auch so viel Krempel weggeschafft werden
muss bis zur „grünen Wiese“). Mit der Kopfzahl 25 Tonnen
pro Standardcontainer kann mensch abschätzen, dass rund 20'000 solche
Dinger gebraucht würden, um den Schutt wegzuschaffen und zu lagern.
Oder auch: ein AKW entspricht mengenmäßig dem Schwefeldioxid, das bei
der Explosion des Hunga Tonga Hunga Ha'apai freigesetzt wurde (vgl).
An dem großartigen Globus, auf den mensch so circa 50 verschiedene
Themenkarten projizieren und manipulieren kann, habe ich gelernt (vgl.
Bild), dass im Süden der Sahelzone, im Norden von Nigeria eine Region
äußerst dichten Ackerbaus liegt, so in etwa vergleichbar mit der
Poebene. Ich hatte mir da bisher immer eher eine karge Steppe mit ein
paar graszupfenden Ziegen vorgestellt. Was der Klimawandel dort
anrichten wird, will mensch sich gar nicht vorstellen.
Während mich der Globus hinriss, fand ich den „immersiven“ Film über
eine Reise zum kaputten Amazonas-Regenwald im Jahr 2100 (oder so) in
einer als Eisberg verkleideten Röhre aus vielleicht 100 großen Monitoren
und Fußbodenrüttlern eher albern. Gewiss, die Kontrastierung von
beeindruckenden Waldaufnahmen der Gegenwart mit einer simulierten Einöde
nach dem Klimawandel mag das eine oder andere Herz rühren. Aber das
Verhältnis von technischem Aufwand zu inhaltlichem Ertrag wirkt schon
sehr dürftig.
Das gilt noch mehr für ein in die Handlung reingezwungenes albernes
Spielchen um eine Bruchlandung in Cape Canavaral (inklusive Palmen im
Salzwasser). Wenn ihr keinen Wert auf Cringe legt oder enttäuscht wärt,
wenn bei all dem Technik-Verheiz immer noch Tearing auf den Monitoren
zu sehen ist: Spart euch diesen Teil der Ausstellung vielleicht eher.
Während der Immersionstunnel noch als Folge von Ansagen des
Hauptsponsors Richtung „macht mal ordentlich was mit Technik” durchgeht,
fand ich einige völlig danebengegangene Visualisierungen unerklärlich.
Hier zum Beispiel sollen die drastisch verschiedenen Wassermengen
illustriert werden, die für die Produktion verschiedener Gemüse
draufgehen:
Zwischen acht und 1256 Litern liegt ein Faktor 150, und es ist für viele
Menschen schon nicht einfach, sich klar zu machen, was das bedeutet (es
ist so in etwa das Verhältnis zwischen dem Einkommen einer Putzkraft und
eines Vorstandes in einem modernen Unternehmen…). Da hilft es nichts,
wenn die Tropfen alle ungefähr gleich groß sind – das ist, im Gegenteil
(sicher nicht beabsichtigte) Irreführung.
Dieser Vorwurf geht tatsächlich eher an die noch von Theo Waigel ins
Leben gerufene Deutsche Bundesstiftung Umwelt, in deren
Sonderausstellung zu „planetaren Leitplanken“ dieses Exponat lag.
Aber auch die Stammausstellung macht das nicht besser. Seht euch diese
Visualisierung der Emissionen verschiedener Verkehrsträger pro
Personenkilometer an:
Es ist ja ein lustiger Gag, die (Rad-) Reifen verschiedener
Verkehrsträger ins Museum zu stellen, aber wenn dabei 21 g/Pkm (der
Fernbus, ganz unten) gigantisch groß aussiehen und 62 g/Pkm (das
Elektroauto, 2. von oben) ziemlich klein, dann klappt das nur, wenn
mensch viel Vertrauen in die Urteilskraft des Publikums hat. Und in
dem Fall bräuchte es keine Museumspädagogik.
Demgegenüber nimmt die Museumsgastronomie Thema und auch Nachricht der
„Klima Arena” auf und ist immerhin ganz vegetarisch, wenn auch von den
(in der Ausstellung durchaus empfohlenen) „regional und saisonal“ nicht
viel zu schmecken war.
Weniger zur Nachricht der Einrichtung passt, dass, wer sich den
garstigen Anmarsch sparen und Bus fahren will, gut planen muss.
Zumindest von der „Arena“ zum Hauptbahnhof zurück fährt zum Beispiel
nichts zwischen 13:04 und 16:03. Dafür fährt gleich nach Museumsschluss
um 17:00 ein Bus in ein paar Minuten zum Sinsheimer Bahnhof, wo schon
der Zug nach Heidelberg steht. Insofern ist schon bemerkenswert, dass
wir die einzigen waren, die diesen Weg gewählt haben. Also: das Thema
der Ausstellung bedenkend, jetzt.
Hat zwar nichts mit Sinsheim zu tun, aber mit CO2:
Eine vorerst aus Verschwiegensheitgründen nicht benannte Universität
unter aktuell erbfreundschaftlicher Verwaltung hatte neulich ein
wichtiges Treffen hinsichtlich möglicher CO2-Einsparungsmaßnahmen
durch frewillige Beteiligung der Mitarbeiter. Eine beauftragte
Kommunikationsagentur erarbeitete hart verschwiegene Vorschläge, bei
denen unter anderem „elektrische Geräte nur einschalten wenn sie
genutzt werden, z.B. Licht ausschalten bei Verlassen des Büros“ noch
einer der sinnvollsten war, das offensichtliche „kommt halt nicht mit
dem Auto“ dagegen selbstverständlich schmerzlich vermisst wurde.
Der überraschendste Vorschlag war die Reduktion der Datenmenge durch
Löschen von großen Anhängen in Emails: die Gesamtmenge der an der
Universität gehosteten Emails betrage 72 TB.
Ich würde es jetzt nicht unbedingt „Kopfzahlen“ nennen, weil ein
bisschen Recherche involviert war, aber immerhin Kopfrechnen: Das
Hosting von 72TB kostet überraschende 3t CO2 pro Jahr, die sich also
einsparen ließen, wenn alle Beteiligten der Universität ihre Emailkonten
komplett löschten. Die Einordnung wird jedoch extrem albern, wenn man
bedenkt, dass ein Interkontinentalflug (hin und zurück, also etwa das,
was man so für eine Konferenz in Kauf nimmt) an die Ostküste der USA mit
etwa 1,7t zu Buche schlägt.
Vor diesem Hintergrund ist die Versuchung groß, 50% des Emailverkehrs
der Universität durch Verzicht an der Teilnahme an einer hier nicht
genannten Konferenz in Tucson, AZ zu retten.
Nicht verwunderlich ist natürlich, dass die vorgeschlagene Metrik zur
Messung des Erfolgs der Maßnahmen nicht auf CO2 basiert, sondern auf
„Likes“, „Shares“ und „Retweets” – was natürlich irgendwie
verständlich ist, denn diese kann man zählen, und in Abwesenheit
jedweden Referenzssystems kann quasi alles als Erfolg angesehen
werden.
Nicht völlig zusammenhangslos: wenn man jemandem in den Kopf schisse
und umrührte, glaubst Du, es gäbe dann einen Zusammenhang zwischen
postschiss kognitiven Fähigkeiten und Rührrichtung?
Ich frage für einen Freund.
Igitt. Das ist ja widerlich. Also, die Unterstellung, ich sei
irgendwie im Geschäft des Wasser- oder sonstwas-Levitierens. Ich
sage dazu gar nichts.