Die heutige Presseschau im Deutschlandfunk war mal wieder niederschmetternd.
Zum Afghanistan-„Zapfenstreich“ gestern fällt der taz gerade noch ein, es sei „eher“ ein „Kuriosum“, während die anderen Blätter sich noch fester hinter ihrer Armee versammeln:
- Es wäre in Afghanistan ja sonst noch viel schlimmer gewesen (Volksstimme); angesichts der tatsächlichen Verhältnisse ist das nur schwer vorstellbar: Geringer als in Afghanistan, 51.3 Jahre laut CIA World Factbook von 2016, ist die Lebenserwartung derzeit nur noch in zwei Staaten.
- Soldaten – und nicht etwa ihre Opfer – seien „traumatisiert und physisch verletzt“ (Mitteldeutsche; den naheliegenden Schluss, die Bundeswehr, die dafür ja verantwortlich ist, aufzulösen, zieht sie natürlich nicht).
- „gut gemeint“ (Nürnberger Nachrichten).
- „Außen- und Sicherheitspolitik den nötigen Raum“ geben (Märkische Oderzeitung).
Au weia. Niemand möchte sich durch Stellen der offensichtlichen Frage als vaterlandsloser Geselle outen: „Was war denn das für ein bizarres Spektakel?“
Strammstehen, Tschingdarassabum, bunte Kappen, Orden? Für Leute, die für die Regierung töten? Leute, es ist 2021. Es hat zwischendurch ein 20. Jahrhundert gegeben. Erinnert ihr euch?
Den Auweia-Preis für den fürchterlichsten Kommentar räumt aber erneut die FAZ ab, wenn sie fordert:
Nie wieder darf die ‚Parlamentsarmee‘ in eine Mission geschickt werden, in der sie mit ihrem Blut für die Unschärfe des Mandats und die Inkonsequenz, um nicht zu sagen: Feigheit der politischen Entscheider büßen muss.
Das ist nur noch ein paar Millimeter von „im Felde ungeschlagen“ und dem Narrativ hinter der Dolchstoßlegende („die tapferen Jungs hätten den Feind schon platt gemacht, aber die Politiker...!“) entfernt. Wenn in dieser Umgebung dann noch Testosteron-Vokabeln wie „feige“ und „Entscheider“ auftauchen, schlägt mein persönliches Jetzt-Flucht-planen-o-Meter schon ziemlich deutlich aus.
Zitiert in: 75 Jahre ohne Militär: Costa Rica Antisprache: Verschwörungstheorie Aus der Geschichte lernen: Chios