Tag Bahn

  • Ach Bahn, Teil 16: Rekursion in der Praxis

    Ein Ausschnitt aus dem Stichwortverzeichnis eines englischsprachigen Buches, Seite 269.  Unter dem Stichwort „recursion“ findet sich die Seite 269.

    14.83% aller Nerd-Witze drehen sich um Rekursion. Der im Bild oben kommt von den Großmeistern Brian Kernigan und Dennis Ritchie, die eine knappe Erklärung von Rekursion im Stichvortverzeichnis des Klassikers The C Programming Language (2. Auflage) untergebracht haben.

    Bei etwas, das Verwunderung und Verwirrung stiften kann, will die Bahn natürlich nicht Beiseite stehen. Vor ein paar Tagen hatte ich mich ja schlecht gelaunt gezeigt darüber, dass die armen Seelen, die die Bahn-Kontaktmail betreuen müssen, statt auf die Anliegen einzugehen, auch nach anderthalb Monaten lediglich grob im Bedeutungsfeld liegende Textbausteine zusammenklicken.

    Die Bahn hat, praktisch in Rekordzeit, mit dem hier geantwortet:

    -webkit-box-shadow: 0px 4px 8px #828282; /*webkit browser */-moz-box-shadow: 0px 4px 8px #828282; /*firefox */box-shadow: 0px 4px […die gewohnten gut 2kB CSS…] berschrift7-H{font-family:Arial;color:#000000;font-size:10pt;} .NormaleTabelle-C{vertical-align:top;} Ihre Nachricht vom: 29. Januar 2024Unser Zeichen: 1-17XXXXXXXXXX Hallo Herr [immerhin richtiger Name], vielen Dank für Ihre E-Mail.Sie bemängeln, dass wir in unserem Antwortschreiben nicht individuell auf Ihr Anliegen eingehen, sondern dieses mit Textbausteinen beantworten. Bitte sehen Sie dies nicht als Herabsetzung Ihrer Person. Die Deutsche Bahn befördert pro Tag ca. 4 Millionen Reisende und es erreichen den Kundendialog pro Woche eine Vielzahl von Anfragen, Anregungen und Kritik zu den verschiedensten Themen. Vor diesem Hintergrund bitten wir um Verständnis, dass wir - wie es bei jedem Großunternehmen üblich ist - auf Textbausteine zurückgreifen, um Verzögerungen bei der Beantwortung zu vermeiden. Ihre Kritik haben wir zur Information den verantwortlichen Fachbereichen zur internen Auswertung zur Verfügung gestellt. Mit freundlichen Grüßen Ihr Kundendialog DB Fernverkehr AG Ihre Meinung ist uns wichtig. Bitte bewerten Sie Ihren heutigen Kontakt zu unserem Service. Wir freuen uns über Ihre Teilnahme an unserer Kundenzufriedenheitsbefragung.P.S.: Für Ihre Anregungen, Lob und Kritik sind wir jederzeit gern unter 030 2970 für Sie da. Sie erreichen uns rund um die Uhr mit dem Stichwort Kundendialog im Hauptmenü.

    Wenn ich mich jetzt wieder über Textbausteine beklagen würde, müssten – Nerd humour alert – wir hoffen, dass wir beide Tail Call Elimination vornehmen. Wie ein Stack-Überlauf in der wirklichen Welt aussieht, will ich ja lieber nicht sehen.

  • Ach, Bahn, Teil 15: Privatsphäre ist teuer

    Dass „Digitalisierung“ Antisprache ist, also etwas, das mit ordentlicher Sprache zusammen zu Quatsch zerstrahlt, habe ich schon vor geraumer Zeit behauptet. Ein schöner Beleg dazu war neulich im Bahn-Reisezentrum in Hamburg-Altona zu bewundern:

    Ein Plakataufsteller auf einem gefliesten Boden: „Jetzt wird's digital! Für die Buchung Ihres Digitalen Tickets benötigen wir Ihren Vor- und Zunamen sowie Ihre E-Mail-Adresse“.

    Die Bahn verlangt jetzt also Name und gar noch eine Mail-Adresse von Menschen, die vergünstigte Tickets kaufen wollen. Was mit Menschen passiert, die keine Mailadresse haben: Wer weiß?

    So oder so ist das ein ziemlich dreister Übergriff auf die Privatsphäre der weniger betuchten KundInnen der Bahn. Es macht den Buchungsprozess komplizierter und hat für die Betroffenen ganz offensichtlich nicht den Hauch eines Vorteils. Die Bahn will hier vermutlich irgendwelche windigen Geschäfte mit ihren fiesen Spezialtickets[1] verhindern (oder was könnten sie sonst für einen Grund für diese Masche haben?), will aber aus nicht ganz einsichtigen Gründen nicht zugeben, dass sie damit allen das Leben schwer macht.

    Stattdessen versucht die Bahn, das Offensichtliche durch Antisprache wegzuquatschen: „Optimal weil digital“. Was für ein platter Versuch, die KundInnen für dumm zu verkaufen. Zum Fremdschämen. Wer, frage ich mich, soll auf diese Fadenscheinigkeit hereinfallen?

    Update: Definiere Digitalisierung

    Aber es gibt nichts, das nicht auch Vorteile hätte: Ich habe einen Neuzugang in meiner Hitliste „Definiere Digitalisierung“, die ich vor einem guten Jahr angefangen habe. Der aktuelle Stand:

    1. Digitalisierung ist, wenn alles außer Werbung und Ausforschung kaputt ist.
    2. Digitalisierung ist, wenn du deinen Namen und deine Mailadresse abgeben musst.
    3. Digitalisierung ist, wenn du es aus- und wiedereinschalten musst.
    4. Digitalisierung ist, wenn Menschen, die keinen Bock drauf haben, Computer verwenden müssen.

    Echter Fortschritt: fahrscheinloses Reisen

    Ach ja… Es gehört ja vielleicht nicht direkt hierher, aber weil die Bahn schon mal derart ehrlich vorlegt: Wenn „papierloses Reisen“ ein so großer Wert ist, dass er die Aufgabe von Privatsphäre rechtfertigt… Ja, wie ist das dann mit „Reisen ohne die fetten Geräte unter der Verwaltung von Google bzw. Apple“? Wäre nicht noch viel besser: „fahrscheinloses Reisen“?

    Jaja, das mag vielleicht jetzt gerade etwas radikal klingen, aber das galt bis vor ein paar Jahren auch für fahrscheinlosen Nahverkehr. Inzwischen aber ist das kein großer Aufreger mehr. Neulich zum Beispiel bin ich in Tucson eine ganze Woche lang ohne Ticket durch die Sonne von Arizona getuckert:

    Text in einer Art Wolkenform auf Betonboden: „Fares are currently free / suntran.com“ und das nochmal in Spanisch.

    Ja, klar, da steht noch „currently“, und vielleicht wickeln sie ihr Umsonst-Fahrprogramm ja nochmal ab. Aber erstens geht es eben doch, zweitens wäre sowas ein rundrum viel besseres „Produkterlebnis” (oh Mann!), und drittens eine geeignetere Maßnahme gegen Ticket-Schwarzhandel als Übergriffe auf die Daten der KundInnen.

    [1]Fies, weil die Tickets mit Zugbindung bewirken, dass arme Leute in den Randstunden fahren müssen, während die Reichen fahren dürfen, wann sie wollen. Auch hier war der schlanke, effiziente Beamtenapparat von früher deutlich besser: Es gab einen Einheitspreis (von Bonzenschleudern wie dem Rheingold mal abgesehen). Das war übrigens nicht nur gerechter, es hat auch von vorneherein den Ticket-Schwarzhandel verhindert, den die Bahn hier vermutlich auf dem Rücken der ärmeren KundInnen bekämpfen will.
  • Ach Bahn, Teil 14: „HalloDummy ABC-Dummy“

    Eine rote Scheckkarte im Gegenlicht.  Ein Magnetstreifen ist sichtbar, ein Schriftzug „Bahncard 50“, aber nichts, was elektronisch aussieht.

    Eine 2023er-Bahncard im Gegenlicht: Das ist wirklich nur Plastik (und ein Magnetstreifen) und mithin vom Fußabdruck her kaum mehr als 10g CO₂e. Klar wäre fahrscheinlos noch besser, aber „digital“ gehts jedenfalls nicht emissionsärmer.

    Die neueste Templating-Katastrophe der Bahn

    Ich bin ja seit langem faszinierter Beobachter der Templating-Katastrophen der Deutschen Bahn. Stellt euch also meine Begeisterung vor, als heute auf eine Anfrage an kundendialog@bahn.de (ja, das gibts, auch wenn die Bahn das in ihren Kontaktangeboten gut tarnt) eine ganz neue, ich möchte fast sagen freche Variante hinzukam:

    X-Mailer: Siebel 23.10.0.0 SIA [2023_10]

    Vorgangsnummer: 1-1719.....

    HalloDummy ABC-Dummy,

    vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir werden uns schnellstmöglich mit Ihnen in Verbindung setzen und Ihre Anfrage gerne beantworten.

    Aufgrund eines ungewoehnlich hohen Mailaufkommens lassen sich derzeit jedoch laengere Wartezeiten nicht vermeiden.

    Bitte haben Sie noch ein wenig Geduld und sehen Sie von weiteren Nachfragen zum Bearbeitungsstand ab. Wir informieren Sie, sobald Ihr Anliegen bearbeitet wurde.

    Bitte antworten Sie nicht auf diese E-Mail, da dies eine automatisch erstellte Eingangsbestätigung Ihrer Anfrage ist.

    (whitespace ist normalisiert)

    Ganz falsch ist das nicht: Wer sich an den Bahn-Support wendet, wird dort zumindest wie ein ABC-Dummy behandelt, das kann ich nach meinen bisherigen Erfahrungen (cf. den Bahn-Tag) mit Bestimmtheit behaupten.

    Gut gefällt mir auch die Kombi von “schnellstmöglich“ (mit Umlaut) und ungewoehnlich (7-bit-sauber), und weiter ist ein Vergleich aufschlussreich mit einer kurzfristig deutlich weniger katastrophalen Template-Antwort von vor einem Jahr (4.12.2022), die so anfing:

    X-Mailer: Siebel 22.5.0.0 SIA [2022_05]

    Vorgangsnummer: 1-157...

    Sehr geehrter Herr <richtiger Name>,

    vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir werden uns schnellstmöglich mit Ihnen in Verbindung setzen und Ihre Anfrage gerne beantworten. Aufgrund eines ungewoehnlich hohen Mailaufkommens lassen sich derzeit jedoch laengere Wartezeiten nicht vermeiden.

    Der Siebel-Mailer hat also einen Versionssprung gemacht (oder eher: ist ein Jahr älter geworden), irgendwer hat Leerzeilen eingefügt; dass, wenn etwas über mindestens ein Jahr besteht, es ganz bestimmt nicht mehr „ungewoehnlich“ ist, ist dabei nicht aufgefallen, und auch nicht die Mischung aus echten Umlauten und Umschreibungen.

    Bahncard-Sabotage

    In der Mail, auf die hin die ABC-Dummy-Antwort kam, ging es übrigens um Pläne, über die ich bei Heise gestolpert bin. Offenbar überlegt die Bahn, nun auch noch mit dem Mittel der Bahncard den Menschen ihre grässliche Navigator-App überzuhelfen. Das ist keine schöne Aussicht für mich, nachdem ich schon mit dem 49-Euro-Ticket endlos Zeit mit dem Quatsch verschwenden musste – und dabei vielleicht immer noch Ärger mit Schaffnern hätte bekommen können (vgl. 49-Euro-Ticket im freiheitsfoo-Wiki).

    Eine alternative Interpretation zum gewaltsamen App-Überhelfen wäre, dass die Bahn die Bahncard killen will; diese Vermutung scheint auch plausibel, weil bei den aktuellen Buchungsformular-Experimenten der Bahn auch mal Prototypen dabei waren, die zur Einstellung einer Bahncard 50 sieben Klicks verlangten. Im heutigen Prototypen zähle ich noch vier, aber eigentlich frage ich mich schon lange, warum sich das Interface die letzten Fahrtziele, aber nicht den Bahncard-Besitz merken kann.

    Tatsächlich hat mich die Frage nach den Motiven der Bahn schon heute morgen bewegt, und so habe ich ein wenig in der Forumsdiskussion rumgeklickt. Auf plausible Thesen jenseits von surveillance capitalism bin ich nicht gestoßen, aber doch auf diesen Beitrag von elknipso. Ich fand ihn – ganz vorne das hier:

    Smartphones sind absoluter Standard, man kann nicht bei allem auf den letzten Fortschrittsverweigerer Rücksicht nehmen.

    (und seine Followups des gleichen Autors) – in seiner Ignoranz, Vermessen- und Verwirrtheit wirklich sehr bemerkenswert.

    Unklare Motivationslagen

    Ich könnte elknipsos Haltung, eigenes Verhalten als allgemeine Maxime zu setzen, ja vielleicht noch nachvollziehen, wenn erkennbar wäre, welchen Nutzen er von einer App-Bahncard hätte. Aber er hat, soweit ich das erkennen kann, darüber keinen Moment nachgedacht. Die Frage, ob das, was da vorgeschlagen wird, überhaupt einen Nutzen hat, und wenn ja, ob dieser Nutzen in einem irgendwie angemessenem Verhältnis zu den Kosten steht, diese Frage stellt sich ihm ganz offenbar im Zusammenhang mit einem ferngewarteten Programm („App“) gar nicht.

    Sehen wir doch kurz nach: Auf der Nutzenseite ist eigentlich nur die Plastikersparnis erkennbar, und würde die Bahn einfach QR-Codes ausstellen und den Leuten selbst überlassen, wie sie die herzeigen wollen, könnte ich das gelten lassen. Allerdings ist eine Einsparung von vielleicht 10g CO₂e[1] wirklich nicht der Rede wert in einem Geschäft, in dem der Kilometer IC-Reise in der Größenordnung von 100g liegt und zumindest eine Bahncard 50 erst ab deutlich über 1000 Kilometern irgendwie lohnend wird.

    Im Gegensatz dazu ist der Plan der Bahn soweit ersichtlich, wie beim 49-Euro-Ticket die QR-Codes so gut es geht in den erwähnten „DB Navigator“ einzusperren. Das sind dann 70 Megabyte Irrsinn und Tracking, die nur dazu dienen, ein Bild anzuzeigen. Na ja: das Decoding wird von der libpng des Hostsystems übernommen, und die Bildanzeige vermutlich auch von irgendwas, das nicht bei den 70 MB mitkommt; diese sind mithin nicht viel mehr als ein Symlink auf eine Bilddatei.

    Angsichts solch hemmungsloser Verschwendung im „Digitalen” über Ressourceneinsparung auch nur zu spekulieren, das ist bereits jenseits von absurd. Dennoch ganz geschwind hinterher: Eine Minute Telefon mit Netz (so lang fummelt mensch dann ja doch mit dem Mist) sind auch schon in der Größenordnung 50g CO₂e, und mit dem Fußabdruck des Telefons fangen wir mal lieber gar nicht an. Nein: Ökologischer als Plastikkarte geht jedenfalls nicht mit irgendwas, das elektrisch ist.

    Die neue Pflicht zum Rumfummeln

    Stattdessen wäre eine App-Bahncard für relevant viele Menschen (nämlich die, die zum Kontrollzeitpunkt gerade oder grundsätzlich kein „Smartphone“ in der Hand haben) ungleich viel mehr Gefummel gegenüber einer Karte, die mensch einfach aus dem Geldbeutel zieht. Elknipso könnte sich von den Effekten dieser Sorte digitaler Fummelei überzeugen an den Eingängen der DB-Lounges, wo seit dem App-Zwang die Schlangen trotz deutlich geschrumpfter NutzerInnenzahl viel länger gewoden sind.

    Wie kommt nur wer auf die Idee, öffentlich für einen so offensichtlich schlechten Deal zu sprechen? Das ist noch nicht mal dann zu erklären, wenn der Redner tatsächlich nicht begriffen haben sollte, dass auf einem „Smartphone“ jede Erwartung von Privatsphäre illusorisch ist – oder das dem Redner wurst ist: Hier ist kein Nutzen, und auch für Leute mit extern gemanagten Rechnern eigentlich nur Nerv.

    Unter diesem Vorzeichen erscheint die Rede vom „Fortschrittsverweigerer“ nochmal besonders verdreht. Es ist vielleicht nicht immer ganz einfach, genau zu bestimmen, in welcher Richtung genau das Fort ist, zu dem mensch gerne schreiten möchte. In diesem Fall aber würde doch niemand außer ganz radikalen Technophoben bestreiten, dass der Fortschritt 1976 war, als mit dem Apple II sich „normale“ Menschen erstmals EDV unabhängig von großen und zentralen Infrastrukturen hinstellen konnten.

    Der Rückschritt hing dann vielleicht weniger direkt an Apple. Aber die vollständig remote gemanagten und häufig wieder zu dummen Terminals degradierten Endgeräte vom iPhone-Typ, die ab 2007 die breite Mehrheit der Nutzenden wieder in die /360-Welt – nur halt etwas bunter und wackliger – zurückkatapultierten: Das war unbestreitbar ein Rollback in eine Sorte EDV, die in den 1990er Jahren für ein paar Momente lang überwunden schien.

    Ich kenne elknipsos Motivationslage nicht und finde auch keine Hypothese, die erklären könnte, warum er wohl mit so einem Rant an die Öffentlichkeit ging. Doch ist seine Position ein Musterbeispiel für das, was ich in Antisprache: Digitalisierung beschrieben habe: Dass etwas mit einem elektronischen Spielzeug geht (und möglichst auch nur genau mit diesem) ist durch Verknüpfung mit einem in der einen oder anderen Weise positiv besetzten Begriff magisch der rationalen Betrachtung von Zweck und Nutzen enthoben.

    Nachtrag (2024-01-29)

    Nach gerade mal anderthalb Monaten hat die Bahn mit mit ein paar zusammengeklickten Marketingfloskeln reagiert. Wie üblich war jede Menge CSS-Quatsch im Text, und auch die restlichen Floskeln verdienen keine weitere Erwähnung. Aber weil ich meine Anmerkungen so geistreich finde und weil ich zweifele, dass dass das bei der Bahn jemand mit etwas Aufmerksamkeit liest, dokumentiere ich meine Antwortmail auf die Antwortmail kurz mal hier:

    Liebe Mitarbeiter/in der Bahn,
    
    On Mon, Jan 29, 2024 at 03:00:10PM +0100, kundendialog@bahn.de wrote:
    > schätzen wir sehr und nehmen Ihre Kritik ernst. Der Trend in der
    > Gesellschaft geht seit Jahren klar in Richtung Digitalisierung.
    
    Wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, Feedback zu Ihren Vorgesetzten
    zu geben, sagen Sie Ihnen doch bitte:
    
      KundInnen schätzen keine zusammengeklickten hohlen Floskeln, wenn sie
      sich beschwert haben -- da ist in der Tat gar keine Antwort noch
      besser.  Ideal wäre es natürlich, wenn es ein Budget für Antworten
      gäbe, die wirklich auf die Anfragen eingehen.
    
    Und Digitalisierung heißt nun mal nicht, es den Menschen schwerer zu
    machen.  Dazu gehört für mich jedenfalls alles, was ich nicht auf
    meinem Rechner machen kann oder für das ich eine Android-Emulation
    brauche.  Dazu gehört doppelt alles, für das ich eine Apple- oder
    Google-Id oder Apps aus schattigen Raupkopier-Stores brauche, weil
    die Bahn es *noch nicht mal* hinbekommt, wenigstens f-droid zu
    bespielen.
    
    Das scheint mir bei den aktuellen Plänen erneut der Fall zu sein.
    Wie kompliziert kann es sein, einen Barcode über eine Webseite
    auszuliefern?
    
    > BahnCard-Kundschaft – altersübergreifend – genutzt. Mit ihr
    > profitieren Reisende von vereinfachten Prozessen. So ist die
    
    Nein, die *Bahn* profitiert *vielleicht* von vereinfachten Prozessen.
    Die KundInnen hingegen müssen eine metrische Tonne Daten an Google,
    Apple, die Bahn …
  • Boston-Tuscon on Amtrak: Day 4

    The train has reached finally reached Texas as I had imagined it:

    Bluffs with remarkably ground-parallel layers behind a plane full of hardy shrubs.

    …and, for better or worse, we are arriving.

  • Boston-Tucson on Amtrak: Day 3

    I'm comparing Amtrack with the Bavarian Außerfernbahn and Dallas, Texas with Annweiler in the Palatinate mountains while moving south through long train country:

    A few freight cars in a curve, one has a Union Pacific logo on it and a claim “Bulding A…”
  • Boston-Tucson on Amtrak: Day 2

    I transfer to the Texas Eagle in Chicago, IL, and cannot decide whether I am in Blues Brothers or in the song about the City of New Orleans:

    A glum image in grey: aging concrete and steel, vapours in the air.
  • A DB User on Amtrak: Boston to Chicago

    A few cars of a train in corrugated-alumnium look with a blue stripe connecting the windows.

    My carriage of the Lake Shore Limited train from Boston to Chicago.

    To at least make good use of the all the pollution I caused with my recent transatlantic flight, I'm combining business in Cambridge, MA with business in Tucson, AZ. And to avoid further flight shame, I am doing the intra-US leg of the journey by train, that is, Amtrak. Now that I have managed to get into the train from Boston to Chicago (advertised when booking as Lake Shore Limited, though that name doesn't come up often on the train or in on-board announcements), I plan to write a bit of a travelogue as I go.

    Departing in Anguish (13:40)

    I'm seeing all this through the eyes of a regular if unhappy user of Deutsche Bahn (DB; cf. the Bahn tag on this blog if you can read German). Thus, I immediately felt at home when the train was delayed at Boston's South Station, except things were quite a bit more nerve-wrecking here.

    You see, riding on the DB I'm used to knowing in advance on which track a train will depart. DB tells you that in the schedules they thankfully still post in the stations. Of course, they occasionally lie about which platform a delayed train will end up being redirected to, but still: It feels reassuring when one stands on a platform and can be reasonably sure that if and when the train departs (usually delayed, of course), you cannot miss it.

    A screen showing departures to Chicago, Needham Heights, Worcester, track all TBD.  That's at 12:37, where the next trains depart 12:50.

    Not so over here. The displays say “track TBD“ until something like five minutes before departure. Well, five minutes before the scheduled departure of my train the display changed to “12:50 South Station Delayed“ – no word of Chicago any more. I'd certainly have panicked had I not closely watched the displays, even more so because had I missed that train, I'd probably have reached Tucson with a delay of two days given how sparse the connections are.

    Someone must have noticed that something was awry on the display, because it changed again a short while later, to “12:50 Back Bay Delayed“. Back Bay, in case you've not been to Boston before, is a rather posh part of the city itself. Well… at least the departure time still matched the actual train. But then some indication of what order of magnitude of delay to expect be would have helped soothe my anxiety a bit.

    After five minutes of anguish the confusing line on the display eventually showed a “Track 2” instead of “Delayed“, I rushed there, and at the remote end of the platform (the South Station is a railhead), a surprisingly short train – three or four coaches – was ready for boarding. Whoa.

    Legroom Galore

    I was somewhat concerned things might become tight because the ticket selling machine in Boston claimed the train was 80% full. Well – at least for now it's not; perhaps 50% of the seats are taken. Instead, there's a (by DB standards) surprising amount of legroom:

    Seats of a train carriage, where the distance to the next row is of the order of airline first class.

    And now we're going roughly westwards, though a land of woods, lakes, and parking lots. We've just passed Worchester. And I halfway feel like I'm in Once Upon a Time in the West every time the engine hoots. It does this quite a lot here in central Massachusetts with its relatively tightly-knit road network.

    The First Hours (16:30, 42.4N 73.1W)

    We are still crossing Western Massachusetts, where you get to see, as I said, lots of trees and lakes:

    A lake with trees in (mild) autum colour behind it in warm-ish sunlight.  In the foreground a few motion-blurred structures.

    Meanwhile, before we entered Springfield, MA, a conductor walked through all the cars and called out the station. This felt oddly anachronistic, in particular because there were two additional announcement on the loudspeaker about only certain doors being available. But I still liked it. You see, it made me feel I could have asked a question, perhaps on a connecting train, if I had needed that. Granted, you couldn't do this sort of personalised service on a DB train with its (usually) much more frequent stops, and it certainly helps that this train has just three cars.

    In Springfield, I also got a first taste of the disappearing railroad blues (as extolled in the 1972 song City of New Orleans):

    A rusty steel pergola

    I'm rather sure this used to be a platform, and there once was a roof on top of the upper beams. Ah well – how many trains will there stop in Springfield? I think it's already outside of the area served by the MBTA communter rail and then… I'd expect that to be a very lonely station.

    A Break at Albany, NY (18:30)

    Now, that's a variation on train travel I've not yet seen anywhere else: The train has just stopped in Albany, NY – for a bit more than an hour. Almost everyone left the train. That's probably a rational behaviour since Amtrak subsequently cut power and even the toilets won't work any more. At least there are some emergency lights in the cars.

    Nachtrag (2023-11-03)

    Well – the power loss is a fairly compelling consequence of changing the engine, which this stop partly was about (see below). So, I should probably tone down the “cut” here. It's more that the power source was gone given HEP. Later on, however, my impression was that they're locking the toilets during stops at the station anyway. I'm not sure why they would do that, though, as in contrast to the Transsiberian (where they lock the Toilets like 5 minutes before entering a station), the Amfleet cars have closed wastewater systems (or so the Wikipedia claims).

    The idea might be that people grab something to eat in the station hall; this mode of nourishment is popular on the Transsiberian, where they stop for about 30 minutes every 1000 kilometers or so to swap locomotives, and at least the locals get off and buy all kinds of stuff in little shops set up on the platforms. I frankly had not expected something remotely similar in the US.

    On the other hand, the station hall in Albany has absolutely nothing in common with the dingy platforms of the stations along the Transsiberian. Actually, it is more reminiscent of an airline terminal than of what you would expect knowing DB stations:

    A high room with a marble floor and ads suspended from the ceiling

    Only… there's just one cafe-and-convenience place in there, which didn't really appeal to me. That's the food option. Hm. I suppose if I wrote a user manual for Amtrak, I'd research reasonable food places that will feed you so that you are back in the train within one hour. On the other hand, I think the first car of our train is a dinining car; it's locked at the moment, but perhaps it will open later?

    Right now there has been a bump at the train's end – who knows, perhaps they were just waiting for another part of the train to join us?

    Back and Forth (19:05)

    Hu? They said the train would leave at 19:04 (of course, 7:04 pm), and then suddenly the thing started moving at 18:58, which made the (few) people in the car seriously doubt whether they were on the right train. And even though I had been on that train since Boston and they had promised it would go to Chicago, I started to worry, too.

    Then, after a few hundred meters, the train stopped and went back into the station. Um… exciting. There's clearly some serious shunting going on. That's something familiar for DB users: Mildly scary things happen and nobody tells you what's going on.

    A minute later: another fairly violent bump. So – are we longer now? And shouldn't we be already be out of Albany for, what, four minutes now? Ah, in all fairness: someone from Amtrak just came into the (still dark) car and explained that something is „a little bit… delayed“. I feel almost at home.

    Nachtrag (2023-11-03)

    Over the next day I figured out what was going on: The Lake Shore Limited actually has two branches, the main one – including the sleeper cars – coming in from New York City. That's why the train was so short in Boston and until Albany, NY. There, the Boston branch was waiting for the New York part to come in. When it was there, the two parts were merged and then continued on together to Chicago. They probably even said as much in some announcement, but… well, another communality between DB and Amtrak is that the only announcements you can clearly understand are the ones you don't need.

    The one thing I still have not worked out: why did the train have four (4!) engines in front of it when it arrived in Chicago?

    Wifi and Emptyness (20:30)

    Another thing feels as if I were in a DB train …

  • Vom Verlust des schlanken, effizienten Beamtenapparats

    Verwitterte Pfosten, ein verwittertes Sportfeld, ein verwitterter Unterstand mit einem alten Autoreifen davor, alles überzogen von rotem Staub.

    Bahnprivatisierung nicht als Symbolbild: So sah es 2015 in Cook, Southern Australia aus. Verfallen ist das Nest in der Nullarborebene, weil der Staat die Eisenbahn aufgegeben hat. Gut: vielleicht wäre es auch verfallen, wenn noch was anderes als Tourizüge fahren würde, weil die wartungsaufwändigeren Dampfloks verschwunden sind. Das Bild ist trotzdem eine gute Illustration des Konzepts „Privatisierung“.

    Heute stand in einem (offenbar noch nicht anderweitig veröffentlichen) Mailing des Bündnisses Bahn für Alle folgende bedenkenswerte Passage:

    Bundesbahn und Reichsbahn hatten von 30 Jahren zusammen 6.000 Bahndirektoren, bei insgesamt fast doppelt so vielen Beschäftigten wie heute. Aktuell haben wir 20.000 Bahnmanager, die im Durchschnitt geschätzt pro Kopf 100.000 Euro im Jahr kosten. […] Macht zusammen allein zwei Milliarden Euro jedes Jahr.

    Ich würde auch in diesem Fall nicht viel auf die konkreten Zahlen geben; die Flügel'sche Regel: „Wenn du genug weißt, um Metriken richtig zu interpretieren, brauchst du die Metriken nicht mehr“ gilt sicher auch hier, wo schon mal unklar ist, ob „Direktor“ bei der Bundesbahn irgendwas mit einem modernen „Manager“ zu tun hatte.

    Weiter wäre zu prüfen, ob nicht auch die alten DirektorInnen wie ihre modernen NachfolgerInnen in der Mehrheit für den Bahnbetrieb eher schädlich als nützlich gewesen sein werden. Und kommen zu den 20'000 hier berichteten ManagerInnen noch welche von all den anderen Unternehmen, die die öffentliche Hand für den Betrieb des ÖPNV bezahlt? Oder sind die schon drin?

    Auf all das kommt es jedoch gar nicht so sehr an, denn qualitativ ist sicher, dass durch Maßnahmen im weiteren Privatisierungsbereich eigentlich immer eine im Vergleich schlanke und billige öffentliche Verwaltung ersetzt wird durch einen Apparat von GeschäftsführerInnen, JustiziarInnen und ihren Stäben, die sich mit komplizierten Firmengeflechten beschäftigen („S-Bahn Rhein-Neckar“ vs. „DB Regio Oberbayern“ vs. „DB Station und Service“), deren Zweck wiederum selten übers Steuersparen, Lohndrücken und Aushebeln von Betriebsratsrechten hinausgeht. Reporting, Compliance und Investor Relationships beschäftigen weitere Menschen, die sich durch die höhere Handelsschule (Mikro und Makro) gekämpft haben. Na gut: immerhin die Investor Relationships haben sie bei der Deutschen Bahn inzwischen hoffentlich wieder rückgebaut.

    Nachtrag (2023-10-17)

    Als ich letztes Wochenende in Bad Friedrichshall aus einem überfüllten Zug in einen etwa genauso überfüllten anderen Zug umgestiegen bin, ist mir zum Thema bizarre Sub-Subunternehmen der Deutschen Bahn noch das hier untergekommen:

    Eine rostfarbene Strebe eines Güterwagens mit aufgesprühten weißen Buchstaben „DB Schenker Rail Automotive GmbH [...] Mail: dispo@dbschenker-atg.com“

    Der Twist an der Sache:

    $ dig +short dbschenker-atg.com
    $
    

    Mit anderen Worten: die merkwürdige „Automotive“ GmbH, die da irgendwer mit viel juristischer Beratung hat gründen lassen, ist schon so lange tot, dass nicht mal mehr wer die Domain anmeldet, auf die das längst für irgendeine andere Briefkastenfirma rollende Material noch verweist.

    Da wundert mich eigentlich auch nicht mehr, dass die Wayback-Maschine für eine hypothetisch zum Unternehmen gehörende Webseite nur einmal ein Signal hatte. Im Juni 2019 war da: „Hier entsteht in Kürze eine neue Internetpräsenz.“ Mergers and Aquisitions im Endstadium.

    Nachtrag (2023-10-22)

    Und gleich noch ein DB-Subunternehmen, für dessen Existenz ich mir keine gutartige Erklärung vorstellen kann: DB Training („Ihr Anbieter im Bereich Corporate Learning & Development“). Allerdings: Das Impressum der Webseite redet nur von der Deutschen Bahn AG. Vielleicht tut das Ding ja nur so, als sei es ein eigenes Unternehmen und ist in Wahrheit „nur“ eine Abteilung (wie es ja auch nur vernünftig wäre)? Potjomkinsche Unternehmen als Verneigung vor dem immer noch herrschenden Zeitgeist?

    Wer weiß? Gehört habe ich von der… nun, Entietät jedenfalls in einem mich ebenfalls zum intensiven Kopfschütteln anregenden Hintergrund Politik im Deutschlandfunk, nämlich dem vom 9.10.2023, „Wie die Schiene gemeinwohlorientiert werden soll“. Hauptgrund des Kopfschüttelns: Zwar zählt der Beitrag durchaus zutreffend ein paar der Kritikpunkte an der Bahnprivatisierung seit den 1990ern (jenseits der mutwilligen Zerstörung eines vergleichsweise effizienten BeamtInnenapparats) auf – aber er fragt weder, warum diese Kritik nur für die Schienen und nicht auch für den Verkehr darauf gelten soll, noch fragt er, wozu mensch wohl den ganzen Unternehmensfirlefanz braucht, wenn das doch ohnehin „gemeinwohlorientiert“ sein soll.

    Vor allem aber stellt er nicht all den Dampfplauderern, die im Beitrag streiten, ob die „Infrastrukturgesellschaft“ der DB gehören soll oder sonstwem anders, die an sich naheliegende Frage: „Wir hatten doch schon mal eine doch ganz gut funktionierende Bahn. Sollten wir für den Anfang nicht erstmal dahin zurückgehen, wo wir offensichtlich falsch abgebogen sind und dann von dort sehen, wo ein besserer Weg langführt?“

    Mithin ist praktisch unvermeidlich, dass bei einer Privatisierung das Verhältnis von denen, die nützliche Arbeit tun (Züge warten, Verspätungsdurchsagen machen) zu denen, die diese nützliche Arbeit verwalten („Management”) schrumpfen wird. Das Ergebnis ist vielerorts sichtbar: die kaputte Bahn, die teueren, verrottenden ex-Sozialwohnungen, ein Geschäftsgebaren von Telefonunternehmen, das von offenem Betrug nur mit Mühe zu unterscheiden ist – und Systemlotto dort, wo einst ein Postamt war. Oh, na gut; manche Orte (hier: Dossenheim) haben im Vergleich auch Glück gehabt:

    An einer Arkade eines 70er-Jahre-Baus hängt ein Schild „Postfiliale und Restpostenshop“, davor ein Gelber Postkasten.

    Unverständlich bei all dem ist nur: Wie kommt das Major Consensus Narrative[1] eigentlich mit der Vorannahme durch, mit Privatisierungen und Wettbewerb gingen „Effizienzgewinne“ einher? Klar, Privatisierung führt in der Regel zu zum Teil drastischer Lohndrückerei, aber selbst wenn mensch die sozialen Kosten dieser Lohndrückerei externalisiert, dürfte das Reibungsverluste in der eingangs zitierten Größenordnung kaum ausgleichen können.

    Leider sorgen all die Management-Jobs umgekehrt für eine weitgehende Unumkehrbarkeit der Privatisierungen außerhalb von katastrophalen Ereignissen: Zu viele gut bezahlte Jobs als Frühstücksdirektor oder Chief Information Officer der Privatbahn Hintertupfing AG würden verschwinden. Die Leute, die jetzt darauf sitzen, haben ein fast schon existenzielles Interesse daran, dass eine Rückkehr zu einer schlanken, tarifgebundenen öffentlichen Verwaltung nicht passiert.

    Nun: Ein Grund mehr fürs bedingungslose und nicht ehrenrührige Grundeinkommen.

    [1]Das ist schöne postmoderne Diktion für die weitgehend unhinterfragten Vorannahmen, von denen aus alles argumentiert, was, na ja, sagen wir Regierungsfähigkeit behauptet oder ernsthaft Auflage haben will.
  • Wenn die Barbarei im Wortsinn vor der Haustür liegt

    Ausschnitt eines Faksimiles eines kursiv getippten Briefs vom 30.6.1942: „Wir bitten um Zuweisung von (60) 100 Ostarbeiter(n), die als Gleisarbeiter […] bei […] der OEG eingesetzt werden sollen.“

    In der Ausstellung des Mannheimer Stadtarchivs zeigt sich die Banalität des Bösen fast vor meiner Haustür, denn die Gleise der Stadtbahn durch Dossenheim könnten auch von ZwangsarbeiterInnen verlegt worden sein.

    Am letzten Wochenende war ich mit meinem Museumspass im Mannheimer Stadtarchiv, seit einigen Jahren Marchivum genannt. Vorneweg will ich gleich Werbung machen: Geht da hin, wenn ihr mal in der Gegend seid. Zumindest als wir dort waren, war es nämlich dramatisch zu leer für diese erkennbar mit viel Herzblut geschaffene Ausstellung, in der viel über die Stadt und ihre Geschichte zu lernen ist, und das meistens in zumindest interessanter, manchmal sogar wirklich guter Aufarbeitung.

    Das sage ich, obwohl es mir viel zu kalt war. Aber schön, das Marchivum ist in einem alten Hochbunker untergebracht, was selbst Anlass ist für eine Art Ausstellungsstück: Nach einer Passage durch einen engen Gang kann mensch in einem Film sehen, wie Menschen dort noch bis 1966 hausten. Es mag sein, dass so ein Bunker wirklich schwer zu heizen ist, und immerhin ist es in den Räumen etwas wärmer als die lokale Jahresdurchschnittstemperatur von 10.5° C.

    Ich empfehle den Besuch zudem, obwohl ich nicht überzeugt bin, dass die geschätzt 50 Beamer und nach Hunderten zählenden Monitore wirklich alle ein museumspädagogischer Gewinn sind. Gerade aber in der Dauerausstellung „Was hat das mit mir zu tun?“, die sich mit dem Mannheim unter der Herrschaft der NSDAP beschäftigt, erlauben die zahlreichen Touchscreens, eine Fülle von Archivalien auszustellen und zu kommentieren, die in konventionellerer Präsentation jeden Rahmen und wahrscheinlich auch die Aufmerksamkeitsspannen der meisten BesucherInnen sprengen würden. So, wie es ist, habe ich (außer an meinem Wärmeempfinden) nicht gemerkt, dass ich fünf Stunden im Marchivum verbracht habe.

    Die OEG

    Zu den für mich besonders eindringlichen Exponaten gehört das Schreiben im Eröffnungsbild, in dem Mitarbeiter der Stadt Mannheim „Ostarbeiter“, also vor allem in der Sowjetunion oder Polen ausgehobene ZwangsarbeiterInnen, anfordern, die dann Schienen der OEG auszubessern oder zu verlegen hatten.

    Die OEG wiederum, die Oberrheinische Eisenbahn-Gesellschaft, hat bis 2010 die Schmalspurbahn betrieben, die Heidelberg, Weinheim und Mannheim ringförmig miteinander verbindet; inzwischen ist das die RNV-Linie 5. Ein im Mannheimer Landesmuseum für Arbeit und Technik (heute Technoseum) ausgestelltes Plakat gibt einen Einblick in deren heiterere Aspekte (ich glaube aus den 1950er Jahren):

    Ein buntes Plakat mit Kirschblüte und Burgen: „Auch in diesem Frühling und Sommer wieder die beliebten, billigen OEG-Fahrten von Mannheim an die herrliche Bergstrasse!“

    In dieser Zeit dienten die OEG-Gleise auch dazu, den Schotter aus den Steinbrüchen von Dossenheim abzutransportieren; daran erinnert hier noch der Straßenname „alte Gütertrasse“.

    In dem gruseligen Schreiben oben – offensichtlich hat noch irgendein Vorgesetzter gedacht, mensch solle gleich 100 statt nur 60 Leute zu Tode schinden – von diesem Bähnchen zu lesen, gibt jedenfalls für mich den Verbrechen unserer Großväter eine ganz eigene Gegenwart. Klar, das, was heute in meiner Nachbarschaft zu sehen ist –

    Zwei Schmalspur-Schienenstränge im Schotterbett.  Im Vordergrund ein Zweig eines Apfelbaums mit reifen Früchten, im Hintergrund eine Überlandstraße.

    – ist alles viel später gebaut worden; wenn ich die Markierungen auf den Schwellen richtig lese, dürften ganz normale Arbeitskräfte diese in den 1990er Jahren verlegt haben. Und dennoch: vor meiner Haustür wurden mit einiger Wahrscheinlichkeit ZwangsarbeiterInnen geschunden[1].

    Von furchtbaren Juristen und anderen Überlebenden

    Anzurechnen ist der Marchivum-Ausstellung, dass sie nicht nur über diese Opfer spricht, sondern sich auch der lange und zu guten Stücken immer noch von bangem Schweigen umhüllten Frage widmet, wer eigentlich vor Ort ZwangsarbeiterInnen angefordert, wer Menschen zur Deportation zusammengetrieben (beeindruckt haben mich die Fotos der Wagner-Bürckel-Aktion in Ludwigshafen), wer die ganze Nazi-Justiz betrieben hat.

    Ein Beispiel unter vielen für letzteres ist Wilhelm Mackert (noch ohne Wikipedia-Seite), der im NS-Sondergericht Mannheim zahlreiche Zwangssterilisierungen und zwei Justizmorde angeordnet hat – und in den fünfziger Jahren munter weiterurteilen durfte, bis er als stellvertretender Landgerichtspräsident in Pension ging. Dazu gibt es Kurzbiographien und Medien zu Nazigrößen mit besonderem Mannheim-Bezug, am drastischsten vielleicht der Alumnus des Mannheimer Karl-Friedrich-Elitegynmasiums, Rudolf Höß, von dem dieses Foto gezeigt wird:

    Familienfoto mit Mutter mit Baby am Arm und drei weiteren kleineren Kindern in der ersten Reihe, dahinter ein Mann in Uniform und neben ihn ein älterer Junge in etwas Uniformähnlichem.

    Die Rede von der Banalität des Bösen drängt sich wieder auf, wenn mensch erfährt, dass dieses Foto in der Kommandantenvilla des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau entstanden ist.

    Resignation verbreitet das Marchivum dennoch nicht; im Gegenteil, es erzählt durchaus Geschichten von Menschen, die zeigen, dass all die Führer, UnterführerInnen, HelferInnen und Gleichgültigen – die Ausstellung berichtet, dass 70% der Verfahren vorm Sondergericht Mannheim auf Denunziation zurückgingen – durchaus auch anders gekonnt hätten. „Man hat ja nichts machen können“ ist ein Mythos, und eine Station stellt ein paar der Widerständigen vor. Beeindruckt hat mich zum Beispiel August Fend (auch er hat leider noch keinen Wikipedia-Eintrag), Jahrgang 1906 und bis 1933 für die KPD im Mannheimer Bürgerausschuss. Klar, dass er 1934 bis 1936 in Naziknästen einsaß.

    1943 zog ihn die Regierung ins Strafbatallion 999 ein, in dem er zur Unterdrückung der Bevölkerung von Korfu beitragen sollte. Nicht faul, bildete er in der Wehrmachts-Werkstatt dort eine Widerstandsgruppe und arbeitete mit den griechischen PartisanInnen zusammen. Solche Handlungen verdienen Aufmerksamkeit, gerade weil Sabotage und Desertion derer, die die Gewalt für die Herrschenden ausüben (also ganz besonders SoldatInnen), zentral für Frieden, Fortschritt und Freiheit sind. Fend ist hier ein großes Vorbild – und er hat, wiederum im Widerspruch zum gängigen „Sie hätten einen ja gleich erschossen“-Narrativ, dennoch überlebt; er wurde immerhin 91 Jahre alt.

    Im Erdgeschoss

    Im Marchivum gibt es neben der Dauerausstellung im ersten Stock ein Erdgeschoss mit deutlich weniger düsteren Exponaten, die vor allem das moderne Mannheim illustrieren. So war mir zum Beispiel neu, dass es in der Stadt zur letzten Bundesgartenschau dort (1975) auch schon eine klasse Bahn gab, nämlich eine Schwebebahn nach Wuppertaler Vorbild. Die Stadtverwaltung hat diese nach dem Event abreißen lassen, so, wie das auch für die aktuelle, extra für die diesjährige Buga errichteten, Gondelbahn vorgesehen ist. Ich glaube, so ist das mit dem „aus der Geschichte lernen“ nicht gemeint.

    In diesem Sinne: Nehmt euch Zeit, wenn ihr das Marchivum besucht. Vergesst aber auf keinen Fall einen Wollpullover.

    [1]Tatsächlich ist die Schinderei ganz in der Nähe meiner Wohnung unabhängig von der OEG historisch sicher, denn zwei Häuser weiter befand sich ein anderes Lager für ZwangsarbeiterInnen, die vermutlich in der lokalen Schotterproduktion schuften mussten. Das jedoch war all die Jahre völlig vergessen. Erst in den letzten Jahren ist auf dem Gelände, das bis dahin weitgehend brachlag, eine neue Wohnanlage errichtet worden, und ich fürchte, dass die Baumaschinen vieles, was Licht auf die damaligen Verbrechen hätte werfen können, unwiederbringlich zerstört haben.
  • Das Verschwinden der Nacht in der Skulpturensammlung

    Eine Sternkarte von Pegasus und Andromeda, in der die Position des Andromeda-Nebels markiert ist.

    Für große Gefühle im September: Verpasst nicht, einen Blick auf den Andromedanebel zu werfen – es ist einfacher, als ihr vielleicht glaubt.

    Die Frankfurter Liebieghaus-Skulpturensammlung (Warnungen: Google Analytics, ohne Javascript kaputt, besonders bizarres Cookiebanner[1]) stellt Skulpturen aller Art aus. In diese Dauerausstellung ist derzeit in ziemlich origineller Weise eine Sonderausstellung mit dem farbigen Namen Maschinenraum der Götter eingeflochten. Diese will die Verbindung zwischen Kunst und Wissenschaft in etlichen Kulturen Eurasiens beleuchten. So kommt es, dass plötzlich Uhrmacherei aus dem goldenen Zeitalter des Islams vor stilistischen Erwägungen zu irgendwelchen christlich-atavistischen Pieta-Figuren diskutiert wird.

    Lobenswert finde ich auch das Bestreben, der irgendwie aus dem Zeitalter des Imperialismus in heutige Laienvorstellungen herübergeschwappten Erzählung entgegenzutreten, dass es Fortschritt grob im perkleischen Athen und bei uns seit der Renaissance gab, während ansonsten wegen römischer Dekadenz, finsterem Mittelalter und Nicht-Europa-Sein nicht viel los war. Allerdings lassen sich die KuratorInnen im antikolonialen Überschwang manchmal zu etwas kurzsichtigen Aussagen hinreißen, etwa, wenn sie über Keilschrifttäfelchen von ca. 2000 vdcE[2], die die Aussage des Satzes des Pythagoras enthalten (dürften) den entscheidenden Beitrag der griechischen Mathematik – die Idee des Beweises – unnötig kleinreden.

    Wenn Gründe wichtiger sind als Fehler

    Manchmal mag es auch nur etwas fachfremdes Sprachstolpern sein, beispielsweise beim an sich hinreißenden Modell des Riesensextanten in Ulug Begs Observatorium (kurz vor 1500 ndcE), wo es klingt, als sei dort die (Rate der) Änderung der Schiefe der Ekliptik bestimmt worden. Was Ulug Beg dazu gedacht hat, weiß ich nicht, aber wirklich bekannt ist die Samarkander Astronomie für die verblüffende Genauigkeit ihrer Bestimmung der Größe selbst. Das ganz zu recht: mit einem Detektor, der nur etwa 2 Bogenminuten auflösen kann (das menschliche Auge) eine Größe auf ein paar Bogensekunden genau zu bestimmen, ist bereits aufregend genug.

    Von solchen Kleinigkeiten hätte ich mich jedoch nicht an die Tastatur rufen lassen. Postwürdig fand ich erst die Beschriftung des Himmelglobus von ʿAbd ar-Raḥmān aṣ-Ṣūfī (im Westen – mir aber bisher auch nicht – eher als Azophi bekannt; wir sind jetzt ca. 950 ndcE), und zwar weniger wegen Fehlern als wegen der Gründe dieser Fehler:

    Ein fotografierter Text, in dem u.a. steht „die sogenannte Große Magellan'sche Wolke [...] und den Andromedanebel auf, zwei Galaxien des südlichen Sternenhimmels“

    Dass der_die KuratorIn den Andromedanebel auf den Südhimmel schiebt, ist ein Alarmzeichen für Menschen wie mich, die den Nachthimmel für ein schützenswertes Gut halten.

    Von einem dunklen Platz aus ist der Andromedanebel nämlich klar am Nordhimmel mit dem bloßen Auge zu sehen. Wer das Ding mal gesehen hat und vielleicht dazu erzählt bekam, dass die Photonen, die das Nebelfleckchen auf die Netzhaut zaubern, gut 2 Millionen Jahre unterwegs waren, dass es damit auch gleich das entfernteste Objekt ist, das Menschen ohne technische Unterstützung sehen können, wird den Andromedanebel, so bin ich überzeugt, nicht mehr vergessen. Wer ihn umgekehrt mit „sogenannt“ qualifiziert auf den Südhimmel packt, hat ihn wahrscheinlich noch nie im Himmelskontext gesehen.

    Das finde ich von der Naturbetrachtung her ebenso schade wie angesichts einer verpassten Chance, eine Kopfzahl auf der kosmischen Entfernungsleiter mitzubekommen: „Die nächste ordentlich große Galaxie ist 2.2 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße weg“.

    Der Lichtverschmutzung ein wenig entkommen

    Aber leider haben wir praktisch unseren gesamten Lebensraum so beleuchtet, dass vermutlich viele Menschen noch nicht mal die Milchstraße mit eigenen Augen gesehen haben, geschweige denn den viel unauffälligeren Andromedanebel. Nennt mich einen Naturwissenschafts-Chauvinisten, aber ich halte das für eine Bildungslücke von nachgerade Homer'schen Ausmaßen.

    Die gute Nachricht ist: schon mit einem winzigen Fernglas ist der Andromeda-Nebel demnächst wieder auch aus etwas dunkleren Stadtstandorten (ein Friedhof müsste reichen) zu sehen, wenn es mal etwas aufklart. Dazu habe ich mit dem großartigen Stellarium die Suchkarte oben gebastelt, die den Anblick Ende September gegen zehn Uhr (Sommerzeit) am Abend wiedergibt, wenn ihr grob nach Osten schaut. Das große Viereck des Pegasus könnt ihr am realen Himmel nicht übersehen, und wenn ihr das habt, ist der sich nach links erstreckende Anhang der Andromeda mit den paar nach oben strebenden Sternen nicht zu verfehlen (die Richtungen beziehen sich auf die Abendsichtbarkeit).

    Peilt mit eurem Fernglas den obersten Stern der aufstrebenden Sternkette an und sucht (bei höheren Vergrößerungen; bei niedriger Vergrößerung habt ihr den Nebel direkt im Blick) dann etwas rum. Der Andromeda-Nebel ist nicht zu übersehen. Wenn euch das noch nicht ergreift, dann macht euch nochmal klar, dass auf eurer Netzhaut gerade Photonen platzen, die das letzte Mal mit Materie interagiert haben, als der Homo Erectus sich gerade irgendwie aus dem Stammgestrüpp des Menschen herauswand.

    Wo ihr dann schon mit einem Fernglas unter dem Herbsthimmel draußen seid, haltet weiter Ausschau nach dem Perseus – das ist ein Sternbild, das ein wenig aussieht wie ein π. Darin befindet sich – leicht durch Absuchen in Streifen findbar – der wunderschöne Doppel-Sternhaufen h und χ Persei, der mit bloßem Auge schon bei nur schwacher Lichtverschmutzung sichtbar (ihr würdet indirekt blicken müssen) ist, im Fernglas aber auch innerorts klasse aussieht. Klar, kein bisschen so bunt wie das, was die Presseabteilungen von NASA und ESA unter die Leute bringen – aber in einer ganz eigenen Art vielleicht noch aufregender.

    Fehlende Daten aus dem Süden?

    Der dunkelheitsvergessene Text der Liebieg-KuratorInnen stand übrigens bei einem schimmernden Himmelsglobus, zu dem es weiter hieß: „Fuat Sezgin und dem Frankfurter Institut für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften ist der Nachbau des Himmelsglobus des ʿAbd ar-Raḥmān al-Ṣūfī gelungen.“ Ich würde auch da leise Zweifel anmelden: Das überlieferte Werk von al-Ṣūfī ist ein Himmelsatlas mit flach projizierten Karten, und eine oberflächliche Recherche hat nichts von einem Globus aus seinem Umfeld erbracht, der hätte „nachgebaut“ werden können. Und wenn er wirklich einen gebaut hat, wäre der fast sicher nicht im „material design“ metallschimmernd gewesen, sondern zeittypisch kunterbunt.

    Aber sei es drum – wirklich spannend im Hinblick auf das, was wir Magellanische Wolken nennen, ist die Südpolkappe, die bei den Liebiegs so aussieht:

    Schimmernder Südpol eines Messing-Himmelsglobus mit eingelegten silberfarbenen Sternen.  Auf ca. 10 Grad um den Südpol herum befinden sich keine Sterne.

    Bemerkenswert dabei finde ich, dass al-Ṣūfī offenbar keine Daten für die südlichsten, sagen wir, zehn Grad des Himmels hatte – denn natürlich gibt es auch in der auf dem Globus leeren Zone Sterne. Um diese beobachten zu können, müsste mensch sich aber etwas südlich vom Äquator befinden, denn es ist selbst bei guten Bedingungen – die in den Tropen fast überall rar sind – sehr schwer, in der Nähe des Horizonts nützliche Sternbeobachtungen anzustellen. Nun ist zur Geschichte des Sansibar-Archipels (auf fast sieben Grad Süd) in der Wikipedia zu lesen:

    Als die ersten Besucher gelten arabische Händler, die im 8. Jahrhundert die Insel bereisten. […] Schon im 10. Jahrhundert hatten Araber Niederlassungen in der Region gegründet, die sich zu blühenden Republiken entwickelten.

    Arabische Reisende waren also zu al-Ṣūfīs Zeiten schon weit genug im Süden gewesen, und da sie Seefahrende waren, konnten sie vermutlich Sterne vermessen. Ich wäre neugierig, ob bekannt ist, warum ihre Erkenntnisse nicht in al-Ṣūfīs Sternkarten eingeflossen sind.

    So eine Frage, das gestehe ich gerne zu, ist vielleicht doch zu nerdig für ein Museum dieser Art. Die bei aller Mäkelei an Details sehr sehenswerte Ausstellung bei den Liebiegs ist noch bis zum 24.1.2024 zu sehen.

    Der unvermeidliche Bahn-Rant

    Abschließend: Wer in Frankfurt wohnt, mag vermuten, dass ich mit dieser Geschichte zu einer Ausstellung, die schon seit März läuft, ausgerechnet jetzt komme, weil ich das Museumsufer-Fest zum Besuch einzeln vielleicht nicht ganz so attraktiver Museen genutzt habe. Das stimmt. Dieses Geständnis gibt mir Anlass zu einem Mikrorant gegen die Bahn: An drei Tagen hintereinander war die jeweils von mir angestrebte Ausgabe des RE 60 von Frankfurt nach Süden durchweg ein schlimmer Schmerz.

    Am Freitag fiel er ganz aus, am Samstag veranstaltete die Bahn neben der quasi obligatorischen Verspätung von 30 Minuten in Weinheim ein munteres Bahnsteighopping in Frankfurt von 11 auf 13 auf 12, am Sonntag schließlich war die davor auf der Strecke fahrende Regionalbahn ausgefallen und deshalb der RE knallvoll.

    Mein Beileid denen, die sich als Beschäftigte in diesem Laden abkämpfen. Ich hätte längst sieben Nervenzusammenbrüche erlitten, wenn ich das alles organisieren müsste – und wäre nach der Reha Vollzeit in den Kampf um eine Rückkehr der BeamtInnenbahn eingestiegen.

    [1]Wo ich schon über Techno-Murks jammere: Dass die Audiokommentare zur Ausstellung weggeschlossen sind in einer „App“, die Rootzugriff für Apple oder Google voraussetzt statt (zumindest auch) über die Webseite zugänglich zu sein: das ist auch doof.
    [2]Vgl. diese Fußnote
  • Escher in der ODEG: Ein Bahnfenster mit merkwürdiger Parkettierung

    Spätestens seit M.C. Escher[1] ist Parkettierung, die überlappungsfreie Füllung der Ebene mit mehr oder minder interessanten Teilfächen, nicht nur unter MathematikerInnen Kult. Sie gehört, im Zweifel via Douglas Hofstadters immer noch lesenswerten Gödel Escher Bach, auch zu den Klassikern der HackerInnenkultur. So hat sie sogar eine Rolle in Neal Stephensons (in der ersten zwei Dritteln wirklich sehr lesenswerten) Buch Anathem, das, in meiner Interpretation, eine Welt beschreibt, in der die Pythagoräer gewonnen haben und deshalb die technische Ziviliation schon zweitausend Jahre früher begonnen hat.

    Lasst mich eine Szene aus dem Buch zitieren, in der sich zwei Angehörige der aus diesen Urzeiten nachgebliebenen pythagoräischen Orden wie folgt unterhalten:

    „Seine Berufung waren die Fliesen,“ sagte Lio. „Er hat die prächtige Verfliesung der Neuen Waschstube gefertigt.“

    „Den Geometriekram,“ sagte ich.

    „Ja. Aber es scheint, dass das eher eine Art Vorwand war. In Wahrheit hat er wohl ein uraltes Geometrieproblem verfolgt, das Teglon. Es ist ein Parkettierungsproblem, und es geht bis auf den Tempel von Orithena zurück.“

    „Ist das nicht der Kram, der Leute verrückt macht?“ fragte ich.

    (Meine Übersetzung; der letzte Satz mag wieder eine Referenz auf Gödel Escher Bach sein: vgl. Gödels Krankheit).

    An diese Geschichte musste ich denken, als ich neulich in einem ODEG-Zug („RE 1“ ist dessen Berliner Name; allerdings heißen dort erstaunlich viele Linien mit erstaunlich vielen Anfangs- und Endpunkten so) im abendlichen Gegenlicht an oder in den Fenstern über dem oberen Stockwerk der Doppelstockwagen ein schwaches Muster sah:

    Zarte, wabenähnlich angeordnete orangefarbene Linien vor einem verwaschenen Hintergrund.

    Zunächst dachte ich, das sei eine einfach irgendein zufälliges Muster, mit dem die Hersteller die Splitterschutz-Folie im Verbundglas verstärkt hat, oder vielleicht gar ein Artefakt des Produktionsverfahrens. Wer genau hinsieht, wird jedoch finden, dass die Striche in Wirklichkeit aus parallelen Unter-Strichen bestehen (schaut in der Näher der Fokalebene), was mich etwas ins Zweifeln gebracht hat. An den Zusammenhang mit Splitterschutz glaube ich jedoch immer noch, trotz der Versuchung, an Strom oder Sensor zu denken; mein zweiter Erklärungs-Kandidat wäre Scheibenheizung gewesen, aber welchen Sinn sollte so etwas in einem Passagierwaggon haben?

    Zufällig oder produktionsbedingt ist das Muster aber überhaupt nicht. Live ist das durch hinreichend flaches Ansehen schnell zu erkennen, sobald mensch eine richtige Achse wählt. Für hier habe ich das mal etwas entzerrt und horizontal und vertikal zwei Geschwisterzellen markiert:

    Das Wabenmuster von eben, nur mit weniger perspektivischer Verzerrung und mit blau und orange markierten Polygonen, die sich jeweils untereinander ähneln.  Die blauen Zellen trennt ein Gitterplatz, die orangefarbenen zwei.

    Mensch muss also zwei Zellen horizontal oder drei Zellen vertikal weitergehen, damit das Gitter wieder in sich übergeht. Dass so eine relativ kurze Periode ein auf den ersten Blick jedenfalls für mich so chaotisches Bild hergibt, hätte ich schon mal nicht gedacht.

    Eingestanden: Wahnsinnig wie bei Stephenson wird mensch davon nicht. Aber es hat mich immerhin dazu gebracht, nochmal nachzulesen, was Penrose-Kacheln sind (sind die hier nicht) und danach die vielen hübschen Bilder im allgemeinen Parkettierungs-Artikel der Wikipedia zu betrachten. Mensch muss schon ziemlich weit scrollen, bis die hier vorliegende Klasse kurz angerissen wird: Parkettierungen mit sonstigen unregelmäßigen Polygonen ist im Augenblick so in etwa 63% runter.

    Das OBEG-Muster besteht aus unregelmäßigen Sechsecken, was die Wikipedia derzeit noch nicht diskutiert. Sie erwähnt immerhin, dass derzeit nur 15 kachelbare konvexe Fünfecke bekannt sind. Da mensch mit Sechsecken platonisch (also: regelmäßige Kacheln und alle Kacheln gleich groß) parkettieren kann, würde ich raten, dass es demgegegenüber bei Sechsecken beliebig viele Parkettierungen gibt; an sich sollte es ja kein Problem sein, jede Ecke ein wenig oder auch ein wenig mehr zu ziehen, wenns nicht drauf ankommt, dass alle Sechsecke gleich sind.

    Was dann auf die Frage führt: Hatten die Leute, die dieses Glas gemacht haben, starke Gründe, die Ecken gerade so zu ziehen, wie sie es gemacht haben? Und damit gleich auf die nächste Frage: Warum haben sie nicht überhaupt einfach regelmäßige Sechsecke („Wabenmuster“) genommen? Dazu wäre meine Vermutung, dass mit dem gewählten Muster nur viel schwächere Vorzugsachsen existieren, von denen es bei einem Wabenmuster ja mindestens 12 sehr deutliche gibt.

    Dass Vorzugsachsen bei einem Splitterschutz eher unwillkommen sind, scheint mir plausibel. Aber ich habe keine wirkliche Ahnung, und weder Wikipedia noch Duckduckgo haben mir unter Schlagwörtern wie Verbundglas und Wabe oder Hexagon halbwegs flott irgendwas Vielversprechendes geliefert.

    Wer etwas weiß: ich freue mich über Einsichten per Mail.

    [1]Escher ist erst 1972 gestorben, weshalb das Urheberrecht sein Werk noch lange aus Plätzen wie der Wikipedia heraushalten wird. Glaubt eigentlich irgendwer, Escher hätte eines seiner Bilder nicht gemacht, wenn es jetzt in der Wikipedia wäre? Aber egal: Bis irgendwer den Kram wegklagt, könnt ihr Escher-Werke auf einer Beispiel-Aufgabenstellung von der TU Darmstadt anschauen.
  • Ach Bahn, Teil 13: Besser wirds am XX.XX.XXXX

    Die Bahn behauptet ja gerne, all die indiskreten „Analytik“-Skripte, die sie über ihre Webseite ausliefert, dienten irgendwie dazu, die „User Experience“ zu verbessern. Wenn das so ist, so hoffe ich, dass ihnen ihre Analytik-Dienstleister Hinweise zur profunden Nutzlosigkeit von Meldungen dieser Art geben:

    Screenshot der Bahnseite mit einer Meldung „Zum XX.XX.XXX werden die technischen Systeme von bahn.de umgestellt [...] Mehr Informationen finden Sie unter d2.

    Aber nennt mich konservativ: Ich sehe dem angekündigen XX.XX.XXXX mit wenig Freude entgegen, denn trotz aller Analytik ist die Bahn-Webseite über die Jahre für mich immer schlechter bedienbar geworden. Während die ersten Formulare schnell luden, praktisch ohne Belastung für heutige CPUs renderten und mit Browser-Hausmitteln tastaturbedienbar waren, ist die heutige Javascript-Wüste in jeder Hinsicht lästig. Das einzige Feature jedoch, das mir schon in den ganz alten Bahnseiten fehlte, fehlt immer noch: Wenn sie schon wissen, wer ich bin und dass ich eine Bahncard 50 habe, dann könnten sie doch voreinstellen, dass ich auch Bahncard 50-Fahrkarten kaufen will.

    Nach etwas Kontemplation habe ich übrigens verstanden, dass ich das „d2“ in der Meldung oben ignorieren muss und kann, wohingegen das Ding mit dem Pfeil davor zwar völlig aus dem Layout fällt, aber den Satz im Absatz darüber komplettiert und mithin der Link sein wird, unter dem es „mehr Informationen“ geben soll. Also klickte ich auf die „Zukunft der Bahn“ und war nach dem oben Gesagten nur sehr mäßig enttäuscht, als ich Folgendes zu sehen bekam:

    Screenshot: „Sie haben in Ihrem Browser JavaScript deaktiviert, dies wird jedoch von unserer Anwendung benötigt.“

    Liebe Bahn: Ich will keine „Anwendung“. Ich will ein Formular, über das ich Fahrplanauskünfte bekomme und vielleicht noch Fahrkarten kaufen kann. Ja, das geht ohne Javascript, und eine öffentliche Infrastruktur – um einen Gegenbegriff zum „modernen Dienstleistungsunternehmen“ einzuführen – sollte das auch dann möglich machen, wenn sie gegenwärtig in eine etwas ungeeignete Rechtsform gezwungen ist.

  • Alles kaputt first, Bedenken second

    Nachdem die Bahn sich weigert, Menschen, die auf ihren Computern selbst root sein wollen, 49-Euro-Tickets zu geben, versuche ich gerade, das Ding vom lokalen Nahverkehrsunternehmen VRN zu kaufen, denn die geben Plastikkarten aus (Lob immerhin dafür). Und weil ich gerade wirklich die Nase voll habe von vermurksten Webseiten (vgl. unten), wollte ich mir das Ding einfach in der „Mobilitätszentrale“ in Heidelberg kaufen. Aber keine Chance:

    Ein Aushang des VRN: das Mobilitätszentrum ist bis auf weiteres am Mittwoch zu, weil die Leute mit 49-Euro-Ticket-Bürokratie beschäftigt sind.

    Mit anderen Worten: Aufgrund des „muss aber digital sein“-Irrsinns, den Bundesverkehrsminister Wissing dem 49-Euro-Ticket verordnet hat, gibts keine Mobilität… szentrale. Ja klasse!

    Mensch vergleiche das insbesondere mit dem entspannten Ablauf beim 9-Euro-Ticket vor einem Jahr. Die Tickets kamen spontan, ohne Abo und ganz normal aus Papier aus dem Automaten, keine Mobilitätszentren mussten schließen, und es gab auch sonst keine nennenswerte Beeinträchtigung der Kundendienste (soweit sie nicht eh schon kaputt waren). Ist es eigentlich schon nachgewiesener böser Wille, wenn Wissing statt eines einfachen und bewährten Verfahrens etwas erzwingt, das rechts und links explodiert?

    Links und rechts? Na klar. Ich versuche seit einer Woche, mir das Juni-Ticket aus der murksigen Bahn-App zu holen und habe dazu mindestens sieben Captchas gelöst, nur im dann immer das hier zu kriegen:

    Foto eines Mobiltelefonbildschirms mit der Meldung 503 Service Unavailable von der Webseite accounts.bahn.de

    Wie oft muss ich das probieren, um bei einem eventuellen Schwarzfahrverfahren keinen Ärger zu bekommen?

    Fast schon überflüssig zu erwähnen, dass vom Bahn-Abo-Support seit letztem Freitag kein Signal kam zu einschlägigen Fehlerberichten außer einer Eingangsbestätigung.

    Nachdem das „Mobilitätszentrum“ zu hatte, habe ich es übrigens doch mit der VRN-Webseite probiert, mit dem erwartbaren Ergebnis. Das Javascript auf https://abo.rnv-online.de/abo/new.aspx landet auf einem luakit mit einem:

    TypeError: $('.nyroModal_2').nyroModal is not a function. (In '$('.nyroModal_2').nyroModal()', '$('.nyroModal_2').nyroModal' is undefined)
    

    in new.aspx (ASP! Für Menschen unter 45: Das sind Active Server Pages, irgendein unsäglicher Microsoft-Scheiß, den ich für längst jenseits von smells funny gehalten habe), Zeile 327 hart, woraufhin die Dialoge nicht mehr gehen (und der blöde Spinner permanent oben auf der Seite steht).

    Mit einem Firefox kommt mensch immerhin weiter, auch wenn das immer noch eine ziemliche Klickerei ist und ich beim ersten Versuch nach all den Einwilligungen magisch wieder neu anfangen musste.

    Sollte wer das lesen, der/die bei der letzten Wahl FDP gewählt („Rasende Porno-Kiffer“, wie fefe so schön gesagt hat) hat: Ohne euch hätten wir immerhin den Wissing nicht, der auch nach Maßstäben von MinisterInnen besonders destruktiv agiert. Schämt euch! Für den ganzen 49-Euro-Scheiß habe ich was gut bei euch.

    Nachtrag (2023-06-07)

    Am Nachmittag habe ich, geduldig wie ich bin, das mit dem Juniticket von der Bahn nochmal probiert. Und siehe da, ich bin an der Authentifizierung vorbeigekommen (ich musste wieder „Planeten“ antatschen).

    Aber was soll ich sagen? Es geht immer noch nicht. Die Meldung, die der „Navigator“ jetzt ausspuckt, ist auch kein Stück besser als das gewohnte 503 von accounts.bahn.de. Wenn ich der Anweisung „Swipe down to Refresh“ folge, bekomme ich nämlich:

    Foto eines Bildschirms mit einem modalen Dialog: „The order could not be found.  Please ensure that you have centered all of the information correctly“

    Was denn für eine „order“? Ich habe keine eingegeben. Ich habe nur runtergeswipt. Welche Information also sollte ich bitte „correctly“ eingeben? Vielleicht anmutiger swipen? Und ja, die Authentifikation scheint ok; jedenfalls zeigt mir das Ding meine Bahncard, wenn ich den entsprechenden Menüpunkt antatsche.

    Was für ein Murks! Funktioniert das überhaupt für irgendwen? Und hat irgendwer auch nur irgendwas vom Abo-Support der Bahn bekommen, das nicht nur die Eingangsbestätigung ist?

    Nach-Nachtrag: Ah. Per Hand hinzufügen (mit dem eigenartigen +-Knopf, der Abo-Nummer und dem Nachnamen) geht. Ha! Was kann da schon schiefgehen?

  • Fiebrige Einsichten, von Veit Etzold vermittelt (eine Buchkritik)

    Die Behauptung, Reisen erweitere den Horizont, ist sicher eine der abgedroscheneren Weisheiten, die einen Artikel eröffnen können. Nun: hier habe ich eine aktuelle Illustration für ihre fortbestehende Wahrheit.

    Kaum überraschend bin ich nämlich von meiner ersten großen Auslands-Dienstreise (immerhin noch ohne die Erniedrigung des Flugverkehrs) mit einer aktuellen Variante von SARS-II zurückgekommen. Diese brachte mein Immunsystem mächtig auf Touren („Calor, Dolor, Tumor, Rubor“, in meinem Fall vor allem Calor bis 39 Grad und bejammernswerte Mengen Dolor). In Summe: Ich konnte für drei Tage im Wesentlichen nichts tun als Audiobücher hören, die ich bei vergangenen Reisen aus dem ICE-Portal der Bahn aufgenommen habe. Eines davon war „Die Filiale“ des Wirtschafts-Motivationspredigers Veit Etzold.

    Vielleicht ist das Werk selbst nicht sehr bemerkenswert, doch seine Verbreitungsweise ist es: Da es bei Argon erschienen ist (und auch als richtiges Buch bei Droemer), muss es wohl durch mindestens ein Lektorat gegangen sein. Und danach muss es immer noch wer fürs ICE-Portal ausgewählt haben. Irgendwo auf diesem Weg sollte doch jemand selbst angesichts eines Promi-Autors („Promi“ nehme ich jedenfalls an; ich kannte Etzold bis jetzt nicht) die Anmerkung gewagt haben, dass die Personen der Geschichte sprechen und handeln wie auf schlecht übersetzte US-Soaps trainierte Schaufensterpuppen?

    Ich finde weiter, ein Lektorat hätte merken müssen, dass die weit mehr künstlich als kunstvoll eingebauten Versuche, zweifelhafte „Finanzprodukte“[1] zu erklären und ein paar Brocken Französisch einzustreuen, einen Cringe-Faktor haben wie Marie Louise Fischers Hausgespenst-Schmonzetten (1976 bis 1982; für Kinder der Zeit sowie Neugierige entleihbar bei libgen) aus dem Schneider-Verlag unseligen Angedenkens[2]. Auch diese versuchten es mit übermäßig beiläufig eingestreuten Bildungshäppchen zu Pferdepflege, bayrischer Geographie, Kreuzfahrtschiffen und eben auch Französisch.

    Dazu tritt das zu billig rekrutierte Personal der Geschichte, das im Wesentlichen aus relativ glücklich verheirateten, berufstätigen, einfamilienhausbewohnenden Schwabos[3] um die 40 besteht, die mit, na ja, Internetfirmen und von diesen unterwanderten Traditionsbanken um ihr liebevoll ausgebautes – wenn auch nur gemietetes – Einfamilienhaus samt kameraüberwachten Gartenzwergen ringen.

    Also schön: das mit den Gartenzwergen habe ich erfunden: In der Wirklichkeit des Buchs videoüberwacht der liebenswerte, wenn auch etwas trottelige Gatte der Bankangestellten-Heldin gleich die ganze Straße; dass Etzold schließlich die Rettung der ab Mitte des Werks außertariflich Bezahlten auf diese niederträchtige Schurkerei aufbaut und bei der Gelegenheit noch etwas Anti-DSGVO-Ressentiment unterbringt, das hätte es selbst in diesem Roman wirklich nicht gebraucht.

    Das ganze Szenario wirkt um so artifizieller, als in Etzolds Welt die Männer Handwerker (oder bestenfalls FH-Absolventen auf dem Sprung aus Besoldungsgruppe A11) sind, während die Frauen zumindest akademischen Habitus zeigen. Ich wittere da aus der ollen rechten Sorge vor der „Überakademisierung“ der Bevölkerung geborene Träume, denn in der Realität sind schichtenübergreifende Ehen in dieser Kombination sehr wahrscheinlich immer noch die große Ausnahme (da bin ich mir so sicher, dass ich keine Belege dafür suche).

    Und auch wenn ich kein Diversitätsfass aufmachen will, ist es für eine Geschichte, die in Berlin spielt, eigentlich schon ein politisches Statement, wenn als einzige erkennbare Nichtschwabos zwei tschetschenische Killer und ganz kurz ein dicker, rauchender Franzose auftreten.

    Bei aller Kritik, und nun kommt das mit der Horizonterweiterung (denn ohne Reisen hätte ich weder jetzt SARS-II eingefangen noch das Etzold-Buch gehört), hat mir das Buch eine ganze Welt in Plastorama vorgespielt: Menschen, die mit ihren KollegInnen um die Beförderung zur stellvertretenden Filialleitung konkurrieren und die Arbeitsnutzerrede vom Betriebsrat als Abhängebude erst dann kurz vergessen, wenn es wirklich brennt, deren Internet aus lauter proprietären Plattformen, aus Markennamen besteht (aus dem Kopf: Reddit, Linkedin, Xing, Instagram, Whatsapp, erstaunlicherweise aber nach meiner Erinnerung weder Amazon noch Twitter), die ständig im Auto – einem „Amarok“ zumal, wenn sie im Wald Tiere totschießen wollen[4] – umherfahren und die ansonsten ihre triste Existenz mit Grillfleisch, Rotwein, Caipirinha, Starbucks-Karamelkaffee und Bekannten aus der Muckibude aufhellen.

    Wie mir Vorleserin Verena Wolfien das alles durchaus gekonnt in mein Fieberdämmern hineintrug, kam es mir in der irritierenden Kombination von hölzerner Prosa und thermoplastischer Handlung wie eine komische und wüste Dystopie im Stil von David Lynch vor. Bis ich merkte, dass das vermutlich unfair ist. Klar ist die Geschichte grob holzgeschnitzt, aber das Internet besteht für viele Menschen ja tatsächlich im Wesentlichen aus einer Handvoll proprietärer Plattformen. Nennenswert viele Menschen arbeiten, glaube ich, tatsächlich ernsthaft auf eine Beförderung hin, ganz gleich, wie sinnlos oder gar unmoralisch („Anlageberaterin“) schon ihre bestehende Tätigkeit ist.

    In meinem Fieber fühlte sich diese Einsicht recht profund an. Wahrscheinlich ist sie das nicht, aber gut sind solche Erinnerungen an die Blasenhaftigkeit der eigenen Weltwahrnehmung dann und wann bestimmt. Außerdem war die Erleichterung angenehm, als im nächsten Hörbuch („Acht, in Böen Neun” von Michael Wirbitzky, der als Hörfunkmensch eingestanden auch bessere Voraussetzungen hat; wenns das im Bahn-Portal noch gibt, lohnt es sich durchaus) Leute wieder wie halbwegs echte Buchmenschen redeten.

    Oh, und… Herr Etzold, sollten Sie das lesen und wirklich einen Bildungsauftrag verspüren: Nein, schon als Sie das Buch schrieben, war ein UMTS-Modul in einem Computer keine gute Wahl mehr für mobilen Internetzugang. Ein schneller Blick in die Wikipedia (oh ja: wertvoll, obwohl ohne Preis) hätte Ihnen gesagt, dass in der BRD schon Ende 2021 mit UMTS kein Blumentopf mehr zu gewinnen war (in der Praxis war für mich schon Mitte 2021 Schluss), also im Wesentlichen simultan zur Gamestop-Geschichte, auf die Sie im Buch anspielen.

    Für die nächste Auflage des Buches schlage ich eingedenk dessen ein durchgreifendes De-Branding vor. Hier zum Beispiel: „Funkmodem”. Allerdings gebe ich zu, dass ein Wort wie „Karrierenetzwerk“ den Tatbestand von Linkedin und Co zur Kenntlichkeit verzerrt, was vielleicht der Kunst (oder was immer) nicht wirklich hilft. Hmja.

    [1]Was ich davon mitgenommen habe: Wandelanleihen sind Mist, weil daran allenfalls die Bank verdient. Zur Kritik des gesamten Konzepts von Reichwerden mit Geldspielen kommt, das sage ich gleich mal, im Buch nichts; aber das wäre vielleicht auch etwas viel verlangt von einem, der bei der HAW Aalen als BWL-Professor auftritt (angesichts der hohen Lehrbelastung an Ex-Fachhochschulen und Etzolds Wohnsitz in Berlin werden bei diesem Job aber wohl mildernde Umstände im Spiel sein).
    [2]Beim Wikipedia-Stöbern zu alten Schneider-Autoren habe ich zu meiner endlosen Überraschung erfahren, dass der Autor der doch sehr stulligen (aber von mir seinerzeit heißgeliebten) Schreckenstein-Romane, Oliver Hassencamp, Gründungsmitglied der Münchner Lach- und Schießgesellschaft war. Oh?
    [3]Schwabo ist die (eine?) Bezeichnung für „Deutsche“ im Serbokroatischen gewesen. Weil ich immer noch Abbitte leisten will für das Unheil, das Genschers Großmachtfantasien vom Dezember 1991 (und u.a. meine Unfähigkeit, rechtzeitig effektiv etwas gegen sie unternehmen) über dessen SprecherInnen gebracht haben, ziehe ich das Wort dem üblicheren „Kartoffel“ vor.
    [4]Wobei unklar bleibt, wie sich der Betreiber eines Schlüsseldienstes diese Sorte exklusives Hobby eigentlich leisten kann.
  • Ach Bahn, Teil 12: „Digitales“ 49-Euro-Ticket

    Foto eines altmodischen Telefons mit einem anonymisierten Barcode im Display

    Das Happy End dieses Artikels: Ich habe das 49-Euro-Ticket auf Rechnern unter meiner Kontrolle (neben dem N900 im Bild auch noch auf meinem ordentlichen Computer).

    Ich habe mir ein 49-Euro-Ticket von der Bahn gekauft. Ich hätte das, der Kritik von freiheitsfoo folgend, besser nicht tun sollen, aber das 9-Euro-Ticket hat mir viel Spaß gemacht, und monatliche Kündigung und so… da habe ich verdrängt, dass Wissing von „digital“ geredet hat, was ja bei weniger EDV-affinen Menschen in der Regel heißt: „Ist in meinem Handy“ bzw. „Google macht das für mich“ (also für mich: „Vergiss es“). Da aber eine Bahn-FAQ erklärte, wie mensch das „Ticket in die App“ bekommt, war mein Umkehrschluss, dass das Ticket erstmal nicht in der „App“ ist und also für mich verwendbar. Wegen dieses Fehlschlusses bekam die Bahn meine 49 Euro und ich einen Haufen Ärger.

    Denn nach der Bezahlung kam aber nicht wie gewohnt ein PDF mit dem QR-Code – was für die Bahn wirklich kein Problem wäre –, sondern ein dämlicher Text, der mich aufforderte, das Ticket in meinem „DB Navigator” zu „öffnen“.

    Digitalisierung: Zwei Stunden Arbeit von Kauf bis Erhalt

    Tja: Dieses Programm („App“) gibts jedenfalls offiziell nur mit Google-id und nur auf relativ wenigen Typen von Hardware, und drum habe ich es nicht. Ich knirschte also mit den Zähnen und habe erstmal eine diesbezügliche Frage an die immerhin angegebene Kontaktadresse (Lob: ganz normale Standard-Email) geschickt – aber von da kam nur eine gutgelaunte Eingangsbestätigung zurück:

    Derzeit kann es aufgrund des hohen Bestellaufkommens zu Verzögerungen kommen. Wenn´s [falsches Auslassungszeichen im Original] ein wenig länger dauert: Wir haben Sie nicht vergessen, wir melden uns.

    Nun – bis dahin ist der Mai vorbei, und dann brauche ich auch keine Information mehr.

    Ich knirschte dann heute morgen lauter mit den Zähnen und dachte mir: Na ja, wenn ich mir schon mit dem Bahn-Bonus-Quatsch Android eingetreten habe, kann ich da ja vielleicht noch den „DB Navigator“ dazupacken – ich brauche das ja nur ein Mal im Monat, um den QR-Code runterzuladen. Also bin ich wieder zum etwas dubiosen[1] apkpure.com gegangen. Dort gibt es auch ein paar Dinge, die „DB Navigator“ heißen, aber die alle kommen nicht als apk, sondern als xapk. Hu?

    Mit etwas Recherche stellt sich xapk als so eine Art informeller Standard aus der Android-Piratencommunity heraus, in dem zusammengesetzte Pakete, die Google vermutlich über Abhängigkeiten aus dem Appstore ausliefert, in einer Zip-Datei kommen. In dem Navigator-xapk von apkpure finden sich insbesondere auch zwei Pakete, in deren Dateinamen arm64 drinsteht, und ich begann zu ahnen, dass das ohne dedizierte Telefonhardware wenig Spaß machen würde.

    Tatsächlich habe ich nach ein paar Experimenten mit pm install (so installiert mensch Pakete auf der Android-Shell) und den Nicht-arm64-Paketen, die alle mit nutzlosen und/oder kryptischen Fehlermeldungen endeten, auch aufgegeben.

    Digitalisierung: Datenübertragung durch Foto

    Stattdessen habe ich ein Google-administriertes (aber nicht -registriertes, also: Kein Playstore) Telefon, das mir mal ein netter Mensch überlassen hat, ausgepackt, die ganze Google-Belästigung weggetatscht, ultramutig einen Piraten-xapk-Installer draufgeklatscht, der nun sicher alle meine Credentials zu irgendwelchen Kids in Wladiwostok schickt (ein Glück, dass das nur meine Bahn-Credentials betrifft; trotzdem: Danke, Bahn), wieder Google-Belästigung weggetatscht, den blöden „DB Navigator“ von apkpure draufgebügelt, wieder Google-Belästigung weggetatscht und tatsächlich: Die Bahn hat mir die Karte, die ich gekauft habe, nun auch endlich gegeben:

    Foto eines Mobiltelefons mit einem 49-Euro-Ticket im DB Navigator

    Nur zur Rechtfertigung: Den QR-Code habe ich verwürfelt, mir die Bahn ansonsten das hart errungene Ticket gleich wieder zurückruft.

    Welcome to digital capitalism, wo du erstmal zwei Stunden basteln und fummeln und irgendwelchen Kids aus Wladiwostok Zugriff auf deinen (Wegwerf-) Computer geben musst, damit du neu erworbenen Krempel auch bekommst. Fast so klasse wie Onlinehandel.

    Es gab aber noch ein zweites Problem: Wie bekomme ich den so erkämpften QR-Code nun aus dem Android-Silo raus? Ich habe schnell beschlossen, dass ich überhaupt keinen Nerv habe rauszukriegen, wo die Kiste ihre Screenshots speichert. Mein Kopf ist schon beim Lokalisieren der Chrome-Downloads während meiner Android-x86-Versuche explodiert. Noch weniger Lust hatte ich, zur Datenübertagung einen sshd auf das Telefon zu installieren, das ich Minuten vorher den Kids aus Wladiwostok übereignet hatte.

    Und so habe ich, es lebe die Digitalisierung!, das Foto oben gemacht, es aus der Kamera in einen richtigen Computer gezogen und dort entzerrt. Und so habe ich jetzt ein PNG mit dem QR-Code.

    Auf dem N900

    Das wiederum hat den Vorteil, dass ich mein gutes, altes Corona-Impfpass-Skript für den Nokia N900 (vgl. Foto oben) weiterverwenden kann. Das hat während der 3G-Zeiten gut funktioniert: Es zieht das PNG auf den Bildschirm, stellt das Backlight auf krass hell und macht nach 45 Sekunden alles wieder rückgängig – ich war damit fast immer schneller und unproblematischer durch Checkpoints durch als Leute mit der offiziellen App.

    Wer noch einen N900 mit hinreichend originalem Maemo hat, mag das vielleicht nützlich finden (es geht davon aus, dass ihr das Zertifikat als 49-euro.png ins Homeverzeichnis gelegt habt):

    #!/bin/sh
    /usr/bin/dbus-send --print-reply --dest=com.nokia.image_viewer /com/nokia/image_viewer com.nokia.image_viewer.mime_open string:file:///home/user/49-euro.png
    /usr/bin/dbus-send --print-reply --system --dest=org.freedesktop.Hal /org/freedesktop/Hal/devices/computer_backlight org.freedesktop.Hal.Device.LaptopPanel.SetBrightness int32:255
    sleep 45
    /usr/bin/dbus-send --print-reply --system --dest=org.freedesktop.Hal /org/freedesktop/Hal/devices/computer_backlight org.freedesktop.Hal.Device.LaptopPanel.SetBrightness int32:20
    killall image-viewer
    

    Wenn das in /home/user/mybin/passhow.sh steht, geht es gut zusammen mit einer Datei covpass.desktop im Verzeichnis /usr/share/applications/hildon, in der sowas hier steht:

    [Desktop Entry]
    Version=1.0
    Encoding=UTF-8
    Name=covpass
    Icon=covpass
    Exec=/home/user/mybin/passhow.sh
    Type=Application
    

    Ich erwähne im Desktop-File ein Icon namens „covpass“. Damit das was anderes als ein blaues Quadrat anzeigt, müsst ihr ein hübsches PNG (bei mir ist das noch ein stilisiertes Coronavirus, was, finde ich, auch für das doofe 49-Euro-Ticket ganz gut passt) mit dem namen covpass.png nach /opt/usr/share/icons/hicolor/scalable/apps schreiben.

    Damit der Desktop diese Datei sieht: sudo killall hildon-desktop – upstart (ja, das lebt noch im alten Maemo) zieht das dann automatisch wieder hoch.

    [1]„Dubios“ ist in diesem Zusammenhang ein positives Wort, denn bei Google bin ich sicher, dass sie gegen meine Interessen handeln. Bei apkpure hingegen kann ich da noch Zweifel (lat: dūbium, n) haben.
  • BahnBonus ohne Google-Id und auf dem eigenen Rechner

    Screenshot: Ein bunter App-Bildschirm mit wenig Information und einem Spendenaufruf.  Es handelt sich um die BahnBonus-App der Bahn.

    Objekt der Begierde: Die BahnBonus-App, die mich wieder in die DB-Lounges Einlass finden wird. Und zwar ganz ohne Apple und nur mit einer einfachen Überdosis Google.

    Vor einem knappen Jahr habe ich eine Großbeichte abgelegt: Ja, ich nehme an so einem blöden, schnüffelnden Kundenbindungsprogramm teil, und dann noch an dem von der Bahn, bei dem VielfahrerInnen gemütlich im Sessel Kakao schlürfen, während gewöhnliche Reisende draußen am Bahnsteig frieren oder sich um die wenigen Sitzgelegenheiten in den Bahnhofsgebäuden streiten müssen: Ehemals bahn.comfort, jetzt BahnBonus.

    Im zitierten Post habe ich dem Lounge-Zugang hinterhergeweint, denn seit einem knappen Jahr lässt die Bahn nur noch Menschen in die Lounges, die ferngewartete Computer („Smartphones“), und dann noch ziemlich neue davon, verwenden. Statt der alten Plastikkarte brauchte es jetzt eine, hust, App. Die tut nun (wie ich jetzt weiß und vorher ahnte) nicht nicht viel mehr als den Login-Bildschirm der Bahn-Webseite anzuzeigen und dann Links auf QR-Codes zu generieren. Wahrscheinlich etwas naiv habe damals gehofft, dass die Bahn die paar Zeilen Javascript, die es dafür braucht, auch auf ihre normale Webseite packt.

    Das ist aber nicht passiert. Als die Bahn neulich BahnBonus-Papierwerbung geschickt hat („Sie haben Gold-Status!”), habe ich erneut eine Mail an den Bahn-Support geschrieben, wie es denn mit QR-Codes auf der Webseite stehe. Erneut war die Antwort ein nicht weiter erklärtes Nein. Dass die Bahn mit der Negativantwort aber etliche Gutscheine (insbesondere zum Lounge-Zugang) schickte, nahm ich als „nee, wir machen das nie, auch wenn es einfach ist“. Mag sein, dass es dabei ums Datensammeln geht, mag sein, dass das einfach Konzernpolitik ist.

    Jedenfalls: Wenn ich wieder im Warmen Kakao schlürfen will, muss ich irgendwie auf Dauer an die QR-Codes kommen. Ferngewartete Computer kommen für mich allenfalls in virtuellen Maschinen in Frage, und so dachte ich mir: Ich probier mal, ob ich die BahnBonus-App nicht auch auf meinem normalen Rechner zum Laufen kriege.

    Stellt sich raus: Das geht, und wenn mensch sich Google in einer VM austoben lässt, sogar mit vertretbarem Aufwand. Ich schreibe hier mal auf, was es für mich gebraucht hat; das mag ja bei anderen Digitalzwängen auch ein wenig helfen.

    Android in QEMU aufsetzen

    Ich gehe für die folgenden Schritte aus von einem Debian (bullseye) auf einem Intel- oder AMD-System, das nicht wesentlich älter ist als 15 Jahre. Im Prinzip dürfte aber fast alles auch auf jeder anderen Plattform gehen, auf der Qemu läuft.

    Wenn ihr bei den folgenden Schritten irgendwo ins Schleudern kommt, lasst es mich bitte wissen – ich erweitere diese Erzählung gerne so, dass sie auch nicht übermäßig nerdigen Menschen etwas sagt.

    (1) Qemu installieren – Qemu ist zunächst ein Emulator von allerlei Hardware. Da aber Android enorm ressourcenhungrig ist (also: jetzt für meine Verhältnisse), wäre alles furchtbar lahm, wenn der Android-Code nicht direkt von der CPU in eurem Rechner ausgeführt würde – ich werde Qemu also als Virtualisierer verwenden und nur in sehr zweiter Linie als Emulator. Achtet jedenfalls darauf, dass qemu KVM machen kann. Zum Ausgleich braucht ihr nur die amd64-Fassung, nicht all die anderen Architekturen, und insbesondere nicht ARM. In Bullseye sollte sowas hier reichen:

    apt install qemu-system-gui qemu-system-amd64
    

    [ich selbst habe an der Stelle aus Geiz qemu-system-x86 genommen; das geht auch, und damit ist alles etwas kompakter].

    (2) Android-x86 besorgen – ich gestehe ehrlich, dass ich mich nicht sehr um die Vertrauenswürdigkeit der Leute rund um den Port von Android auf x86-Prozessoren gekümmert habe. Ich habe einfach ein passendes ISO-Image von deren FOSSHUB-Seite (Krapizität 10 lässt hoffen) runtergeladen; wenn ihr die amd64-Qemu installiert habt, wollt ihr jetzt das „64-bit ISO file“.

    (3) Container fürs Android-Filesystem anlegen – euer Android muss seine Dateien irgendwo hinspeichern, und ihr wollt ihm gewiss keinen Zugriff auf euer echtes Dateisystem geben. Erzeugt also eine „virtuelle“ Festplatte für die Qemu-Daten. Dabei kommt ihr mit einem Gigabyte auch bei i386 nicht aus. Wenn ihr euch um Plattenplatz keine Sorgen macht: baut lieber gleich eine mit vier Gigabyte (4G am Ende der Kommandozeile).

    Sucht euch auch irgendeinen Platz, wo ein Klops von der Größe nicht schlimm stört. Ich nehme hier mal ~/containers (was ihr dann wohl aus eurem Backup rausnehmen solltet):

    mkdir -p ~/containers
    qemu-img create -f qcow2 ~/containers/android.img 2G
    

    Display-Probleme

    Jetzt stellt sich das Problem, dass euer künftiges Android die Bildschirmausgabe irgendwo hinschicken muss. Qemu kann in ein ordinäres X-Fenster ausgeben, aber das ist – aus Gründen, die ich nicht untersucht habe – furchtbar lahm. Was für mich gut funkioniert hat: VNC. Wenn ihr damit nicht zurechtkommt, probiert unten mal QDISPLAY="-display gtk" (könnte halt kreuzlahm sein).

    (4) Android-Installer starten – das braucht ein paar Optionen, damit das Ding auch ins Netz kommt und die beiden nötigen Dateien (die virtuelle Platte und den Android-Installer) findet:

    QDISPLAY="-display vnc=localhost:0"
    qemu-system-amd64 $QDISPLAY -enable-kvm -m 2000 \
      -net nic -net user -drive file=$HOME/containers/android.img,format=qcow2 \
      -boot d -cdrom /media/downloads/android-x86-9.0-r2.iso
    

    Den Pfad in der -cdrom-Option müsst ihr ganz sicher anpassen, damit er auf das ISO zeigt, das ihr gerade runtergeladen habt. Lasst jetzt einen VNC-Client auf localhost:5600 los; ich empfehle in diesen Tagen remmina (aus dem gleichnamigen Debian-Paket).[1]

    (5) Den Android-Container konfigurieren – wählt Installation to Hard disk aus, dann Create/Modify Devices. Ihr kommt in einen guten, alten, textbasierten Partitionierer. Als Disklabel wollt ihr nicht GPT haben (weil das später Ärger mit dem Bootloader GRUB gibt). Der Speicher, den ihr da partitioniert, ist der, den ihr in Schritt 3 angelegt habt. Packt die ganze „Platte“ in eine Partition, sagt Write (keine Sorge, mit den Optionen oben könnt ihr keine Daten von euch kaputtmachen) und dann Quit.

    Ihr kommt dann zurück in den Android-Installer. Nach einem Ok könnt ihr das Filesystem auswählen – nehmt ext4.

    Dann fragt der Installer, ob ihr einen GRUB haben wollt – ja, wollt ihr, sonst kommt euer Android nachher nur mit viel Mühe hoch.

    Das System Directory wollt ihr wahrscheinlich nicht read/write haben (es sei denn, ihr wollt ernsthaft mit dem Android spielen). Das spart einiges an Platz.

    (6) Android ins Netz lassen – an der Stelle sollte euch der Installer anbieten, Android-x86 zu starten. Tut das. Wählt eine Sprache aus – ich habe es bei „English (United States)“ belassen.

    Es kann sein (ist bei mir passiert), dass das Ding nach der Sprachabfrage abstürzt und wieder beim Grub-Prompt vom Installer ist. Wenn das passiert, beendet die qemu (also: Control-C in deren Fenster) und schaut unten bei VM starten nach der Kommandozeile, die die Qemu ohne Installer hochzieht. Wir haben es hier mit kommerzieller Software zu tun, Gesundbooten ist also durchaus eine legitime Option.

    Jedenfalls: nach der Sprachwahl will das Ding ins Netz, und ich fürchte, es hat keinen Sinn, ihm das zu verbieten. Sucht also nach Netzen. Ihr solltet genau eines sehen, VirtWifi oder sowas. Wählt das aus, seufzt und lasst schon mal auf eurem richtigen Rechner ein tcpdump -n laufen, um zu sehen, womit euer neues Android so alles plaudert (vgl. Die Wunden lecken).

    Das „Checking for Updates“ hat bei mir über Minuten hinweg 100% CPU verbraten (mensch will gar nicht wissen, was es dabei zu rechnen gibt). Da ich den „ich tu gerade was“-Feedback im emulierten Android generell nicht so prall finde, könnt ihr die Zeit ja damit verbringen, eure CPU-Last-Anzeige am Desktop auf Vordermann zu bringen (mein Tipp: wmcore).

    Dann fragt Android, ob es von irgendwoher eure Daten ziehen kann. Klar: das hätte Google gerne. Zum Glück gibts einen kleinen „Don't Copy“-Knopf. Genauso ist auch der Skip-Knopf im nächsten Dialog, dem Google-Signin, ziemlich klein, und Google nervt extra nochmal, wenn mensch ihn wählt. Wählt ihn trotzdem. Date and Time sind zur Abwechslung problemlos abnickbar, dann kommt ein Dialog zu „Google Services“, die mensch alle manuell ausschalten muss.

    Das ist offenbar die Benutzerfreundlichkeit („User Experience“), über deren Mangel im Free Software-Bereich ich immer so viel höre. Ums Akzeptieren, dass Google immer und zu jeder Zeit Kram auf die VM packen kann, kommt mensch glaube ich nicht rum. Aber dafür ist es ja auch eine VM.

    Den folgenden „Protect your Tablet“-Dialog finde ich interessant, weil die Benutzerführung, die mir gerade noch Vertrauen zu Google überhelfen wollte, nun Misstrauen gegen andere Menschen sät, und das gleich noch mit einem zweiten Extra-Mahn-Dialog, wenn ich keine Lust auf Geräte-PINs habe. Also ehrlich: wenn ich mit Google zu tun habe, mache ich mir doch über menschliche DiebInnen keine Sorgen…

    Die abschließende Frage nach der Home-App verstehe ich auch nicht. Macht einfach irgendwas. Damit seid ihr im Android-Geschäft.

    Apps ohne App-Store

    (7) Home-Screen aufräumen – Wenn ihr gleich mal den „Home-Screen“ aufräumen wollt: jeweils lang ein Icon klicken und ziehen. Dann erscheint ein „Remove“-Feld, auf das ihr das Icon ziehen könnt. Macht das am besten mit allem außer dem Chrome. Den brauchen wir gleich. Die widerliche Google-Bar lässt sich, glaube ich, mit diesem Mitteln nicht entfernen. Wozu auch – der Container gehört ja, wie ihr gerade abgenickt habt, sowieso Google.

    (8) Bahn-App finden – Die Bahn veröffentlicht, so weit ich weiß, keine APKs (also Pakete) von ihrer App. Insofern müsst ihr …

  • Digitalisierung ist: Auf dem kalten Bahnsteig warten

    Foto: Ein Zug steht mit geschlossenen Türen auf dem Bahnsteig, etliche Menschen in verschiedenen Stadien der Verwirrung davor.

    Digitalisierung live: Menschen stehen am kalten Bahnsteig vor einem geheizten Zug. Immerhin scheint die Sonne, so dass die Digitalisierung immerhin etwas für die Vitamin D-Versorgung der Fahrgäste tut.

    Heute, so gegen Neun, im Heidelberger Bahnhof: Der seit dem letzten Fahrplanwechsel dankenswerterweise stündlich und an sich flott pendelnde Regionalexpress nach Karlsruhe fährt ein, Leute steigen aus, Leute steigen ein. Ich habe mich gerade auf dem Sitz zurechtgeruckelt, als eine Durchsage kommt (etwas paraphrasiert):

    Sehr geehrte Fahrgäste, bitte steigen Sie noch einmal kurz aus. Dieses Fahrzeug muss neu gestartet werden.

    Allgemeine Verblüffung. Tatsächlich steigen aber alle aus; Digitalisierung ist ja inzwischen allgegenwärtig. Und so stehen wir auf dem kalten Bahnsteig, während der Zug dann und wann piept, schnauft und blinkt.

    Minuten vergehen. So etwa zur planmäßigen Abfahrtszeit ist der Reboot fertig, wir können wieder einsteigen. Leider fährt der Zug aber immer noch nicht. Muss erst noch die grafische Oberfläche starten? Mit 12 Minuten Verspätung setzt er sich dann doch in Bewegung, und ich werde milde nervös, denn ich soll eigentlich in Karlsruhe den TGV erwischen. Umsteigezeit 9 Minuten. Abenteuer Bahn.

    Ich warte jetzt nur auf eine Durchsage: „Dieser Zug hat derzeit eine Verspätung von 15 Minuten. Grund dafür ist ein Neustart des Fahrzeugs.“ Das wäre immerhin eine nette Abwechslung von „Personen im Gleis“ oder „Verzögerungen bei der Bereitstellung“.

    Warum genau wollten wir nochmal diese Digitalisierung haben?

  • Ach Bahn, Teil 11: Wenn Geschenke schlechte Laune machen

    Eine Papier-Fahrkarte auf dem Bezug von Nahverkehrssitzen in den Bahn

    Sieht zwar digital aus, funktioniert aber und geht schnell: Eine Fahrkarte aus dem Automaten auf den weichen Polstern der Nahverkehrs-Bahn.

    Die Bahn verschickt ja dann und wann mal Gutscheine über einige Euro, einzulösen für Fahrkarten innerhalb eines relativ knappen Zeitraums. Ich zum Beispiel habe gerade einen über 15 Euro, der bis zum 30.11. wegmuss – und ich kann ihn nur einlösen, wenn ich über 50 Euro verfahre. Viele Gelegenheiten dafür gibts bei mir nicht mehr.

    Leider würde dieser Gutschein nur auf der Webseite der Bahn funktionieren, also weder am Automaten noch gar am Schalter. Das war früher (wie in: bevor man „Digitalisierung“ machen musste) kein schlimmes Problem. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich für 15 Euro in Einzelfällen durchaus bereit bin, meine natürliche Abneigung gegenüber Marketing zu überwinden.

    Digitalisierung ist, wenn Menschen, die keinen Bock drauf haben, Computer verwenden müssen.

    Inzwischen jedoch hat sich die Bahn digitalisiert. Digitalisierung ist, ich habe schon mal drüber geschrieben, wenn alles außer Werbung und Ausforschung kaputt ist. Jedenfalls, bis mensch es einmal aus- und wieder eingeschaltet hat. So auch heute bei der Bahn, nur, dass ich die nicht powercyclen kann.

    Um halb neun versuche ich zum ersten Mal zu buchen. Ich muss ein hCaptcha mit „Tassen mit Kaffee“ lösen. Ich füge mich: Für 15 Euro mache ich ein Mal sogar so einen Scheiß. Nach erfolgreichem Lösen (ob das wirklich immer Kaffee war in den Tassen? Wer weiß?) bekomme ich aber nur ein „429 Too Many Requests“ von der Bahn.

    Ich fluche und verfluche das giftige Geschenk der Bahn, zumal ich schon ahne, was kommt, wenn ich einen Reload mache. Klar: ich bekomme das nächste Captcha. Libellen. 7 Euro 50 pro gelöstem Captcha sind allmählich schon unterhalb der Grenze meiner Käuflichkeit. Wird aber sowieso nichts, denn „429 Too Many Requests“.

    Um den Zorn auf das Bahn-Management etwas abkühlen zu lassen und den Computer-Leuten der Bahn etwas Zeit zu geben, den Mist geradezuziehen, beschließe ich, das um 11 Uhr nochmal zu probieren.

    Digitalisierung ist, wenn es Werbung zeigt und dann abstürzt.

    Ich lese meine Mails. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, denn die Bahn schreibt:

    Subject: Aktualisieren Sie Ihr Konto

    Ihr Administrator hat soeben beantragt, dass Sie Ihr Deutsche Bahn-Konto aktualisieren, indem Sie folgende Aktion(en) ausführen: requiredAction.CONFIGURE_TWO_FACTOR_AUTH. Klicken Sie auf den untenstehenden Link, um diesen Prozess zu starten.

    https://accounts.bahn.de/auth/realms/db/login-actions/action-token?key=<691 byte base 64>

    Wie bitte? Wozu soll ich mich Zwei-Faktor-authentifizieren, wenn ich nicht mal ohne so Klimbim reinkomme? Warum bitteschön soll ich zum Fahrkartenkauf in Zukunft ein Telefon brauchen, das mir Anweisungen gibt, welche Zahlen ich in einen Computer zu tippen habe, damit die Bahn sich herablässt, mein Geld zu nehmen?

    Es geht hier ja wirklich nicht um Fort Knox oder die Codes der Atombomben in Büchel, sondern allenfalls darum, dass mal wer auf meine Kosten Zug fahren könnte. Das Risiko dafür schätze ich übrigens nach 20 Jahren elektronisch gekauften Bahnfahrkarten als im Wesentlichen verschwindend ein, um so verschwindender, als die Bahn ja noch nicht mal bona fide-KundInnen online Karten verkauft. Jedenfalls nicht mir.

    Und dann, ganz ehrlich, Bahn: Ihr kriegt ja nicht mal mehr eure normale Infrastruktur auch nur ansatzweise auf Reihe. Wie könnt ihr da irgendeine Hoffnung hegen, etwas wie 2FA so hinzubekommen, dass das nicht nur bei Neumond und Nipptide tut, was es soll?

    Digitalisierung ist, wenn alles außer Werbung und Ausforschung kaputt ist.

    So ist auch das Ende der Geschichte absehbar. Ich bereue, dass ich keinen Screenshot gemacht habe. hCaptcha ist weiter online, aber offensichtlich im Spott-Modus: Kaninchen am Strand. KANINCHEN AM STAND?!? Solche Witze finde ich nicht lustig, wenn ich gerade merke, dass ich für fünf Euro pro Runde Tassen, Libellen und Kaninchen am Stand angeklickt habe. Au weia. Baisse an der Börse, auf der meine Würde gehandelt wird (einschlägiger Dilbert-Strip).

    Die Pointe war wenig überraschend, dass auch das wieder nur auf ein 429 Too Many Requests führte. Am Bahnhof hingegen hatte ich meine Fahrkarte am Automaten in ungefähr einer Minute, ganz ohne Captcha und 2FA, und ganz ohne Versuchung, irgendeinen Marketingquatsch mitzumachen.

    Ich war schon ein fanatischer Feind der Digitalisierung (also: Menschen, die keinen Bock drauf haben, müssen Computer verwenden), sobald sie wer erfunden hatte. Mein Fanatismus hat heute morgen viel Nahrung bekommen. Und nein, nur weil der Fahrkartenautomat einen Computer hat und seine NutzerInnen gelegentlich demütigt, ist er noch lang keine Digitalisierung; dafür funktioniert er zu zuverlässig, schnüffelt zu wenig und verlangt nicht von mir, Code von ihm unbesehen auf meinem Computer laufen zu lassen.

    Vielleicht fängt er an, Digitalisierung zu sein, wenn er erstmal Werbespots zeigt, bevor er Karten druckt. Und dabei abstürzt.

  • Ach, Fraport: Verdrängung von Armut

    Neulich war ich mal wieder am Frankfurter Flughafen[1], und als ich mich bei der Gelegenheit etwas umgesehen habe, ist mir das hier aufgefallen:

    Foto: Mülleimer mit: „Jede unberechtigte Entnahme wird als Diebstahl angezeit“

    Die Kreativität, Armut in der Gestalt von FlaschensammlerInnnen aus den Hallen vor den Business Lounges ausgerechnet über das Eigentumsrecht am Müll anderer Leute fernhalten zu wollen, verdient eine zweifellos einige, wenn auch entsetzte, Bewunderung.

    Allerdings stellt sich bei diesem haarsträubenden Rechtskonstrukt die interessante Frage: Kann eigentlich Fraport da klagen? Habe ich, wenn ich etwas in diesen Mülleimer werfe, es damit Fraport geschenkt? Und was ist, wenn ich, Pfand gehört daneben, mein Leergut einfach neben den Mülleimer stelle – bleibe ich dann nicht Eigentümer, um so mehr, als Fraport mich ja womöglich deshalb verfolgen könnte?

    Wie auch immer: Die Schurken von der Startbahn West haben es mit diesem Schild geschafft, nicht nur die Supermärkte mit ihrem verbissenen Feldzug gegen das Containern zu toppen – immerhin verfolgen die Supermärkte noch Leute, die Krempel nehmen, den sie selbst weggeworfen haben. Nein, Fraport wirkt hier als Sympathieträger für die Bahn, die zwar arme Menschen durchaus auch mal belästigt und dafür allerlei Hausordnungstricks aufruft; Aggression gegen FlaschensammlerInnen im Auftrag der Bahn ist mir aber noch nie aufgefallen.

    [1]Disclaimer: Das mag sich so anhören, als müsste ich jetzt Flugscham haben, aber das ist nicht so. Über Teilnahme-an-Fragwürdigen-Treffen-Scham können wir reden.
  • Ach Bahn, Teil 10: Textbausteine machen schlechte Laune

    Zu den universellen Erfahrungen des dritten Jahrtausends gehört ganz gewiss die Frustration nach Kontakt mit kommerziellem Kundendienst jeder Art. Das ist besonders bitter, wenn mensch das Niveau im Free Software-Bereich gewohnt ist: Bei fast allen Problemen und Wünschen, die ich zu Freier Software hatte, kam zumindest eine sinnvolle Reaktion, häufig auch rasch eine Lösung.

    Ganz anders im kommerziellen Bereich. Als neulich mein Rezept für Internet via Telefon nicht mehr funktionierte (im o2-Netz wiederverkauft von WinSIM), kamen auf zwei schriftliche Supportanfragen jeweils zwei zusammengeklickte Antworten, die offensichtlich nicht auf meine Anfragen eingingen und folglich auch komplett nutzlos waren. Ich wollte eigentlich schon an dieser Stelle empört darüber ranten, als nach einer verzweifelten telefonischen Anfrage tatsächlich eine nützliche Antwort mit einer vernünftigen Erklärung kam – gut genug, dass ich gelegentlich mal separat darüber bloggen will. Danach war ich zu versöhnt für einen Rant.

    Nun aber wieder die Bahn. Im September bekam ich nach einer Captcha-und-too-many-requests-Zumutung (Rant am Fediverse) auch noch zwei seltsame Mails von der Bahn, die in etwa so aussahen:

    Date: Wed, 21 Sep 2022 19:13:43 +0000 (GMT)
    From: DB <noreply@deutschebahn.com>
    To: msdemlei@fsfe.org
    Subject: Verify email
    
    Someone has created a Deutsche Bahn account with this email address.
    If this was you, click the link below to verify your email address
    
    https://accounts.bahn.de/auth/realms/db/login-actions/action-token?key=eyJhbGciO<ungefähr-1k-base64>-<vielleicht-eine-checksumme>&client_id=fe_esuite&tab_id=cY2rW_Q_7wc
    
    This link will expire within 15 minutes.
    
    If you didn't create this account, just ignore this message.
    

    Eine sehr nach fishing aussehende Mail mit genug Binärsoße, um ein halbes Betriebssystem drin unterzubringen? Auf Englisch von der deutschen Bahn? Und dann noch ohne CSS-Müll im Text? Das schien mir extrem verdächtig, aber auch genauere Untersuchung brachte keine Anzeichen für eine Fälschung zutage. Andererseits war der Bahn-Server ja vorher offensichtlich kaputt gewesen. Vielleicht war er ja insgesamt von Parteien übernommen, die mir noch übler wollen als die Bahn?

    Von solchen Fragen bewegt habe ich es mal wieder mit dem Bahn-„Kundendienst“ versucht. Folgendes habe ich noch am 21. September geschrieben:

    Liebe Mitarbeiter/in der Bahn,

    Kontext:

    Ich hatte heute schon wieder ganz großartige "User Experience" beim versuchten Fahrkartenkauf -- nicht nur musste ich mal wieder ein Captcha lösen (was ich offen gestanden für die Ursünde der UX halte), ich kam nach der Lösung unmittelbar auf eine nginx-Fehlerseite mit einem schlichten "too many connections". Der Back-Button führte auf noch ein Captcha.

    Gäbe es eine Alternative für den Online-Kauf von Fahrkarten, ich wäre jetzt dort. So, wie es ist, bin ich dankbar für Fahrkarten-Automaten.

    Das eigentliche Problem:

    Kurz nach diesem Erlebnis kamen zwei Mails wie die im Anhang. Die sieht nach allen Kriterien bis hin zu den Received-Headern aus wie eine legitime Mail von Ihnen. So, wie das gemacht ist, habe ich aber keine Ahnung, was das tut, und der endlose Binär-String löst jetzt auch wirklich kein Vertrauen aus. Ich habe das jetzt mal nicht geklickt -- es könnte ja sein, dass da jemand meinen Account übernehmen will.

    Was ist das? Habe ich das ausgelöst? Wäre es nicht gut, das etwas weniger spammisch aussehen zu lassen?

    Als der Bahn-Webserver wieder ging, hat sich herausgestellt, dass das tatsächlich Verifikationsmails der Bahn waren und das Web-Interface die Mails so angekündigt hätte (wenn auch ohne Begründung, warum überhaupt und gerade jetzt) – hätte ich am 21.9. nicht Captchas und „too many requests“ statt der Bahn-Webseiten bekommen.

    Der Bahn-Kundendienst hätte das jetzt erklären und sich entschuldigen können. Stattdessen kam fast drei Wochen später, am 11.10., eine profund nutzlose Antwort, die ich hier öffentlich kommentieren will, zunächst, weil ich meine Kommentare geistreich finde.

    Vor allem habe ich aber den Verdacht, dass jemand mit Technikkompetenz bei der Bahn dann und wann wahrnimmt, was ich hier schreibe. Warum ich das glaube? Nun, die Kundendienst-Antwort hatte endlich keinen CSS-Müll mehr an der text/plain-Alternative. Ich hatte das vor Jahren mal per Mail bemängelt, ohne dass sich etwas geändert hätte. Nun, nach meinem Post vom Juni, kommt die Mail endlich vernünftig und lesbar, sogar mit Absätzen und allem. Kann Zufall sein. Kann aber auch ein gutes Zeichen sein.

    Und drum hier die Bahn-Antwort mit meinen Kommentaren:

    vielen Dank für Ihre E-Mail. Bitte entschuldigen Sie die späte Antwort.

    Wir haben Ihr Anliegen geprüft.

    Die Authentifizierungsmail wird von uns versendet und ist für die Zurücksetzung Ihres Passwortes notwendig. Nach Klick auf den Link zur

    Meine Frage, wozu das Verfahren überhaupt eingerichtet wurde, bleibt leider unbeantwortet. Außerdem ging es nicht um ein Passwort, und es wurde auch nichts zurückgesetzt. Wie die ursprüngliche Mail selbst schon sagte, ging es um die Bestätigung einer Mailadresse. Mit einer sowohl falschen als auch nutzlosen Information aufzumachen, verdient für mich den Winston-Churchill-Preis für Erwartungsmanagement („Blut, Schweiß und Tränen“).

    Kontoaktualisierung, öffnet sich eine Seite auf bahn.de. Hier muss die E-Mail-Adresse mit Klick auf >> Klicken Sie hier, um fortzufahren bestätigt werden. Anschließend erscheint die Meldung, dass das Konto aktualisiert wird und Sie können sich wieder in Ihrem Kundenkonto anmelden.

    Achten Sie darüber hinaus bitte darauf, unsere DB Navigator App auf dem neuesten Stand zu halten und über einer sicheren und stabilen Internetverbindung zu buchen.

    Kundendienst-Tipp #1: Anfragen lesen und dann keine unpassenden Formtexte in die Antworten pasten -- ich habe keine Hardware, auf der die App laufen würde, und so dementsprechend hatte meine Anfrage auch nichts mit der App zu tun.

    Bei instabilen Internetverbindungen verzeichnen wir ein hohes Aufkommen von Buchungsabbrüchen.

    Kundendienst-Tipp #2: Fehler eingestehen. Da war keine instabile Internet-Verbindung. Was da kam, war eine Meldung vom Reverse Proxy der Bahn, weil offenbar der Dienst dahinter überlastet oder kaputt war.

    Die richtige Reaktion wäre gewesen: „Ja, sorry, wir haben es verkackt. Und weil das im Zusammenhang mit dem Captcha eingestandenermaßen nochmal blöder war, werden wir uns jetzt wirklich mal überlegen, den Captcha-Quatsch zu lassen. Ansonsten Entschuldigung.“

    Empfehlenswert wäre ebenfalls, beim Log-in via Browser die Cookies und den Verlauf zu löschen und zudem auf dem neuesten Stand zu halten und ggf. den Adblocker zu deaktivieren.

    Kundendienst-Tipp #3: Keine Voodoo-Tipps geben. Wie soll bitte das Löschen „des Verlaufs“ ein 500 (oder 504, ich weiß nicht mehr) des Reverse Proxy der Bahn reparieren? Und wenn Leute wirklich der Empfehlung folgen und „die Cookies löschen“, werden sie unter Umständen böse Überraschungen erleben. Wenn die Bahn meint, in Einzelfällen (wenn auch offensichtlich nicht diesem) könne ein Zurücksetzen Ihrer Cookies nötig sein: das kann mensch von der Server-Seite aus viel zielgenauer tun, etwa mit einer Webseite, die entsprechende Set-Cookie-Header ausliefert (und ggf. zu weiteren Seiten weiterleitet, die das für weitere Domains tun). Damit geht dann ein „gehen Sie zu <dieser URL>, um die Bahn-Cookies zu löschen“.

    Wenn die Bahn schließlich wirklich findet, dass aktivierte Adblocker die Nutzung ihrer Dienste behindern: Wäre das nicht ein Anlass, darüber nachzudenken, all den Tracking- und Marketing-Quatsch von der Seite runterzunehmen? Aber wie gesagt: das war vorliegend gar nicht das Problem.

    Wir hoffen, dass wir Ihre Fragen beantworten konnten und wir Sie bald in unseren Zügen begrüßen zu dürfen.

    Helfen Sie uns unser Angebot und unseren Service weiter zu verbessern. Beantworten Sie dazu bitte nachfolgende Fragen unter Umfrage bahn.de. Vielen Dank.

    Ganz perfekt sind die text/plain-Alternativen immer noch nicht, denn die URL der Umfrage geht dabei verloren. Aber weil Umfragen an sich und schon gar im Web ein Fluch sind, würde ich das in diesem Fall eher als Feature als als Bug klassifizieren.

  • Bahnauskuft auf antiken Geräten – und auf Codeberg

    Foto: Altes Mobiltelefon mit Terminal, das eine etwas kryptische Bahnauskunft zeigt

    Bahnauskunft von 2022 auf einem Nokia N900 von 2009: Es braucht inzwischen etwas Mühe, um das gebastelt zu kriegen.

    Als die Bahn-Webseite nicht mehr ordentlich auf kompakten Browsern wie dillo funktionierte und auch nicht per WAP– also Mitte der 2010er Jahre –, habe ich mir ein ein kleines Skript geschrieben, das die wesentlichen Infos zur Zugauskunft aus dem HTML herausklaubte und dann in einem einfachen Kommandozeilen-Interface darstellte. Das war, worum es im letzten Sommer bei meinem Rant gegen Zwangs-Redirects umittelbar ging. Der weitere Hintergrund: Ich will Zugauskünfte von meinem alten Nokia N900 aus bekommen (und im Übrigen seit der Abschaltung von UMTS auch über eine 2G-Funkverbindung, also etwas wie 10 kB/s)[1].

    Nachdem das – jedenfalls nach Maßstäben von Programmen, die HTML auf Webseiten zerpflücken – überraschend lang gut ging, ist das im Rahmen der derzeitigen Verschlimmbesserung der Bahn-Seite neulich kaputt gegangen. Obendrauf ist die Javascript-Soße auf bahn.de damit so undurchsichtig geworden, dass mich die Lust, das Skript zu pflegen, sehr nachhaltig verlassen hat. In dieser Lage kam ein Vortrag über die Bahn-APIs, den jemand bei der Gulasch-Programmiernacht 2019 gehalten hat, gerade recht. Also: Das Video davon.

    In diesem Video habe ich gelernt, dass mein „unpromising“ im Rant vor einem Jahr,

    I know bahn.de has a proper API, too, and I'm sure it would be a lot faster if I used it, but alas, my experiments with it were unpromising [...],

    einen tiefen Hintergrund hat. Die Bahn hat nämlich keine API für die Fahrplanauskunft.

    Was es aber stattdessen gibt: die HaFAS-API, auf die die Reiseplanung der Bahn-App selbst aufsetzt. Und es stellt sich heraus, dass Leute schon mit viel Fleiß ausbaldowert haben, wie die so funktioniert, etwa in pyhafas.

    Mit pyhafas kann ich all das schreckliche HTML-parsing aus dem alten bahnconn.py durch ein paar Aufrufe in pyhafas rein ersetzen. Aber leider: pyhafas ist echt modernes Python, und weil es viel mehr kann als es für bahnconn.py bräuchte, wäre das Rückportieren davon nach Python 2.5 ein ernsthaftes Projekt; mehr habe ich aber auf meinem N900 nicht. Außerdem bin ich bekennender Fan von ein-Modul-und-stdlib-Programmen: die brauchen keine Installation und laufen zudem mit allem, das irgendwie Python verdauen kann, also etwa auch jython oder sowas, was spätestens dann in Frage steht, wenn Abhängigkeiten C-Code enthalten.

    Deshalb habe ich aus pyhafas die Dinge, die bahnconn dringend braucht, abgeschaut und eine minimale, Python-2.5-verträgliche Implementation gebastelt. Das Ergebnis: ein neues bahnconn. Holt es euch, wenn ihr Bahnauskunft auf älteren Geräten haben wollt. Ich habe es jetzt nicht auf Atari TTs probiert, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es selbst da noch benutzbar ist.

    Codeberg

    Gerade, als ich den Code einfach wieder hier auf dem Blog abwerfen wollte, habe ich beschlossen, das könne ein guter Anlass sein, endlich mal einen zweiten Blick auf Codeberg zu werfen.

    Bisher habe ich nämlich für allen etwas langlebigeren oder größeren Code (also: nicht einfach nur am Blog abgeworfenen Kram), ganz DIY, ein eigenes Subversion-Repository betrieben. Was in den letzten Jahren neu dazukam, habe ich in git+ssh+cgit gesteckt.

    Natürlich hat das niemand mehr gesehen; nicht mal Suchmaschinen gucken mehr auf sowas, seit aller Code der Welt bei github landet. Deshalb, und auch, weil ich Monstren wie gitea und gitlab wirklich nicht auf meiner Maschine haben will (allerdings: cgit ist ok und würde für Publikation auf subversion-Niveau reichen), habe ich mich mit dem Gedanken, dass mein Kram auf einer öffentlichen Plattform besser aufgehoben sein mag, mehr oder minder abgefunden.

    Auf Github bin ich beruflich schon so viel zu viel unterwegs, und der Laden ist deutlich zu nah am Surveillance Capitalism. Zwar kenne ich hinreichend Projekte und Firmen, die ihnen Geld geben, so dass sie gewiss ein konventionell-kapitalistisches Geschäftsmodell fahren könnten; aber schon da fehlt mir der Glaube. Obendrauf hat mir Microsoft in meinem Leben schon so viel Kummer bereitet, dass ich ihnen (bzw. ihrem Tochterunternehmen) nicht noch mehr KundInnen zutreiben will.

    Codeberg, auf der anderen Seite, wird von einem Verein betrieben und macht generell vieles richtig, bis hin zu Einblendungen von Javascript-Exceptions (warum machen das eigentlich nicht alle?), so dass die Seite nicht einfach heimlich kaputt ist, wenn ich Local Storage verbiete (gitea, die Software, auf der Codeberg soweit ich sehe aufsetzt, kann leider immer noch nicht ohne).

    Von dem gitea-Krampf abgesehen hat gestern alles schön funktioniert, nichts an der Anmeldeprozedur war fies oder unzumutbar. Codeberg hat hiermit erstmal das Anselm Flügel Seal of Approval. Ich denke, da werde ich noch mehr Code hinschaffen. Und mal ernsthaft über Spenden nachdenken.

    [1]Janaja, und natürlich nervte mich die fette Bahn-Webseite mit all dem Unsinn darauf auch auf dem Desktop und auch schon vor der gegenwärtigen Verschlimmbesserung.
  • Ach Bahn, Teil 9: Das Bahnhofs-WLAN

    Screenshot: Bahn-Fehlermeldung „Verbindungsfehler“

    Hat jemand in den letzten drei Jahren vom Bahnhofs-Captive Portal mal irgendwas anderes gesehen als das hier?

    Versteht wer das Bahnhofs-WLAN der Bahn? Ich habe das soeben aufgegeben, nachdem ich mir den „Verbindungsfehler“, den ich, glaube ich, seit vor Corona bei jedem Versuch der Verbindung mit Netzen mit der SSID WIFI@DB bekommen habe, genauer angesehen habe.

    Natürlich sitzt auch auf diesen Netzen leider ein Captive Portal. Diese sind generell so gemacht, dass in dem Netz nach dem WLAN-Verbindungsaufbau erstmal alle HTTP-Requests auf (leider normalerweise horrös verjavascriptete – es gibt aber auch löbliche Ausnahmen) Provider-Seiten umgeleitet werden, auf denen mensch dann irgendeinen Quatsch abklicken soll. Ganz ehrlich: Ich habe diesen Quatsch noch nie gelesen, zumal ich glaube, dass er rechtlich nicht bindend ist und sowieso davon ausgehe, dass diese Netze mich aufs Kreuz legen wollen.

    So weit, so ärgerlich. In WIFI@DB sieht es erstmal aus, als würde die Bahn das auch so machen:

    $ curl -v http://blog.tfiu.de
    [...]
    < HTTP/1.1 302 Found
    < Location: https://wifi.bahn.de/
    

    Die Login-Seite wäre demnach wifi.bahn.de. Von dort sollte jetzt die Javascript-Grütze samt riesigen Bildern kommen, die mensch von grottigen Captive Portals gewöhnt ist. Aber nein:

    $ curl -v https://wifi.bahn.de
    [...]
    < HTTP/1.0 302 Found
    < Location: /sp/7cwojgdj/connectionError
    

    Da wird mensch (bzw. computer) ganz platt gleich auf die Fehlerseite weitergeleitet – ok, da ist noch irgendeine Zeichenkette mit Trackinggeschmack dabei, die aber während meiner Experimente trotz variierender User Agents und MAC-Adressen konstant blieb. Um derwail mal was Nettes zu sagen: die Weiterleitung geht ganz ohne Javascript.

    Die Fehlerseite selbst hat dann übrigens fast Captive Portal-Standard. Sie kommt mit minifiziertem jquery (zur Darstellung von „Verbindungsfehler“?!) und einem 2000 Pixel breiten JPEG (aber: nur 150k groß; normal ist alles unter 2 Megabyte sub-par für Captive Portals).

    Wenn nun das mit der unmittelbaren Weiterleitung auf die Fehlerseite nur heute so wäre, würde ich sagen, gut, ist halt gerade kaputt. Aber wenn mich meine Erinnerung nicht sehr trügt, habe ich das schon lange nicht mehr anders gesehen.

    Dass bei der Bahn das Außergewöhnliche normal ist, habe ich neulich schon festgestellt. Aber dass so Kram einfach immer kaputt ist, scheint mir doch etwas unplausibel. Hat wer eine Erklärung?

  • Ach Bahn, Teil 8: Das Außergewöhnliche als Normalzustand

    Screenshot der Bahn-Seite: Drei Verbindungen werden angezeigt, alle rot als außergewöhnlich hoch ausgelastet markiert.

    Ich wollte heute eine Bahnfahrkarte nach Hamburg kaufen. Die Verbindungssuche sah aus wie im Bild nebenan (bzw. obendrüber): Für praktisch alle Züge erwartet die Bahn eine „Außergewöhnlich hohe Auslastung“. Das hat mich zum Nachdenken über den Begriff „außergewöhnlich“ gebracht. Wenn etwas praktisch immer gilt, wäre es dann nicht ehrlicher, „wie üblich knallvoll (und das, obwohl wir den Nahverkehr im Augenblick praktisch verschenken)“ zu sagen?

    Und ja, ich habe dabei vorläufig die Fantasie aufgegeben, dass die Bahn einfach ein paar neue Wagen kauft und an die Züge dranhängt oder gar engeren Takt fährt – beides wäre ja, Willen, etwas technische Flexibilität und evtl. die Bereitschaft, nicht unbedingt so zu rasen vorausgesetzt, möglich und darüber hinaus für einen „Mobilitätsdienstleister“ (gewiss nicht mein Wort) auch recht naheliegend, wenn eine Strecke dauerhaft oder auch nur regelmäßig so „außergewöhntlich“ überlastet ist. Aber das wird wohl warten müssen, bis wir eines Tages die gute alte BeamtInnenbahn wiederbekommen. Oder, gasp, noch was Besseres.

    Ich habe übrigens am Schluss gar keine Fahrkarte bekommen. Zunächst hat mich die Bahn schon wieder mit Captchas belästigt, wobei die Schurken des Bahn-Auftragsdatenverarbeiters hcaptcha fast selbstironisch zunächst verlangten: „Klicken Sie Bilder mit lachenden Hunden an“. Echt. Ich bereue immer noch, nicht an einen Screenshot gedacht zu haben. Kleiner Tipp an hcaptcha: Hunde haben überhaupt keine Muskulatur, die ihnen Lachen erlauben würde. PSA: Bären auch nicht.

    Na ja, und nachdem ich mich zu Giraffen durch- und ungefähr 12 von denen angeklickt hatte, hat mir der Bahnserver eine nginx-Fehlermeldung „too many connections“ geliefert (aber ich will nicht undankbar sein: es war aufregenderweise vernünftiges HTML von einer Bahn-Seite).

    Geheimtipp: Wer bei der Verbindungssuche „schnellste Verbindung“ abklickt, bekommt auch einen IC angeboten. Der fährt zwar noch wahrscheinlicher nicht als der ICE, und wenn er fährt, wird er knapp zwei Stunden länger brauchen. Aber er wird wahrscheinlich über weite Strecken erheblich leerer sein, vermutlich trotzdem weniger Strom verbrauchen, und mehr zu sehen gibts auch.

  • Wifi im Metronom: Ui

    Screenshot: Etwas zerrupfte Felder einer einfachen Webseite

    Das Captive Portal im WLAN vom Metronom, gerendert in einem netsurf: Nicht perfekt, aber es funktioniert, ganz ohne Javascript und anderen Zauber.

    Ich sage ja nur ungern etwas Positives über Epiphänomene der Bahnprivatisierung, aber wo ich gerade in einem Metronom sitze und ich wiederholt über absurd komplexe Captive Portals geschimpft habe: Die Metronoms (bzw. ihr Dienstleister Icomera) machen das tatsächlich mal so, dass das halbwegs akzeptabel ist: Es funktioniert ohne Javascript und Local Storage, auch im netsurf (wenn auch interessanterweise nicht mit dillo; ich habe das nicht debuggt) und überträgt in restriktiv konfigurierten Browsern gerade mal 6 kiB für die Seite. Selbst ein webkit kommt, solange Javascript aus ist, mit rund 50 kiB raus.

    Wenn das irgendwer von Icomera liest: Ziemlich großes Lob[1]! Wenn das hier jemand liest, der/die ein kommerzielles WLAN anbieten will, es aber nicht einfach ganz offen lassen will: Geht zu Icomera und sagt: „Ich will das, was die Metronoms bekommen haben“.

    Full Disclosure: Ich bin an sich ein zähnefletschender Feind von „Dienstleistern“ wie Icomera, habe aber ansonsten tatsächlich nichts mit denen zu tun.

    PS: Kein Licht ohne Schatten im Geschäft von IT-„Dienstleistung“: Icomera blockt leider Port 587, der inzwischen Standard fürs Maileinliefern ist. Ach, Icomera: Drängt die Leute doch bitte nicht noch mehr zu webmail (und gmail). Aber immerhin haben sie ssh offen gelassen, so dass halbwegs unproblematische Selbsthilfe möglich ist.

    [1]Für ganz großes Lob müsstet etwas zurückhaltenderes CSS verwenden oder zumindest den z-index eures Dialogs über den Footer heben.

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