Ach Bahn, Teil 12: „Digitales“ 49-Euro-Ticket

Foto eines altmodischen Telefons mit einem anonymisierten Barcode im Display

Das Happy End dieses Artikels: Ich habe das 49-Euro-Ticket auf Rechnern unter meiner Kontrolle (neben dem N900 im Bild auch noch auf meinem ordentlichen Computer).

Ich habe mir ein 49-Euro-Ticket von der Bahn gekauft. Ich hätte das, der Kritik von freiheitsfoo folgend, besser nicht tun sollen, aber das 9-Euro-Ticket hat mir viel Spaß gemacht, und monatliche Kündigung und so… da habe ich verdrängt, dass Wissing von „digital“ geredet hat, was ja bei weniger EDV-affinen Menschen in der Regel heißt: „Ist in meinem Handy“ bzw. „Google macht das für mich“ (also für mich: „Vergiss es“). Da aber eine Bahn-FAQ erklärte, wie mensch das „Ticket in die App“ bekommt, war mein Umkehrschluss, dass das Ticket erstmal nicht in der „App“ ist und also für mich verwendbar. Wegen dieses Fehlschlusses bekam die Bahn meine 49 Euro und ich einen Haufen Ärger.

Denn nach der Bezahlung kam aber nicht wie gewohnt ein PDF mit dem QR-Code – was für die Bahn wirklich kein Problem wäre –, sondern ein dämlicher Text, der mich aufforderte, das Ticket in meinem „DB Navigator” zu „öffnen“.

Digitalisierung: Zwei Stunden Arbeit von Kauf bis Erhalt

Tja: Dieses Programm („App“) gibts jedenfalls offiziell nur mit Google-id und nur auf relativ wenigen Typen von Hardware, und drum habe ich es nicht. Ich knirschte also mit den Zähnen und habe erstmal eine diesbezügliche Frage an die immerhin angegebene Kontaktadresse (Lob: ganz normale Standard-Email) geschickt – aber von da kam nur eine gutgelaunte Eingangsbestätigung zurück:

Derzeit kann es aufgrund des hohen Bestellaufkommens zu Verzögerungen kommen. Wenn´s [falsches Auslassungszeichen im Original] ein wenig länger dauert: Wir haben Sie nicht vergessen, wir melden uns.

Nun – bis dahin ist der Mai vorbei, und dann brauche ich auch keine Information mehr.

Ich knirschte dann heute morgen lauter mit den Zähnen und dachte mir: Na ja, wenn ich mir schon mit dem Bahn-Bonus-Quatsch Android eingetreten habe, kann ich da ja vielleicht noch den „DB Navigator“ dazupacken – ich brauche das ja nur ein Mal im Monat, um den QR-Code runterzuladen. Also bin ich wieder zum etwas dubiosen[1] apkpure.com gegangen. Dort gibt es auch ein paar Dinge, die „DB Navigator“ heißen, aber die alle kommen nicht als apk, sondern als xapk. Hu?

Mit etwas Recherche stellt sich xapk als so eine Art informeller Standard aus der Android-Piratencommunity heraus, in dem zusammengesetzte Pakete, die Google vermutlich über Abhängigkeiten aus dem Appstore ausliefert, in einer Zip-Datei kommen. In dem Navigator-xapk von apkpure finden sich insbesondere auch zwei Pakete, in deren Dateinamen arm64 drinsteht, und ich begann zu ahnen, dass das ohne dedizierte Telefonhardware wenig Spaß machen würde.

Tatsächlich habe ich nach ein paar Experimenten mit pm install (so installiert mensch Pakete auf der Android-Shell) und den Nicht-arm64-Paketen, die alle mit nutzlosen und/oder kryptischen Fehlermeldungen endeten, auch aufgegeben.

Digitalisierung: Datenübertragung durch Foto

Stattdessen habe ich ein Google-administriertes (aber nicht -registriertes, also: Kein Playstore) Telefon, das mir mal ein netter Mensch überlassen hat, ausgepackt, die ganze Google-Belästigung weggetatscht, ultramutig einen Piraten-xapk-Installer draufgeklatscht, der nun sicher alle meine Credentials zu irgendwelchen Kids in Wladiwostok schickt (ein Glück, dass das nur meine Bahn-Credentials betrifft; trotzdem: Danke, Bahn), wieder Google-Belästigung weggetatscht, den blöden „DB Navigator“ von apkpure draufgebügelt, wieder Google-Belästigung weggetatscht und tatsächlich: Die Bahn hat mir die Karte, die ich gekauft habe, nun auch endlich gegeben:

Foto eines Mobiltelefons mit einem 49-Euro-Ticket im DB Navigator

Nur zur Rechtfertigung: Den QR-Code habe ich verwürfelt, mir die Bahn ansonsten das hart errungene Ticket gleich wieder zurückruft.

Welcome to digital capitalism, wo du erstmal zwei Stunden basteln und fummeln und irgendwelchen Kids aus Wladiwostok Zugriff auf deinen (Wegwerf-) Computer geben musst, damit du neu erworbenen Krempel auch bekommst. Fast so klasse wie Onlinehandel.

Es gab aber noch ein zweites Problem: Wie bekomme ich den so erkämpften QR-Code nun aus dem Android-Silo raus? Ich habe schnell beschlossen, dass ich überhaupt keinen Nerv habe rauszukriegen, wo die Kiste ihre Screenshots speichert. Mein Kopf ist schon beim Lokalisieren der Chrome-Downloads während meiner Android-x86-Versuche explodiert. Noch weniger Lust hatte ich, zur Datenübertagung einen sshd auf das Telefon zu installieren, das ich Minuten vorher den Kids aus Wladiwostok übereignet hatte.

Und so habe ich, es lebe die Digitalisierung!, das Foto oben gemacht, es aus der Kamera in einen richtigen Computer gezogen und dort entzerrt. Und so habe ich jetzt ein PNG mit dem QR-Code.

Auf dem N900

Das wiederum hat den Vorteil, dass ich mein gutes, altes Corona-Impfpass-Skript für den Nokia N900 (vgl. Foto oben) weiterverwenden kann. Das hat während der 3G-Zeiten gut funktioniert: Es zieht das PNG auf den Bildschirm, stellt das Backlight auf krass hell und macht nach 45 Sekunden alles wieder rückgängig – ich war damit fast immer schneller und unproblematischer durch Checkpoints durch als Leute mit der offiziellen App.

Wer noch einen N900 mit hinreichend originalem Maemo hat, mag das vielleicht nützlich finden (es geht davon aus, dass ihr das Zertifikat als 49-euro.png ins Homeverzeichnis gelegt habt):

#!/bin/sh
/usr/bin/dbus-send --print-reply --dest=com.nokia.image_viewer /com/nokia/image_viewer com.nokia.image_viewer.mime_open string:file:///home/user/49-euro.png
/usr/bin/dbus-send --print-reply --system --dest=org.freedesktop.Hal /org/freedesktop/Hal/devices/computer_backlight org.freedesktop.Hal.Device.LaptopPanel.SetBrightness int32:255
sleep 45
/usr/bin/dbus-send --print-reply --system --dest=org.freedesktop.Hal /org/freedesktop/Hal/devices/computer_backlight org.freedesktop.Hal.Device.LaptopPanel.SetBrightness int32:20
killall image-viewer

Wenn das in /home/user/mybin/passhow.sh steht, geht es gut zusammen mit einer Datei covpass.desktop im Verzeichnis /usr/share/applications/hildon, in der sowas hier steht:

[Desktop Entry]
Version=1.0
Encoding=UTF-8
Name=covpass
Icon=covpass
Exec=/home/user/mybin/passhow.sh
Type=Application

Ich erwähne im Desktop-File ein Icon namens „covpass“. Damit das was anderes als ein blaues Quadrat anzeigt, müsst ihr ein hübsches PNG (bei mir ist das noch ein stilisiertes Coronavirus, was, finde ich, auch für das doofe 49-Euro-Ticket ganz gut passt) mit dem namen covpass.png nach /opt/usr/share/icons/hicolor/scalable/apps schreiben.

Damit der Desktop diese Datei sieht: sudo killall hildon-desktop – upstart (ja, das lebt noch im alten Maemo) zieht das dann automatisch wieder hoch.

[1]„Dubios“ ist in diesem Zusammenhang ein positives Wort, denn bei Google bin ich sicher, dass sie gegen meine Interessen handeln. Bei apkpure hingegen kann ich da noch Zweifel (lat: dūbium, n) haben.

Zitiert in: Ach Bahn, Teil 14: „HalloDummy ABC-Dummy“ Alles kaputt first, Bedenken second

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