Tag Fotos

  • Ausflugstipp: Das Haus Stammberg bei Schriesheim

    Ein paar Gartenstühle stehen unter überhängenden Rhododendren und anderen zur Not als Gartenpflanzen durchgehende Pflanzen.  Im rechten Bildbereich ist nicht allzu gepflegter, aber erkennbarer Rasen mit Wegen dazwischen zu sehen.

    Was hier die Atmosphäre eines Kurparks[1] ausstrahlt, war tatsächlich mal einer. Vorneweg: Das hier beschriebene Gelände ist problemlos öffentlich zugänglich.

    Im Kanzelbachtal, das sich vom Weißen Stein in die Rheinebene bei Schriesheim zieht, steht das Haus Stammberg, heute ein Altenheim der Diakonie und nicht zu verwechseln mit dem nebenan ebenfalls von der Diakonie betriebenen Wiedereingliederungsprojekt Talhof[2]. Zwar haben ein paar der Gebäude des Komplexes durchaus etwas Patina, aber ich hatte für die Gebäude nie mehr als ein halbes Auge, wenn ich bergan Richtung Willhelmsfeld daran vorbeigeradelt bin – und bergab sicher nicht mal ein Zehntelauge.

    Der diesjährige Tag des offenen Denkmals hat dieser Gedankenlosigkeit ein Ende bereitet. Die Geschichte des Hauses Stammberg hat sogar etwas mit dem Jahr 2024 zu tun. Na ja, indirekt. Denn gerade vor 100 Jahren veröffentlichte Thomas Mann seinen Zauberberg, zugleich Roman einer präantibiotischen Tuberkuloseklinik und der Verschrobenheiten der europäischen Vorkriegs(un-)ordnung. Wobei hier vom ersten Weltkrieg die Rede ist.

    Das Haus Stammberg, eröffnet im Jahr 1903, war neu in den Jahren, in denen sich das entfaltet, was im Zauberberg als Handlung durchgeht. Wer sich vor dem Haupteingang des Haupthauses nach rechts wendet und dem Verlauf des Kanzelbaches vielleicht 100 Meter folgt, kann fast eine Zeitreise dorthin unternehmen, wenn sich folgendes Bild zeigt:

    Eine leicht gerundete, vielleicht fünf Meter tiefe und hundert Meter breite, aus Holz errichtete Halle.

    Zur literarischen Verankerung darf ich ein wenig aus der Fantasie von Thomas Mann zitieren:

    Aber Joachim [der Indexpatient im Zauberberg] konnte nur noch behindert und undeutlich antworten. Er hatte aus einem rotledernen, mit Samt gefütterten Etui, das auf seinem Tische lag, ein kleines Thermometer genommen und das untere, mit Quecksilber gefüllte Ende in den Mund gesteckt. Links unter der Zunge hielt er es, so, daß ihm das gläserne Instrument schräg aufwärts aus dem Munde hervorragte. Dann machte er Haustoilette, zog Schuhe und eine litewkaartige Joppe an, nahm eine gedruckte Tabelle nebst Bleistift vom Tisch, ferner ein Buch, eine russische Grammatik – denn er trieb Russisch, weil er, wie er sagte, dienstlichen Vorteil davon erhoffte –, und so ausgerüstet nahm er draußen auf dem Balkon im Liegestuhl Platz, indem er eine Kamelhaardecke nur leicht über die Füße warf.

    [... Hans Castorp, der Besucher, der dem Zauber des Berghofs erliegt] wollte das Ergebnis der Messung abwarten und sah unterdessen zu, wie alles gemacht wurde, betrachtete auch den Pelzsack, der in einem Winkel der Loggia lehnte (Joachim bediente sich seiner an kalten Tagen) und blickte, die Ellenbogen auf der Brüstung, in den Garten hinab, wo die allgemeine Liegehalle nun von lesend, schreibend und plaudernd ausgestreckten Patienten bevölkert war.

    Das Foto oben zeigt die allgemeine Liegehalle des Schriesheimer Stammbergs, die erstaunlich gut erhalten ist. Denn ja: der Stammberg, wie der Berghof im Zauberberg, war eine Tuberkuloseklinik, wenn auch – ich glaube mich zu erinnern, dass im geschichtlichen Überblick von der Bismarck'schen Krankenversicherung als zumindest Beteiligte die Rede war – mit einer deutlich weniger exklusiven Zielgruppe als die der Haute Volée-Spielwiese des Romans. Und auch wenn der Weiße Stein mit seinen gut 500 Metern nicht ganz mithalten kann mit den Dreitausendern rund um Davos, wenigstens ein bisschen in den Bergen befinden sich auch diese Gebäude.

    Tatsächlich war der Berghang am Rand der Kanzelbach-Talaue Teil des damaligen Kurparks. Während sich der Wald die Gartenanlagen am Hang weitgehend wieder geholt hat, sind einige der Flanierwege noch erhalten:

    Durch einen lichten, nach links hin ansteigenden Wald führt ein als naturnahe Treppe ausgeführter Weg.  An dessen Rand steht ein Warnschild: „Vorsicht Stechgefahr Bienen!“.

    Zu diesem Foto ist zu fantasieren, dass 1903 der Pfad vielleicht durch ein paar Rosenstöcke und Rhododendren führte, um die Mobilisierungsübungen der Patientinnen etwas zu verschönern. Ein klein wenig lässt sich das noch am Fuß des Hanges erahnen, wo das Eröffnungsbild dieses Artikels entstanden ist.

    Jedoch: Patientinnen ohne hohes I oder sonstige grammatische Berücksichtung von Männern? Ja, denn im Gegensatz zum Berghof des Zauberbergs, in dem es ja durchaus viel um Techtel aller Arten geht, war das Stammberg ein Frauensanatorium. Davon wiederum war zu hören während eines Vortrags einer Mitarbeiterin des Deutschen Tuberkulosearchivs (DTA) im Denkmalstag-Programm.

    Das DTA ist eine Einrichtung, die zwar schon seit einiger Zeit in Heidelberg – genauer bei der Thoraxklinik in Rohrbach – residiert, von deren Existenz ich aber bis zu dem Vortrag nichts ahnte. Was regelrecht schade ist, denn im Haus befindet sich auch eine Ausstellung, die mir sehr lohnend zu sein scheint. Leider ist diese nur nach Vereinbarung zugänglich. Aber ich plane schon die meine. Also: Vereinbarung.

    Auch über Liegehalle und Park hinaus bietet das Haus Stammberg eine Menge Bau- und Technikgeschichte. Am Tag des offenen Denkmals hat der Leiter des Hauses die BesucherInnen herumgeführt, und zwar bis hin zur Kläranlage am Westende des Geländes. Ja: das hat es 1903 schon gegeben, wenn auch eher ausnahmsweise. Das Stammberg etwa hat sie offenbar bauen lassen, um Bedenken der Schriesheimer Bevölkerung, der Kanzelbach könnte durch das Sanatorium in einen Tuberkelpfuhl verwandelt werden, entgegenzuwirken.

    Wenn das, was heute noch übrig ist, allerdings repräsentativ ist für das, was damals gebaut wurde, dann ist erstaunlich, dass die Bürgerschaft bachabwärts sich hat beruhigen hat lassen:

    Ein grün bewachsenes, vielleicht 10 × 10 m großes Becken mit einem Geländer drumrum.  Dahinter ein recht moderne aussehnder kleiner, einstückiger Klinkerbau mit zwei Fenstern.

    All das ist (jedenfalls mit den ganzen Zauberberg-Geschichten im Hinterkopf) so bezaubernd, dass ich AutorInnen von Heidelberg-Reiseführern (sowie natürlich neugierigen BewohnerInnen von Stadt und Umgebung) das Haus Stammberg ans Herz legen möchte. Mensch muss den Mann-Roman nicht mögen, um dem Charme des Ortes zu erliegen, einschließlich des vielleicht zunächst etwas morbid wirkenden Verfallsthemas, das Buch und Schriesheimer Realität (jedenfalls vorläufig; es gibt schon Pläne, die Liegehalle besser zu konservieren) durchaus gemeinsam haben.

    [1]…und vielleicht Corona-Distanzregeln; das Bild ist aber aktuell.
    [2]Dessen Name übrigens in einer eigenartigen, wenn auch vermutlich nicht geplanten Antiparallelität zum Berghof, dem Sanatorium aus dem Zauberberg, steht.
  • Eingeschneite Mandelblüten

    Foto einer geöffneten Mandelblüte vor einer Schneelandschaft.

    Heute bei Dossenheim: Ob aus dieser Blüte mal eine Mandel wird, darf trefflich bezweifelt werden.

    Zu den großartigeren Projekten in und um Dossenheim gehören die Mandelbäume am Mantelbach, die unter der Ägide des Freundeskreises der Gemeindebücherei im Laufe der letzten zehn Jahre (oder so) gepflanzt wurden. Wer Ende Februar, Anfang März im Norden von Heidelberg unterwegs ist: Ich finde, die rosa Blütenpracht mit dem Duft von Omaseife ist jedenfalls einen kleinen Ausflug wert. Trotz Klimawandel dürften Mandelbäume, die zudem noch ganz ordentlich tragen, noch für eine Weile als spezielle Sehenswürdigkeit von Bergstraße und Südpfalz durchgehen.

    In diesem Jahr nun war es aber in der ersten Januarhälfte schon so warm, dass einige der mutigeren Bäumchen schon mal losgelegt haben. Und dann hat gestern Nacht ein Nordostwind für hiesige Verhältnisse beachtliche Mengen Schnee mitgebracht. Bei einem Spaziergang heute morgen taten mir die frühen Blüten (und noch mehr die Knospen) schon ein wenig leid.

    Während die Mandelblüten den Frost, glaube ich, nicht gut mitmachen werden, bin ich für den Winterjasmin ein Stück weiter oben in den Weinbergen eigentlich ganz guter Dinge, auch wenn er fast verschwunden ist im Schnee:

    Ein Schneehaufen mit Löchern, durch die gelbe Blüten sichtbar sind.
  • Gefrorener Nebel

    Foto: Ein Berg, unten wie von Schnee weiß überpudert, oben eher braun.

    Der Ölberg bei Dossenheim heute: Sieht zwar aus wie Inversionswetterlage, war aber überall kalt.

    Zu den großen Vorteilen des Lebens mit Bergblick[1] gehört, dass es immer wieder interessante Physik zu bestaunen gibt. Heute etwa zeigte sich der Ölberg – ein Teil des Aufstiegs zum Odenwald am östlichen Rand des Oberrheingrabens, das Foto entstand also von etwa 100 Metern über NN – wie im Foto oben. Berge, die oben braun und unten weiß sind, sind zunächst eher erstaunlich, denn „normal“ wirds nach oben hin kälter, und damit bleibt Schnee auf Bergen meistens viel länger liegen als im Tal, so wie etwa hier (Mai 2017):

    Foto: Viel Grün im Vordergrund, dahinter Schneeberge

    Eine wichtige Ausnahme von dieser Regel ergibt sich bei einer Inversionswetterlage, wenn sich warme Luft über kalte schiebt; der verlinkte Wikipedia-Artikel enthält in der Tat ein Bild ganz ähnlich wie das Eingangsfoto, also ein Berg mit weißem Fuß und braunem Kopf.

    Inversionswetterlagen sind von Dossenheim aus gut zu erkennen, wenn das Kraftwerk in Mannheim-Rheinau läuft, denn die Dampf-Fahne sieht dann etwas seltsam aus (Foto vom Dezember 2021):

    Foto: Himmel mit „Abgasfahne“, die auf halber Höhe abknickt und sich flach weiter ausbreitet.

    Wie das ohne Inversion aussieht, könnt ihr im kleinen GKM-Video im Kohlendioxid am Balkon-Post begutachten.

    Aber der Befund oben ist allenfalls indirekt auf eine Inversionswetterlage zurückzuführen. Es war gestern in der ganzen Luftsäule arschkalt – -8° Celsius ist für diese Gegend hier schon bitter – und dazu im Tal neblig. Bei diesen Tempraturen ist der Nebel ausgefroren, wie das heute morgen im Tal an vielen Stellen zu bewundern war, etwa an dieser Pflanze – also gut: an diesem Pflanzenrest:

    Foto: Myriaden von Eiskristallen an einem Pflanzentrieb in der Sonne

    Ich würde nennenswerte Summen verwetten, dass der Nebel gestern am Ölberg nur bis vielleicht 300 m über NN reichte und darüber strahlender Sonnenschein herrschte (diese obere Nebelgrenze mag an einer milden Inversion gelegen haben; ich bin nach den hiesigen Wetterverhältnissen der letzten Tage jedoch überzeugt, dass es auch bei Sonne nicht viel wärmer war dort oben).

    Es wäre bestimmt hinreißend gewesen, über die Nebel im Rheingraben zu blicken. Wenn mensch das nur immer so genau wüsste unten im Nebel… Andererseits: Es wäre mir wahrscheinlich so oder so zu kalt gewesen, und mein RSV (oder Influenza oder Parainfluenza oder Metapneumo oder hCoV oder was auch immer, also: meine blöde Erkältung gerade) hätte mich wohl eh drin gehalten.

    [1]Nein, ich will nichts darüber hören, dass Erhebungen von 350 Metern über die Umgebung – das ist die Größenordnung beim Ölberg – nicht als Berge, sondern allenfalls als Hügel zählen. Fahrt einfach mal mit dem Fahrrad rauf. Danach höre ich mir das Wort „Hügel“ auch aus eurem Mund an.

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