Wie im Klischee

Das Bild der EU als „Friedensmacht“, die allenfalls mit etwas Geld die Verhältnisse in der Welt milde verbessert, war natürlich schon immer Quatsch. Die Rücksichtslosigkeit, mit der Kommission und Rat rassistische und neokoloniale Agenden mit Gewalt durchsetzen („gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitk“ oder GASP) sah jedoch zu Zeiten der Lomé-Abkommen durchaus deutlich harmloser aus (wobei auch diese viele Millionen Menschenleben erheblich verkürzt haben dürften [1]).

Die GASP nun verbindet sich derzeit sehr direkt mit der blutigen Migrationspolitik der EU, beispielsweise im Aufbau von Return Case Management-Systemen. Das sind Verfahren, die der EU Zugriff auf Repressionsdatenbanken der Herkunftsländer von Geflüchteten geben. Damit auch die Regierungen der Herkunftsländer etwas davon haben, finanziert die EU wo nötig deren Auf- und Ausbau, inklusive Vollerfassung der Fingerabdrücke der Bevölkerungen.

Wie das genau aussieht, und wie nebenbei der sicherheits-industrielle Komplex der EU gefüttert wird, hat im letzten November Privacy International (PI) am Beispiel des Senegal dokumentiert: ein Laden namens Civi.Pol, angesiedelt zwischen Rüstungsindustrie sowie französischem Geheimdienst und Innenministerium, baut eine Fingerabdruckdatenbank für sowohl die dortige Regierung als auch das EU-Deportationsmanagement.

Nachtrag (2024-02-25)

Nur, damit keine Zweifel bestehen über die Natur der Regierung, die die EU da aufrüstet: In der taz vom 14.2.2024 wird aus dem Senegal berichtet:

„Anfangs haben sie gegen Demonstrierende Tränengas eingesetzt, heute sind es echte Kugeln.“ Dann fällt ein Name: Alpha Yoro Tounkara. Der Geografie-Student ist eines der drei Todesopfer der Niederschlagung der Proteste am vergangenen Freitag und ein Freund von Ndeye Magatte Seck

PI hat den Artikel sehr treffend mit diesem offizielle Pressefoto der EU illustriert:

Ndiaye und Avramopoulos dinieren

Bildrechte beim Audiovisual Service der Europäischen Kommission; Nutzung für Zwecke der Verbreitung EU-bezogener Information.

Hier trifft sich der Außenminister des Senegal, Mankeur Ndiaye, mit dem Migrationskommissar der EU, Dimitris Avramopoulos, und schon auf den ersten Blick ist klar, wer hier wem etwas erklärt, wer finster gucken darf und wer lächeln muss, und dass hier Anweisungen in kleinem Rahmen erteilt werden, die die Öffentlichkeit nichts angehen. Es ist auch kein_e Protokollführer_in in Sicht.

Das Bild ist von 2016; vermutlich ging es bei diesem Gespräch also nicht direkt um den von PI diskutierten Deal. Dass aber die EU meint, ihre Verhandlungen mit Ländern im globalen Süden so illustrieren zu müssen und zu können, das ist zumindest in meiner Welt schon in sich ein Skandal.

[1]Literaturtipp dazu: Brigitte Erler, Tödliche Hilfe, Freiburg 1985. Leider auch nicht in der Imperial Library of Trantor.

Zitiert in: Kritischer Hörtipp: „Afrika im Aufbruch“ Irgendwo in Afrika Klarsprache: Frontex braucht einen Neuanfang Antisprache: Verschwörungstheorie

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