Ich hatte im Januar gegen Ende meines Kopfschüttelns über Fachblindheit zum Thema wissenschaftliches Publikationswesen der Versuchung einer preisbezogenen Klugscheißerei nicht widerstehen können:
Wenn der DLF-Moderator behauptet, Vernon Smith habe 2002 den Nobelpreis erhalten, ist dem im Sinne von Alfred Nobel zu widersprechen – Smith hat den „Preis für Wirtschaftswissenschaften der schwedischen Reichsbank in Gedenken an Alfred Nobel“ bekommen, der seit 1969 verliehen wird (richtige Nobelpreise: seit 1901).
Diese Bemerkung war zwar in mehrfacher Hinsicht albern, aber das Thema hat schon viele in Technicolor schimmernde Seiten. Auf eine davon bin ich vorhin in Yanis Varoufakis' unterhaltsamen[1] The Global Minotaur (entleihbar bei libgen) gestoßen. Und zwar hat das für den Reichsbank-Preis zuständige Komitee 1997 Robert Merton and Myron Scholes als würdige Empfänger auserkoren, weil:
Their methodology has paved the way for economic valuations in many areas. It has also generated new types of financial instruments and facilitated more efficient risk management in society.
– sie also angeblich Risiken „effizienter“ abschätzen konnten als ihre VorgängerInnen.
Gleich im nächsten Jahr implodierte der vielleicht selbstironisch Long Term Capital Management (LTCM) genannte Laden der beiden und konnte nur durch einen großzügigen öffentlichen Bailout so abgewickelt werden, dass er nicht gleich das halbe Bankensystem mitnahm; die Geschichte in der Wikipedia. In aller Kürze zeigt die Wertentwicklung von LTCM-Anlagen aus dem Wikipedia-Artikel die Zuverlässigkeit (oder Nützlichkeit? Oder „Effizienz“?) der Erkenntnisse von Merton und Scholes ziemlich deutlich:
Selbst wenn das nicht eine starke Aussage über die Wirtschafts„wissenschaften“ als solche oder zumindest ihren Effizienzbegriff sein sollte – es ist jedenfalls eine starke Aussage über diesen, hust, „Wirtschafts-Nobelpreis”.
[1] | Also: Unterhaltsam zumindest für Menschen, die ihren Zorn darüber, dass all die Monopolyspiele haufenweise Menschen umbringen, mit hinreichend Zynismus kontrollieren können. |