• Ach Bahn, Teil 13: Besser wirds am XX.XX.XXXX

    Die Bahn behauptet ja gerne, all die indiskreten „Analytik“-Skripte, die sie über ihre Webseite ausliefert, dienten irgendwie dazu, die „User Experience“ zu verbessern. Wenn das so ist, so hoffe ich, dass ihnen ihre Analytik-Dienstleister Hinweise zur profunden Nutzlosigkeit von Meldungen dieser Art geben:

    Screenshot der Bahnseite mit einer Meldung „Zum XX.XX.XXX werden die technischen Systeme von bahn.de umgestellt [...] Mehr Informationen finden Sie unter d2.

    Aber nennt mich konservativ: Ich sehe dem angekündigen XX.XX.XXXX mit wenig Freude entgegen, denn trotz aller Analytik ist die Bahn-Webseite über die Jahre für mich immer schlechter bedienbar geworden. Während die ersten Formulare schnell luden, praktisch ohne Belastung für heutige CPUs renderten und mit Browser-Hausmitteln tastaturbedienbar waren, ist die heutige Javascript-Wüste in jeder Hinsicht lästig. Das einzige Feature jedoch, das mir schon in den ganz alten Bahnseiten fehlte, fehlt immer noch: Wenn sie schon wissen, wer ich bin und dass ich eine Bahncard 50 habe, dann könnten sie doch voreinstellen, dass ich auch Bahncard 50-Fahrkarten kaufen will.

    Nach etwas Kontemplation habe ich übrigens verstanden, dass ich das „d2“ in der Meldung oben ignorieren muss und kann, wohingegen das Ding mit dem Pfeil davor zwar völlig aus dem Layout fällt, aber den Satz im Absatz darüber komplettiert und mithin der Link sein wird, unter dem es „mehr Informationen“ geben soll. Also klickte ich auf die „Zukunft der Bahn“ und war nach dem oben Gesagten nur sehr mäßig enttäuscht, als ich Folgendes zu sehen bekam:

    Screenshot: „Sie haben in Ihrem Browser JavaScript deaktiviert, dies wird jedoch von unserer Anwendung benötigt.“

    Liebe Bahn: Ich will keine „Anwendung“. Ich will ein Formular, über das ich Fahrplanauskünfte bekomme und vielleicht noch Fahrkarten kaufen kann. Ja, das geht ohne Javascript, und eine öffentliche Infrastruktur – um einen Gegenbegriff zum „modernen Dienstleistungsunternehmen“ einzuführen – sollte das auch dann möglich machen, wenn sie gegenwärtig in eine etwas ungeeignete Rechtsform gezwungen ist.

  • Bruchsal zwischen Mandolinen und Soldaten

    Foto von ca. 20 Lederbändern mit aufgepressten Metallplättchen über Klaviersaiten mit einem Holzbügel mit der Aufschrift „Mandoline auf die Zapfen Z setzen”.

    Ein Detail eines automatischen Klaviers („Pianova“ von den Leipziger Musikwerken Paul Lochmann GmbH), ca. 1910. Was es mit diesen Lederstreifen auf sich hat, erzähle ich ziemlich gegen Ende dieses Posts.

    Unter den Einrichtungen, die beim Oberrhein-Musesumpass mitmachen, finden sich einige Burgen (z.B.) und Schlösser (nochmal z.B.). An Fronleichnam verschlug es mich in dieser Angelegenheit in die Residenz der Fürstbischöfe von Speyer in Bruchsal.

    Dafür, dass das Bistum Speyer eine recht überschaubare Herrschaft war, ist der Palast, den der Potentat Damian von Schönborn-Buchheim seinen Untertanen in den 1720er Jahren abgepresst hat, beeindruckend groß und großzügig. Noch überraschender angesichts des Duodezbauherren ist, dass beim Bau die Stars der damaligen Prunkbauten-Szene – etwa Balthasar Neuman oder Cosmas und Damian Asam – am Start waren.

    Der Fairness halber will ich einräumen, dass sich Schönborn-Buchheim ein Schloss ersetzen ließ, das Soldaten in einem Krieg kaputtgehauen hatten, mit dem er nichts zu tun hatte, und dass er selbst sich mit Kriegen und anderem Gemetzel vorbildlich zurückgehalten hat.

    Insofern darf mensch das völlig übertrieben große Treppenhaus und die Prunkhallen mit ihren nicht immer ganz geschmackssicheren und schon wegen ganzer Bände heidnischer Mythen entschieden unfrommen Deckenmalereien ohne viel schlechtes Gewissen goutieren, um so mehr, als die aktuellen Decken ohnehin aus der Nachkriegszeit stammen. Alliierte Bomber haben das Schloss nämlich bei Angriffen auf die in Bruchsal stationierten deutschen Zweite-Weltkrieger noch im März 1945 getroffen, woraufhin es ausgebrannt ist.

    Foto einer großen runden Mauer mit Durchblick auf ein hohes Deckenfresko

    Das Treppenhaus im Schloss von Bruchsal ist eigentlich klar überdimensioniert für das kleine Reich seiner Besitzer.

    Soldaten gehen und kommen

    Das mutmaßliche Ziel der Alliierten gehört zur bösen Geschichte Bruchsals: Seit den Zeiten des Fürstbischofs hatte das Städtchen eine Kaserne. 1922 befreiten die Demilitarisierungsregeln des Versailler Vertrags die BürgerInnen von den Soldaten, 1945 nochmal der Zusammenbruch der faschistischen Herrschaft. In beiden Fällen kamen die Soldaten leider bald wieder.

    Da die Bundeswehr Anfang der 1990er Jahre ein vorerst letztes Mal verschwunden ist („Friedensdividende“), ist Bruchsal zur Zeit wieder militärisch unbelastet. Die zurückbleibende Kaserne – ich kann der Abschweifung nicht widerstehen – nutzte die Landesregierung von Baden-Württemberg für ein besonders verdrehtes Experiment im Rahmen ihrer Privatisierungsstrategie für Hochschulen (vgl. neulich zu Bologna): Die International University in Germany, in die die öffentliche Hand mehrfach ein paar Millionen Euro versenkte, bevor der Laden erwartungsgemäß Pleite ging. Ich weiß nicht, was jetzt in der Kaserne ist; hoffentlich kommen die Soldaten nicht schon wieder zurück. Ganz sicher wäre selbst ein weiteres Experiment mit einer Privatuniversität weniger grässlich – und erheblich billiger sowieso.

    Die Guillotine von Plötzensee

    Aber zurück zum Schloss: Neben den Prunkräumen befindet sich dort heute das Stadtmuseum, das etwa die recht interessante Geschichte des Bruchsaler Knastes beleuchtet (bemerkenswerterweise ohne Erwähnung des dort bis vor 15 Jahren einsitzenden Promis Christian Klar). Insbesondere war mir ganz neu, dass der Scharfrichter des NS-Volksgerichtshofs im Strafgefängnis Plötzensee seinen Opfern mit der badischen Guillotine von Bruchsal die Köpfe abschlug – angesichts der eigentlich liberalen Tradition des Landes Baden hat diese Geschichte, finde ich, eine gewisse Ironie.

    Liberale Tradition? Ja, eine weitere Geschichte aus dem Stadtmuseum handelt vom Revolutionsjahr 1848, als Bruchsal schon einmal ohne langfristigen Erfolg die Soldaten abgeschüttelt hatte: Damals nämlich waren die Dragoner ausgerückt, um den Hecker-Aufstand niederzuschlagen. Als sie damit fertig und also zurück in Bruchsal waren, nahmen viele der für eine Weile freiheitlich gesinnten BürgerInnen gegen sie eine „drohende Haltung ein“. Der Museumstext weiter: „Schließlich musste das Militär nach Mannheim verlegt werden, um die Ruhe in Bruchsal nicht weiter zu gefährden.”

    Aber wie gesagt: Trotz dieses vorübergehend vorbildlichen BürgerInnensinns waren waren die Dragoner wenig später wieder da. In der Realität gewinnen halt doch meistens die Bösen.

    Musikautomaten

    Aber ich will die Realität nicht schelten, denn es gibt auch immer wieder bezaubernde Wunderdinge. Besonders viele davon sind im Musikautomaten-Museum versammelt, das ebenfalls mit dem Schloss-Ticket besichtigt werden kann (ihr solltet mindestens zwei Stunden dafür einplanen). Dort hatte ich die Einsicht, dass es neben der Analog-Schallplatte („Schellack“) rund um 1900 herum eine ernstzunehmende digitale Konkurrenz durch Lochplatten gab:

    Eine Metallplatte mit eingestanzen Löchern entlang von konzentrischen Spuren in einem Abspielmechanismus mit hölzernem Kasten.

    In diesen Platten sind Impulse kodiert, die Stimmzungen oder Pfeifen ansteuerten; jede Spur entsprach einem Ton, so dass der Zauber schon nach einer Umdrehung etwas repititiv wurde – aber sie drehten natürlich auch viel langsamer als die 45 Umdrehungen pro Minute zeitgenössischer Schallplatten, und ihre Klangqualität war um Längen besser. Das Bruchsaler Muserum hat zahlreiche Mechanismen, die Platten dieser Art mit verschiedenen Techniken abspielten.

    Mir ist beim Blick auf die Dinger durch den Kopf gegangen, dass ein wesentliches Problem der Technologie gegenüber der Schellackplatte neben der eher kurzen Spieldauer fehlende Standards gewesen sein dürften, also etwa: Wie groß soll die Platte sein? Wie schnell soll sie gedreht werden? Welche Zähnung hat die Antriebsspur? Welche Spur macht welchen Ton? Beim Schellack konnte recht bald jede Platte auf jedem Gerät gespielt werden, hier ziemlich sicher nicht.

    Putziges Implementationsdetail zur letzten Frage: Weil Basslinien in normalen Stücken deutlich langsamer sind als Läufe im Sopran, entsprechen innere (also kürzere) Spuren bei den Geräten fast immer tieferen Tönen.

    Was mich allerdings am meisten hingerissen hat: Der Hack vom Aufmacherfoto, nämlich auf Lederbänder gepresste Blechlein. Diese Teile haben einem mechanischen Klavier wirklich so eine Art Mandolinenklang (also: etwas schnarrend) beigebracht, und zwar indem der Holzbügel, der im oberen Teil des Fotos erkennbar ist, die Lederbänder auf die Saiten gedrückt hat, vielleicht ein wenig wie bei einem Dämpfer. Erstaunlicherweise haben dann die mitschwingenden Blechlein wirklich den Toncharakter erheblich verändert. Ob ich den neuen Klang ohne Vorsagen „Mandoline“ genannt hätte, lasse ich mal offen.

    Ein Rat noch: Nehmt euch Gehörschutz mit. Etliche der Maschinen waren für Jahrmärkte und laute Kneipen gedacht und von der Lautstärke her entsprechend ausgelegt.

  • Alles kaputt first, Bedenken second

    Nachdem die Bahn sich weigert, Menschen, die auf ihren Computern selbst root sein wollen, 49-Euro-Tickets zu geben, versuche ich gerade, das Ding vom lokalen Nahverkehrsunternehmen VRN zu kaufen, denn die geben Plastikkarten aus (Lob immerhin dafür). Und weil ich gerade wirklich die Nase voll habe von vermurksten Webseiten (vgl. unten), wollte ich mir das Ding einfach in der „Mobilitätszentrale“ in Heidelberg kaufen. Aber keine Chance:

    Ein Aushang des VRN: das Mobilitätszentrum ist bis auf weiteres am Mittwoch zu, weil die Leute mit 49-Euro-Ticket-Bürokratie beschäftigt sind.

    Mit anderen Worten: Aufgrund des „muss aber digital sein“-Irrsinns, den Bundesverkehrsminister Wissing dem 49-Euro-Ticket verordnet hat, gibts keine Mobilität… szentrale. Ja klasse!

    Mensch vergleiche das insbesondere mit dem entspannten Ablauf beim 9-Euro-Ticket vor einem Jahr. Die Tickets kamen spontan, ohne Abo und ganz normal aus Papier aus dem Automaten, keine Mobilitätszentren mussten schließen, und es gab auch sonst keine nennenswerte Beeinträchtigung der Kundendienste (soweit sie nicht eh schon kaputt waren). Ist es eigentlich schon nachgewiesener böser Wille, wenn Wissing statt eines einfachen und bewährten Verfahrens etwas erzwingt, das rechts und links explodiert?

    Links und rechts? Na klar. Ich versuche seit einer Woche, mir das Juni-Ticket aus der murksigen Bahn-App zu holen und habe dazu mindestens sieben Captchas gelöst, nur im dann immer das hier zu kriegen:

    Foto eines Mobiltelefonbildschirms mit der Meldung 503 Service Unavailable von der Webseite accounts.bahn.de

    Wie oft muss ich das probieren, um bei einem eventuellen Schwarzfahrverfahren keinen Ärger zu bekommen?

    Fast schon überflüssig zu erwähnen, dass vom Bahn-Abo-Support seit letztem Freitag kein Signal kam zu einschlägigen Fehlerberichten außer einer Eingangsbestätigung.

    Nachdem das „Mobilitätszentrum“ zu hatte, habe ich es übrigens doch mit der VRN-Webseite probiert, mit dem erwartbaren Ergebnis. Das Javascript auf https://abo.rnv-online.de/abo/new.aspx landet auf einem luakit mit einem:

    TypeError: $('.nyroModal_2').nyroModal is not a function. (In '$('.nyroModal_2').nyroModal()', '$('.nyroModal_2').nyroModal' is undefined)
    

    in new.aspx (ASP! Für Menschen unter 45: Das sind Active Server Pages, irgendein unsäglicher Microsoft-Scheiß, den ich für längst jenseits von smells funny gehalten habe), Zeile 327 hart, woraufhin die Dialoge nicht mehr gehen (und der blöde Spinner permanent oben auf der Seite steht).

    Mit einem Firefox kommt mensch immerhin weiter, auch wenn das immer noch eine ziemliche Klickerei ist und ich beim ersten Versuch nach all den Einwilligungen magisch wieder neu anfangen musste.

    Sollte wer das lesen, der/die bei der letzten Wahl FDP gewählt („Rasende Porno-Kiffer“, wie fefe so schön gesagt hat) hat: Ohne euch hätten wir immerhin den Wissing nicht, der auch nach Maßstäben von MinisterInnen besonders destruktiv agiert. Schämt euch! Für den ganzen 49-Euro-Scheiß habe ich was gut bei euch.

    Nachtrag (2023-06-07)

    Am Nachmittag habe ich, geduldig wie ich bin, das mit dem Juniticket von der Bahn nochmal probiert. Und siehe da, ich bin an der Authentifizierung vorbeigekommen (ich musste wieder „Planeten“ antatschen).

    Aber was soll ich sagen? Es geht immer noch nicht. Die Meldung, die der „Navigator“ jetzt ausspuckt, ist auch kein Stück besser als das gewohnte 503 von accounts.bahn.de. Wenn ich der Anweisung „Swipe down to Refresh“ folge, bekomme ich nämlich:

    Foto eines Bildschirms mit einem modalen Dialog: „The order could not be found.  Please ensure that you have centered all of the information correctly“

    Was denn für eine „order“? Ich habe keine eingegeben. Ich habe nur runtergeswipt. Welche Information also sollte ich bitte „correctly“ eingeben? Vielleicht anmutiger swipen? Und ja, die Authentifikation scheint ok; jedenfalls zeigt mir das Ding meine Bahncard, wenn ich den entsprechenden Menüpunkt antatsche.

    Was für ein Murks! Funktioniert das überhaupt für irgendwen? Und hat irgendwer auch nur irgendwas vom Abo-Support der Bahn bekommen, das nicht nur die Eingangsbestätigung ist?

    Nach-Nachtrag: Ah. Per Hand hinzufügen (mit dem eigenartigen +-Knopf, der Abo-Nummer und dem Nachnamen) geht. Ha! Was kann da schon schiefgehen?

  • Skandalöse Plotholes: Loriot vs. Scrabble

    Wenn ich gerne mal eine Partie Scrabble spiele, mag das durchaus an Loriots Film Ödipussi aus dem Jahr 1988 liegen. Darin versucht eine ältere Dame („Tante Mechthild“) zunächst, mit dem Wort „Hundnase“ durchzukommen:

    Ein Scrabble-Brett mit einigen gelegten Wörtern, eine Hand vollendet gerade „Hundnase“

    Rechte: Warner Home Video (nehme ich an)

    Das führt natürlich zu einer der großartigen Debatten, ob es nun ein Wort gebe oder nicht und ob es von den jeweiligen Hausregeln her zulässig sei. Die Spielrunde zwingt Mechthild mit strengen Blicken und Kommentaren, das Wort zurückzunehmen. Sie darf es aber – das ist auch schon eine liberale Regelabweichung – nochmal probieren. Auf diese Weise entsteht der Klassiker „Schwanzhund“:

    Das gleiche Scrabble-Brett wie eben, nur vollendet die Hand jetzt „Schwanzhund“

    Rechte: Warner Home Video (nehme ich an)

    Ich weiß gar nicht, wie mir das bisher entgehen konnte, aber: Das ist sehr wahrscheinlich ein Plothole, ein Fehler im Drehbuch. „Schwanz“ sind ja sieben Buchstaben, also alle, die mensch beim Scrabble auf der Hand hat. Wie aber hat sie dann vorher „Nase“, also mit einem E, legen können?

    Es gibt eigentlich nur zwei Erklärungen[1]: Entweder ist Tante Mechthild tüddelig und hat versehentlich acht Steine auf der Hand gehabt (aber hätten ihre strengen MitspielerInnen sie das machen lassen?). Oder sie hat geschickt betrogen und das E gegen einen der Schwanz-Buchstaben ausgetauscht.

    Es mag schon sein, dass in diesem Twist eine subtile Botschaft von Loriot liegt, zumal Mechthilds Behauptung, das seien 57 Punkte, so auch nicht stimmt. Zwar ist richtig, dass mit den Buchstabenwerten des Filmspiels, dem Doppelwert des W und dem dreifachen Wortwert unter dem S 3 × 19 = 57 Punkte rauskommen, aber Mechthild bekommt eigentlich noch den Bonus fürs Ablegen aller Buchstaben und kommt also auf 107 Punkte – es sei denn, sie hat wirklich ein E behalten, weil sie acht Buchstaben auf der Hand hatte (vgl. oben).

    Aber dann passen die Buchstabenwerte nicht zu modernem Scrabble; jedenfalls in den (laut Wikipedia seit 1987) aktuellen deutschen Scrabble-Spielen gibt das C vier Punkte und das W drei Punkte. Ob das in alten Scrabbles anders war? Vielleicht gab es da auch noch keinen 50-Punkte-Bonus? Das gefilmte Spiel ist jedenfalls kein englisches Spiel (in dem die Buchstabenwerte natürlich ganz anders sind), erstens wegen der (deutschen) Beschriftung der Multiplikatorfelder, zweitens, weil es einen Ö-Stein gibt.

    Fragen über Fragen. Wer zur Aufklärung beitragen kann: gerne. Und guckt gar nicht erst: Bei IMDB ist das (noch) nicht kommentiert.

    [1]Dass die beiden Versuche in einem Zug passierten ist klar, weil sich am restlichen Brett nichts änderte. Theoretisch, das sei eingestanden, wäre denkbar, dass sie ihre Buchstaben in ihrem nächsten Zug ausgetauscht hat und ansonsten alle SpielerInnen über zwei Runden nur gepasst oder selbst ausgetauscht haben, aber das hat es wohl in der gesamten Geschichte des Scrabblespielens noch nicht gegeben.
  • Bologna: Die universell gescheiterte Verschwörung

    Foto eines Plakats mit dem Claim: „Tschüss Notengrenze Hallo Master!  Bei den meisten Masterstudiengängen an der Hochschule Coburg gibt es keine Notengrenze mehr!”

    Dieses Plakat ist mir am 2. April in Fürth aufgefallen, und es ist eine schöne Illustration der Tatsache, dass der Bologna-Prozess sogar für die Ministerien komplett in die Hose gegangen ist.

    Meine längere Diatribe über Verschwörungstheorien neulich war inspiriert von dem Plakat auf dem Eingangsbild zu diesem Post, denn es illustriert eine von vielen Weisen, in denen der Bologna-Prozess – Arbeitsdefinition: ungefähre Verfünffachung der Prüfungslast an Hochschulen, mehr dazu gleich – krachend gescheitert ist. In diesem Scheitern ist er wiederum eine besonders schlagende Illustrationen für meine Behauptung gegen Ende des Verschwörungsposts: Verschwörungen – im Sinne von „verabredete Differenzen zwischen öffentlichen und privaten Äußerungen“ – sind zwar tatsächlich allgegenwärtig im politischen Prozess. Paranoid und unzutreffend ist aber die Annahme, diese Verschwörungen würden auch funktionieren, den Verschworenen also die Vorteile bringen, die sie sich erwartet haben.

    Beim Bologna-Prozess und seinen Vorläufern war ich als kleines Rädchen live dabei und hatte sogar eine eigene kleine Seiten-Verschwörung am Laufen: Ich habe nämlich bei der Einführung eines der ersten Bachelor-Studiengänge an der Uni hier mitgewirkt und habe allerlei positive Äußerungen zu Bologna durch meine Mitverschworenen wider besseren Wissens nicht korrigiert. Weil: wir wollten Studis eine Gelegenheit geben, ohne Latinum einen Abschluss zu bekommen, was mit dem alten Magister aussichtslos, mit dem neuen Bachelor jedoch leicht schien. Zu meiner Verteidigung: Ich bin nie so tief gesunken, dass ich den Bologna-Quatsch selbst gelobt hätte.

    Die große Bolognaverschwörung

    Das, was später „Bologna-Prozess“ genannt wurde, muss irgendwann Anfang der 1990er in Gütersloh seinen Ausgangspunkt genommen haben. Eingestandenermaßen war ich da nicht dabei. Ich habe aber genug der sonstigen erzreaktionären („neoliberalen“) Diskurse, die damals in den Mainstream drängten, mitbekommen, um mit großer Zuversicht behaupten zu können, dass sich die in der ostwestfälischen Provinz residierenden Bertelsmann-Manager ungefähr zu dieser Zeit Geschichten dieser Art erzählten:

    Der Bildungsmarkt ist tausend Milliarden Dollar im Jahr [inzwischen viel mehr] schwer. Als moderner Medien- und Dienstleistungskonzern müssen wir einen größeren Anteil davon erobern. Schulbücher sind lukrativ, aber guckt nach Harvard. 25'000 Dollar [inzwischen viel mehr] für ein paar Kurse und Gelegenheiten zum Netzwerken! Zwei Mal im Jahr! Das ist Geschäft![1]

    Der sehnsüchtige Blick nach Harvard war damals eher noch üblicher als er es heute ist. Und so haben sich die Bertelsmänner ans Werk gemacht und überlegt, was es für die Eroberung des Bildungsmarktes wohl bräuchte. Ich paraphrasiere weiter:

    Was die deutschen Universitäten machen, verhindert alle sinnvollen Business-Modelle: Erstmal verschenken sie den Kram, sogar ihre Abschlüsse und Zertifikate! Und dann macht jede ein bisschen andere Kurse mit jeweils ein bisschen anderen Kriterien. Dafür Produkte [dass dieses Wort auf Briefzustellung oder Investment-Glücksspiele oder Vorlesungen anwendbar wurde, ist auch der damaligen Zeit zu… na ja: verdanken] zu entwickeln, ist ökonomisch nicht darstellbar [na gut: das Geschwätz von „darstellbar“ ging glaube ich erst etwas später los].

    Für Bertelsmanns künftiges Geschäft mit „Courseware“ war es also erstens wichtig, das „Produkt“ Studium kostenpflichtig zu machen, zweitens, das „Produkt“ Vorlesungsschein (heutzutage: ECTS-Punkte) zu standardisieren und zu kommodifizieren (meint: zu einer massenproduzierbaren, marktfähigen Ware zu machen). So klar sagten sie das natürlich nicht öffentlich. Zu sehr verbrämten sie es aber auch nicht, was die GEW in einem post-mortem von 2014 schön herausgearbeitet hat:

    Denn [ungefähr im Jahr 2000] forderte Müller-Böling [ein Bertelsmann, vgl. in einem Moment] von der Hochschule als „Dienstleistungsunternehmen“ eben dies: Dienstleistungen in Forschung und Lehre zu produzieren, diese in „Konkurrenz zu anderen Hochschulen“ anzubieten, „auf die Anforderungen des ‚Marktes‘“ möglichst rasch zu reagieren, wobei der Staat sich in diesen Markt nicht einmischen dürfe (so viel zum neoliberalen Theorierahmen des Modells), Leistungen werden aufgrund von Input-Output-Rechnungen beurteilt usw.

    „Marktentwicklung“ umschreibt ganz ausgezeichnet die Mission des Zentrums für Hochschulentwicklung (CHE), das Bertelsmann 1994 aus der Taufe hob. Mit dem Urheber des Zitats im GEW-Zitat, Detlef Müller-Böling, (dessen private Seite mit einer Crapicity von 161 ordentlich vorlegt) fanden sie auch gleich einen hyperaktiven Chef, der die Klaviatur der Medien – egal ob von Bertelsmann selbst (z.B. RTL und Gruner & Jahr) oder von der Konkurrenz – meisterhaft spielte.

    Dass die Bertelsmänner ihren Bildungs-„Thinktank“ ausgerechnet einem Diplom-Kaufmann unterstellten, ist aus verschwörungstheoretischer Warte bemerkenswert ehrlich.

    Wer war mit dabei? Die HRK!

    Mit von der Partie beim CHE war die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), was nicht nur rückblickend als suizidal auf Lemmingniveau zu werten ist. Das schon, weil die Rankings, die das CHE wenig später rauszupumpen begann, die RektorInnen unter heftigen Druck setzten, dem jeweils neuesten Bullshit (häufig geliefert vom CHE selbst) hinterherzurennen.

    Rankings oder nicht: Die verheerenden Auswirkungen des vom CHE geschaffenen „Wettbewerbs“ hätten die (damals fast ausschließlich) Herren Rektoren auch so unschwer vorhersehen können, denn in jedem Wettbewerb zwischen N KonkurrentInnen gibt es (maximal) eineN GewinnerIn – und mithin N − 1 VerliererInnen.

    Zumindest die Figuren jedoch, die die HRK damals dominierten, glaubten, genau sie würden gewinnen, oder (bei realistischer veranlagten Charakteren) es würde wenigstens so viele Titel zu gewinnen geben, dass einer davon schon für sie abfallen würde. Ich glaube, sie glaubten das, weil sie sich eingeredet hatten, sie würden auch mindestens Harvard, wenn sie nur erst Studiengebühren nehmen und gemäß ihrer brillianten „Strategien“ ausgeben könnten. Ein Vertreter der Spezies Rektor, der sich sehr erkennbar mit solchen Gedanken trug, war der Heidelberger Amtsträger Peter Ulmer (zuvor Juraprof), gegen dessen Gebührenpläne schon 1993 zu protestieren war.

    Mit der Gründung des CHE ein paar Jahre später wuchs sich dann der vorher nur sehr allmählich anschwellende Bocksgesang um „Langzeitstudis“ zum ohrenbetäubenden Getöse aus. Er heulte über Menschen, die mehrere Fächer hintereinander studierten – zumeist nur gelegentlich mit Abschlüssen – oder im dreißigsten Fachsemester noch darüber nachdachten, ob sie sich allmählich zur Prüfung anmelden sollten.

    So unsinnig das Getöse war – die „Langzeitstudis“ haben damals niemandem weh getan, und jene von ihnen, die sich irgendwie in die heutige Zeit rübergetrickst haben, tun es immer noch nicht –, es sorgte für haufenweise Akzeptanz für das, was einige Jahre später in Baden-Württemberg Trotha-Tausi hieß, nämlich Strafgebühren von zunächst 1000 Mark, später dann 500 Euro im Semester für Studis ab dem vierzehnten Fach- oder auch mal Hochschulsemester.

    Damit konnten der damalige baden-württembergische Wissenschaftsminister Klaus Trotha (blaublütig und CDU) und sein das Ganze parallel betreibender niedersächsischer Kollege Thomas Oppermann (SPD) einen Einstieg in die Studiengebühren (ihre erinnert euch: Voraussetzung von Teil eins der Bertelmann-Verschwörung) hinbekommen, zumal nennenswerte Teile der Studischaft den Unsinn von den die Unis schädigenden Langzeitstudis selbst zu glauben glaubten.

    Obendrauf gewann die Erzählung von den die Unis im Umkehrschluss „verbessernden“ Studiengebühren spätestens nach dem furchtbaren Ende des 97/98er-Streiks, dessen Agenda rasch vom CHE-Sprachrohr Zeit diktiert wurde, erschreckende Popularität in einer ganzen Generation von Studis. Es dauerte mindestens bis zum Bildungsstreik 2009, bis sich dieses Gift so halbwegs aus den Studihirnen rausgewaschen hatte.

    Eine Versammlung in Bologna

    Dass die Studiengebühren, statt allmählich auf harvardeske Höhen zu steigen, wieder sterben würden, war ziemlich sicher jenseits der Vorstellungswelt der Bertelsmänner, die sich auf der Zielgeraden zur Erschließung des Bildungsmarkts (ihr erinnert euch: Eine Billion Dollar!) wähnten. So begannen sie munter mit dem zweiten Teil ihres Programms: der Kommodifizierung von Hochschulbildung, also der möglichst einheitlichen Strukturierung von Studiengängen in separat handelbare Pakete („Module”).

    Der CHE-Chefideologe Müller-Böling war sich völlig bewusst, dass er mit seinem Gesamtprogramm gegen die Interessen aller Beteiligten handelte:

    Im CHE standen dreißig Leute 36 000 Professoren und zwei Millionen Studenten an achtzig bis hundert Universitäten und rund 260 Fachhochschulen gegenüber, außerdem 16 Landesministerien mit jeweils 300 Mitarbeitern

    – nun, dreißig Leute sowie das Kapital, die Pressemacht und die Netzwerke von Bertelsmann, wenn mensch ganz ehrlich ist; dass sich gerade die willfährigsten Claqueure der Reichen und Mächtigen damals so ein offensichtlich quatschiges Rebellenimage ankleben wollten, fasziniert mich bis heute.

    Angesichts des hinter ihm stehenden ganz großen Bruders Bertelsmann jedenfalls ist Müller-Bölings Jubel von „Ich habe nie gedacht, dass man mit dreißig Leuten Dinge direkt durchsetzen kann” schon zu relativieren. Dennoch ist ihm zu bescheinigen, dass sein Laden die klassische Machttaktik des divide et impera schon sehr geschickt eingesetzt hat. Das allerdings – verschiedenen Gruppen verschiedene Dinge zu versprechen und sie so am Aufbau einer gemeinsamen Gegenwehr zu hindern – hat am Schluss das ganze Projekt ruiniert. Womit ich endlich zum Kern der Verschwörungsgeschichte komme.

    Nachdem nämlich das CHE das Bologna-Programm schon zwei Jahre vor der Erklärung formuliert hatte, haben sie sich zunächst keine Mühe mit Parlamenten oder ProfessorInnen gemacht, sondern sind gleich zu den BildungsministerInnen gegangen. Wie genau es dazu kam, dass diese am 19. Juni 1999 im Rahmen eines Treffens von RektorInnen sich für wichtig haltender europäischer Universitäten in Bologna versammelt waren, weiß ich nicht. Tatsache ist: Sie unterschrieben dort eine allenfalls notdürftig getarnte Fassung des Bertelsmann-Programms (also: Studiengänge sollen aus frei handelbaren Modulen aufgebaut werden).

    Ein Raum mit unfassbar dichten Wandmalerreien, davor moderne Bestuhlung.

    Eine der zwei Aulae Magnae im Archiginnasio in Bologna. Ich glaube, dass in dieser wirren Kulisse die MinisterInnen die Bertelsmann'sche Erklärung unterschrieben haben.

    Dieses Papier geisterte in den folgenden Jahren als Bologna-Erklärung durch die Hochschullandschaft, ganz besonders durch die deutsche, die sich in der Folge von 68 im Vergleich zu vielen anderen recht liberal und wenig gängelig zeigte und deshalb aus Bertelsmann-Sicht besonders viel „Reformbedarf“ hatte.

    Zu vielen zu viel versprochen

    Dass die BildungsministerInnen-Versammlung, die die Forderung damals abgenickt hat, keinerlei politische Funktion hatte – einen „Rat der für Hochschulen zuständigen MinisterInnen“ auf EU-Ebene gab es damals nicht –, war …

  • Eine Xerox 860 in Basel

    Wer einen Blick auf die Verteilung der Teilnehmenden am Museumspass wirft, kann Basel (mit derzeit 67 Einrichtungen in der Region) nicht übersehen: Die Konzentration von Museen und ähnlichem rund um das Rheinknie ist beeindruckend. Deshalb habe ich letzte Woche ein paar Tage dort verbracht und allerlei gesehen, gelernt beziehungsweise bewundert. Und weil eh schon viele von Tinguely reden, möchte ich drei andere Museen hervorheben.

    Erstens will ich für die wunderbare Basler Papiermühle (jaja, die Webseite ist mit Crapicity 33.3 etwas lästig) Werbung machen, in der BesucherInnen Papier schöpfen, Antiqua mit Metall- oder Vogelfedern schreiben und sehen können, wie haarig es war, mit Schreibmaschinen fehlerfreie Texte zu Papier zu bringen.

    Mit besonderer Hingabe habe ich als großer Fan von TeX das Stockwerk mit den Satzmaschinen erkundet. Da steht zum Beispiel noch eine funktionsfähige Linotype, also eine Maschine, in der mit flüssigen Bleilegierungen hantiert wurde, um mehr oder minder automatisch Druckzeilen zu setzen. Welch ein Wunder der Technik!

    Ein komplizierter Mechanismus mit Tastatur und einem stolzen Typenschild „Linotype“ am ca. zwei Meter hohen Gehäuse.

    Mit solchen Höllenmaschinen wurden noch in den 1970er Jahren Zeitungen und Bücher gesetzt. Weil ein Tippfehler dabei zumindest das Neugießen einer ganzen Zeile nach sich zog – an einen automatischen Umbruch eines möglicherweise folgenden Restabsatzes war gar nicht zu denken – waren SetzerInnen wichtige Menschen, und ihre Gewerkschaften hatten erhebliche Macht.

    Dann jedoch kamen allmählich ordentliche Rechner in die Setzereien. Die Papiermühle entstand aus kommerziellen Unternehmen, die die Entwicklung von Unix, troff und TeX in den 1970er Jahren noch verschlafen haben. Daher findet sich dort nur die professionelle Konkurrenz, etwa in Form dieser erstaunlichen Maschine von 1980:

    Ein schreibtischhoher Rechner neben einem Schreibtisch mit einem Hochkant-Monitor und einer großen gelben Tastatur.

    Es handelt sich um eine Xerox 860, eine für „Textverarbeitung“ geschaffene Maschine mit Schwarz-auf-Weiß-Display (ich vermute allerdings, dass es furchtbar geflimmert hat) und, wie ich in Basel zum ersten Mal gesehen habe, sogar einem Touchpad (ganz rechts in der Tastatur). 1980!

    Ich hätte gerne gesehen, was das Touchpad wohl gesteuert hat, aber leider war ich zu feige, das Museumspersonal um eine Demonstration zu bitten. Wahrscheinlich ist das Teil aber tatsächlich nicht mehr lauffähig, und zwar weil die Software schon von Diskette kam, wenn auch von den riesigen Floppies der ersten Generation mit einem Durchmesser von acht Zoll (das ist so in etwa A4-Breite). Ich wäre überhaupt nicht überrascht, wenn alle Floppies dieser Art inzwischen komplett durch wären – und wenn sie es nicht sind, würde ich erwarten, dass die Antriebsriemen der gigantischen Laufwerke inzwischen so ausgeleiert sind, dass auch von guten Floppies nichts mehr zu lesen wäre.

    Aber wer weiß? Wenn ich nochmal in der Papiermühle bin, muss ich einfach mal fragen – allein der Headload[1] von Laufwerken in der Größe wird mir wahrscheinlich das Herz wärmen, denn als ich in den späten 1980er Jahren Zivildienst im Krankenhaus leistete, gab es die Achtzöller auch noch im Siemens-CT des Hauses (während der Rest der Welt bereits die auf sie folgenden 5 ¼-Zöller zugunsten der 3 ½-Zöller, die noch heute viele „Speichern“-Icons zieren, beerdigt hatte). Es wäre jedenfalls schon schön, die markerschütternden Headloads nochmal zu hören.

    Ansonsten illustriert die Papiermühle immer wieder überdeutlich, wie mühsam und arbeitsintensiv jeder Schritt der Produktion von Druckmaterial – Papierherstellung, Satz, Vervielfältigung, Binden – noch vor fünfzig Jahren war. Wie eigentlich immer, wenn ich irgendwo sehe, wie viel wir automatisiert haben (oder automatisieren könnten), frage ich mich ernsthaft, wie es sein kann, dass wir ganz wie zu Zeiten unserer Großeltern immer noch 40 Stunden die Woche (oder mehr) lohnarbeiten. Wieso genau lassen wir uns mit all den dämlichen „Dienstleistungen“, Wettbewerben, Geschäftsführungen und Sicherheitsjobs beschäftigungstherapieren, statt endlich mal die Produktivitätsfortschritte in frei und sinnvoll verwendbare Zeit zu übersetzen?

    Beispiele für das, was Menschen mit frei verwendbarer Zeit anfangen könnten, sind sehr schön versammelt im zweiten Baseler, nun ja, Museum, das ich hier erwähnen möchte: Den Spielzeug Welten. Jaklar, das Leerzeichen ist doof, und ich gebe offen zu, dass ich angesichts des des prätentiösen Namens vielleicht eher mit einem Abriss über das Spiel in der Kultur gerechnet hätte, mit Halma, Spielkarten (zu denen es übrigens in der Papiermühle einiges gab), Modelleisenbahnen oder (jetzt wieder aktuell) Spielzeugpanzern.

    Das sind die „Spielzeug Welten“ nicht. Stattdessen sind fast ausschließlich Unmengen von Teddybären und Puppenstuben zu sehen und, zwischen herzig und verschroben, haufenweise Puppendioramen, die ganz klar niemals für Kinder gedacht waren. Leider ist das alles nicht so überwältigend gut kuratiert (meint: beschriftet). Selbst mit Infos aus bereitstehenden Computern wird der Kontext nicht immer ganz klar, was ich besonders traurig fand bei den aus meiner Sicht bizarrsten Exponaten: Einer Puppenstuben-Kapelle mit Kruzifix, Priester und allen Schikanen (welche blasphemischen Spiele hätten damit stattfinden sollen?) sowie einer Folterkammer als Puppenstube:

    In Bauntönen gehaltenes Modell einer Folterkammer mit Streckbank, eiserner Jungfrau, Pranger usf.

    Hier hätte mich sehr interessiert, wer dieses Ding wann wo und für wen gemacht hat.

    Ein lobendes Wort will ich noch zu einem dritten Baseler Museum loswerden: Im Naturhistorischen Museum gibt es neben vielen sorgfältig arrangierten Tierpräparaten vier besonders wunderbare Exponate, die den Fortgang der wissenschaftlichen Vorstellungen der Gestalt von Iguanodonen nachzeichneten. Zwischen den ersten Versuchen von Mantell im frühen 19. Jahrhundert (inklusive dem Daumenknochen als Nashorn) und den heutigen Zweibein-Läufern bestehen beeindruckend wenig Parallelen.

    Vielleicht wäre noch ein Hauch mehr Text zur Frage, warum sich die Vorstellungen so geändert haben, hilfreich gewesen, aber als Illustration des Wissenschaftsprozesses ist sowas einfach großartig. Leider spiegelte das Glas, hinter dem die Modelle standen, ziemlich schlimm; aber diese schnelle Montage mag dennoch einen Eindruck geben von der Evolution der Iguanodon-Vorstellungen (von links oben nach rechts unten):

    Vier Dinosauriermodelle von etwas Leguanähnlichem mit Einhorn über eine Eidechse mit breitem Schädel über ein Kängurudings bis zu einer vegetarischen Variante von T. Rex.
    [1]Für die, die nur noch kleine oder gar keine Floppies mehr kennen: die Schreib-Lese-Köpfe dieser Laufwerke saßen auf einer Art Hebel-Konstruktion, auf der auch der Schrittmotor montiert war, der sie über die Spuren bewegte. Beim Zugriff auf Daten klackte die ganze Moped mit einem ziemlich satten Sound gegen einen Anschlag, was als Headload bezeichnet wurde. Das Booten eines Rechners von Floppy erzeugte so einen für Betriebssystem und Version charakteristischen Schlagzeug-Track; bis heute habe ich CP/M-86 auf dem Siemens PC 16/10 im Ohr…
  • Iberische Schwertwale gegen Segelboote 50:0

    Größenvergleich eines Schwertwals zu einem Menschen (der vielleicht ein Drittel der Länge hat)

    Bei der Lektüre dieses Posts sollte mensch den Größenvergleich zwischen Menschen und Schwertwalen im Kopf haben (CC-BY Chris Huh).

    Wer meinen Beitrag zu menschenverzehrenden Pelztieren gelesen hat, wird nicht überrascht sein, dass mich ein Post auf Fefes Blog gestern auf Anhieb fasziniert hat. Er hat berichtet von „Angriffen“ von Orcas (auf Deutsch: Schwertwale; sachlich sind das besonders große Delfine, was Free Willy und Fortsetzungen geschickt kommerzialisiert haben) auf Boote im Atlantik vor Spanien, Portugal und noch ein bisschen Frankreich. Was immer da nun ganz aktuell passiert: Schon nach ein paar Klicks bin ich bei einem ordentlichen wissenschaftlichen Artikel gelandet, den ich mit einiger Faszination gelesen habe.

    Es handelt sich um die 2022 im Wiley-Blatt Marine Mammal Science erschienene Studie „Killer whales of the Strait of Gibraltar, an endangered subpopulation showing a disruptive behavior“, geschrieben Ende 2021 von Ruth Esteban vom Walmuseum in Madeira sowie KollegInnen aus einer beeindruckenden Menge verschiedener Institute aus den „betroffenen“ Ländern (doi:10.1111/mms.12947; leider gepaywallt und noch nicht bei libgen).

    Bekannte Täterinnen

    Vorneweg: Die Tiere heißen auf Englisch „killer whale“, nicht, weil sie gerne Menschen umbringen – tatsächlich hat sich offenbar noch kein wildlebender Orca für Menschen als Nahrung interessiert –, sondern weil sie ihre Beute gerne in einem recht blutigen Spektakel zerlegen. Dennoch fand ich die Vorstellung, dass da ein fast zehn Meter großes Tier mit jedenfalls sehr variablen Nahrungspräferenzen etwa an meinem Schlauchboot rumuntersucht, ganz entschieden gruselfilmtauglich.

    Meine erste Überraschung in dem Paper war nun, dass die „Täterinnen“ der Übergriffe auf die Boote wohlbekannt sind: Beim letzten Zensus im Jahr 2011 bestand die fragliche Population überhaupt nur aus 39 Individuen. Aufgrund von reichlichen Film- und Fotoaufzeichnungen konnten nun Esteban et al identifizieren, welche von denen sich an den Booten zu schaffen machten. Es stellte sich heraus: Die 50 „Interactions“ im Zeitraum von (im Wesentlichen) Mai bis Oktober 2020 gingen auf zwei Gruppen aus nur ingesamt 9 Tieren zurück.

    Eine sorgfältig zusammengestellte Tabelle der tierischen Kampagnen im Paper zeichnet recht deutlich das Bild, dass die Schwertwale spätestens ab August 2020 angefangen haben, praktisch täglich Bootfahrende zu belästigen. Mensch könnte den Eindruck gewinnen, sie hätten ein neues Hobby entdeckt.

    Ein Faible für Segelyachten

    Esteban et al schlüsseln das Walspielzeug nach Bootstypen auf. Populär sind vor allem Segelboote, was ich gut verstehen kann, denn ohne rotierende Schiffschraube sind die Dinger aus Orcasicht deutlich weniger gefährlich. Immerhin haben sie aber drei Mal auch Zodiacs untersucht, also etwas bessere Schlauchboote – hoffenlich hatten die Leute in den Nussschalen (die ja vermutlich deutlich kleiner waren als jeder einzelne der Wale) stahlharte Nerven.

    Zumindest im von Esteban beobachteten Zeitraum haben die Schwertwale die Boote aber erkennbar nicht kaputt machen wollen; sie haben eher für eine halbe Stunde oder so an ihnen rumgespielt, wobei sie fast immer das Steuerruder besonders interessierte. „Rumspielen“ ist mein Wort, aber die Beschreibung aus dem Paper legt das Wort schon sehr nahe:

    Wenn die Wale engeren Kontakt aufnehmen, üblicherweise am Steuerruder, drücken sie entweder mit ihren Köpfen und machen eine Hebelbewegung mit ihren Körpern, um das Blatt zu drehen. In manchen Fällen haben sie das Boot dabei um fast 360° gewendet. Je höher die Geschwindigkeit des Bootes oder je stärker die Besatzung um die Kontrolle des Steuerrades rang, desto mehr und stärker drückten die Wale in der Regel.

    Angefangen haben sie üblicherweise bei guter Fahrt des Bootes (gerne was wie 15 km/h, was für so einen Schwertwal kein großes Problem ist). Wenn das Schiff angehalten hat, ist es ihnen langweilig geworden und sie sind weitergezogen. Die Ausgänge „kaputt“, „beschädigt“ und „kein Schaden“ (jeweils im Hinblick auf das Steuerruder) sind dabei so in etwa gleich verteilt.

    Ich finde ja schon bemerkenswert, dass gerade mal neun Individuen so ein Bohei die Küste rauf und runter verursachen können, auch wenn es schon ziemlich große Tiere sind. Tatsächlich haben ihre Exploits die staatlichen Autoritäten zur Sperrung von Seegebieten gebracht:

    The Spanish Maritime Traffic Security authorities prohibited the coastal navigation for small (<15 m) sailing vessels where interactions were concentrated at the time.

    Vorboten des Schwarm-Szenarios?

    Eine wirklich gute Erklärung dafür, was den Walen das Interesse an den Steuerrudern beibrachte, haben auch Esteban et al nicht. Die Möglichkeit, sie würden damit ein unangenehmes Erlebnis etwa mit Fischern verarbeiten (die iberischen Schwertwale klauen gerne Thunfische aus menschlichen Fanggeräten), finde ich jedenfalls nicht plausibel, denn Fischerboote scheinen sie nur aus Versehen mal angerempelt zu haben.

    Hier hätte ich mal eine Geschichte, die ich gerne glauben würde: die Wale fanden die Ruhe während der Corona-Lockdowns zwischen März und Mai total klasse und dachten sich, sie könnten das wieder haben, wenn sie den FreizeitskipperInnen genug auf die Nerven fallen; die Fischerboote würden sie schon hinnehmen, solange die ihnen Thunfische fangen.

    Der Charme dieser Geschichte: Wenn die spanischen Behörden in der Folge das Meer sperren, wenn die Wale irgendwo auftauchen, wäre das nette eine positive Konditionierung: die Spiele der Wale würden wirklich für mehr Ruhe am Wasser sorgen. Das aber würde schön erklären, warum sich das Verhalten ausbreitet – wenn es das denn wirklich tut.

    Ob das gegenüber dem Stand vor anderthalb Jahren wirklich so ist: Mal sehen, was Esteban et al demnächst so veröffentlichen. Ich habe trotz meines generellen Grusels vor ORCID (keine Verwandschaft mit Orca) kurz einen Blick auf Ruth Estebans ORCID-Seite geworfen. Jetzt gerade ist das besprochene Paper die letzte Publikation. Aber angesichts des Medienrummels um ihre Schwertwale wirds dabei sicher nicht bleiben.

    Unterdessen: Ebenfalls von 2021 ist dieser Vortrag von Ruth Esteban, in dem sie Videos der Walbegegnungen zeight. Wie viel nützlicher wäre der, wenn sie eine vernünftigte Lizenz draufgemacht hätten!

    Nachtrag (2023-06-25)

    In Forschung aktuell vom 26. Mai gab es eine schöne Fortsetzung dieser Geschichte, die den Score auf 500:0 legt. Gegen Ende werden Verhaltenstipps diskutiert. Vor allem: Einfach nicht dort segeln, wo die Orcas sind. Wenn die Leute das wirklich machen, wäre ich neugierig, was die Reaktion der Orcas ist…

  • Fiebrige Einsichten, von Veit Etzold vermittelt (eine Buchkritik)

    Die Behauptung, Reisen erweitere den Horizont, ist sicher eine der abgedroscheneren Weisheiten, die einen Artikel eröffnen können. Nun: hier habe ich eine aktuelle Illustration für ihre fortbestehende Wahrheit.

    Kaum überraschend bin ich nämlich von meiner ersten großen Auslands-Dienstreise (immerhin noch ohne die Erniedrigung des Flugverkehrs) mit einer aktuellen Variante von SARS-II zurückgekommen. Diese brachte mein Immunsystem mächtig auf Touren („Calor, Dolor, Tumor, Rubor“, in meinem Fall vor allem Calor bis 39 Grad und bejammernswerte Mengen Dolor). In Summe: Ich konnte für drei Tage im Wesentlichen nichts tun als Audiobücher hören, die ich bei vergangenen Reisen aus dem ICE-Portal der Bahn aufgenommen habe. Eines davon war „Die Filiale“ des Wirtschafts-Motivationspredigers Veit Etzold.

    Vielleicht ist das Werk selbst nicht sehr bemerkenswert, doch seine Verbreitungsweise ist es: Da es bei Argon erschienen ist (und auch als richtiges Buch bei Droemer), muss es wohl durch mindestens ein Lektorat gegangen sein. Und danach muss es immer noch wer fürs ICE-Portal ausgewählt haben. Irgendwo auf diesem Weg sollte doch jemand selbst angesichts eines Promi-Autors („Promi“ nehme ich jedenfalls an; ich kannte Etzold bis jetzt nicht) die Anmerkung gewagt haben, dass die Personen der Geschichte sprechen und handeln wie auf schlecht übersetzte US-Soaps trainierte Schaufensterpuppen?

    Ich finde weiter, ein Lektorat hätte merken müssen, dass die weit mehr künstlich als kunstvoll eingebauten Versuche, zweifelhafte „Finanzprodukte“[1] zu erklären und ein paar Brocken Französisch einzustreuen, einen Cringe-Faktor haben wie Marie Louise Fischers Hausgespenst-Schmonzetten (1976 bis 1982; für Kinder der Zeit sowie Neugierige entleihbar bei libgen) aus dem Schneider-Verlag unseligen Angedenkens[2]. Auch diese versuchten es mit übermäßig beiläufig eingestreuten Bildungshäppchen zu Pferdepflege, bayrischer Geographie, Kreuzfahrtschiffen und eben auch Französisch.

    Dazu tritt das zu billig rekrutierte Personal der Geschichte, das im Wesentlichen aus relativ glücklich verheirateten, berufstätigen, einfamilienhausbewohnenden Schwabos[3] um die 40 besteht, die mit, na ja, Internetfirmen und von diesen unterwanderten Traditionsbanken um ihr liebevoll ausgebautes – wenn auch nur gemietetes – Einfamilienhaus samt kameraüberwachten Gartenzwergen ringen.

    Also schön: das mit den Gartenzwergen habe ich erfunden: In der Wirklichkeit des Buchs videoüberwacht der liebenswerte, wenn auch etwas trottelige Gatte der Bankangestellten-Heldin gleich die ganze Straße; dass Etzold schließlich die Rettung der ab Mitte des Werks außertariflich Bezahlten auf diese niederträchtige Schurkerei aufbaut und bei der Gelegenheit noch etwas Anti-DSGVO-Ressentiment unterbringt, das hätte es selbst in diesem Roman wirklich nicht gebraucht.

    Das ganze Szenario wirkt um so artifizieller, als in Etzolds Welt die Männer Handwerker (oder bestenfalls FH-Absolventen auf dem Sprung aus Besoldungsgruppe A11) sind, während die Frauen zumindest akademischen Habitus zeigen. Ich wittere da aus der ollen rechten Sorge vor der „Überakademisierung“ der Bevölkerung geborene Träume, denn in der Realität sind schichtenübergreifende Ehen in dieser Kombination sehr wahrscheinlich immer noch die große Ausnahme (da bin ich mir so sicher, dass ich keine Belege dafür suche).

    Und auch wenn ich kein Diversitätsfass aufmachen will, ist es für eine Geschichte, die in Berlin spielt, eigentlich schon ein politisches Statement, wenn als einzige erkennbare Nichtschwabos zwei tschetschenische Killer und ganz kurz ein dicker, rauchender Franzose auftreten.

    Bei aller Kritik, und nun kommt das mit der Horizonterweiterung (denn ohne Reisen hätte ich weder jetzt SARS-II eingefangen noch das Etzold-Buch gehört), hat mir das Buch eine ganze Welt in Plastorama vorgespielt: Menschen, die mit ihren KollegInnen um die Beförderung zur stellvertretenden Filialleitung konkurrieren und die Arbeitsnutzerrede vom Betriebsrat als Abhängebude erst dann kurz vergessen, wenn es wirklich brennt, deren Internet aus lauter proprietären Plattformen, aus Markennamen besteht (aus dem Kopf: Reddit, Linkedin, Xing, Instagram, Whatsapp, erstaunlicherweise aber nach meiner Erinnerung weder Amazon noch Twitter), die ständig im Auto – einem „Amarok“ zumal, wenn sie im Wald Tiere totschießen wollen[4] – umherfahren und die ansonsten ihre triste Existenz mit Grillfleisch, Rotwein, Caipirinha, Starbucks-Karamelkaffee und Bekannten aus der Muckibude aufhellen.

    Wie mir Vorleserin Verena Wolfien das alles durchaus gekonnt in mein Fieberdämmern hineintrug, kam es mir in der irritierenden Kombination von hölzerner Prosa und thermoplastischer Handlung wie eine komische und wüste Dystopie im Stil von David Lynch vor. Bis ich merkte, dass das vermutlich unfair ist. Klar ist die Geschichte grob holzgeschnitzt, aber das Internet besteht für viele Menschen ja tatsächlich im Wesentlichen aus einer Handvoll proprietärer Plattformen. Nennenswert viele Menschen arbeiten, glaube ich, tatsächlich ernsthaft auf eine Beförderung hin, ganz gleich, wie sinnlos oder gar unmoralisch („Anlageberaterin“) schon ihre bestehende Tätigkeit ist.

    In meinem Fieber fühlte sich diese Einsicht recht profund an. Wahrscheinlich ist sie das nicht, aber gut sind solche Erinnerungen an die Blasenhaftigkeit der eigenen Weltwahrnehmung dann und wann bestimmt. Außerdem war die Erleichterung angenehm, als im nächsten Hörbuch („Acht, in Böen Neun” von Michael Wirbitzky, der als Hörfunkmensch eingestanden auch bessere Voraussetzungen hat; wenns das im Bahn-Portal noch gibt, lohnt es sich durchaus) Leute wieder wie halbwegs echte Buchmenschen redeten.

    Oh, und… Herr Etzold, sollten Sie das lesen und wirklich einen Bildungsauftrag verspüren: Nein, schon als Sie das Buch schrieben, war ein UMTS-Modul in einem Computer keine gute Wahl mehr für mobilen Internetzugang. Ein schneller Blick in die Wikipedia (oh ja: wertvoll, obwohl ohne Preis) hätte Ihnen gesagt, dass in der BRD schon Ende 2021 mit UMTS kein Blumentopf mehr zu gewinnen war (in der Praxis war für mich schon Mitte 2021 Schluss), also im Wesentlichen simultan zur Gamestop-Geschichte, auf die Sie im Buch anspielen.

    Für die nächste Auflage des Buches schlage ich eingedenk dessen ein durchgreifendes De-Branding vor. Hier zum Beispiel: „Funkmodem”. Allerdings gebe ich zu, dass ein Wort wie „Karrierenetzwerk“ den Tatbestand von Linkedin und Co zur Kenntlichkeit verzerrt, was vielleicht der Kunst (oder was immer) nicht wirklich hilft. Hmja.

    [1]Was ich davon mitgenommen habe: Wandelanleihen sind Mist, weil daran allenfalls die Bank verdient. Zur Kritik des gesamten Konzepts von Reichwerden mit Geldspielen kommt, das sage ich gleich mal, im Buch nichts; aber das wäre vielleicht auch etwas viel verlangt von einem, der bei der HAW Aalen als BWL-Professor auftritt (angesichts der hohen Lehrbelastung an Ex-Fachhochschulen und Etzolds Wohnsitz in Berlin werden bei diesem Job aber wohl mildernde Umstände im Spiel sein).
    [2]Beim Wikipedia-Stöbern zu alten Schneider-Autoren habe ich zu meiner endlosen Überraschung erfahren, dass der Autor der doch sehr stulligen (aber von mir seinerzeit heißgeliebten) Schreckenstein-Romane, Oliver Hassencamp, Gründungsmitglied der Münchner Lach- und Schießgesellschaft war. Oh?
    [3]Schwabo ist die (eine?) Bezeichnung für „Deutsche“ im Serbokroatischen gewesen. Weil ich immer noch Abbitte leisten will für das Unheil, das Genschers Großmachtfantasien vom Dezember 1991 (und u.a. meine Unfähigkeit, rechtzeitig effektiv etwas gegen sie unternehmen) über dessen SprecherInnen gebracht haben, ziehe ich das Wort dem üblicheren „Kartoffel“ vor.
    [4]Wobei unklar bleibt, wie sich der Betreiber eines Schlüsseldienstes diese Sorte exklusives Hobby eigentlich leisten kann.
  • Irgendwo in Afrika

    Heute morgen durfte im Deutschlandfunk der schwäbische CDU-Bundestagsabgeordnete Thorsten Frei eine Viertelstunde lang weitgehend unwidersprochen „Ausländer raus“ durchdeklinieren, was vermutlich wieder niemand skadalisieren wird. Normalität im Afrikamanagement halt.

    Vielleicht zum Trost ist dem Interviewenden Philipp May ein Lapsus unterlaufen. Ich hoffe ja, er ist dem Stress zuzuschreiben, dem Interviewten nicht ins Gesicht zu sagen, dass er da in einem Fort ziemlichen Faschokram erzählt rechte Narrative bedient:

    May: …werden jetzt zum Beispiel äh ihre Menschen äh ihre Geflüchteten ähm nach nach ähm sagen Sie schnell – Frei: Ruanda – May: Ruanda, danke bitte, äh, danke

    Wenn das ganze Interview nicht so ein fieser Mist wäre, bei dem Menschen mit Bürokratensprache wie „Nichteinreisefiktion“ in Volk und Nicht-Volk sortiert werden, wäre das eigentlich eine schöne Variation des Themas Live.

  • Feedback and Addenda in Pelican Posts

    Screenshot: a (relatively) rude comment and a reply, vaguely reminiscent of classic slashdot style.

    Blog comments may be dead out there; here, I'd like to at least pretend they're still alive, and thus I've written a pelican plugin to properly mark them up.

    When I added a feedback form to this site about a year ago, I also created a small ReStructuredText (RST) extension for putting feedback items into the files I feed to my blog engine Pelican. The extension has been sitting in my pelican plugins repo on codeberg since then, but because there has not been a lot of feedback on either it or the posts here (sigh!), that was about it.

    But occasionally a few interesting (or at least provocative) pieces of feedback did come in, and I thought it's a pity that basically nobody will notice them[1] or, (cough) much worse, my witty replies.

    At the same time, I had quite a few addenda to older articles, and I felt some proper markup for them (plus better chances for people to notice they're there) would be nice. After a bit of consideration, I figured the use cases are similar enough, and I started extending the feedback plugin to cover addenda, too. So, you can pull the updated plugin from codeberg now. People running it on their sites would certainly be encouragement to add it to the upstream's plugin collection (after some polishing, that is).

    Usage is simple – after copying the file to your plugins folder and adding "rstfeedback" to PLUGINS in pelicanconf.py, you write:

    .. feedback::
        :author: someone or other
        :date: 2022-03-07
    
        Example, yadda.
    

    for some feedback you got (you can nest these for replies) or:

    .. addition::
      :date: 2022-03-07
    
      Example, yadda.
    

    for some addition you want to make to an article; always put in a date in ISO format.

    In both cases a structured div element is generated in the HTML, which you can style in some way; the module comment shows how to get what's shown in the opening figure.

    The extension also adds a template variable LAST_FEEDBACK_ITEMS containing a list of the last ten changes to old posts. Each item is an instance of some ad-hoc class with attributes url, kind (feedback or addendum), the article title, and the date. On this blog, I'm currently formatting it like this in my base template:

    <h2>Letzte Ergänzungen</h2>
    <ul class="feedback">
    {% for feedback_item in LAST_FEEDBACK_ITEMS %}
            <li><a href="{{ SITEURL }}/{{ feedback_item.url }}">{{ feedback_item.kind }} zu „{{ feedback_item.title }}“</a> ({{ feedback_item.date }})</li>
    {% endfor %}
    </ul>
    

    As of this post, this block is at the very bottom of the page, but I plan to give it a more prominent place at least on wide displays real soon now. Let's see when I feel like a bit of CSS hackery.

    Caveats

    First of all, I have not localised the plugin, and for now it generates German strings for “Kommentar” (comment), “Nachtrag” (addendum) and “am” (on). This is relatively easy to fix, in particular because I can tell an article's language from within the extension from the article metadata. True, that doesn't help for infrastructure pages, but then these won't have additions anyway. If this found a single additional user, I'd happily put in support for your preferred language(s) – I should really be doing English for this one.

    This will only work with pages written in ReStructuredText; no markdown here, sorry. Since in my book RST is so much nicer and better defined than markdown and at the same time so easy to learn, I can't really see much of a reason to put in the extra effort. Also, legacy markdown content can be converted to RST using pandoc reasonably well.

    If you don't give a slug in your article's metadata, the plugin uses the post's title to generate a slug like pelican itself does by default. If you changed that default, the links in the LAST_FEEDBACK_ITEMS will be wrong. This is probably easy to fix, but I'd have to read a bit more of pelican's code to do it.

    I suppose the number of recent items – now hardcoded to be 10 – should become a configuration variable, which again ought to be easy to do. A more interesting (but also more involved) additional feature could be to have per-year (say) collections of such additions. Let's say I'm thinking about it.

    Oh, and error handling sucks. That would actually be the first thing I'd tackle if other people took the rstfeedback plugin up. So… If you'd like to have these or similar things in your Pelican – don't hesitate to use the feedback form (or even better your mail client) to make me add some finish to the code.

    [1]I made nginx write logs (without IP addresses, of course) for a while recently, and the result was that there's about a dozen human visitors a day here, mostly looking at rather recent articles, and so chances are really low anyone will ever see comments on old articles without some extra exposure.
  • Ach Bahn, Teil 12: „Digitales“ 49-Euro-Ticket

    Foto eines altmodischen Telefons mit einem anonymisierten Barcode im Display

    Das Happy End dieses Artikels: Ich habe das 49-Euro-Ticket auf Rechnern unter meiner Kontrolle (neben dem N900 im Bild auch noch auf meinem ordentlichen Computer).

    Ich habe mir ein 49-Euro-Ticket von der Bahn gekauft. Ich hätte das, der Kritik von freiheitsfoo folgend, besser nicht tun sollen, aber das 9-Euro-Ticket hat mir viel Spaß gemacht, und monatliche Kündigung und so… da habe ich verdrängt, dass Wissing von „digital“ geredet hat, was ja bei weniger EDV-affinen Menschen in der Regel heißt: „Ist in meinem Handy“ bzw. „Google macht das für mich“ (also für mich: „Vergiss es“). Da aber eine Bahn-FAQ erklärte, wie mensch das „Ticket in die App“ bekommt, war mein Umkehrschluss, dass das Ticket erstmal nicht in der „App“ ist und also für mich verwendbar. Wegen dieses Fehlschlusses bekam die Bahn meine 49 Euro und ich einen Haufen Ärger.

    Denn nach der Bezahlung kam aber nicht wie gewohnt ein PDF mit dem QR-Code – was für die Bahn wirklich kein Problem wäre –, sondern ein dämlicher Text, der mich aufforderte, das Ticket in meinem „DB Navigator” zu „öffnen“.

    Digitalisierung: Zwei Stunden Arbeit von Kauf bis Erhalt

    Tja: Dieses Programm („App“) gibts jedenfalls offiziell nur mit Google-id und nur auf relativ wenigen Typen von Hardware, und drum habe ich es nicht. Ich knirschte also mit den Zähnen und habe erstmal eine diesbezügliche Frage an die immerhin angegebene Kontaktadresse (Lob: ganz normale Standard-Email) geschickt – aber von da kam nur eine gutgelaunte Eingangsbestätigung zurück:

    Derzeit kann es aufgrund des hohen Bestellaufkommens zu Verzögerungen kommen. Wenn´s [falsches Auslassungszeichen im Original] ein wenig länger dauert: Wir haben Sie nicht vergessen, wir melden uns.

    Nun – bis dahin ist der Mai vorbei, und dann brauche ich auch keine Information mehr.

    Ich knirschte dann heute morgen lauter mit den Zähnen und dachte mir: Na ja, wenn ich mir schon mit dem Bahn-Bonus-Quatsch Android eingetreten habe, kann ich da ja vielleicht noch den „DB Navigator“ dazupacken – ich brauche das ja nur ein Mal im Monat, um den QR-Code runterzuladen. Also bin ich wieder zum etwas dubiosen[1] apkpure.com gegangen. Dort gibt es auch ein paar Dinge, die „DB Navigator“ heißen, aber die alle kommen nicht als apk, sondern als xapk. Hu?

    Mit etwas Recherche stellt sich xapk als so eine Art informeller Standard aus der Android-Piratencommunity heraus, in dem zusammengesetzte Pakete, die Google vermutlich über Abhängigkeiten aus dem Appstore ausliefert, in einer Zip-Datei kommen. In dem Navigator-xapk von apkpure finden sich insbesondere auch zwei Pakete, in deren Dateinamen arm64 drinsteht, und ich begann zu ahnen, dass das ohne dedizierte Telefonhardware wenig Spaß machen würde.

    Tatsächlich habe ich nach ein paar Experimenten mit pm install (so installiert mensch Pakete auf der Android-Shell) und den Nicht-arm64-Paketen, die alle mit nutzlosen und/oder kryptischen Fehlermeldungen endeten, auch aufgegeben.

    Digitalisierung: Datenübertragung durch Foto

    Stattdessen habe ich ein Google-administriertes (aber nicht -registriertes, also: Kein Playstore) Telefon, das mir mal ein netter Mensch überlassen hat, ausgepackt, die ganze Google-Belästigung weggetatscht, ultramutig einen Piraten-xapk-Installer draufgeklatscht, der nun sicher alle meine Credentials zu irgendwelchen Kids in Wladiwostok schickt (ein Glück, dass das nur meine Bahn-Credentials betrifft; trotzdem: Danke, Bahn), wieder Google-Belästigung weggetatscht, den blöden „DB Navigator“ von apkpure draufgebügelt, wieder Google-Belästigung weggetatscht und tatsächlich: Die Bahn hat mir die Karte, die ich gekauft habe, nun auch endlich gegeben:

    Foto eines Mobiltelefons mit einem 49-Euro-Ticket im DB Navigator

    Nur zur Rechtfertigung: Den QR-Code habe ich verwürfelt, mir die Bahn ansonsten das hart errungene Ticket gleich wieder zurückruft.

    Welcome to digital capitalism, wo du erstmal zwei Stunden basteln und fummeln und irgendwelchen Kids aus Wladiwostok Zugriff auf deinen (Wegwerf-) Computer geben musst, damit du neu erworbenen Krempel auch bekommst. Fast so klasse wie Onlinehandel.

    Es gab aber noch ein zweites Problem: Wie bekomme ich den so erkämpften QR-Code nun aus dem Android-Silo raus? Ich habe schnell beschlossen, dass ich überhaupt keinen Nerv habe rauszukriegen, wo die Kiste ihre Screenshots speichert. Mein Kopf ist schon beim Lokalisieren der Chrome-Downloads während meiner Android-x86-Versuche explodiert. Noch weniger Lust hatte ich, zur Datenübertagung einen sshd auf das Telefon zu installieren, das ich Minuten vorher den Kids aus Wladiwostok übereignet hatte.

    Und so habe ich, es lebe die Digitalisierung!, das Foto oben gemacht, es aus der Kamera in einen richtigen Computer gezogen und dort entzerrt. Und so habe ich jetzt ein PNG mit dem QR-Code.

    Auf dem N900

    Das wiederum hat den Vorteil, dass ich mein gutes, altes Corona-Impfpass-Skript für den Nokia N900 (vgl. Foto oben) weiterverwenden kann. Das hat während der 3G-Zeiten gut funktioniert: Es zieht das PNG auf den Bildschirm, stellt das Backlight auf krass hell und macht nach 45 Sekunden alles wieder rückgängig – ich war damit fast immer schneller und unproblematischer durch Checkpoints durch als Leute mit der offiziellen App.

    Wer noch einen N900 mit hinreichend originalem Maemo hat, mag das vielleicht nützlich finden (es geht davon aus, dass ihr das Zertifikat als 49-euro.png ins Homeverzeichnis gelegt habt):

    #!/bin/sh
    /usr/bin/dbus-send --print-reply --dest=com.nokia.image_viewer /com/nokia/image_viewer com.nokia.image_viewer.mime_open string:file:///home/user/49-euro.png
    /usr/bin/dbus-send --print-reply --system --dest=org.freedesktop.Hal /org/freedesktop/Hal/devices/computer_backlight org.freedesktop.Hal.Device.LaptopPanel.SetBrightness int32:255
    sleep 45
    /usr/bin/dbus-send --print-reply --system --dest=org.freedesktop.Hal /org/freedesktop/Hal/devices/computer_backlight org.freedesktop.Hal.Device.LaptopPanel.SetBrightness int32:20
    killall image-viewer
    

    Wenn das in /home/user/mybin/passhow.sh steht, geht es gut zusammen mit einer Datei covpass.desktop im Verzeichnis /usr/share/applications/hildon, in der sowas hier steht:

    [Desktop Entry]
    Version=1.0
    Encoding=UTF-8
    Name=covpass
    Icon=covpass
    Exec=/home/user/mybin/passhow.sh
    Type=Application
    

    Ich erwähne im Desktop-File ein Icon namens „covpass“. Damit das was anderes als ein blaues Quadrat anzeigt, müsst ihr ein hübsches PNG (bei mir ist das noch ein stilisiertes Coronavirus, was, finde ich, auch für das doofe 49-Euro-Ticket ganz gut passt) mit dem namen covpass.png nach /opt/usr/share/icons/hicolor/scalable/apps schreiben.

    Damit der Desktop diese Datei sieht: sudo killall hildon-desktop – upstart (ja, das lebt noch im alten Maemo) zieht das dann automatisch wieder hoch.

    [1]„Dubios“ ist in diesem Zusammenhang ein positives Wort, denn bei Google bin ich sicher, dass sie gegen meine Interessen handeln. Bei apkpure hingegen kann ich da noch Zweifel (lat: dūbium, n) haben.
  • Klarsprache: Frontex braucht einen Neuanfang

    Screenshot mit dem zitierten Text unten und dem Logo des Bundesinnenministerium sowie dessen Fediverse-Handle, @bmi@social.bund.de

    Ich fand 140-Zeichen-Regeln vom Typ Twitter immer etwas fragwürdig – zumal, wenn selbst ein Text-Tweet auch auf der API mit seinen Metadaten dann doch viele Kilobyte Daten überträgt. Aber: manchmal sorgt die Verkürzung der üblichen Worthülsen in politischen Erklärungen überraschend für Klarsprache, oder jedenfalls etwas, das Dinge klarer benennt als möglicherweise beabsichtigt. So trötete das deutsche Innenministerium gestern als O-Ton der Ministerin:

    Deutschland hat sich sehr für einen Neuanfang bei Frontex eingesetzt. Europäisches Recht und Menschenrechte müssen an Europas Außengrenzen eingehalten werden.

    Das ist ohne Zwang zu lesen als: Frontex hat bisher an den Außengrenzen europäisches Recht gebrochen und die Menschenrechte missachtet, und das so systematisch, dass der Laden umgekrempelt werden muss, damit das aufhört. Diese Feststellung ist gewiss keine Neuigkeit für Menschen, die den Umgang der EU mit Geflüchteten oder Noch-Nicht-Geflüchteten auch nur aus dem Augenwinkel beobachten. Regierungsamtlich so klar gesagt schrappt das aber schon ziemlich hart am Affront entlang.

    In der eigentlichen Pressemitteilung ist hingegen mehr Platz. So verschwimmt dort die klare Ansage aus dem Tröt leider etwas in „zentralen Elementen“ und „klaren Haltungen“:

    Deutschland hat sich sehr für einen Neuanfang bei Frontex eingesetzt. Frontex ist für den Schutz der europäischen Außengrenzen ein zentrales Element. Dabei ist unsere Haltung klar: Europäisches Recht und die Menschenrechte müssen an Europas Außengrenzen eingehalten werden.

    Liebe_r ÖffentlichkeitsarbeiterIn des BMI: Wenn der Effekt der klärenden Kürzung Absicht war: Chapeau (und sowieso: Danke, dass ihr helft, den Twitterzwang, den viele Menschen fühlen, abzubauen). Wenn nicht: Ich hoffe, das gibt jetzt keinen Ärger…

  • Im Hambacher Schloss

    Playmobil-Diorama des Hambacher Festes

    Mein Highlight der Hambacher Ausstellung: 1832 als in Playmobil ausgeführtes Diorama. Ich weiß nicht, ob ich die visuelle Ähnlichkeit zu den Kola-Puppen von neulich irgendwie interpretieren soll.

    Zumindest für ein paar Jahre noch dürften viele mit den Schlagworten „Hambach“ und „Demokratie“ eher die Verteidigung des Hambacher Forsts gegen Polizei und RWE von 2019 assoziieren als das Hambacher Fest von 1832 – es handelt sich um zwei ganz verschiedene Hambache –, aber für die Selbsterzählung der Bundesrepublik Deutschland wird letzteres wohl wichtiger bleiben, schon aus Gründen des Fahnenschwingens, denn dort wurde die Farbkombination Schwarz, Rot, Gelb (in dieser Reihenfolge, und original tatsächlich mit der Schmuckfarbe Gold) kanonisiert.

    Der physische Beleg dafür liegt in einer Ausstellung im Hambacher Schloss, einer in einigen Tranchen teilrekonstruierten Burgruine ein paar Kilometer außerhalb von Neustadt an der Weinstraße: Die Fahne, die 1832 an den Turmresten flatterte, gibt es noch, und sie ist dort lichtgeschützt zu bewundern. Wobei, na ja, „geben” schon ein starkes Wort ist, denn das Rot ist inzwischen eher so ein Weiß mit Rosastich, und das goldfarbene Gewebe ist erkennbar am Zerfallen. Nur die Warnung an die Nachbarn ist noch gut lesbar: „Deutschlands Wiedergeburt“.

    Sechs Euro Fünfzig und dann nur ein Stockwerk

    Ich habe mich davon letztes Wochenende überzeugen können, denn auch diese Ausstellung ist mit Museumspass kostenlos zu besichtigen; die 6.50 Euro, die ansonsten fällig werden, dürfte sie nach meiner Einschätzung nur extremen FahnennärrInnen wert sein. Zunächst nämlich hat die Ausstellung (ein Stockwerk) schlicht nicht die Fläche für 6.50 Euro, zumal der größere Teil (zwei Stockwerke) des rekonstruierten Gebäudes derzeit für Feiern aller Art verwendet wird – als ich da war, sammelte sich gerade eine Hochzeitsgesellschaft.

    Foto eines eigenartigen Hauses, dessen Dach aus dem gleichen Stein gemacht zu sein scheint wie seine Mauern.

    Was wollte uns der_die ArchitektIn sagen, als er_sie das „Besucherhaus“ (deren Begriff) der Demokratiegedenkstätte wie einen Bunker gestaltete?

    Vor allem aber stehen im Wikipedia-Artikel deutlich mehr nützliche und beeindruckende Informationen zum Hambacher Fest, und in jeder Zweigstelle von Landeszentralen für politische Bildung viel mehr nützliche und beeindruckende Informationen zu den Themen der damaligen TeilnehmerInnen (Pressefreiheit, Nation, Rechtsstaat, eventuell sogar Partizipation). Was in Hambach gezeigt wird, bleibt hingehen enttäuschend oberflächlich und, für eine Gedenkstätte dieser Art schlimmer, unkritisch.

    Dabei ist selbstverständlich zu begrüßen, dass sich die BRD (nicht nur) an diesem Ort mehr auf das eher gemütliche Hambacher Fest beruft als auf das rasend nationalistische Bücherverbrennungs-Spektakel Wartburgfest 15 Jahre zuvor; in Hambach brannte nichts, und das antifranzösische und antisemitische Sentiment von der Wartburg wäre in der vergleichsweise liberalen Rheinpfalz auch deshalb kaum durchzuhalten gewesen, weil der Ehrengast, Ludwig Börne, nach der 1830er-Revolution nach Paris gezogen war und dem jüdischen Ghetto in Frankfurt entstammte. Eingestanden: er hatte sich bereits 1818 taufen lassen und wäre damit wahrscheinlich bei den Wartburg-Feiernden noch so eben durchgekommen[1].

    Vorlagen der Museumspädagogik liegengelassen

    Dass Börne beim Hambacher Fest als Hauptredner auftrat, würde ich aus Aufklärungsperspektive ohnehin als ausgesprochen gutes Zeichen werten, hatte er sich doch mal verlauten lassen mit:

    Es fließt ein Blutstrom durch achtzehn Jahrhunderte und an seinen Ufern wohnt das Christentum.

    Dass ein liberaler Aufklärer dieses Kalibers bei einem „deutschen Mai“ (so Hauptorganisator Philipp Jakob Siebenpfeiffer) umjubelt war, führt nicht nur die Ausstellung auf die segensreiche Wirkung der französichen Herrschaft in den linksrheinischen Gebieten (also auch der Rheinpfalz) zurück, die ihnen in den Jahren vor Napoleons Fall 1815 in den Worten der Ausstellung einen „Entwicklungsvorsprung“ im Hinblick auf Freiheit und Menschenrechte gegeben hat. Bedauerlicherweise kamen die KuratorInnen aber dennoch nicht darauf, die bizarre (wenn auch erstaunlich übliche) Rede von den „Befreiungskriegen“ für die Restitution der reaktionären Regierungen im Europa nach Napoleons Russlandfeldzug in Frage zu stellen.

    Was waren das also für Leute, die einen Gottseibeiuns wie Börne gefeiert haben? Am Anfang der Ausstellung hat mir ein museumspädagogischer Move der Hambacher KuratorInnen Hoffnung auf eine unterhaltsame und relevante Behandlung dieser Frage gemacht. Es werden nämlich gleich hinter dem Eingang der Student August, die Winzertochter Anna, die Bürgerin Katharina, der Arzt Heinrich und der Journalist Johann als BesucherInnen des Fests vorgestellt. Damit hätte mensch die Konflikte zwischen verschiedenen Gruppen der BesucherInnen illustrieren können, die ja jenseits der Erwartung, irgendeine Sorte „Deutschland“ könne ihr Lage verbessern, wenig einte.

    Leider jedoch lassen die AusstellungsmacherInnen die Figuren im Wesentlichen nur mit mehreren Stimmen eine gemeinsame Geschichte erzählen, eben die vom Fest für „Freiheit“ und „Vaterland“ – dass diese Wörter nach Schicht und politischer Orientierung ganz verschiedene Bedeutungen hatten und haben, sollte ehrliche politische Bildung gerade an so einem Platz eigentlich nicht unterschlagen.

    Kontinuitäten der Machtausübung

    Umgekehrt hätten manchmal Brücken ins Heute den Jubel dämpfen sollen. Nehmt zum Beispiel das fürchterliche Schwert, das irgendwelche Leute aus Frankfurt mitgebracht hatten, um es dem Mitorganisator Johann Wirth zu verehren. Die Gravur „Vaterland – Ehre – Freiheit“ auf der Klinge hätte einen prima Anlass geboten, die düstere Rolle der Studentenverbindungen (Wirth gehörte selbst der Erlanger Arminia an) schon damals, noch mehr aber später[2] zu beleuchten. Zur Einordnung von Wirth mag seine Ablehnung der klassischen Kokarde in Blau-Weiß-Rot – sachlich ein Bekenntnis zur Freiheit, Gleichheit und Solidarität der französischen Revolution – helfen; stattdessen sollten die Leute das nationale Schwarz-Rot-Gelb tragen, wie es heute im „Besucherhaus“ verkauft wird:

    Kokarden mit gelben Kern, dann ein roter und außen ein schwarzer Ring, in einem durchsichtigen Verkaufseimer.

    Selbst wenn Mut oder Möglichkeit so einer Ausstellung zu einer profunden Kritik des Verbindungswesens nicht reicht, könnte sie zumindest zur Einordnung gesellschaftlicher Kontinuitäten und Diskontinuitäten anmerken, dass Menschen heute schon wegen §2 (3) Versammlungsgesetz mit Strafverfahren überzogen werden, wenn sie bei vergleichbaren Gelegenheiten Schwimmbrillen dabei haben, von anderen Alltagsgegenständen wie einem Opinel ganz zu schweigen. Mein Rat an die KuratorInnen wäre, an den Leuchtkasten mit dem Schwert einen launigen Schriftzug anzubringen, etwa:

    PSA: Bringt heute lieber keine Schwerter mehr zu Demos mit.

    Ähnlich aufschlussreiche Parallelen zu heute hätten sich angeboten im Fall der Verbotsverfügung fürs Hambacher Fest, die ausführte, das Fest strebe nach der Auflösung der herrschenden Ordnung. Ähnliche Anordnungen nach §15 Versammlungsgesetz ergehen immer noch, wobei die Schwelle inzwischen niedriger liegt, denn verboten werden kann eine Versammlung, „wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.“

    Eine Parallele, die ich besonders gerne gezogen sähe, geht von diesem Exponat:

    Foto eines großen, dicken Buchs mit handschriftlichen Einträgen

    zu Einrichtungen wie dem Informationssystem Innere Sicherheit (dessen Name bis vor einigen Jahren gerne mal als ISIS abgekürzt wurde) des BKA. Im ISIS verwalten die deutschen Polizeien rund hunderttausend (Stand 2019; 2011 waren es eher noch 85000) Menschen, die die Beschreibung des gezeigten Buchs in der Ausstellung als „politisch auffällige Personen“ klassifiziert.

    Das Buch wiederum ist ein Verzeichnis von aus heutiger Sicht bescheidenen 1'867 „Extremisten” (wie diese politisch aufälligen Personen heute genannt werden), die die Frankfurter „Zentralbehörde für politische Untersuchungen“ in den Jahren 1833 bis 1838 in feiner Kurrentschrift zusammentrug. Dass sie damit im Jahr nach dem Hambacher Fest anfing, ist sicher kein Zufall – und leider auch nicht, dass sie 1838 wieder aufhörte, denn soo viel gab es im Vormärz wohl trotz allem nicht zu beobachten.

    Ein Psychotest für Untertanen

    Es sei den aktuellen Regierungen nachgesehen, dass sie in Hambach lieber jubeln und fahnenschwenken wollen als über Kontinuitäten von Machtausübung zu philosophieren. Dann aber wärs schon besser, das nicht in einen Kontext von Demokratie (jetzt im Sinne von Partizipation und nicht von Volk und Herrschaft) und Freiheit zu stellen. Ganz schlimm wird das im Nebenzimmer des Schwert- und Fahnenraums, in dem sich BesucherInnen anhand von einer Art begehbarem Psychotest in Bürgertypen einordnen sollen. Das Schlimme daran ist, dass die partizipativste Antwortoption in der Regel nicht mehr als ein Appell an die Obrigkeit ist.

    Zum Beispiel wird die Situation beschrieben, dass am Rande einer Demonstration TeilnehmerInnen JournalistInnen bedrängen. Die natürliche Verhaltensweise, nämlich nachzufragen, worum es geht und so oder so deeskalierend einzugreifen, kommt gar nicht vor – als einzige Interventionsmöglichkeit bietet die Ausstellung an, eine Anzeige bei der Polizei zu stellen. Denunziantentum als musterdemokratisches Verhalten zu loben: Das ist schon ein starkes Stück.

    Oder nehmt das hier:

    Foto einer Pychotestfrage: ein Kulturzentrum soll abgerissen werden, mit Optionen "zum Stadtrat gehen", "eine Petition unterschreiben" und "nichts machen".

    Wie wäre es denn mit einem Szenario „das Haus besetzen”? Oder vielleicht, des Dynamikumfangs wegen, „den Stadtrat stürzen“? Oder „an Abrissmaschinen festkleben”? Ah, nee, dafür ist der Psychotest zu alt. Mag sein, dass das alles zu partizipativ für einen autoritär gebürsteten Demokratiebegriff ist, aber irgendwas, das nur annähernd Agency, meinetwegen „Selbstwirksamkeit“ außerhalb eines Obrigkeit-Untertanen-Verhältnisses anbietet, wäre schon recht gewesen in einer Gedenkstätte für einen (wenn auch kreuzbraven) Aufstand. Also vielleicht: „Ich spreche mich mit Nachbarn ab und melde eine Demonstration an“?

    Erst mal die Bahnsteig^WVerpflegungskarte kaufen

    Dazu passt ganz gut, dass die Ausstellung ebenfalls nicht die Geschichte erzählt, was aus dem Impetus des Hambacher Festes wurde. Während nämlich alles in patriotischem (und vielleicht auch etwas freiheitlichem) Taumel war, begannen die wichtigen Männer der Bewegung noch in Neustadt die nächsten Schritte zu diskutieren, was die Wikipedia jetzt gerade so zusammenfasst:

    Die Schlussabstimmung zur Frage, ob eine Konstitution aus sich selbst heraus die Kompetenz hätte, im Namen von ganz Deutschland eine Revolution zu beginnen, ließ die Bemühungen jedoch scheitern, da keine Einigkeit zustande kam.

    Das passt sehr gut zu einem Exponat, das ich irgendwann mal einsetzen möchte mit Referenz auf eine Wladimir „Lenin“ Uljanow …

  • Planspiele in Meerengen

    In den Deutschlandfunk-Nachrichten läuft derzeit Folgendes:

    Der EU-Außenbeauftragte, Borrell, hat Patrouillenfahrten europäischer Kriegsschiffe in der Straße von Taiwan gefordert.

    Europa müsse beim Thema Taiwan sehr präsent sein, schrieb Borrell in einem Gastbeitrag der französischen Sonntagszeitung „Journal du Dimanche“. Die Europäische Union sei sowohl wirtschaftlich als auch technologisch eng mit Taiwan verbunden. Es gehe um die Freiheit der Schifffahrt.

    Buchtitel in rot und schwarz: Weiß "2034" ein paar chinesische Schriftzeichen

    Grusel-Schocker: Ein Roman über den nächsten Weltkrieg. Rechte bei Penguin.

    Ich könnte jetzt grummeln, dass das schon sehr klare imperiale Ansagen sind („wir werden unseren wirtschaftlichen Interessen gemäß töten, und sei es auch am anderen Ende der Welt“), aber das wäre trotz der Empörung über konkurrierende imperiale Interessen, die Borrell dann und wann äußert, langweilig.

    Im Vergleich hinreichend spannend ist das Buch, an das mich diese Nachricht sofort erinnert hat, nämlich „2034 – A novel of the next world war“ von Elliot Ackerman, einem ehemaligen Marineinfanteristen, und James Stavridis, der von 2009 bis 2013 alliierter Oberbefehlshaber in Europa war (ist bei libgen entleihbar; ansonsten: Penguin Books 2021, ISBN 9780593298688). Die beiden haben in dem Buch erkennbar viel Spaß, sich Geschichten (durchaus im intersektionalen Sinn) diverser HeldInnen in einem allmählich eskalierenden Weltkrieg auszumalen. Wenn das diese Geschichten umgebende Szenario militärischen Planspielen nicht ohnehin schon so eng folgt wie das die Geheimnistuerei in dem Geschäft halt zulässt, wird es bestimmt demnächst jede Menge entsprechende Simulationen geben (siehe unten).

    Das Buch kam mir in den Sinn, weil sich in der Geschichte – ja, ich spoilere in diesem Absatz das ganze Buch – der Krieg entzündet an sozusagen Borrellschen Patroullienfahrten im fraglichen Seegebiet – nur natürlich der US-Marine, deren existierende Operationen Borrells Forderungen noch mehr als Wir-auch-Imperialismus markieren. Ein paar US-Zerstörer (oder was immer) schippern durch die Spratleys, und China kann die mit überwältigenden „Cyber Capabilities“ – sie sitzen ja in jedem Router! – ohne Gegenwehr versenken.[1] Nachdem die Iraner weiter einen tapferen Fighter Pilot foltern, die Chinesen eine See- und Cyberblockade über Taiwan verhängen und die Russen das Internet durch Kappen eines Tiefseekabels am Nordpol kaputtmachen, zünden die USA eine Atombombe über einer chinesischen Militärstadt (wie sie das angesichts der erdrückenden „Cyber Capability“ der Chinesen machen, bleibt offen), China zündet zwei über US-Städten, und dann darf der gefolterte Fighter Pilot, der inzwischen aus dem Iran freigekommen ist, mit seinen überlegenen uncyberigen Flugkünsten noch Shanghai einäschern, bevor Indien einen Friedensschluss erzwingt.

    Jaja, die Handlung ist stulle, aber dass sich alles um das dreht, was Militärs heute gerne „Indopazifik“ nennen, ist besonders bemerkenswert, weil Stavridis, soweit ich die deutsche Wikipedia richtig verstehe, eigentlich immer im erweiterten Atlantikraum unterwegs war (Irak, Bosnien, Haiti, Guantanamo inklusive Internierungslager, vielleicht sogar Heidelberg). In dem Buch streicht er das Erbe der Ballereien seiner eigenen Leute praktisch vollständig, was mir den Eindruck einer alarmierenden Fixierung auf China innerhalb der Leitungsbene des US-Militärs aufdrängt. Diese mag aktuell zwar etwas gemildert sein, aber vermutlich ist die Einschätzung Jörg Kronauers (in seiner Veranstaltung am 9. März bin ich auf das 2034-Buch aufmerksam geworden) nicht ganz abseitig, das große transatlantische Interesse am Krieg in der Ukraine könnte viel mit Rücken-Freihalten (oder -kriegen?) für Konflikte mit China zu tun haben.

    Daher: So unwohl ich mich in China gefühlt habe – die himmelschreiende Ungleichheit, die blinde Nutzung von allem, was blinkt und piept, der wilde Wettbewerbswille, der schockierend verbreitete glühende Patriotismus –, so sehr ist klar, dass Aufrüstung und Säbelrasseln bei uns nichts davon verbessern werden; wie üblich gilt es, der autoritären Versuchung nicht nachzugeben, denn sehr wahrscheinlich würde das nicht nur hier, sondern auch dort alles schlimmer machen.

    Wer den Menschen unter chinesischer Herrschaft helfen will, möge hier gegen Militarisierung und Patriotismus kämpfen, vermutlich würde auch Aktivismus gegen Freihandel helfen, und ganz gewiss Klima-Aktivismus, denn China hat in der Hinsicht viel zu verlieren und wenig zu gewinnen. Gute Vorbilder bei uns helfen den Menschen dort, mehr Partizipation und (damit notwendig) weniger Militär sowie weniger Arbeit und Wettbewerb zu erreichen. Ganz offenbar imperiale Gesten wie die Borrells machen den Menschen guten Willens dort ihre Arbeit zumindest mal viel schwerer.

    Unten

    Buchtitel "The third world war" fett weiß auf schwarzem Grund, darunter eine Erdkugel mit mehreren Großfeuern.

    Der Vorgänger von 1979. Rechte bei Sphere Books

    Der große Präzedenzfall für einen Nächster-Weltkrieg-Schocker ist übrigens „The Third World War“ (Sphere Books 1979), ein Lieblingsprojekt des Zweite-Weltkrieg-Haudegens „General Sir“ John Hackett, der beispielsweise in den 1960ern die britische Rheinarmee kommandiert hat und damit dann die „Northern Army Group“ der NATO – was immer das gewesen sein mag. In dem Buch – ich spoilere wieder – entzündet sich der Konflikt im Jahr 1985 erwartungsgemäß an West-Berlin, dann nuken die Russen Birmingham, dann die NATO Minsk, und dann zerfällt die Sowjetunion ganz ähnlich wie sie das in der Realität ein halbes Jahrzehnt später auch ohne Atombombe getan hat.

    Der Vergleich des aktuellen Ackerman/Stavridis-Buchs mit dem männerschweißigen Reißer aus den 1970ern samt dessen Waffen-Porn in Sprache und auf eingehefteten Bild-Tafeln schlägt übrigens vor, dass es vielleicht sogar im Militär irgendwas wie einen Prozess der Zivilisation gibt. Solange das das Militär immer noch nicht am Rumballern und Bombenwerfen hindert, tröstet das zwar wenig, aber immerhin sind die Akteure von 2034 nicht mehr die Terminatoren ohne Sozialleben oder erwähnenswerte Sprachfähigkeiten, die Hackett auftreten ließ.

    In den frühen 80ern war das Hackett-Buch gerade im Militär ein Bestseller (ich bin z.B. überzeugt, dass meine Ausgabe von einem Mitarbeiter der damals noch zahlreich in Heidelberg vorhandenen NATO-Stäbe ins Antiquariat gegeben wurde), und wer im Netz mal nach "Fulda Gap 1985" sucht, wird feststellen, dass Hacketts Szenario immer noch viele Kriegsspiele inspiriert.

    Mal sehen, wie die Leute in dreißig Jahren über Ackerman und Stavridis reden werden. Mit etwas Engagement sollte es doch hinzukriegen sein, das Wort „hellsichtig“ aus künftigen Besprechungen ihrer Geschichte rauszuhalten…

    [1]Die chinesischen „Cyber Capabilities“ sind natürlich völlig fantastisch und zeugen von einem eher religösen Verhältnis der Autoren zu Technologie, aber das ist beim Auftauchen der Buchstabenfolge „C-y-b-e-r“ (Standard-Bedeutung: Alles im Umkreis von 30 Tokens ist Bullshit) ja zu erwarten.
  • Mehrfach reflexiv: Das Linden-Museum in Stuttgart

    Foto: Jede Menge knallbunter Puppen auf Stufen drapiert.

    Mein Lieblingsexponat in der derzeitigen Sonderausstellung im Linden-Museum: ganz aktuelle Kola-Puppen aus Südindien mit blütenweißer Provenienz. Wer sich fragt, was das ist: Ich erzähle paar Absätze weiter unten etwas mehr darüber.

    Neulich hatte ich ein Treffen in Stuttgart. Da ich mich schon mal durch die S21-Katastrophe am Hauptbahnhof – kommt es nur mir so vor oder wird das immer noch schlimmer? – hatte kämpfen müssen, verband ich das mit einer weiteren Museumspass-Anwendung: Dem Linden-Museum, in dem es nicht etwa um Bäume (der Name bezieht sich einen Kolonial-Lobbyisten im Stuttgart des späten 19. Jahrhunderts, der das Ding aus der Taufe gehoben hat) geht, sondern um „Völkerkunde“.

    Weit hinaus über Kreise, die meine Skepsis zum Begriff Volk teilen, haben Museen mit diesem Profil gerade mehrdimensional einen schweren Stand. Zunächst kommen horröse Provenienzfragen hoch. Das Linden-Museum beispielsweise hat(te) selbst irgendwas wie 100 Stücke aus der besonders heftig diskutierten Benin-Beute – unter denen mich übrigens die bearbeiteten Stoßzähne mehr beeindruckt haben als die Gegenstände aus Bronze.

    Nachfahren der Kolonialvereine

    Fundamentaler noch wurzeln die Völkerkunde wie ihre Museen ziemlich flächendeckend in kolonialer Begeisterung, und jedenfalls nach meiner Erfahrung mit der Heidelberger Ausgabe des Genres war der koloniale Blick noch lange die Regel: der weiße Mann erforscht und untersucht die, die noch nicht so weit sind und delektiert sich an ihren Marotten. Im vielleicht freundlichsten Fall konstruiert er alberne und meist zutiefst autoritäre Bilder vom edlen Wilden.

    Demnach mag das Interessanteste an einem Besuch bei den Lindens deren Aufarbeitung ihrer eigenen Geschichte und Funktion sein. Abschnittsweise scheinen sie zu einer Art Metamuseum geworden zu sein, einem Museum vergangener und gegenwärtiger musealer Praxis.

    So nimmt die Diskussion der Bestände aus der Plünderung des Palastes von Benin eine ganze Wand des großzügigen Treppenhauses ein, auch wenn der Text dort nicht mehr ganz aktuell ist. An der Stelle heißt es noch: „Ende 2022 sollen die ersten Rückgaben erfolgen“, während in der Ausstellung selbst zwar weiter viel Raubkunst zu sehen ist, aber auch berichtet wird, immerhin eine Zeremonienmaske sei bereits nach Nigeria gegangen, und nur 24 Stücke würden noch längere Zeit als Dauerleihgabe in Stuttgart bleiben.

    Testfall Afghanistan

    Ähnlich selbstkritisch betrachtet die Ausstellung Marmorreliefs der Ghaznawiden – ich gestehe offen: ich hatte voher nichts von diesem Reich gehört, das so um die 1000 herum vom heutigen Afghanistan aus nennenswerte Teile des mittleren Ostens beherrschte –, die Linden-ArchäologInnen 1957 unter offenbar fragwürdigen Umständen nach Stuttgart gebracht haben.

    Gerade Afghanistan – immerhin Ort von etwas, das durchaus als jüngster deutscher Kolonialkrieg durchgehen kann – erlaubt aber, auch positivere Bilder ethnologischer Museen zu zeichnen. So hat eine Linden-Crew in den 1970er Jahren im ebenfalls afghanischen Tashqurghan (heute, paschtunisiert, Cholm – gar nicht weit von Masar-i-Sharif, Hauptwirkungsort unserer Schutztruppe^W „humanitären Einsätze“) wahrscheinlich mit informierter Einwilligung der Betroffenen eine Bazarstraße demontiert und in Stuttgart wieder aufgebaut, was für mich eines der beeindruckendsten Exponate war:

    Enger Gang durch einen konservierten Bazar

    An der Stelle hätte ich es vielleicht sogar etwas effektheischender gemocht, etwa durch Einspielen von Tonaufnahmen, die in den Straßenszenen aus Tamil Nadu in der Sonderausstellung (kommt gleich) für mich gut funktioniert haben. In jedem Fall scheint es mir durchaus recht verdienstvoll, wenigstens eine Straße erhalten zu haben von einem Bazar, von dem inzwischen sowohl aufgrund von lokaler Entwicklung als auch aufgrund von Zerstörungen diverser Kriege am ursprünglichen Platz nichts mehr übrig sein dürfte.

    Vertikale Blickrichtungen

    Wiederum andererseits ist das alles dünnes Eis: Wäre die Grenze zum kolonialen Blick beispielsweise überschritten, wenn die Linden-Leute die Bazar-Buden mit schneidernden oder schmiedenden Puppen besiedelt hätten?

    Grundsätzlich fand ich beim Laufen durch die Ausstellung die wechselnden Perspektiven durchaus bemerkenswert. Bei iranischen Druckplatten aus dem 12. Jahrhundert und noch mehr bei der ostasiatischen Ausstellung war der Blick eindeutig in Augenhöhe gerichtet. Meinem Römerfimmel nachgebend möchte ich als Beispiel dieses chinesische Exponat anführen:

    Modell eines Wehrturms mit Brüstung und Armbrustschützen

    Das ist nicht nur präsentiert wie analoge Exponate aus der Römerzeit in anderen Museen (im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe gibt es z.B. römische, nun ja, Puppenhäuser), es ist schon fast irritierend, dass dieses Modell in der Zeit unserer Limestürme gefertigt wude, nämlich während der östlichen Han-Dynastie (24 bis 220 ndCE[1]). Eine relativ aktuelle Aufarbeitung der westlichen Version von Türmen dieser Art steht nahe dem kleinen Bahnknotenpunkt Osterburken:

    Foto: rekonstruierter Limes-Wachturm mit Brüstung und weiß-rotem Mauerstrich hinter grasbewachsenem Wall („von Germanien aus”).

    Archäologisch ist übrigens nicht entscheidbar, ob zwei (wie im chinesischen Modell), ein (wie im Bild) oder kein (wie in anderen Rekonstruktionen) Wehrgang die Regel waren; Vorbild für römische Türme ist ein Halbrelief auf der Trajansäule. Als die östliche Han-Dynastie unterging, war es auch mit den Türmen Marke Osterburken vorbei; zwischen 230 und 260 zerfiel der Limes in Obergermanien. Oh – entschuldigt bitte die Abschweifung. Bei so klaren Parallelen kann ich nicht widerstehen.

    Von Akam, Liebe, und Krieg, Puram

    Einen Eindruck von moderner ethnologischer Praxis gibt, so glaube ich als Laie, die aktuelle Sonderausstellung Von Liebe und Krieg über TamilInnen in Südindien und der Welt (wer sie auch noch sehen will, muss sich beeilen: sie schließt am 7. Mai). Gerade der Eingangsraum mit einer Multi-Beamer-Installation und dichtgewebten, für meinen Geschmack geradzu hermetischen Metaphern in gelesen-untertitelter Beziehungslyrik – ich vermute, aus der caṅkam-Literatur, von der gleich die Rede sein wird – war sicher sehr stimmungsvoll. Aber ich bin mir nicht sicher, ob der demonstrative Respekt für die „fremde Kultur“ nicht schon wieder umschlägt ins othering, in die Konstruktion einer Fremdheit, die es so vielleicht gar nicht (mehr) gibt.

    Immerhin ist das Gefühl der Fremdheit, das bei mir am Anfang der Ausstellung aufkam, wirklich bezaubernd. Ich entwickelte eine Vorstellung vom „Dichterrat“ (Sangam oder caṅkam), der in der tamilischen Urzeit mehr oder minder die Geschicke der Kultur in der Hand hatte. Das erschien mir auf Anhieb sympathischer als, sagen wir, Platons autoritärer Philosophenstaat (Disclaimer: In der Wikipedia bleibt von irgendwelchen weltlichen Rollen möglicher Dichterräte eigentlich nichts mehr übrig; insofern war das vermutlich mehr meine Fantasie beim Wort „Rat“).

    Die Behauptung der Rolle von DichterInnen im tamilischen Denken verstärkend zeigt die Ausstellung aktuelle (2018) Ikonographie – ob nun Popstar oder Heilige – für die der etwas emanzipatorschen Bhakti-Bewegung zugerechnete Dichterin Andal (deren Existenz für so etwa das 8. Jahrhundert wohl hinreichend belegt ist):

    Ein sehr buntes und etwas naives Bild einer Frau mit Heiligenschein in einem goldfarbenen Rahmen

    Unter die Materialien, die in das Exponat gingen, zählt die Beschriftung explizit „Kunststoff“. Der Ausstellung ist generell große Aktualität zu bescheinigen – ich denke, mehr als die Hälfte der Exponate stammen aus dem 21. Jahrhundert.

    Universalien bunten Plastikplunders

    Dass aber vieles einfach nur auf den ersten Blick fremd aussieht, habe ich mir besonders gedacht bei der ebenfalls aktuelle Produkte zeigenden Navaratri-Installation im Religions-Abschnitt. Weil sie so schön ist, habe ich sie schon eingangs gezeigt:

    Foto: Jede Menge knallbunter Puppen auf Stufen drapiert.

    Was da so knallig und verrückt daherkommt, sind Kola-Puppen, die, die Ausstellung und die Wikipedia sind sich in diesem Punkt einig, vor allem Frauen zum großen Fest des Sieges von Kali über den Büffeldämon aufstellen. So seltsam Büffeldämonen und quietschbunter Plastikquatsch wirken mögen: Stellt euch vor, indische EthnologInnen fallen plötzlich bei Käthe Wohlfahrt ein (das können sie in Heidelberg das ganze Jahr über) oder gar auf einem Weihnachtsmarkt. Stellt euch weiter vor, sie zeigen in einer Ausstellung eine klassische deutsche Weihnachtszimmer-Szene mitsamt all dem Plunder, den Leute so an ihre Weihnachtsbäume hängen. Würde das InderInnen irgendwie anders berühren als uns deren Navarati-Plunder?

    Oder: Pop-Quiz zu Votivgaben: Welches von den folgenden Bildern entstand in der Ausstellung, welches am Chiemsee und welches im Römermuseum Ruffenhofen?

    Drei Fotos nebeneinander, jeweils von stilisierten Körperteilen, ganz links in Holz, die beiden anderen in Metall getrieben.

    Lösung: Erstaunlicherweise haben sich die hölzernen Arm- und Beinvotive aus der Römerzeit erhalten, während der düstere Kram in der Mitte relativ aktuelle Votivgaben an die heilige Irmingard auf Frauenchiemsee sind.

    Bharati und Ramasami

    Neben Literatur und Religion bietet die Sonderausstellung Abschnitte zu Politik und Alltag. Die Politiksektion handelt im Groben von Leuten, die hofften, auf einem nationalen Ticket sozialen Fortschritt zu erreichen – so etwa Subramaniya Bharati – und im Wesentlichen mit beidem baden gingen. Oder von anderen, die ein wenig so wirken, als hätten sie auf einem sozialen Ticket nationale Fragen behandeln wollen, namentlich Erode Venkata Ramasami Naicker[2], der in der Ausstellung in einer Auseinandersetzung mit Gandhi (1927) zu sehen ist, wahrscheinlich, während er ihm ausreden will, Hindi als lingua franca der indischen Union zu etablieren, um das koloniale Englisch abzulösen:

    Ramasami und Gandhi als bereits etwas ältere Männer auf einem nachkoloriert und retouschiert wirkenden Foto. Ramasami erklärt gerade etwas.

    Ramasami wirkt hier als dravidischer Aktivist – ich kann nicht beurteilen, ob er das wirklich war –, der sich gegen kontinuierliche indogermanische Dominanz (denn auch Hindi ist als späte Erbin des Sanskrit wie Englisch eine indogermanische Sprache) wandte. Und da sind wir dann wieder bei Fragen kolonialer Bewältigung, denn zumindest laut Ausstellung war eine zentrale Wurzel des tamilischen Nationalismus die Beschreibung der dravidischen Sprachfamilie (zu der dann auch Tamil gehört) durch den anglikanischen Missionar Robert Caldwell Mitte des 19. Jahrhunderts.

    Die Alltagssektion schließlich hat mich mit der wahren Dimension von Saris überrascht (die Dinger sind lang) und räumt dann mit allen Illusionen über Gesellschaften auf, deren Heilige und Helden DichterInnen sind. In einem mutmaßlich repräsentativen Satz aktueller ayurvedischer Medizin wird ein Anti-Kater-Wundermittelchen mit dem dämlichen Namen PartySmart gezeigt:

    Drei Medikamentengebinde, das mittlere eine Pappschachtel mit der Aufschrft "PartySmart Capsules/Relieves unpleasant after-effects of alcohol" der Firma Himalaya Wellness

    Vielleicht wäre ja die beste Nachricht, die mensch aus einem Museum zu „Völkerkunde“ mitnehmen könnte, etwas wie: Wir waren schreckliche Bestien und sind nur allmählich ein wenig weniger schurkig geworden. Aber der Prozess der Zivilisation ist auch bei unseren Opfern müh- und …

  • Hardenburg: Zu echt, um wahr zu sein

    Foto von Mauerwerk und Türmen

    Ein Traum von einer Burg: Die Hardenburg nach dem Durchschreiten des Westbollwerks.

    Ich war am letzten Wochenende mit meinem Museumspass in der Hardenburg bei Bad Dürkheim, und ich fand meine Beobachtung angesichts der Krone von Rudolf IV bestätigt: Wenn es ganz besonders echt aussieht, ist es wahrscheinlich ein Fake.

    Gut: Fake ist vielleicht ein zu starkes Wort, aber die großen Mengen alten und restaurierten Mauerwerks, die vielen Türme und Türmchen und die zahlreichen Gänge, die sich immer wieder zu nicht ganz erwartbaren Plätzen öffnen, all das hat es in dieser Dichte in mittelalterlichen Burgen wohl (leider) eher nicht gegeben. Wer so großartige Burgen haben will, wird ebenso auf Modernes zurückgreifen müssen wie SchlossliebhaberInnen auf Neuschwanstein.

    Tatsächlich war die Hardenburg bis 1725 von Leininger Grafen – meist mit dem lustigen Namen „Emich“ – bewohnt. Sie wurde, so die Wikipedia in beschönigendem Passiv, „in dieser Epoche zum Residenzschloss ausgebaut“. Das ist dann wohl der Grund, warum sie wirklich perfekt funktioniert als 1a klasse Burg: Die Leute, die die Bauten bestellt haben, waren selbst schon total auf Ritterromantik.

    Die Leute wiederum, die dafür schuften mussten, taten das in erkennbarer Konkurrenz zu denen, die am Heidelberger Schloss dem dort herrschenden Pfälzer Kurfürsten seinen Hortus Palatinus ausbuddeln mussten. Die dauernde Konkurrenz zwischen den Grafen von Leiningen in Dürkheim und ihren deutlich mächtigeren Nachbarn – Fürsten, gar Kurfürsten – ist im „Ausfallgarten“ der Hardenburg durch Gras angedeutet:

    Durch Gras angedeutete Anlage eines französischen Renaissancegartens in einer dem Berg durch Mauern abgezwungenen Ebene.

    Von einem relativ lobenswerten Aspekt dieser Rivalität ist vor Ort nichts zu lesen: Als der Heidelberger Kurfürst 1512 die Gelegenheit gekommen sah, seinem kleinen Nachbarn zu zeigen, wo der Hammer hängt und die Burg belagerte, übergaben, so erzählt die Wikipedia, die Leininger sie, bevor die kurfürstlichen Truppen ernsthaft Schaden anrichteten. 1519 ging die Burg unversehrt zurück an die Leininger. Damit konnten sie sie deutlich schneller wieder nutzen, als wenn sie sich erst auf eine heldenhafte „Verteidigung“ eingelassen hätten und sie anschließend wieder viele Menschen hätten zwingen müssen, die Residenz neu aufzubauen. Ich halte das für eine hervorragende Illustration der Weisheit, dass militärische „Verteidigung“ eine schlechte Idee von Grobianen ist und war.

    Am Ende kaputt gemacht (ich musste an Degenhardts Lied über Joß Fritz denken: „Und als die schönen Schlösser brannten“, wobei wir da 200 Jahre früher sind) haben das Schloss übrigens Revolutionstruppen aus Frankreich – aber leider hat es auch danach noch hundert Jahre gedauert, bis zumindest mal die Monarchie in der Gegend beseitigt war, auch wenn immerhin die verschiedenen Leininger Emichs nach der napoleonischen Neuordnung in Amorbach statt in der Dürkheimer Gegend Hof halten mussten.

    Bevor mensch die Gänge und Türme der Burg erkundet, lohnt sich ein Blick in die kleine Ausstellung im Eingangsrondell, schon, weil sie sich erfolgreich an der Alltagsgeschichte versucht, die ich bei den Habsburgern angemahnt habe. Statt in einem Fort über die Kriege der Mächtigen zu erzählen, diskutiert sie die Entdeckung einer Abfallgrube im Jahr 1983 als „Glücksfall“ und zeigt nicht nur einen Treue schwörenden Verlobungsring (mensch mag sich fragen, ob der wohl im Zorn in die Grube gepfeffert worden ist), sondern auch frühe Zeugnisse von Globalisierung. So fand ich etwa diese Scherbe aus den 17. Jahrhundert bemerkenswert:

    Eine Porzellanscherbe mit chinesischen Schriftzeichen

    Die Ausstellung versichert, dass das Porzellan tatsächlich aus China kommt. Dass schon damals so zerbrechliche chinesische Ware an Höfen von Duodezfürsten genutzt (und zerdeppert und in Abfallgruben geworfen) wurde, flößt mir etwas Respekt ein vor den Menschen, die den Kram entweder über die Seidenstraße oder das Meer herbeischafften – und andererseits milde Verzweiflung, denn so viel Aufwand, nur damit ein Graf sich besser fühlen konnte als seine Untertanen: Das wirkt schon etwas traurig.

    Zu solchen Gedanken passen auch die Austernschalen, die sich in der Ausstellung finden, denn auch die mussten natürlich bei Hof verspeist werden als Zeichen, dass es „nicht drauf ankommt“. In Zeiten vor Kühlketten und Eisenbahnen war das Austernessen eine besonders absurde Verschwendung menschlicher Arbeitskraft, denn Kuriere mussten sie eiligst von der Atlantikküste herbeischaffen, bevor sie starben und damit giftig (Extra-Nervenkitzel!) wurden.

    Austernschalen

    Hinterlassenschaften austernschlürfender Emiche und ihrer Angehörigen.

    Andererseits weht, finde ich, sogar aus diesem Müll von vor dreihundert Jahren ein wenig der Hauch der Geschichte, und zwar immer noch einer freundlicheren Geschichte als beim Masken-Splatter aus dem Codex Manesse (aus dem Besitz des ewig reicheren Kurfürsten übrigens), der dort einem Leininger – also vielleicht eines Bewohners der Hardenburg, weshalb das Bild auch in der Ausstellung reproduziert ist – zugeschrieben wird:

    Mittelalterliche Illustration: Leute schlagen sich mit Schwertern, Blut spritzt

    Hinter der Maske angeblich ein Leininger, aber eher ein Friedrich statt ein Emich. Schade.

    Als Aftershow (und auch ohne Museumpass umsonst) empfehle ich das Dürkheimer Stadtmuseum gleich um die Ecke vom Bahnhof. Dort kommt die Aufarbeitung der munteren Ritzereien (und einer wirklich extrem lausigen Bauinschrift) im Steinbruch der Legio XII Pia Fidelis am Kriemhildenstuhl meinem Römerfimmel sehr entgegen.

    Gerade für ein Stadtmuseum sehr anerkennenswert finde ich die Diskussion der Naziverstrickungen einiger Dürkheimer Honoratioren wie des Welteistheoretikers Philip Fauth, des Mundartdichters und Ehrenbürgers Karl Räder (interessanterweise nicht in der Wikipedia – arbeiten da keine DürkheimerInnen mit?) und des Malers und Kapp-Putsch-Fans Gustav Ernst (wohl auch nicht in der Wikipedia).

    Wirklich originell fand ich aber die Exponate zum Kurbetrieb in Dürkheim, allen voran das munter weiß-blau gerautete Etikett eines, nun, Heilwassers, das Fans von Agatha Christie Schauer den Rücken herunterjagen wird:

    Flaschenetikett: Maxquelle, Stärkstes Arsenwasser Deutschlands

    Schließlich muss ich mich noch als Fan von Gina Ruck-Pauquets Geschichten um den kleinen Nachtwächter outen, der in seiner kleinen Stadt recht regelmäßig alle BewohnerInnen – den Drehorgelmann, das Mädchen mit den Luftballon, den Bauern, den Dichter und die Blumenfrau – aufweckt, statt über ihren Schlaf zu wachen.

    Stellt sich raus: Das hat sich Ruck-Pauquet nicht wirklich ausgedacht. Im Museum wird ein Protestbrief aus dem 19. Jahrhundert gezeigt, in dem sich ein Kurgast beschwert, er sei um 23 Uhr durch das „furchtbar schauerliche Nachtwächterhorn“ geweckt worden und danach über „diese altmodische, an Bauerndörfer erinnernde Nachtwächterei” abgeht. Tatsächlich hängt im Dürkheimer Stadtmuseum noch das letzte Nachtwächterhorn des Städtchens:

    Ein bronzen schimmerndes Horn von etwa 50 cm Länge

    Hinreißend.

  • Glückwünsche zu Schritt 1

    "Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons" in verschiedenen Sprachen

    Schritt 2 zur Zivilisierung und Denuklearisierung der Republik wäre die Unterzeichnung des TPNW.

    Heute endet die kommerzielle Nutzung der Kernspaltung in der BRD[1] . Das ist aus vielen Gründen klasse, über die heute viele andere reden. Für mich ist der wichtigste Grund einer, der nicht oft erwähnt wird: Eine möglichst große Reaktorflotte ist praktische Voraussetzung für eine glaubhafte Option auf die Bombe – genauer, auf Bomben in kriegswichtiger Zahl, also jetzt nicht nur so eine Handvoll. Je weniger es so eine Option gibt, desto besser. Rundrum.

    Diese Option ist erstens Folge davon, dass mit kommerziellen Kernreaktoren Anreicherungskapazitäten im Überfluss bereitstehen, zweitens daran, dass hinreichend viele Menschen mit den zur Bombenproduktion nötigen Techniken vertraut sind oder sie sich jedenfalls schnell aneignen können, und drittens, dass auch jederzeit haufenweise Plutonium anfällt, quasi sachzwänglich – so verfügte auch die BRD jahrzehntelang über etwa fünf Tonnen im Prinzip waffentaugliches Plutonium (vgl. Plutoniumwerk ALKEM).

    Solche Erwägungen waren der Hintergrund der riesigen staatlichen Investitionen in die Nukleartechnologie in den 50er und 60er Jahren. Die zentrale Figur dabei war Franz Josef Strauß, der mit seiner Bomben-Motivation auch immer offen umgegangen ist. 1957, sein Kernforschungszentrum Karlsruhe bastelte gerade an den ersten Reaktoren dort, mit seiner Kernforschungsanlage Jülich ging es gerade los, die Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt in Geesthacht war ein Jahr alt, die Inbetriebnahme des Atom-Eis in Strauß' Garchinger Vorgarten im September 1957 war absehbar, ließ er als fürs Militär zuständiger Minister[2] am 10.4.1957 regierungsamtlich verkünden:

    Ein Verzicht auf Kernwaffen unter den gegebenen Umständen und im Augenblick würde militärische Preisgabe Europas an die Sowjetunion bedeuten.

    Natürlich würden sich „Umstände“ und „Augenblicke“ nie ändern. Noch in den 1970ern – der Plan B für großmaßstäbigen Zugriff auf die Bombe, die WAA Wackersdorf, war längst in Planung[3] – schrieb er:

    Zur Souveränität gehört die Atomwaffe.

    —Welt vom 5.9.1975

    Das ist die Geschichte hinter den beeindruckenden Geldmengen, die in die damalige Großforschung flossen.

    Ein Fahrradständer mit einem Regenschutz aus gebogenem Wellblech

    Im ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe 2022: Auch wenn es inzwischen KIT heißt, sehen sogar die Fahrradständer immer noch irgendwie nach Los Alamos aus.

    Und diese Geschichte geht heute leider bei weitem nicht zu Ende. Auch die BRD droht ihren Feinden weiterhin mit der Auslöschung ihrer Städte, und leider denkt niemand, der/die auch nur den Hauch einer Chance auf die Macht im Land hat, über einen Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag TPNW nach – was nun wirklich moralischer Mindeststandard wäre.

    Heute wäre also ein guter Tag, einen kleinen Beitrag zur Besserung dieser Situation zu leisten. Vor vierzig Jahren schien eine breite Koalition für den „Atomausstieg“ – wie sie zumindest bis zur derzeitigen patriotischen Besoffenheit seit 2011 bestanden hat – so undenkbar wie heute ein Ausstieg aus den monströsen Drohungen mit nuklearem Massenmord. Es ist an uns, das Sentiment zu Atombomben jetzt ähnlich zu drehen.

    Ich zum Beispiel habe immer noch ein paar einschlägige Postkarten, die ich euch, wenn ihr auch welche schicken wollt, gerne vorbringe (wenn ihr in Heidelberg und Umgebung wohnt) oder auch schicke (sonst). Das Feedback-Formular gehört euch…

    [1]Jaja: nur zur Energieerzeugung, und selbst dabei: die Brennelementefabrik Lingen gibts leider auch weiter. Aber dass es keine laufenden großen Reaktoren mehr gibt, ist jedenfalls ein Grund zum Feiern.
    [2]Das blieb er übrigens noch bis 1962, und es waren erschütternderweise nicht seine Atombombenträume, die ihm das Amt kosteten.
    [3]Für deren Ende hat dankenswerterweise neben jeder Menge Widerstand vor Ort auch der französische Staat gesorgt, der nach Strauß' Tod 1988 die Gelegenheit sah, die (jedenfalls auch aus ihrer Sicht) Bombenfabrik des Nachbarn abzuschießen, indem sie anbot, die bei allen Menschen auch nur halbwegs guten Willens extrem unbeliebte Wiederaufbereitung in La Hague zu erledigen. Win-win: aus französischer Sicht hatten die Deutschen nicht ständig fast fertige Atombomben, aus deutscher Sicht war das hässliche Problem WAA abgeräumt. Ganz nebenbei wurde dadurch auch die große Bühne bereitet für den nächsten Akt des Kampfes gegen den Atomtod: die Castortransporte nach Gorleben (ja: deren erster ging direkt aus Phillipsburg ins Wendland, aber die größten Schlachten gingen jeweils um Züge aus La Hague).
  • Browsing Peace and Privacy With dnsmasq

    Screenshot of the dnsmasq extra configuration page in freetz

    You can even have the DNS-based adblocking discussed here in your whole network if your router runs dnsmasq (it probably does) and you can edit its configuration (you probably can't). As shown here, with freetz you can.

    I'm not a big fan of in-browser adblocking. For one, I have my doubts about several of the extensions – Adblock plus, for instance, comes from a for-profit, though I give you this critique might be partisan. Also, I like to switch browsers freely and certainly don't want to maintain block lists for each of them, and finally quite a few clients other than browsers may render HTML and hence ads.

    At least with the pages I want (and don't want) to read, there's a much lighter alternative: DNS-based adblocking. You see, on the relatively few commercial pages I occasionally have reason to visit, ads, tracking pixels, and nasty javascript typically are served from a rather small set of domains – doubleclick.net, googleadservices.com, and a few more like these. If I can make my computer resolve these names to 127.0.0.1 – that is, my computer in IPv4, or yours, if you type that address –, everything your browser would pull from these servers is instantly gone in everything rendering HTML.

    So, how do you do that? Well, you first make sure that your computer does the name resolution itself[1]. On Debian, you do that by installing the packages resolvconf (without a second e; in a systemd environment I think you want to use systemd-resolved instead) and dnsmasq; that's really all, and that ought to work out of the box in all reasonably common situations:

    $ sudo apt install resolvconf dnsmasq
    

    You will probably have to bring your network down and up again for this to take effect.

    Once that's done, you can tell dnsmasq what names to resolve to what. The man page dnsmasq(8) documents what to do under the --address option – you could actually configure dnsmasq through command line options exclusively –, where you can read:

    -A, --address=/<domain>[/<domain>...]/[<ipaddr>]

    Specify an IP address to return for any host in the given domains. […] A common use of this is to redirect the entire doubleclick.net domain to some friendly local web server to avoid banner ads. The domain specification works in the same was [sic, as of bullseye] as for --server […]

    – and from the documentation of --server you learn that <domain> is interpreted as a suffix (if you will), such that if you give an address for, say, google.com, it will also be used for foo.google.com or foo.bar.google.com.

    But where do these address expressions go? Well, at least in Debian, dnsmasq will read (essentially, see the README in there) any file you drop into /etc/dnsmasq.d and add its content to its configuration. Having configuration snippets in different files really helps maintenance and dist-upgrades in general; in this case, it also helps distributing the blacklist, as extra configuration that may be inappropriate on a different host is kept in some other file.

    I tend to prefix snippet names with numbers in case order might one day matter. So, I have a file /etc/dnsmasq.d/10spamreduce.conf containing:

    address=/doubleclick.net/127.0.0.1
    address=/xiti.com/127.0.0.1
    address=/adform.net/127.0.0.1
    address=/qualtrics.com/127.0.0.1
    address=/criteo.com/127.0.0.1
    address=/exactag.com/127.0.0.1
    address=/optimizely.com/127.0.0.1
    address=/googleadservices.com/127.0.0.1
    address=/googletagmanager.com/127.0.0.1
    address=/ivwbox.com/127.0.0.1
    address=/ivwbox.de/127.0.0.1
    address=/connect.facebook.de/127.0.0.1
    address=/facebook.net/127.0.0.1
    address=/facebook.com/127.0.0.1
    address=/addthis.com/127.0.0.1
    address=/update.googleapis.com/127.0.0.1
    address=/googleusercontent.com/127.0.0.1
    address=/edgekey.net/127.0.0.1
    address=/ioam.de/127.0.0.1
    address=/cookiebot.com/127.0.0.1
    address=/moatads.com/127.0.0.1
    address=/fonts.gstatic.com/127.0.0.1
    address=/fonts.googleapis.com/127.0.0.1
    address=/ping.chartbeat.net/127.0.0.1
    address=/cookielaw.org/127.0.0.1
    

    When you do the same thing, you should restart dnsmasq and then see the effect like this:

    $ sudo service dnsmasq restart
    $ dig +short fonts.gstatic.com
    127.0.0.1
    

    As you can see, I have also included some trackers and other sources of annoyance in my address list. Of course, if you actually want to read Facebook (ugh) or need to pull Google's fonts (ughugh), you'll have to adapt that list a bit.

    In case you have interesting and useful contributions to this list: Please do write in!

    [1]Regrettably, with things like DNS over HTTPS, it could be that your browser actually will not use your computer's DNS resolver. Adblocking hence is one extra reason to disable DoH when you see it.
  • Antisprache: Verschwörungstheorie

    Ob Corona oder Reichsbürger: Die Bezeichnung „Verschwörungserzählung“ oder „-geschwurbel“ oder „-theorie“ ist inzwischen zumindest in der breiten Mehrheit eher fortschrittlich orientierter Menschen ausreichend, um eine Position zu delegitimieren. Es mag insofern etwas gewagt sein, aber: Ich halte die gesamte Figur für Antisprache, also in Analogie zur Antimaterie für ein Mittel zur Verhinderung sinnvoller Kommunikation.

    Aus aktuellem Anlass will ich mit einem vielleicht etwas untypischen Beispiel aufmachen: Vorgestern hat Josephine Schulz im Deutschlandfunk den Linken-Kochef Martin Schirdewan interviewt und in einer Frage von „Verschwörungsanhängern oder Rechten“ geredet, um irgendwie Distanzierungen aus Schirdewan herauszukitzeln. Schirdewan lavierte da ganz geschickt drumrum, und trotzdem kam dann nachher in den Nachrichten etwas wie „Schirdewan warnt vor Verschwörungstheoretikern bei Ostermärschen”.

    Ich werde hier versuchen, den Verschwörungsvorwurf als ein Update des Extremismusbegriffs zu beschreiben, nur eben ohne dessen üblen Geruch nach Verfassungsschutz: Er abstrahiert vom Gesagten, immunisiert die ja häufig selbst eklige, grausame, rassistische oder massenmörderische „Mitte“, indem Aussagen schon und allein verurteilbar sind, weil sie vom Konsensnarrativ abweichen. Das ist bequem – jedenfalls für die, die das Konsensnarrativ mitbestimmen können –, hat aber mit Diskurs, Antifaschismus oder auch nur fortschrittlichem Denken nichts zu tun.

    Fallbeispiel Ostermarsch

    Das Schirdewan-Beispiel ist zur Illustration dieser Behauptung zunächst nicht so gut geeignet, weil ist der Dissens in dem Themenfeld gar nicht so sehr bei der Erzählung als solcher liegt. Von eher zweitrangigen Details („wer hat die Pipeline gesprengt?“) abgesehen, ist beispielsweise fast vollständig unstrittig, dass die anderen die Bösen sind. Strittig ist dagegen, ob wir deshalb die Guten sind. Wer munter „Verschwörungstheorie“ in den Raum stellt, immunisiert sich gegen diesen Streit, der ansonsten unbequeme Teile des Konsensnarrativs aufstöbern würde.

    Dass etwa auch „wir“ imperiale Ambitionen haben, ist kaum bestreitbar, wenn „unser“ Militär in aller Welt steht und auf allen Meeren schwimmt, im Hinblick auf die EU ganz speziell in Nordafrika, bis hin zur Organisation von Kolonialpolizei.

    Dass „wir“ in die Genese des Krieges verwickelt sind, liegt auf der Hand, wenn der unmittelbare Anlass des Umsturzes in der Ukraine von 2014, das EU-Assoziierungsabkommen (bzw. dessen Notstopp durch das damals auf Russland orientierte Klientelregime), vorsah, die Ukraine solle bei der GASP der EU mitmachen – wie sich die Designer dieses Abkommens das angesichts der russischen Flottenbasis auf der Krim vorstellten, ist mir bis heute nicht klar.

    Wer es ganz deutlich haben will, kann sich im geleakten Telefonat von US-Außenamtsmitarbeiterin Victoria Nuland (ihr Mantra: „Wir haben 5 Milliarden Dollar in eine sichere, blühende und demokratische Ukraine investiert“ – das war 2013) und ihrem damaligen Botschafter in Kiew, Geoffrey Pyatt, überzeugen, dass „wir“ insbesondere das Personal des neuen Regimes bestimmen konnten („nicht Klitsch“).

    Dass „wir“ einen Friedensschluss im März 2022 torpediert haben, kann spätestens seit Naftali Bennetts entsprechenden Äußerungen (auch in deren relativierter Form) nicht mehr als umstritten gelten, und dass auch „wir“ Schurken sind, die im Hinblick auf Angriffskriege im Glashaus sitzen, na ja, das ist spätestens seit 1999 offensichtlich, und da habe ich mit mangelndem Geschichtsbewusstsein noch gar nicht angefangen.

    Jedenfalls soweit ich erkennen kann, bestreitet niemand auch nur einen dieser Punkte in mehr als vielleicht Nuancen der Fomulierung. Wer dennoch weiterhin auf einem Siegfrieden in der Ukraine besteht, muss das folglich eher mit einer Mischung aus autoritärer Moral und Patriotismus begründen – wie das übrigens auch die DurchhalteparoliererInnen auf der anderen Seite tun.

    Es sind also diese Sentimente, mit denen sich auseinandersetzen muss, wer der Bevölkerung der Ukraine (und nebenbei hoffentlich auch der Russlands) helfen will. Dass die Antisprache „Verschwörungstheorien“ die Benennung dieser selbst schon unangenehmen Erwägungsgründe erspart, verhindert sinnvollen Diskurs. Das ist schade, denn Kritik von sowohl autoritärer Moral als auch von Patriotismus (und schon gar von gewalttätiger Weltpolitik, denn als noch ehrlicheres Motiv steht ja auch die noch im Raum) wäre weit über den aktuellen Krieg hinaus wirklich nützlich.

    Echte Verschwörungstheorien

    Aber der Verschwörungstheorie-Vorwurf ist auch dort, wo wirklich Verschwörungen behauptet werden, so untauglich zur Beurteilung politischer Interventionen wie der Extremismusbegriff. Betrachten wir dazu ein paar Beispiele:

    • Die Protokolle der Weisen von Zion oder das Gerede von der „Umvolkung” sind schlicht antisemitischer oder rassistischer Faschokram und deshalb zu verurteilen.
    • Die These von mit Computerchips von Bill Gates versetzten Impfstoffen ist nicht nur mit ein paar schlichten Argumenten wahlweise aus Physik, Informatik oder Biologie auszuschließen, sie brachte auch Menschen davon ab, sich trotz sonnenklarer Risikobewertung impfen zu lassen. Sie ist also zu verurteilen, weil sie Leute umbrachte (und in kleinem Rahmen auch noch umbringt).
    • Die These der gefakten Mondlandung ist einfach wurst; der Glaube etwa, „Borussia Dortmund“ (in welcher Bedeutung auch immer) müsse am nächsten Wochenende dringend im Fußball gewinnen, richtet (schon allein wg. Verkehr) weit mehr Schaden an. Es lohnt sich nicht, über sowas mit irgendwem zu streiten. Klar sind Leute, die sich an der Mondlandung abarbeiten, nicht allzu sehr ernstzunehmen. Aber mal ehrlich: eine naturwissenschaftlich begründete Meinung dazu haben, mangels naturwissenschaftlicher Kenntnisse, auch die meisten anderen Menschen nicht. Mir wär es viel wichtiger, mit der naturwissenschaftlichen Verankerung des Mehrheitsnarrativs voranzukommen als Leute, die da nicht mitwollen, von ihren Fantasien über gefakte Mondlandungen zu heilen.
    • Die These, ein sachsen-anhaltinischer Polizist habe Oury Jalloh angezündet, hat zumindest deutlich mehr Plausibilität als alternative (aber von den meisten Teilen der Staatsgewalt vertretene) Narrative. Wer da „Verschwörungstheorie“ murmelt, vergrößert jedenfalls schon mal das Problem der Polizeigewalt, das gerade Menschen haben, über die das Konsensnarrativ allenfalls abwertend („mehr nutzen, weniger ausnutzen“) spricht.
    • Hätte sich die These, dass die USA in Vietnam nicht die Angegriffenen waren und auch nicht (in einem operationalisierbaren Sinn) die Freiheit verteidigen wollten (vgl. Pentagon Papers und besonders den Tonkin-Zwischenfall), früher im Konsensnarrativ verankert, hätten vielleicht hunderttausende Menschenleben und Millionen Hektar Wald gerettet werden können – wenig wirkt so gut wie Ehrlichkeit bei Kriegszielen, um wieder zu Frieden zu kommen.

    Diese fünf Themen haben nichts miteinander zu tun, außer dass sie dem Konsensnarrativ mehr oder weniger deutlich widersprechen oder widersprochen haben; das ist, was sie zu „Verschwörungserzählungen“ macht. Diese Gemeinsamkeit hilft jedoch ersichtlich nicht dabei, die jeweiligen Thesen im Hinblick auf ethische, politische oder faktische Vertretbarkeit zu prüfen.

    Nein, aus dieser Betrachtung folgt in einem Schlagwort: faschistische Verschwörungstheorien sind grässlich nicht, weil sie Verschwörungen behaupten, sie sind grässlich, weil sie faschistisch sind.

    Verschworene KleintierzüchterInnen

    Verschwörungstheorie-Anwürfe sind nicht nur kritikwürdig, weil sie wenig mehr sind als ein Werkzeug zur Immunisierung derer, die jeweils die Diskurshoheit in Anspruch nehmen können.

    Ein zweiter problematischer Aspekt des Begriffs liegt darin, dass die Verschwörung – im Sinne einer vertraulichen Verabredung – tatsächlich ein konstitutiver Bestandteil von Politik zumindest in hierarchischen Systemen ist. Wer schon mal in Gewerkschaften, Kleintierzüchtervereinen, Ministerien oder Standardisierungsgremien aktiv war, wird gemerkt haben: Praktisch alle wesentlichen Entscheidungen werden hinter verschlossenen Türen oder gleich auf dem Gang getroffen. Klar heißt das, was da ausgehandelt wird, „vertrauliche Vereinbarung“, aber netto ist das Ergebnis ein organisierter Unterschied zwischen Verlautbarungen der beteiligten Personen und deren realen Motiven oder Handlungen. Das ist die Definition von „Verschwörung“.

    Dieser politische Prozess verstärkt das Machtgefälle zwischen denen „drinnen“ und denen „draußen“. Die Öffentlichkeit von Gerichtsprozessen und Parlamentsdebatten war deshalb eine große Errungenschaft in Richtung eines partizipativen Staats, in dem die Beherrschten eine reale Chance haben, in Entscheidungsprozesse einzugreifen. Je leichter die Kritik an (fast immer bestehenden) internen Absprachen als „Verschwörungstheorie“ diffamierbar ist, desto mehr verlieren diese Errungenschaften an Wert.

    Klar: In der Praxis finden die spannendsten Teile von Gerichtsverandlungen dann doch oft genug ohne Publikum statt – etwa das Aushandeln von mehr oder minder formalen Vergleichen –, und die Öffentlichkeit der Parlamentssitzungen hat dafür gesorgt, dass im Plenum im Wesentlichen nichts entschieden wird. Die öffentliche Dokumentation des Geschehenen ist aber dennoch höchst wertvoll für Interventionen der Zivilgesellschaft. Doppelt gilt das natürlich, wenn Menschen aus dem Apparat mit der Presse reden dürfen und dann und wann Sprachregelungen (im Klartext: Verschwörungen) aufklären. Der Niedergang genau solcher Praktiken auf EU-Ebene ist neulich auf netzpolitik bedauert worden.

    Insofern ist da viel zu verteidigen (z.B., was immer weiter ausufernde Geheimhaltungsregeln angeht) und viel zu gewinnen, etwa die Einrichtung und den Ausbau von Informationsfreiheitsgesetzen. Ein spannendes Nahziel fände ich ja die Auflösung der staatlichen Institutionen, deren Programm schon dem Namen nach die Verschwörung ist, nämlich der Geheimdienste. Als zwei schöne Beispiele aufgeflogener Verschwörungen aus dieser Ecke möchte ich an das Celler Loch und den Plutoniumschmuggel des BND (ach nee, des Bayrischen LKA, zwinkerzwinker) erinnern. Ein netter, partizipativer Staat sollte so etwas nicht nötig haben.

    Wenn es einfach wurst ist

    Im Übrigen hilft nach meiner Erfahrung im Umgang mit Menschen, die halbwegs guten Willens sind, sich aber an Verschwörungserzählungen abarbeiten, manchmal (langfristig) die Frage, was sich denn ändern würde, würden sich die in Frage stehenden Erzählungen als wahr erwiesen.

    Das klassische Beispiel ist die Trutherei rund um die Verwicklung westlicher Geheimdienste in die Anschläge vom 11.9.2001 – alles, was zu einer politischen Beurteilung nötig ist, ist öffentlich, sogar in der Popkultur verankert (ich empfehle dem Film Rambo III): „Wir“ haben uns im Kampf gegen „die Russen“ (jaja, das war damals auch schon das Thema) der finstersten, reaktionärsten Kräfte bedient, die wir in Afghanistan finden konnten – die, die dann später Taliban wurden, und ein paar durchgeknallter Warlords obendrauf. Um die Lehre …

  • „Menschen am Rhein“ in Karlsruhe

    Foto eines Plakats: Schock deine Eltern, lies ein Buch

    So ein Plakat hängt immer noch (dieses Foto: 2021) vorm Prinz-Max-Palais, in dem die hier besprochene Ausstellung zu sehen ist. In der Ausstellung selbst war fotografieren wohl unerwünscht, und so habe ich keine weitere Illustration.

    Ich war in der letzten Woche mit meinem Museumspass in einem weiteren Museum (oder zwei davon, wenn ihr so wollt), nämlich im Stadtmuseum Karlsruhe. Dessen Dauerausstellung ist zwar auch gerade eingemottet, aber es gibt eine ganz sehenswerte Sonderausstellung mit dem vielleicht etwas zu originellen Titel Stadt Mensch Fluss – Karlsruher*innen am Rhein. Leute aus der Gegend hier haben noch bis Juni Zeit, sie zu sehen; vielleicht helfen ja die folgenden Zeilen ein wenig bei der Entscheidung, ob ihr die vier Euro springen lassen wollt.

    Die Ausstellung ist sehr deutlich in Stationen gegliedert, was auch recht naheliegt, denn das gemeinsame Thema ist alleine der Rhein. So stehen irgendwelche Rudergeschichten recht natürlich unverbunden neben dem Naturschutzzentrum Rappenwörth. Dessen Station wiederum hat mir klar am besten gefallen: Im Kern handelt es sich um ein mäßig vergrößerndes Mikroskop, in das mensch selbst Präparate einlegen (und rumschieben und fokussieren) kann. Klingt vielleicht etwas hausbacken, hat mir aber viel Spaß gemacht, auch wenn bei den Präparaten ein beunruhigender Schwerpunkt auf Mücken lag – nun, selbst deren Formenvielfalt von plump bis stromlinienförmig ist aufschlussreich.

    Bruttosozialprodukt ist trostlos und hässlich

    Ähnlich erhellend fand ich das Gipsmodell des Karlsruher Hafens, das 1949 begonnen wurde und dann über einige Jahrzehnte immer wieder auf den jeweils aktuellen Bauzustand aktualisiert wurde. Bruttosozialprodukt, so ist da zu sehen, ist trostlos und hässlich, allem voran die Tanklandschaften, wobei der 1963 eröffnete Ölhafen noch außerhalb des Modells liegt, das nur die sechs Hafenbecken bei Mühlburg zeigt. Noch so ein Kollateralschaden, der ganz wesentlich auf die Autogesellschaft zurückgeht.

    Ein weiterer ökologischer Kollateralschaden wird in einem Nebensatz in der Station zum Strandbad Rappenwörth – Fotos in der Ausstellung vermitteln quasi mallorquinische Bilder – erwähnt. Das nämlich hatte bis 1968 ein „Naturbad“, das schlicht ein künstlicher Rheinarm mit großem Standstrand war. Dann jedoch hat es die Stadt geschlossen, weil das Rheinwasser zu gesundheitsschädlich geworden war. Ich würde gerne wissen, wie das damals aufgenommen wurde – gleichgültig? Hauptsache, wir können VW Käfer fahren? Oder war diese Ansage eine der Geburtshelferinnen der Besinnung, die Karlsruhe inzwischen du einer recht akzeptablen Fahrradstadt gemacht hat?

    Mehr Schleifen gönnen

    In Sachen Geistesgeschichte menschlicher Interventionen finde ich an der Ausstellung auch gleich die Eröffnungsstation bemerkenswert, wenn sie behauptet, dass Tulla seine Rheinbegradigung vor allem mit Hochwasserschutz begründet hat - ich bin demgegenüber bisher von Argumenten zur Fahrzeit von Schiffen und Trockenlegung der Malariasümpfe ausgegangen. Das Hochwasserargument hätte eine gewisse Ironie, denn gerade nach diversen Beinahe-Katastrophen am Unterlauf ist die Ansage inzwischen ja eher, dem Rhein (auch bei Karlsruhe) wieder ein paar mehr Schleifen zu gönnen – zum Hochwasserschutz.

    Charakteristisch für die aktuelle Ausstellung ist, dass solche Themen behandelt werden, während es wenige Meter weiter mit Anglerfotos aus dem Klischeealbum – Mensch mit unwahrscheinlich großem Fisch – und einer Station über den Anglerverein Karlsruhe weitergeht. Erstaunlicherweise konnte ich auch daraus was mitnehmen, denn dieser hieß bis 1911 Anglerclub Karlsruhe. Ich bin ziemlich fest überzeugt, dass diese Umbenennung in einem patriotischen Geist gegen den britischen Gegner im Wettrüsten (und drei Jahre später im Krieg) erfolgte. Vergleiche zu antiparallelen Emotionen heute dürfen wohl gezogen werden.

    Wäre ich ohne Museumspass in diese Ausstellung gegangen? Wahrscheinlich nicht. Und wahrscheinlich ist das ein Argument für den Museumspass.

    Fürs literarische Quartett gerüstet

    Grundsätzlich umsonst ist übrigens die begehbare Kulturgeschichte im Literaturmuseum des Oberrheins ein Stockwerk über dem Stadtmuseum. Das ist zwar – naja: Literatur – ziemlich textlastig, aber wer sich die Gliederung in Epochen und die Vorstellung ausgewählter VertreterInnen zu Gemüte führt, ist jedenfalls für Diskurse auf dem Niveau literarischer Quartette gut gerüstet, erstaunlich gut eigentlich, ist doch das Programm des Museums (wenn ich es richtig verstehe), nur Personen mit ordentlichem Bezug zum Oberrhein vorzustellen.

    Dazu gibt es auf dem Stockwerk jeweils einen Schrein für die Karlsruher local heroes der Literatur, Johann Peter Hebel und Victor Scheffel, was eher putzig (ich denke, das schöne englische Wort „parocial“ wäre hier besonders treffend) wirkt und vielleicht, nun ja, etwas bieder.

    Demgegenüber eher schwer verständlich ist, dass im letzten Raum zwar viele Bücher in raumhohen Regalen stehen, diese aber hinter Glas weggesperrt sind. Diese Nachricht ist dann doch etwas seltsam für ein Museum, das, so vermute ich, zum Lesen verführen soll. Wäre es nicht besser, die wertvollen Bestände geeignet in ein Magazin zu verfrachten und die schönen, öffentlich zugänglichen Regale zu einem großen und vielleicht milde professionell kuratierten Bücherbrett zu machen?

  • Besuch bei Schurken: Im Reiss-Engelhorn-Museum

    Mein Museums-Binge geht weiter: Gestern war ich im Reiss-Engelhorn-Museum (REM) in Mannheim, genauer in dessen archäologischer und ägyptischer Sammlung. Das hätte ich ohne meinen Museumspass nicht gemacht, denn: die REM-Leute sind reuelose Schurken. Sie haben nämlich (unter anderem) die Wikipedia verklagt. Wer sowas tut (und dann noch wegen fieser und alberner Urheberrechtsgeschichten), muss säckeweise Asche auf sein oder ihr Haupt streuen, bevor ich mit gutem Gewissen Geld in seine oder ihre Kassen spüle.

    Wahrscheinlich tue ich das durch die Nutzung des Museumspasses auch. Aber ich merke es nicht, und so tut es mir nicht ganz so weh. Das wiederum ist gut, denn die Sammlungen im Namen der BASF-Manager Reiß und Engelhorn sind, ich muss es sagen, überhaupt nicht schlecht gemacht. Nicht zuletzt haben sie eine Bauinschrift des Merkurtempels, der einst am Heiligenberg stand, was jetzt lokalhistorisch für Menschen aus Heidelberg schon relevant ist.

    Aber bevor mich die Schurken verklagen, weil ich zu viel verrate, schwärze ich lieber meinen restlichen Bericht. Und selbstverständlich die Bilder, auch wenn ich, logisch, brav war und in der ägyptischen Abteilung, wo das total verboten ist, auch nicht fotografiert habe.

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    ▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ Wallstadt ▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ Sandhofen ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆

    Schwarze Schmiere

    ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ Hügelgrab ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆

    ▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ Krokodilopolis ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ Thot ▆▆▆▆▆▆▆

    ▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆

    ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ Fair-Trade-Siegel ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ Scheintür ▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ Tod auf dem Nil ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆

    ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ Ladenburg.

    Andere schwarze Schmiere

    ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ Neandertaler ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ Homo sapiens sapiens.

    ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ barbarische Gürtel ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ geköpfte Pferde ▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆

    ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆ Matronen ▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆

    ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ Stammbusch des Menschen ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ Bonn ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆

    Nochmal andere schwarze Schmiere

    ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ out of Africa?

    ▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆ mousfinger ▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆

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    ▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ Stratigraphie ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆ ▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆▆▆▆▆▆ ▆▆▆▆▆

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    Na ja, wie gesagt: Wenn sich die REM-Leute brav bei der Wikipedia entschuldigen und ansonsten versprechen, ihren „geistigen Eigentum“-Quatsch in Zukunft zu lassen, ist ein Besuch durchaus moralisch vertretbar und dann auch empfehlenswert.

  • Römer vs. Postmoderne in Schriesheim: 0:1

    In der dritten Auflage des Standardwerks „Die Römer in Baden-Württemberg“ (Stuttgart und Aalen: Konrad Theiss, 1986) ist zum kurpfälzischen Städtchen Schriesheim zu lesen:

    Der 1971 [ins Kellergeschoß des Rathauses] übertragene Keller (4,04 x 4,06 m) zeigt quadratischen Grundriß. Da er einst unter einer Hausecke saß, besitzt er an zwei Wänden Schrägen für die Kellerfenster. Rechts des Einganges und an der gegenüberliegenden Wand je zwei Nischen mit Rundbögen. Die drei Mauerschlitze links vom Eingang dienten vermutlich zum Einsetzen eines Holzgestells. Als Baumaterial wurden Quader (H ca. 0,12 m) aus bräunlichem Granit verwendet, deren ausgezogene Fugen im Kalkmörtelbereich Reste roter Ausmalung zeigen. Das Mauerwerk (H noch 1,70 m) ist zT in Buntsandstein ergänzt. Der mitten im Raum stehende runde Steintisch wurde rekonstruiert.

    Der beschriebene Keller eines römischen Gutshofs ist beim Bau eines Einfamilienhauses (zugegeben: das könnte eine tendeziöse Ausschmückung sein, denn ich weiß nicht wirklich, was da gebaut wurde) aufgetaucht und konnte an der Fundstelle vermutlich nicht wieder verbuddelt oder zugänglich gemacht werden. Dank des Einbaus ins Rathaus jedoch kann mensch nun angesichts der römischen Steine ein wenig den Hauch der Geschichte spüren, wann immer das Rathaus offen ist (also: verglichen mit einem typischen Heimatmuseum sehr oft).

    Insgesamt fand ich das eine recht gute Nutzung des, hust, historischen Erbes des Städtchens. Allerdings birgt die Einbettung in eine laufende Stadtverwaltung auch Risiken. Derzeit nämlich findet der Schriesheimer Römerkeller einige Zweit- und Drittnutzung:

    Foto eines schwach beleuchteten Kellers mit Mauerstrich, in dem allerlei Pappen, eine Zimmerpflanze und anderer Kram lagern.

    Vielleicht kann jemand der Stadt Schriesheim alternative Lagerflächen anbieten?

    Nachtrag (2023-12-04)

    Der Keller ist übrigens schon archäologiegeschichtlich nicht irrelevant. Im Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museum ist eine Seite des 1770 erschienen Buches De Sepulcro Romano prope Schrishemium reperto von Johann Daniel Schöpflin gezeigt; gelobt wird vor allem die bahnbrechend sorgfältige Dokumentation, und wer mal im Keller in Schriesheim war, wird das sofort wiedererkennen:

    Ausschnitt eines aufgeschlagenen, etwas altertümlichen Buchs, Latein in Antiqua gesetzt.  Dazu eine Grabungsskizze mit einem also „Columbarium“ bezeichneten Raum mit einigen Nischen.
  • Mit GPS und KI auf der Spur von Hollandrädern

    Hollandoides Fahrrad mit Unmengen von Vogelkot drauf.

    Dieses Fahrrad, fotografiert 2012 am Heidelberger Hauptbahnhof, wird wahrscheinlich keinE FahrraddiebIn mitnehmen. Das Weiße da sind die Ausscheidungen der vielen Halsbandsittiche, die auf den Bäumen am Bahnhof schlafen.

    In Forschung aktuell vom 16. Februar war in den Wissenschaftsmeldungen Folgendes zu hören:

    Die Forschenden statteten 100 Fahrräder mit Ortungssensoren aus und stellten sie abgeschlossen an öffentlichen Plätzen innerhalb der Stadt ab. Innerhalb eines Jahres wurden 70 der Räder gestohlen. 68 davon konnten anschließend in Amsterdam geortet werden, knapp ein Drittel davon in der Nähe von Second Hand-Läden oder Fahrradschwarzmärkten.

    Allein das Wort „Fahrradschwarzmärkte“ hat mich eifrig im Geiste von Graham Greene fantasieren lassen, zumal ich inzwischen der traurigen Thematik Fahrraddiebstahl etwas abgeklärter gegenüberstehe als einstmals: Mein letzter Fahrradverlust durch Diebstahl liegt über 20 Jahre zurück (der hat allerdings wirklich weh getan: an dem Rad war ein Schlumpf Mountain Drive dran). Da ich zudem mit Abschließen nicht mehr allzu sorgfältig bin, hatte ich das Problem Fahrraddiebstahl schon fast für eine Sache der Vergangenheit gehalten.

    Aber erstens dürfte dieser Eindruck nur auf einen durch meine täglichen Wege bedingten Selektionseffekt zurückgehen, und zweitens verdient jede Fahrradforschung Aufmerksamkeit. Drittens, nun ja, hätte ich den 1990ern, als mir Räder fast schneller geklaut wurden als ich sie nachbasteln konnte, in dieser Frage beinahe autoritären Versuchungen („Todesstrafe für Fahrraddiebe“) nachgegeben.

    Forschung der Stadt Amsterdam

    Also: Ich musste die Arbeit hinter der DLF-Meldung lesen. Es handelt sich um „Tracking stolen bikes in Amsterdam“ von Titus Venverloo, Fábio Duarte und Kollegen vom MIT[1] und der Uni Delft, doi:10.1371/journal.pone.0279906, erschienen in PLoS ONE am 15. Februar. Mein erster Wow-Moment war die Finanzierung des zugrundeliegenden Forschungsprojekts: Das Geld kam nämlich insbesondere von der Stadt Amsterdam.

    Wer nun allerdings meint, in den Niederlanden wären die Autoritäten generell mehr interessiert an der Wiederbeschaffung geliebter Fahrräder, dürfte sich täuschen:

    One of the major hurdles to tackling bike theft is that it is typically seen as a low police priority, and that it is not addressed systematically,

    schreiben Vernverloo et al, was sich mit den Erfahrungen deckt, die ich mit der Heidelberger Polizei gemacht habe, als ich Mitte der 90er wie bereits gebeichtet weich geworden war im Hinblick auf autoritäre Versuchungen und die Staatsgewalt in einem Fall um Hilfe bei der Wiederbeschaffung eines gestohlenen Fahrrads bat. Nicht nur ich habe das schnell wieder aufgegeben. Im Paper heißt es:

    The municipality [Amsterdam] considers that 40% of the victims of bike theft report it, while Kuppens et al [nicht online] found that in 2012, only 17.1% of the people in the Netherlands reported bike theft, decreasing to 14.2% in 2019.

    Dabei sind die Fahrradbeklauten nicht nur eine kleine, radikale Minderheit, die als solche die Polizei abgeschrieben hat:

    The regional safety monitor of Amsterdam even indicates that in 2019 the number of residents who experienced bike theft was 18%,

    Nochmal Wow. An sich ist es ja erfreulich, wenn Menschen in großer Zahl autoritären Versuchungen entsagen. Andererseits rangiert Fahrraddiebstahl in meiner privaten Rangliste verabscheuungswürdiger Verhaltensweisen nur knapp hinter Waffenhandel, und ich werde besonders empfänglich für wenig freundliche Methoden zum Management sozialer Probleme, wenn meine Verlustschmerzen[2] schnöde Geldgründe haben:

    As such the stolen bike market of an estimated 600 million euros in the Netherlands alone remains a very large, somewhat neglected problem.

    Allein das schlägt schon vor, dass ein nicht-autoritärer Zugang zum Problem über ein ordentliches Grundeinkommen (oder besser: eine gesellschaftliche Grundversorgung) führen dürfte.

    Die Köderräder: 30% Gazelle und Batavus

    Nach diesen allgemeinen Betrachtungen gehen Venverloo et al ans Eingemachte und beschreiben das eigentliche Experiment: Sie haben tatsächlich 100 glaubhafte Räder – etwa 30% machen allein die berüchtigten Schinder von Gazelle und Batavus aus, nennenswert viele davon ernsthaft runtergekommen – aufgetan und mit in Reflektoren oder Sätteln eingebauten GPS-Trackern ausgestattet. Die Teile tracken so ein Rad tatsächlich für was wie drei Jahre, mit nur einer Batterie. Ich sehe schon, ich muss ein wenig aufpassen, was da so alles an mein Rad geschraubt wird…

    Foto eines Rückreflektors für ein Fahrrad

    Grusel: Das hier ist eine GPS-Wanze, die für die nächsten drei Jahre die Standorte eures Fahrrads ins Netz stellen kann. Ohne Batteriewechsel. Ich bin beeindruckt. CC-BY Venverloo et al

    Kein so gutes Gefühl habe ich beim KI-Teil der Arbeit. Und zwar gar nicht mal so sehr wegen der KI – die nutzen sie, um automatisch Fahrräder in Straßenszenen zu zählen, was schon in Ordnung geht, wenn mensch diese Zahl haben will –, sondern, weil sie dann mit den Zahlen nichts nachvollziehbar Vernünftiges machen. Die Autoren korrelieren nämlich Dichte der Fahrräder einfach linear mit der Zahl der Fahrraddiebstähle, und das ist in mehrfacher Hinsicht nicht hilfreich.

    „Können wir was mit KI einbauen?”

    Erstens müssten es schon die Fahrraddiebstähle pro EinwohnerIn oder meinethalben Quadratmeter sein. Vor allem aber ist erstmal klar, dass bei gleichbleibender Diebstahlrate (also: gestohlene Fahrräder pro rumstehende Fahrräder) auch mehr Räder gestohlen werden, wo mehr Räder stehen. Insofern wäre die lineare Korrelation, die sie da fitten, die vernünftige Nullhypothese, für die ich wirklich keinen Aufwand gemacht hätte (und schon gar keine „KI“ angeworfen) – wenn sie denn die Diebstahldichte genommen hätten.

    Interessant wären vielleicht für die Fahrraddichte kontrolliert auffällig große oder kleine Diebstahlraten. Das, was das Paper tatsächlich mit den Fahrradzählungen macht, hinterlässt ein wenig den Eindruck, dass sie halt was mit KI einbauen wollten – entweder aus Modegründen oder, um den Kofinanzierenden vom Senseable City Lab des MIT eine Motivation anzubieten – und die Daten dann entweder nichts hergegeben haben (obwohl: Optisch würde ich vermuten, dass die Anpassung einer Wurzelfunktion vielversprechend wäre) oder, dass die Zahlen, als sie mal da waren, niemand mehr interessiert haben.

    Erwarten würde ich zumindest eine starke Korrelation zwischen Bevölkerungsdichte und Diebstahlrate, denn fast überall wohnen arme Leute dichter als reiche, und Armut ist fast sicher stark korreliert mit der Fahrraddiebstahl-Sorte von Kriminalität. Aber letztlich gehts bei Venverloo et al ja eher nicht um die Soziologie des Fahrradklaus; die Zahlen interessieren sie vor allem, weil sie wissen wollen, wo sie ihre Fahrräder hinstellen sollten, wenn sie möchten, dass diese geklaut werden. Das haben sie recht gut hinbekommen, denn wie beim DLF schon gesagt, haben 70% ihrer Räder eineN DiebIn gefunden.

    Geklaute Räder fliegen nicht in die Amstel

    Viele haben auch wieder einE neueN NutzerIn gefunden, ein Ergebnis, das ich so überhaupt nicht erwartet hätte. Meine Schätzung wäre gewesen, dass mindestens die Hälfte der Fahrräder einfach in irgendwelche Flüsse oder auf irgendwelche Schrotthaufen geworfen werden. Allerdings: die Räder waren alle halbwegs ordentlich abgeschlossen, so dass der übliche Klau im Suff hier nicht in Betracht kam. Anständigerweise haben Venverloo und Kollegen die GPS-Aufzeichnung gestoppt, wenn jemand erkennbar anfing, das Rad wieder normal zu nutzen – das ist für mich das stärkste Signal, dass das nette Leute sind.

    Ansonsten ist das Paper ein schönes Beispiel, wie aus Verkehrsdaten Schlüsse gezogen werden können. Zum Beispiel versucht die Studie herauszufinden, wie viele der gestohlenen Räder in Fahrradläden umgeschlagen werden und bestimmt dazu

    the straight-line distance from the stop locations of the 70 stolen bikes to the nearest bike store in the Netherlands. If these stop points were within 50 meters of a bike store, they were flagged for further analysis. Additionally, the time spent at these stop points was used to see how long these bikes remained parked at a bike store, omitting visits shorter than one hour as a bike store cannot assess, repair, and sell a bike in under an hour. The stolen bike routes with at least one flagged stop point were manually inspected further to investigate the movements of the bike before and after the visit to the bike stores. If these routes exhibited a commuter pattern after the potential visit to the bike store, but not before, the bike was counted as “sold at a second hand bike store”. For some stolen bikes, the tracker was permanently disabled during the potential visit to the bike store, which was also flagged as “sold at a second hand bike store”.

    Das mag beim ersten Lesen kompliziert klingen, aber ich bin überzeugt, dass eine andere Gruppe das Problem ganz ähnlich lösen würde.

    Ein ganz zentrales Ergebnis der Studie ist schon im DLF-Zitat oben vorweggenommen: Zumindest fürs heutige Amsterdam ist die Erzählung aus meiner Zeit als Opfer von Fahrraddiebstahl völlig unzutreffend. Damals ging das (polizeilich verstärkte) Gerücht, Jugo-Trupps aus Offenbach würden alle beweglichen Räder per Lkw einsammeln und dann in „den Osten“ verschieben. Demgegenüber sind praktisch alle gestohlenen Räder in der Studie mehr oder weniger im Viertel geblieben – wer also ein geliebtes Rad vermisst, wird wenigstens in Amsterdam guten Grund haben, die Augen offen zu halten.

    Keine Läden, vielleicht „organisiert“

    Das Laden-Kriterium übrigens führt nicht recht weiter – offenbar werden nur rund 5% der geklauten Fahrräder über richtige Fahrradläden umgeschlagen. Ich würde vermuten, dass der Rest im Wesentlichen über Facebook, Instagram und vielleicht noch schwarze Bretter verhökert wird, aber das ist nicht so leicht nachzuweisen. Stattdessen steht im Paper dann etwas wie:

    [Analyse per Hand] revealed that 22 out of the 70 stolen bikes were linked in a …
  • Hasadeure und Schlitzohren: Die Habsburger im Mittelalter in Speyer

    Fotos zweier Rümpfe steinerner Statuen.  Beide sind auffällig stark tailliert.

    Gender troubles anno 1300 bzw. 1400: diese beiden Rümpfe, die mit ihren schmalen Taillen nach heutigen Sehgewohnheiten wohl generell weiblich gelesen würden, gehören zu sorgfältigen Inszenierungen von Männlichkeit mittelalterlicher Herrscher: Links der Großfälscher Rudolf dem Stifter, rechts der erste Habsburger-König Rudolf I (mit Schwert).

    Ich war am letzten Wochenende im historischen Museum der Pfalz (seufz: Google-Tracking, aber Crapicity nur mäßige 10.76) in Speyer, und zwar vor allem für deren aktuelle Sonderausstellung „Die Habsburger im Mittelalter“.

    Der erste Eindruck ist der eines geradezu rührenden Anachronismus, denn es geht ein wenig im Stil des 19. Jahrhunderts um die Mächtigen, ihre Querelen und Kriege, ihre Hochzeiten und Intrigen – nichts anderes hatte ja der Ausstellungstitel versprochen. An jeder Ecke hängt ein Stammbaum, alles ist voll mit mindestens zweifach gesiegelten Urkunden in Plakatgröße, und natürlich gibts viel Blech in Form von Rüstung, Helm und Schwert. Es ist fast, als hätte die Besinnung auf Alltags-, Sozial-, Technik- und Wirtschaftsgeschichte (die ich schon in meinem Bericht aus dem Bonner Landesmuseum angesprochen habe) seit den 1960er Jahren nicht stattgefunden.

    Aber ganz so ist es auch nicht, denn einerseits gibt es immer wieder entsprechende Ausblicke – so zum Beipiel wird ein Hauch Technikgeschichte anhand zweier sehr erschreckend aussehender Helme aufgemacht –, zum anderen erscheinen die ProtagonistInnen (mit originellen Namen wie Dietrich III von Mömpelgard) nicht wie in der klassischen Geschichtsschreibung als heroische Agenten des Weltgeistes, sondern eher als die Glücksritter, Schurken, Hasadeure und Schlümpfe, die sie ja tatsächlich waren.

    Nehmen wir die Geschichte der verfeindeten Doppelkönige Ludwig der Bayer (Wittelsbach) und Friedrich der Schöne (Habsburg). Da sie ihre Macht nicht brav teilen wollten, hatten sie 1322 ihre jeweiligen Gefolgsleute in der Schlacht bei Mühldorf einander abschlachten lassen. Aber wie es so ist, 1325 mussten sie sich dann vertragen, was zu einem, haha, Vertrag führte, der in der Ausstellung zu bewundern ist als eine der Urkunden mit viel Gesiegele.

    Von allem, was aus der Urkunde an weltgeschichtlichem Brimborium hätte zitiert werden können, entschieden sich die KuratorInnen der Ausstellung für die Kuriosität, dass die beiden Grobiane versprachen, sich künftig als „Bruder“ anzureden. Ich bin überzeugt, dass sie, also die KuratorInnen, das durchaus in den Kontext heutiger Nutzungspraktiken der „Bruder“-Anrede stellen wollten.

    Ein Prototyp einer Krone, mit viel Gold, Zacken und allem drum und dran.

    Mit einigem Recht als Fälschung zu bezeichnen, aber die glaubhafteste Krone, die ich je gesehen habe: Die Krone von Rudolf „Stifter“ IV von Österreich.

    Zwischen mir und meiner Begleitung der klar populärste Habsburger war demgegenüber Rudolf IV von Österreich, den ich bisher nur beiläufig als Gründer der Uni Wien („Rudolphina“) auf dem Schirm hatte. Lobenswerterweise macht die Speyrer Ausstellung weder davon noch von seinen Aktivitäten im Hinblick auf den Bau des Stephansdoms viel Aufhebens (gebaut und betrieben haben die Dinger ja eh andere Leute), während sie genüsslich den Umstand ausbreitet, dass Rudolf IV eifrig Urkunden hat fälschen lassen, um seine Stellung im Reich zu verbessern. Ganz vorne dabei ist das Privilegium Maius, das mich hinriss mit der völlig bizarren Berufung auf Julius Caesar und Nero Claudius als Quellen von Privilegien und Autorität.

    Tatsächlich hat mich das ein wenig ins Grübeln gebracht: War Nero zu dieser Zeit, also um 1350 herum, noch nicht der durchgeknallte Großschurke, für den wir alle ihn spätestens seit Peter Ustinovs Schauspiel in Quo Vadis – während meiner Schulzeit Standardstoff für Vertretungsstunden – halten? Da damals sicher weniger Quellen der besonders nerofeindlichen senatorischen Geschichtsschreibung bekannt waren als heute, wäre das zumindest denkbar. Ob das mal wer untersucht hat?

    Noch bedenkenswerter bei der Geschichte finde ich aber, dass die Krone, die sich Rudolf IV zur Beglaubigung seiner (erfälschten) Erzherzogs-Ansprüche hat anfertigen lassen, viel echter aussieht als echte Kronen – notabene: Der Stifter-Rudolf hat es trotz seiner Fälschreien nie zum echten König gebracht.

    Vielleicht ist das ja eine gute Faustregel: Wenn es ganz besonders echt aussieht, ist es wahrscheinlich ein Fake. Wie im Vergleich eine tatsächliche Krone (schön: gut 300 Jahre früher) aussieht, lässt sich ebenfalls im historischen Museum der Pfalz bewundern, nur einen Stock tiefer im Domschatz:

    Foto eines einfachen Blechbandes mit vier angenieteten, nach oben ausspreizenden Blechen

    Garantiert echte Krone: Die Grabkrone von Kaiser Heinrich III, gezeigt im Domschatz von Speyer.

    Nun mag mensch ein wenig die Nase rümpfen über einen Potentaten, der dreist Urkunden fälscht, um sein Territorium oder – im Fall des Privilegium Majus im Vordergrund – seinen Einfluss zu erweitern. Aber: Andere – ich erwähne mal die deutsche Regierung, die den Angriff auf Rumpf-Jugoslawien 1999 mit einem frei erfundenen „Hufeisenplan“ der Gegenseite rechtfertigte – fälschen und führen danach Kriege, und das kann mensch Rudolf IV jedenfalls nach Maßstäben der damaligen Zeit nicht vorwerfen. Insofern mag er als Vorläufer der Felix Austria-Politik gelten. Meine Chance für ein wenig Latein:

    Bella gerant alii, tu felix Austria nube.
    Nam quae Mars aliis, dat tibi diva Venus.

    Frei übersetzt: andere führen im Geiste von Mars Kriege, du, glückliches Österreich, heiratest im Geiste der Venus. Auch wenn es im Fall von Rudolf IV vielleicht mehr Mercurius (in seinem Aspekt als Gott der Diebe) war als Venus: Ich wäre meiner Regierung wohlgesonnener, wenn sie es ähnlich halten würde.

    Leider (aus Sicht seiner Untertanen) war das mit Merkur und Mars anders beim letzten Habsburger, um den es in der Ausstellung geht, nämlich Maximilian I. Da die Ausstellung ja die Habsburger im Mittelalter behandeln sollte, hätte mensch den erkennbar frühhumanistisch beeinflussten Maximilian auch rauslassen können. Aber das wäre schade gewesen, denn er passt wunderbar in die Reihe eher halbseidener Gestalten, die die Ausstellung präsentiert.

    So geht es dann auch nicht allzusehr um die dynastischen und kriegerischen Bemühungen des Potentaten. Stattdessen wird er eher als erster Träumer einer Ritterromantik dargestellt denn als – wie konventionell und auch in der Wikipedia – „letzter Ritter“. Genüßlich wird etwa eine frühe Fassung seines (?) Ritterromans Theuerdank mit kitschigen Bildern gezeigt, und eben auch seine zu seiner Regierungszeit bereits klar anachronistischen Turnierrüstungen.

    Mir allerdings fiel besonders ein Exponat auf, das es wahrscheinlich nur wegen seiner Relevanz für Speyer in die Ausstellung geschafft hat:

    Foto eines großen, vergilbten Bogens Papier oder Pergament mit relativ wenig Text drauf.

    Dies ist ein Brief von Maximilian I an seine Untertanen in Speyer, dessen Inhalt letztlich wurst ist. Relevant ist die Form: Angesichts des damaligen Preises von Papier (oder Pergament – ich habe nicht geschaut, auf was da geschrieben wurde) ist der riesige leere Raum auf dem Schreiben das Äquivalent zum SUV von heute. Dieser Brief ist die Ansage, es komme nicht drauf an – was allerdings für Maximilian, der finanziell am Tropf der Fugger hing, ebenso eine Lüge war wie es das heute im Hinblick auf Lärm, Platz und CO₂-Budget für SUVs oder Autos im Allgemeinen ist.

    Wer will, kann die Ausstellung noch bis zum 16. April ansehen, wenn auch für erstaunlich viel Geld (ich glaube, ich habe etwas wie 18 Euro gesehen; wenn das wirklich so ist, amortisiert sich mein Museumspass mit atemberaubender Geschwindigkeit). Menschen, die das tun, sei zu einer Aftershow geraten. Sehr beeindruckend in Speyer ist jedenfalls die alte Mikwe gleich um die Ecke vom historischen Museum. Zusätzlich lohnt ein Besuch der Reliquienkammer im Dom rechts hinten. Die Mischung aus Befremden und Gruseln angesichts gefasster und im Goldrahmen aufgehängter Oberschenkelknochen (vielleicht von Heiligen anderer Zeiten, vielleicht auch nicht) ist unbezahlbar und dank katholischem Sponsoring auch umsonst.

    Nachtrag (2023-03-31)

    Wegen Eintrittspreisen hätte ich natürlich auch einfach auf der Webseite nachsehen können. Da steht nämlich, dass die 18 Euro die „Generationenkarte“ sind, die für bis zu fünf Menschen in passenden Altergruppen gilt. Der normale Eintritt sind neun Euro.

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