Ich bin ein großer Fan von Geschichten, in denen Leute etwas tun, das über ein paar verwinkelte Ecken noch was ganz anderes bewirkt, das zumindest nicht offensichtlich erwartbar ist, so etwa wie bei den Akazien, die verkümmerten, weil sie mit Elektrozäunen vor Elefanten geschützt wurden.
Ganz erheblich profaner ist die Geschichte rund um die Handtuchspender bei uns am Institut. Bis April diesen Jahres hatten wir dazu Geräte, die mit einem recht raffinierten Mechanismus sehr lange waschbare Stofftücher abrollten. Das war einerseits prima, weil die Hände so wirklich trocken wurden und nicht viel Papier nach einfachem Gebrauch weggeworfen wurde. Andererseits wurde jedes Handtuch-Äquivalent effektiv nur ein Mal benutzt, so dass die Rollen häufig gewechselt werden mussten. Mit Logistik, Waschen und Trocknen wird die Ökobilanz der Stofftücher vermutlich nicht nennenswert besser gewesen sein als die der üblicheren Papierhandtücher.
Um die Ökobilanz am CO₂-Fußabdruck einzuordnen: Händetrocknen ist eines der Paradebeispiele von Mike Berners-Lee[1] für Handlungsweisen, die viele Menschen für wichtig halten, die aber für ihren tatsächlichen Fußabdruck fast keine Rolle spielen. Für ein Mal Händetrocknen schätzt er je nach Methode:
3 g CO2e Dyson Airblade [obwohl so eine Airblade eher zu den Geräten gehören wird, bei denen der Herstellungsaufwand relativ zum Energieverbrauch während des Betriebs verschwindet, hätte ich gerade bei der Hi-Tech-Lösung gerne was zu vergegenständlichten Emissionen gelesen]
10 g CO2e one paper towel
20 g CO2e standard electric drier
Wenn ich im Jahr 600 Mal meine Hände im Institut abtrockne (also rund drei Mal pro Arbeitstag), ist das so oder so schlimmstenfalls das Äquivalent von einem Kilo Käse (das Berners-Lee auf 12 kg CO₂e schätzt). Mit der Kopfzahl der BRD-Emission (2/3 Gt/a) ist zum Vergleich der mittlere Footprint pro Einwohner auf etwas wie 8000 kg abzuschätzen. Die Handtücher sind also für Normalos weit unterhalb von einem Promille, und selbst Ökos müssten sich hier im Land schon ganz schön bösen chronischen Durchfall zuziehen, um mit betrieblichem Händetrocknen auch nur auf ein halbes Promille ihres Fußabdrucks zu kommen.
Wie auch immer: die schönen Stoffhandtuchspender sind inzwischen verschwunden, vielleicht aus Kostengründen, vielleicht, weil der Lieferant sie nicht mehr anbietet, vielleicht wirklich, weil sie alles in allem eher beim Fußabdruck von Berner-Lees „standard electric dryer“ rausgekommen sind. Stattdessen hat die Uni ziemlich flächendeckend das hier beschafft:
Wie der aufgeklebte Zettel schon vermuten lässt, hatte der ökologisch vielleicht zweitrangige Schritt ernsthafte und jedenfalls von mir unerwartete Konsequenzen an anderer Stelle: Keinen Monat nach der Abschaffung der Stoffrollen drückte es übelriechendes Abwasser aus der Toilette im Erdgeschoss, und für 24 Stunden musste, wer musste oder Teewasser wollte, ins Nebengebäude gehen.
Diagnose: heruntergespülte Papierhandtücher hatten das Abwasserrohr komplett dicht gemacht. Mit den alten Stoffhandtüchern wäre das nicht passiert. Also: Es ist nicht passiert.
Ich habe übrigens auch eine Konsequenz gezogen, selbst wenn mein CO₂-Fußabdruck leider so oder so praktisch unbeeinflusst ist. Dafür liefert meine Konsequenz jede Menge Hitchhiker-Bonuspunkte. Ich habe nämlich ein privates Handtuch ins Büro gehängt, das ich nun viele Male verwende und dazu jeweils zum Klo trage („every day is Towel Day“). Weil ich das Handtuch schon hatte, trockne ich meine Hände damit fast CO₂-frei.
Nur: wo soll in einem Büro ein Haken zum Aufhängen von Handtüchern herkommen? Nun, ich hatte irgendwann während einer schrecklich langweiligen Telecon eine alte Festplatte aus der SATA-Ära zerlegt. Schmeißt die Dinger auf keinen Fall weg, bevor ihr die Magnete der Schrittmotoren erbeutet habt, denn die sind großartig. Zum Beispiel können sie zusammen mit einer Büroklammer und einem Heizkörper einen prima Handtuchhaken machen, der mir bereits seit zwei Monaten taugt:
[1] | Berners-Lee, M. (2011): How Bad Are Bananas, Vancouver: Greystone, ISBN 978-1-55365-832-0 |