Mit einiger Verspätung habe ich gerade Bundestagsdrucksache
19/15346 durchgelesen, hauptsächlich, um herauszufinden, wie es wohl
mit PIAV weitergegangen ist, dem dystopischen Projekt des BKA, dem
Wildwuchs der Polizeidatenbanken ausgerechnet dadurch ein Ende zu
machen, dass im Wesentlichen alle alles finden und lesen können (gut,
das ist jetzt etwas vereinfachend, aber aus allen Erfahrungen mit
dem bestehenden BKA nicht sehr weit extrapoliert).
Der Lerneffekt der Lektüre in Sachen PIAV war überschaubar, aber dafür
bin ich auf eine beim BKA betriebene Datei „Übersicht offener
Haftbefehle PMK“ gestoßen, die so beschrieben wird:
Wenn ich die Spalte 6 (vom Innenministerium etwas unzutreffend „Zweck“
überschrieben) richtig interpretiere, lässt das BKA bei jedem Haftbefehl
(die kommen vermutlich wegen der ebenfalls beim BKA liegenden Haftdatei
bei ihnen vorbei) eine Abfrage gegen ihre verschiedenen Datenbanken
laufen. Dabei wäre schon mal interessant, welche das konkret sind: Nur
der KAN? Die Gewalttäter-Dateien? Auch die Top-Secret-Amtsdateien?
Sofern sich bei dieser Suche an der zu verhaftenden Person ein
personengebundener Hinweis (PHW) wie LIMO, REMO oder AUMO zeigt, wird
offenbar ein neuer Eintrag in dieser Haftbefehl-PMK-Datei generiert, und
zwar ganz egal, ob die der Haftstrafe zugrundeliegende Straftat
irgendwas mit mutmaßlichen Gesinnungen zu tun haben könnte oder nicht.
Ich hätte dazu ein paar Fragen:
Hat da jemals jemand einen tatsächlichen Zweck formuliert? Also
anfangend mit: „Wenn jemand wegen eines Waffendelikts einfahren soll
und es ist ein Fascho, dann ist es gut™, wenn wir wissen, dass ein
Fascho und nicht nur irgendwer wegen eines Waffendelikts einfahren
soll.“
Hat dann wer gesagt, wie „dann ist es gut“ zu irgendeinem Nutzen
werden könnte, der dem doch recht drastischen Eingriff in die
Menschenrechte der Betroffenen proportional sein könnte?
Warum brauchts dann dazu, Schwarzfahrende mit und ohne Protesthintergrund
verschieden zu behandeln? Ich biete übrigens eine 1:1-Wette an, dass von
den Leuten, deren politischer PHW irgendeine Wurzel in der Realität
hat, die breite Mehrheit Linke sind, die wegen entweder Dope oder
Schwarzfahren einfahren sollen; meine Fantasie reicht nicht, für so
eine Speicherung auch nur irgendeine Rechtfertigung zu finden jenseits
von „lass uns die Zecken noch etwas ärgern“.
Hat da jemals jemand von einer Datenschutzbehörde draufgeschaut?
Meine Arbeitshypothese: Die Prüfenden hat der Schlag getroffen,
weshalb sie das nicht gleich laut im Datenschutzbericht angeprangert
haben (dem BKA untersagen können sie ja leider in der Praxis nicht
viel).
Als schwacher Trost bleibt, dass die PHWs, die in den verschiedenen
Datenbanken so vergeben sind, selbst weitgehend beliebig sind und
Datenschutzprüfungen nur in Ausnahmefällen überstehen. Das setzt
zumindest mal große Fragezeichen hinter die Eignung dieser Datei für
eigentlich alles, denn Leute im Wesentlichen nach dem Zufallsprinzip in
eine Datei stecken mag beim BKA Routine sein, für alle anderen ist es
schlicht fieser Quatsch.
Das tröstet ein wenig, denn menschenrechtsfeindlicher Quatsch schlägt
immerhin nur nach dem Zufallsprinzip ein. Das ist immer noch besser
als zielgerichtete Spezialunterdrückung für politisch aktive Menschen.
Nachtrag (2021-06-05)
Stellt sich raus: Das ist in Wirklichkeit relativ harmlos und jedenfalls
nicht die Idee der Polizei. Die Datei wurde eingerichtet, um
Bundestagsanfragen zu offenen Haftbefehlen gegen vermutliche
FaschistInnen beantworten zu können, und weil das BKA extremistisch der
Extremismustheorie anhängt, haben sie dann gleich alles, was sie in PMK
einordnen, in eine Datei gekippt. Warum sie nicht einfach ein bisschen
SQL laufen lassen zur Beantwortung der Anfragen, verstehe ich nicht
ganz; freie Anfragen über so kitzligen Beständen sind zwar vom
Datenschutz her ziemlich kritisch, aber wenn die Ausgabe so stark
aggregiert ist wie hier, wäre das sicher milder gegenüber einer eigenen
und dauerhaften Datenbank-Tabelle (einem View?).
Auf der anderen Seite: Wenn die Polizei diese Tabelle gar nicht
wollte, bleibt als Haupt-Ärger vor allem die völlig unklare
Zweckbestimmung. Hätten sie gleich gesagt, worum es geht, hätte ich mir
den ganzen Post sparen können.
Via Forschung aktuell vom 5. Mai (ab 18:35) bin ich über ein
weiteres Beispiel für vielleicht nicht mehr ganz vertretbare, aber
leider doch sehr spannende Experimente an Tieren gestolpert: Eran
Amichai und Yossi Yovel von der Uni Tel Aviv und dem Dartmouth
College haben festgestellt, dass (jedenfalls) Weißrandfledermäuse eine
angeborene Vorstellung von der Schallgeschwindigkeit haben
(„Echolocating bats rely on innate speed-of-sound reference“,
https://doi.org/10.1073/pnas.2024352118; ich glaube, den Volltext gibts
außerhalb von Uninetzen nur über scihub).
Die beeindruckendsten Fledertiere, die ich je gesehen habe: Große
Flughunde, die abends in großen Mengen am Abendhimmel von Pune ihre Runden
drehen. Im Hinblick auf die Verwendung dieses Fotos bei diesem
Artikel etwas blöd: Diese Tiere machen gar keine Echoortung.
Das ist zunächst mal überraschend, weil die Schallgeschwindigkeit in
Gasen und Flüssigkeiten von deren Dichte abhängig ist und sie damit für
Fledermäuse je nach Habitat, Wetter und Höhe schwankt. Für ideale Gase
lässt sie sich sogar recht leicht ableiten, und das Ergebnis ist: c =
(κ p/ρ)½, wo c die Schallgeschwindigkeit, p der Druck und
ρ die Dichte ist. Den Adiabatenexponent κ erklärt bei Bedarf die
Wikipedia, er ändert sich jedenfalls nur, wenn die Chemie des Gases
sich ändert. Luft ist, wenn ihr nicht gerade in Hochdruckkammern steht
(und da würdet ihr nicht lange stehen), ideal genug, und so ist die
Schallgeschwindigkeit bei konstantem Luftdruck in unserer Realität in
guter Näherung umgekehrt proportional zur Wurzel der Dichte der Luft.
Nun hat Helium bei Normalbedingungen eine Dichte von rund 0.18 kg auf
den Kubikmeter, während Luft bei ungefähr 1.25 kg/m³ liegt (Faustregel:
1 m³ Wasser ist rund eine Tonne, 1 m³ Luft ist rund ein Kilo; das hat
die Natur ganz merkfreundlich eingerichtet). Der Adiabatenexponent für
Helium (das keine Moleküle bildet) ist zwar etwas anders als der von
Stickstoff und Sauerstoff, aber so genau geht es hier nicht, und deshalb
habe ich 1/math.sqrt(0.18/1.25) in mein Python getippt; das Ergebnis
ist 2.6: grob so viel schneller ist Schall in Helium als in Luft (wo es
rund 300 m/s oder 1000 km/h sind; wegen des anderen κ sind es in Helium
bei Normalbedingungen in Wahrheit 970 m/s).
Flattern in Heliox
Das hat für Fledermäuse eine ziemlich ärgerliche Konsequenz: Da sich die
Tiere ja vor allem durch Sonar orientieren und in Helium die Echos 3.2
mal schneller zurückkommen würden als in Luft, würden an Luft gewöhnte
Fledermäuse glauben, all die Wände, Wanzen und Libellen wären 3.2-mal
näher als sie wirklich sind. Immerhin ist das die sichere Richtung,
denn in einer Schwefelhexaflourid-Atmosphäre (um mal ein Gas mit einer
sehr hohen Dichte zu nehmen, ρ = 6.6 kg/m³) ist die
Schallgeschwindigkeit nur 44% von der in Luft (wieder ignorierend, dass
das Zeug einen noch anderen Adiabatenexponenten hat als He,
O2 oder N2), und die Tiere würden sich noch zwanzig
Zentimeter von der Wand weg wähnen, wenn sie in Wirklichkeit schon mit
den Flügeln an sie anschlagen könnten – die Weißrandfledermäuse, mit
denen die Leute hier experimentiert haben, haben eine Flügelspannweite
von rund 20 Zentimetern (bei 10 Gramm Gewicht!). Wer mal Fledermäuse hat
fliegen sehen, ahnt, dass das wohl nicht gut ausgehen würde.
Aber das ist natürlich Unsinn: In Schwefelhexaflourid ist die Trägheit
des Mediums erheblich größer, und das wird die Strömungseigenschaften
und damit den dynamischen Auftrieb der Fledermausflügel drastisch
ändern[1]. Was auch umgekehrt ein Problem ist, denn in einer
Helium-Atmosphäre mit der um fast einen Faktor 10 geringeren
spezifischen Trägheit funktionieren die Fledermausflügel auch nicht
ordentlich. Ganz zu schweigen davon natürlich, dass die Tiere darin
mangels Sauerstoff ersticken würden.
Deshalb haben Amichal und Co mit Luft-Helium-Mischungen („Heliox“)
experimentiert. Dabei haben sie die Schallgeschwindigkeit in einigen
Experimenten um 27% erhöht, in der Regel aber nur um 15%[2].
Dass die beiden zwei Helioxmischungen am Start hatten, wird wohl
einerseits daran liegen, dass die 15% allenfalls knapp über der
natürlichen Schwankungsbreite der Schallgeschwindigket durch Temperatur,
Luftdruck und Luftfeuchtigkeit (die gehen ja auch alle auf die Dichte)
liegen. Mit 27% aber hatten die Fledermäuse doch zu große Probleme mit
dem Fliegen, und das wäre keine Umwelt, in der kleine Fledermäuse
aufwachsen sollten.
Im Artikel schreiben die Leute dazu etwas hartherzig:
“Category I” [von Fehlflügen] included flights in which the bat
clearly did not adjust motor responses to the lessened lift and landed
on the floor less than 50 cm from takeoff.
– was eine recht zurückhaltende Umschreibung von „Absturz“ ist. Einige
Tiere hatten davon schnell die Nase voll:
Treatments [nennt mich pingelig, aber die Bezeichnung der
Experimente als „Behandlung“ ist für mich schon auch irgendwo am
Euphemismus-Spektrum] were completed in one session with several
exceptions: two individuals refused to fly at 27% SOS after 2 d, and
those treatments were therefore done in two sessions each, separated
by 1 d in normal air.
Unter diesen Umständen liegt auf der Hand, dass „Köder gefangen und
gefressen“ kein gutes Kriterium ist dafür, ob sich die Fledermäuse auf
Änderungen der Schallgeschwindigkeit einstellen können – viel
wahrscheinlicher waren sie einfach mit ihren Flugkünsten am Ende.
Tschilpen und Fiepen
Es gibt aber einen Trick, um die Effekte von Wahrnehmung und
Fluggeschick zu trennen. Jagende Fledermäuse haben nämlich zwei Modi der
Echoortung: Auf der Suche und aus der Ferne orten sie mit relativ lang
auseinanderliegenden, längeren Pulsen, also etwa Tschilp – Tschilp –
Tschilp. In der unmittelbaren Umgebung der Beute (in diesem Fall so ab
40 cm wahrgenommener Entfernung) verringern sie den Abstand zwischen den
Pulsen, also etwa auf ein Fipfipfipfip. Auf diese Weise lässt sich
recht einfach nachvollziehen, welchen Abstand die Tiere selbst messen,
wobei „recht einfach“ hier ein Aufnahmegerät für Ultraschall
voraussetzt. Wenn sie in zu großer Entfernung mit dem Fipfipfip
anfangen, nehmen sie die falsche Schallgeschwindigkeit an.
Bei der Auswertung von Beuteflügen mit und ohne Helium stellt sich, für
mich sehr glaubhaft, heraus, dass Fledermäuse auch nach längerem
Aufenhalt in Heliox immer noch unter Annahme der Schallgeschwindigkeit
in (reiner) Luft messen: Diese muss ihnen also entweder angeboren sein,
oder sie haben sie in ihrer Kindheit fürs Leben gelernt.
Das Hauptthema der Arbeit ist die Entscheidung zwischen diesen
beiden Thesen – nature or nurture, wenn mensch so will. Deshalb haben
Amichal und Co 24 Fledermausfrauen aus der Wildnis gefangen, von
denen 16 schwanger waren und die schließlich 18 Kinder zur Welt gebracht
haben. Mütter und Kinder mussten für ein paar Wochen im Labor leben, wo
sie per Kunstlicht auf einen für die Wissenschaftler_innen bequemen
Tagesrhythmus gebracht wurden: 16 Stunden Tag, 8 Stunden Nacht, wobei
die Nacht, also die Aktivitätszeit der Tiere, zwischen 10 und 17 Uhr
lag. Offenbar haben BiologInnen nicht nennenswert andere Bürozeiten als
AstronomInnen.
Mit allerlei Mikrofonen wurde überprüft, dass die Tiere während ihres
Tages auch brav schliefen; auf die Weise musste die Heliox-Mischung
nur während der Arbeitszeit aufrechterhalten werden, während die Käfige
in der Nacht lüften konnten, ohne dass die Heliox-Fledermäuse sich
wieder an richtige Luft hätten gewöhnen können.
Jeweils acht Fledermausbabys wuchsen in normaler Luft bzw. Heliox-15
auf, den doch recht argen Heliox-27-Bedingungen wurden sie nur für
spätere Einzelexperimente ausgesetzt. Dabei hat sich gezeigt, dass die
Kinder unabhängig von ihrer Kindheitsatmosphäre in gleicher Weise orten:
Der Umschlag von Tschilp-Tschip nach Fipfip passierte jeweils bei
gleichen Schall-Laufzeiten unabhängig von der wirklichen Distanz.
Warum tun sie das?
Diese Befunde sind (aus meiner Sicht leider) nur recht schwer
wegzudiskutieren, das wirkt alles recht wasserdicht gemacht. Was die
Frage aufwirft, warum die Tiere so hinevolutioniert sind. Amichal und
Yovel spekulieren, ein Einlernen der Schallgeschwindigkeit habe sich
deshalb nicht herausgebildet, weil Weißrandfledermäuse in der Wildnis
sehr schnell erwachsen werden und selbst jagen müssen, weshalb es nicht
genug Zeit zum Üben und Lernen gebe.
Das wäre wohl testbar: Ich rate jetzt mal, dass größere (oder andere)
Fledermäuse längere Kindheiten haben. Vielleicht lernen ja die das?
Oder vielleicht hängt die festverdrahtete Physik auch daran, dass
Weißrandfledermäuse eigentlich durchweg mit ziemlich konstanter
Schallgeschwindigkeit leben? Dann müsste das etwa bei mexikanischen
Bulldoggfledermäusen (die aus dem Bacardi-Logo) anders sein, für die
der Artikel Flughöhen von 3 km zitiert.
Auch wenn die Sache mit dem Einsperren und Abstürzenlassen von
Fledermäusen schon ein wenig gruselig ist: die Wortschöpfungen
„Luftwelpen“ und „Helioxwelpen“ haben mich beim Lesen schon angerührt –
wobei „Welpe“ für das Original „pup“ eingestandermaßen meine
Übersetzung ist. Gibt es eigentlich einen deutsches Spezialausdruck für
„Mauskind“?
Abschließend doch noch ein Schwachpunkt: In der Studie habe ich nichts
zum Einfluss des Mediums auf die Tonhöhe der Rufe gelesen[3]. Den
muss es aber geben – die Demo von PhysiklehrerInnen, die Helium einatmen
und dann mit Micky Maus-Stimme reden, hat wohl jedeR durchmachen
müssen. Die Schallgeschwindigkeit ist ja einfach das Produkt von
Frequenz und Wellenlänge, c = λ ν, und da λ hier durch die Länge der
Stimmbänder (bei entsprechender Anspannung des Kehlkopfs) festliegen
sollte, müsste die Frequenz der Töne in 27%-Heliox eben um einen Faktor
1.27, also ungefähr 5/4, niediger liegen. In der Musik ist das die große
Terz, etwa das Lalülala einer deutschen Polizeisirene. Und jetzt frage
mich mich natürlich, ob das die Fledermäuse nicht merken …
The other day someone gave me another dock for my thinkpad, and I
eventually decided to use it at home. I've had a dock at the office for
a long time, and docking there involved running a complex script
configuring the network environment, running a window manager on some
display on a desktop machine, and only exiting when the dock was
supposed to end; its execution was triggered when the wake-up script
noticed a dock was present.
Now, when there are two docks and one is for rather conventional at-home
use (essentially, simply configuring a different monitor and network
adapter), I decided to do it properly and go through udev. Which turned
out to be tricky enough that I'll turn this note to my future self into
a blog post.
udev
What turned out to be the most complicated part was figuring out the
udev rules. That's because for ages I have been using:
udevadm info -a -p some/sysfs/path
to work out matchable attributes for a device. That's more or less fine
if all you're after is rules for attaching devices. For the dock,
however, the removal event is important, too. But when the removal
event comes in, udev has forgotten essentially all of the attributes
that come from info -a, and rules that work with add simply
won't fire with remove.
So, here's my new policy: I'll use:
udevadm monitor --environment --udev
(where the udev option restricts events to udev rather than kernel
events, which for the deluge of events coming from the dock seemed
smart; I may want to revisit that). When you then plug in or out
things, you'll directly see what events you can match against. Nice.
Except of course for the deluge of events just mentioned: A dock just
has quite a few devices. The event for the device I consider most
characteristic, however, makes two add events, and I've not found a good
way to tell the two of them apart. Still, this is what I've put
into /etc/udev/rules.d/95-docking.rules:
Important (and having forgotten about it again gave me quite a bit of
frustration): Rather sensibly, udev has no idea of the shell path and
will just fail silently when it cannot execute what's in RUN. Hence you
must (essentially) always give full path names in udev RUN actions.
In case of doubt, try RUN+="/usr/bin/logger 'rule fires'" in a rule
and watch the syslog.
For this kind of thing, by the way, you'll rather certainly want to use
su (or go through policykit, but I can't bring mayself to like it).
You see, I want the dock script in my home directory and owned by me;
having such a thing be executed as root (which udev does) would be a
nice backdoor for emergencies, but will generally count as a bad idea.
On the double dock event… well, we're dealing with shell scripts here,
so we'll hack around it.
Dock script: sawfish to the rescue
udev only lets you execute short scripts these days and rigorously
kills everything spawned from udev rules when it has finished processing
the events. I suppose that's a good policy for general system stability
and reducing unpleasant surprises. But for little hacks like the one
I'm after here, it seems to be a bit of a pain at first.
What it means in practice is that you need something else to execute the
actual dock script. In my case, that thing is my window manager,
sawfish, and having the window manager do this is rather satisfying,
which reinforces my positive feeling towards udev's kill policy
(although, truth be told, the actual implemenation is in shell rather
than in sawfish's scheme).
To keep everything nicely together, the docking script at its core is
a bash case statement, in essence:
!/bin/bash
# bookkeeping: we need to undock if that file is present
UNDOCK_FILE=~/.do-undock
# display for the window manager we talk to
export DISPLAY=:0
case $1 in
start)
sawfish-client -c "(system \"urxvt -geometry -0+0 -e $0 on &\")"
;;
stop)
sawfish-client -c "(system \"urxvt -geometry -0+0 -e $0 off &\")"
;;
on)
if [[ -f $UNDOCK_FILE &&
$((`date +"%s"` - `date -r $UNDOCK_FILE +"%s"`)) -lt 20 ]]; then
# debounce multiple dock requests
exit 1
fi
touch $UNDOCK_FILE
# let udev do its thing first; we're no longer running from udev
# when we're here.
udevadm settle
# Commands to dock follow here
;;
off)
if [ -f ~/.do-undock ]; then
rm ~/.do-undock
# Commands to undock in here.
fi
;;
*)
echo "Usage $0 (start|stop|on|off)"
;;
esac
The plan is: Udev calls the script with start and stop, which then
arranges for sawfish to call the script from sawfish with the on and
off arguments.
There's a bit of bookkeeping with a file in home I keep to see whether
we need to undock (in my setup, that's not necessary at work), and which
I use to unbounce the duplicate dock request from udev. That part could
be improved by using lockfile(1), because the way it is written right
now there are race conditions (between the -f, the date, and the touch)
– perhaps I'll do it when next I have time budgeted for OS fiddling.
One think I like a lot is the udevadm settle; this basically lets my
script rely on a defined state where all the devices it may want to talk
to are guaranteed to be initialised as far as udev goes. This is so
much nicer than that sleep 3 you can see in too many places.
What I do when docking
Why go into all this trouble and not let whatever automagic is active
pick up the screen and the new network interface and be done with it?
Well, partly because I don't run most of the software that does that
magic. But of course having a shell script lets me say what I actually
want:
disable sleep on lid closing (that's special to my own ACPI hacks from
the depths of time)
configure the the external screen as primary (that's something like
xrandr --outputDP2-1--off ; xrandr --fb 2048x1152 --outputDP2-1--auto for me; don't ask why I first need to switch off the display,
but without it the --auto will get confused).
switch to an empty (“dock-only” if you will) page on the desktop
(that's wmctrl -o 4096,1152 for me).
sure enough, switch on some desktop glitz that I'm too stingy
for when off the grid.
One thing I'm currently doing in the dock script that I shouldn't be
doing there: I'm now using a wacom bamboo pad I've inherited as
a mouse replacement at home and was suprised that no middle mouse button
(Button2) was configured automatically on it. Perhaps some search
engine will pick this up and save a poor soul looking for a quick
solution reading man pages and xsetwacom output:
xsetwacom set "Wacom BambooPT 2FG 4x5 Pad pad" Button 8 2
xsetwacom set "Wacom BambooPT 2FG 4x5 Pad pad" Button 9 2
(this makes both buttons in the middle middle mouse buttons; I'll see if
I like that on the long run). Of course, in the end, these lines belong
into a udev rule for the wacom tablet rather than a dock script. See
above on these.
Juni 2001 im Berliner Tiergarten: Visionäre Ansagen.
Ich bilde mir ja ein, dass ich eine gewisse Sensibilität für
Antisprache habe, also Wörtern und Fomulierungen, die Bedeutung
annihiliern statt transportieren. Aber das schöne Interview mit Dirk
Schneidemesser vom IASS in der taz von heute hat mich eines Besseren
belehrt. Dass „parken“ eine rücksichtslose Okkupation öffentlichen
Raumes verschleiert, „Unfall“ völlig gegen die Realität so tut, als sei
Verkehrsgewalt (Schneidemessers Terminologie) Ausnahme und nicht Regel
und „gesperrt“ bei einer Straße, die gerade für die Nutzung durch
Menschen geöffnet wurde, komplett sinnwidrig ist: Das alles ist mir erst
beim Lesen des Interviews klar geworden.
Das ist für einen passionierten Autofeind und Antisprach-Beobachter wie
mich schon ziemlich peinlich.
Da hilft traditionell nur eins: öffentliche Selbstkritik!
Wenn PhysikerInnen Bücher über Molekularbiologie lesen (so wie ich
derzeit dann und wann), sollten sie sich wahrscheinlich öfter mal
schämen, weil sie Dinge faszinieren, die Menschen krankmachen. Aber
andererseits weht ein Geist der Einsicht, wenn makroskopische, fast
alltägliche Phänomene atomare Grundlagen haben.
Gerade habe ich etwas über erbliche Hypomagnesiämie gelesen, also
einen genetisch bedingten Magnesiummangel, speziell das
Meier-Blumberg-Imahorn-Syndrom (und wieder mal haut mich um, dass in
der Wikipedia über fast alles etwas steht, auch wenn dieser spezielle
Artikel mich gewiss nicht fasziniert hätte).
Wesentliches Symptom dieser Krankheit sind Krämpfe, wie vielleicht
erwartbar bei Magnesiummangel; doch können die Betroffenen Magnesium zu
sich nehmen, so viel sie wollen, die Krämpfe bleiben. Das liegt daran,
dass die Niere ohne weitere Maßnahmen endlos Magnesium verliert und es
deshalb im Normalbetrieb fleißig rückresorbiert, es also aus dem in der
Produktion befindlichen Urin wieder in den Körper zurückdiffundieren
lässt. Ein klarer Hinweis auf eine Störung in dem System: Bei den
Betroffenen geht der sehr niedrige Magnesiumspiegel im Blut mit einem
sehr hohen Magnesiumspiegel im Urin einher.
Die Rückresorption nun funktioniert bei der erblichen Hypomagnisiämie
nicht, weil die Zellen im Nieren-Epithel – also so einer Art innerer
Haut, die Blut und Urin trennt – zu fest zusammenkleben. Zellen solcher
Epithelien nämlich kleben sich ziemlich weit an der Außenseite („apikal“
– allein die Terminologie begeistert mich ja immer) fest zusammen.
„Tight Junction“ heißt das im Englischen und wohl im Wesentlichen
auch im Deutschen.
Diese Tight Junctions sehen in verschiedenen Hauttypen jeweils leicht
anders aus und können sozusagen gezielt Lücken lassen, je nach dem, wo
das Epithel ist und was die Epithelzellen noch so alles tun können und
wollen. Im Magen z.B. sollte die apikal (Ha!) schwappende starke Säure
wohl besser gar nicht durchkommen, im Darm gehen Natriumionen auch mal
an den sortierenden Zellen vorbei direkt ins Blut.
Karikaturen der drei Sorten von Bindungsmolekülen von Tight Junctions.
Die dicken grauen Striche sind die Zellmembran, die Klebemoleküle sind
als tief in den jeweiligen Zellen verankert, damit das auch ordentlich
hält. Aus: Lodish, H. et al: Molecular Cell Biology, 5. Auflage.
In normal funktionierenden Nieren geht die Rückresorption des
Magnesiums durch die Tight Junctions, die dafür natürlich die passenden
Lücken lassen müssen. Mein Physikherz schließlich schlug höher weil
„wir“ (also… „die Menschheit“) ganz gut verstehen, was da molekular
passiert. Im Groben machen drei Gruppen von Proteinen das
Montagematerial an den Tight Junctions aus: Occludine und Claudine
(die im Wesentlichen Schlaufen aus der Zellmembran heraus bilden) sowie
antikörperähnliche JAMs („junction adhesion molecules“; ich glaube,
die haben es noch nicht in die deutsche Wikipedia geschafft), die im
Gegensatz dazu eher lange hakenartige Strukturen bilden.
Die spezifischen Formen dieser Moleküle bestimmen, was durch die Tight
Junctions durchkann, wenn sie sich erstmal mit ihren Gegenstücken der
Nachbarzellen gefunden haben. Im Fall der erblichen Hypomagnesiämie nun
ist sogar klar, welches Molekül genau die Löcher für die Magnesiumionen
lässt. Es trägt den vielleicht etwas enttäuschenden Namen
Claudin-19, und wir wissen auch, wo das kodierende Gen liegt: Chromosom
1, p34.2. Eine ungünstige Mutation dort, und ihr habt in einem Fort
Krämpfe.
Von Muskelkrämpfen zu Atomphysik in ein paar relativ kleinen Schritten:
Ich sollte Molekularbiologe werden.
Allerdings: Die Rolle der Claudine wurde mit Knock-out-Mäusen geklärt.
Bäh. Das ist ja so schon schlimm genug, aber die Vorstellung, was für
Wesen herauskommen, wenn jemand den Zusammenhalt von Epithelien
ausschaltet: Oh Grusel. Für mich: Dann doch lieber zurück zu den Sternen.
Ich mag ja hartherzig sein, aber mein größter Schmerz an der derzeit
laufenden Diskussion um eine Aussetzung des Patentschutzes
für SARS-2-Impfstoffe ist, dass mal wieder alle über „geistiges
Eigentum“ (GE) reden. Das ist bitter, weil das Antisprache – also
Sprache, die Bedeutung verschluckt statt trägt – ist, die selbst nach
Maßstäben von Antisprache großflächig Schaden anrichtet, beginnend bei
der Exklusion von Rechnerplattformen via DRM oder der Strom- und
Bandbreitenverschwendung durch Streaming. Weit relevanter: ohne die
durch den GE-Begriff angerichtete Verwirrung wäre das Massaker kaum
vorstellbar, das unsere private Medikamentenproduktion vor allem
außerhalb von Pandemiezeiten (ich erinnere nur kurz an den endlosen
Skandal Tuberkulosetherapie) anrichtet.
GE ist Antisprache, weil es so in etwa drei Rechtssysteme, die aus ganz
unterschiedlichen Gründen geschaffen wurden, unter einem allgemein
bekannten, aber unpassenden Begriff („Eigentum“) zusammenfasst und so
zum Verschwinden bringt, wozu die drei Konzepte jeweils geschaffen
wurden. Das wiederum ruiniert diese ursprünglich zumindest
nachvollziehbaren Zwecke, bis praktisch nur noch „na ja, einer muss halt
reich werden dabei“ übrig bleibt.
Die drei Rechtsbegriffe sind Urheberrecht, Patentschutz und
Markenschutz. Zumindest bei zwei davon fällt sofort auf, dass das mit
dem „Eigentum“ nicht hinkommen kann, denn sie sind zeitlich befristet,
während BGB-konformes Eigentum nur unter recht extremen Umständen
verlorengeht, sondern per Erbrecht in gewissem Sinn perpetuiert wird
(wozu auch einiges zu sagen wäre – aber es geht hier ja nicht um
Eigentum). Beim Markenschutz sieht das anders aus – aber den können sie
meinetwegen auch behalten, jedenfalls solange culture jamming nicht
gleich ins Gefängnis führt.
Urheberrecht
Das Urheberrecht hat seine Wurzeln im 18. Jahrhundert, als sich
Gesellschaften allmählich darüber verständigten, dass Kunst auch mal
unabhängig von kirchlichen oder adligen MäzenInnen entstehen können
soll. Dazu musste die Arbeit der KünstlerInnen in den damaligen (ja, na
ja, leider auch den heutigen) Gesellschaften irgendwie entlohnt werden,
was letztlich heißt: sie muss handelbare Waren hervorbringen. Bei
Kultur, die in aller Regel mit relativ wenig Aufwand vervielfältigt
werden kann, ist der übliche Weg zur Warenform die enge Kontrolle
öffentlichen Zugangs. Das Urheberrecht ist nichts anderes als die
staatliche Garantie auf die Durchsetzbarkeit so einer Kontrolle obwohl
es einfach wäre, den Kram breiter verfügbar zu machen.
Weil im 18. Jahrhunder noch keine Antisprache des Typs GE verwirrte, kam
niemand auf die Idee, diese Garantie mit dem Eigentumsbegriff zu
belasten. Im Gegenteil: Eben weil das Urheberrecht die Verfügbarkeit
von Literatur, Musik und anderen Kulturgütern ohne physischen Grund
beschränkt, war seine Befristung ganz zentral. Wenn der Zweck des
Urheberrechts – die KünstlerInnen zu füttern – glaubhaft erfüllt war,
wurden die Werke in die Gemeinfreiheit entlassen.
Relativ klar sagt das die wohl älteste Urheberrechtsregelung, die noch
in Kraft ist, nämlich Artikel 1, Abschnitt 8, Satz 8 der US-Verfassung.
Danach hat das Parlament die Macht,
To promote the Progress of Science and useful Arts, by securing for
limited Times to Authors and Inventors the exclusive Right to their
respective Writings and Discoveries.
Die Antisprache GE versteckt, dass der Sinn des Urheberrechts einzig und
allein war, den, na ja, „Fortschritt von Wissenschaft und nützlichen
Künsten“ zu fördern, und dass sich die Zeit der Zugangsbeschränktung
genau an der Erfüllung dieses Zwecks zu messen hatte.
Dieser Gedanke ändert viel: Glaubt wirklich jemand, relevante Literatur
würde geschrieben, hörbare Musik gemacht, weil jemand auf Gewinn in,
sagen wir, fünf Jahren hofft? Hat Ray Davies das schöne Lied von der
Village Green Preservation Society (das mir seit Tagen im Kopf
herumspukt) aufgenommen, weil seine Töchter (und vor allem spotify) noch
70 Jahre nach seinem Tod die Einnahmen aus Zugangsbeschränkungen
erhalten werden?
Wer solche Fragen stellt, wird vermutlich auf vernünftige Schutzzeiten
von fünf oder zehn Jahren kommen, aber ganz gewiss nicht auf die 70
Jahre nach dem Tod des/der SchöpferIn aus dem
Micky-Maus-Schutzgesetz. Es ist dieser Diskurs, gegen den sich die
Rechteverwerter und ihre ApologetInnen mit der Rede von GE immunisieren
wollen.
Patente
Während Urheberrechte das Bruttosozialprodukt im Groben steigern (weil
Leute Geld ausgeben müssen für Kram, den sie zumindest in Zeiten des
Internet praktisch umsonst haben könnten), sind Patente in der Regel
schlecht für die Möglichkeiten des individuellen Reichwerdens: wenn einE
PatentinhaberIn auf den Rechten sitzt, wird irgendwas im Zweifel nur
sehr eingeschränkt hergestellt und nur eine Person wird reich. Das mag
diese Person beim Erfindungsprozess motivieren, aber langfristig geht
das böse auf die Produktions- und damit Akkumulationsmöglichkeiten.
Bei komplexen Produkten und Produktionsverfahren wären außerdem bei
Schutzzeiten wie beim Urheberrecht so viele Patente zu berücksichtigen
(heute noch etwa ein guter Teil dessen, was während des zweiten
Weltkriegs erfunden worden ist – die ErfinderInnen sind ja oft noch
keine 70 Jahre tot), dass der Kapitalismus zu einem knirschenden Halt
kommen würde.
Und so überrascht es nicht, dass Patente nur für 20 Jahre ab Anmeldung
gelten. Warum das Copyright-„Eigentum“ viel heiliger sein soll als das
Patent-„Eigentum“, ist nur durch Rekurs darauf erklärbar, dass es
sich in keinem Fall um „Eigentum“ handelt, und ihre Grundlage ist genau
nicht – wie beim Eigentum – ein staatlicher Schutz für die private
Verfügungsgewalt über Gegenstände, die nicht einfach vermehrt werden
können. Geht es beim Urheberrecht ums Füttern der AutorInnen, gehts es
beim Patentschutz in erster Linie um die Veröffentlichung von
Erfindungen, deren breiterer Einsatz sinnvoll sein könnte.
Während aber viele (beileibe aber nicht alle) InhaberInnen von
Urheberrechten diese befürworten, ist das bei Patenten ganz anders:
Eigentlich alle, die mit Technik herumfuhrwerken und Dinge basteln,
sind von Patenten schwer genervt. Und während das Urheberrecht mit dem
Einkommen einiger der SchöpferInnen immer noch zumindest entfernt etwas
zu tun hat, sind Patente jedenfalls in meinem Bereich heute klar
schädlich für den „Progress of Science“ (oder meinetwegen „Technology“).
Das mag im Kernbereichs des Maschinenbaus vielleicht etwas anders sein,
aber generell wäre ohne die Antisprache über GE doch recht schnell die
Frage nach einer massiven Einschränkung des Patentunwesens auf dem
Tisch.
So danke ich allen verfügbaren GöttInnen, dass meine Universität darauf
verzichtet, „Erfindungen“ von mir patentieren zu wollen – das wäre
nämlich ihr Recht, und gemessen an dem, was im Software- und
Rechnerbereich patentiert wird, gäbe es da ganz gewiss auch genug (na
gut: wenn nicht schon wer anders die naheliegende Idee des Tages mit
einem breiten Patent erschlagen hätte). Diese Patentverfahren würden
Unmengen an Zeit und Energie binden, ohne dass das irgendeinen
(gesellschaftlichen) Nutzen hätte, ganz zu schweigen von der Mühe, die
ich eigentlich auf die Prüfung verwenden müsste, ob irgendwas, das ich
gerade schreibe, von irgendwem patentgeschützt ist; wenn
Fortschrittsbalken und One-Click-Shopping patentfähig sind, könnte ich
keine nichttriviale Funktion schreiben, ohne eine solche Prüfung
durchzuführen.
Was ich natürlich nicht tue, und daher kommt dann auch mein Dank an
höhere Wesen sowie mein weites Umfeld für ihr Desinteresse an Patenten,
ganz speziell den Leuten, die in den Ministerien über meine
Projektförderung entscheiden. Die Zeitersparnis, den Patentquatsch
komplett ignorieren zu können, wäre sicher allen Software-Menschen zu
wünschen, und entsprechend ist mir keineE ProgrammierIn bekannt, der/die
nicht z.B. die Kampagne gegen Softwarepatente der FSFE wenigstens
wohlwollend zur Kenntnis nehmen würde.
Im Pharmabereich ist der Schaden durch Patente vielleicht nicht ganz so
gut erkennbar, wenn auch das Missverhältnis zwischen hunderten von
Statinzubereitungen, die westliche KundInnen mit aller Gewalt
übergeholfen bekommen, und dem oben erwähnten Massensterben an Tuberkulose
ohne nennenswerte private Anstrengungen zu dessen Milderung nicht nur
mich zornig macht.
Da hilft die Gebetsmühle des Verbands Forschender
Arzneimittelhersteller, der Patentschutz sei notwendig zur Entwicklung
neuer Medikamente, wirklich nicht. Zunächst lehrt ein kurzer Blick in
PubMed – was zweifellos die Forschung im medizinischen Bereich besser
abbildet als irgendetwas anderes –, dass publikationswürdige Forschung
zu Krankheiten und ihrer Heilung fast ausschließlich mit öffentlichem
Geld stattfindet. Sucht nach irgendeiner Krankheit und schaut euch die
Affiliations der ersten paar Arbeiten an: Wenn da überhaupt irgendwo
privates Geld vorkommt, sind es gemeinnützige Stifungen wie der Wellcome
Trust, die die Forschungen ganz sicher nicht wegen der Aussicht auf
künftige Patenteinnahmen finanzieren – oder vielleicht noch Leute, die
aus der Privatindustrie über ihre letzten Forschungen an Unis und
Instituten berichten.
Erst bei den klinischen Studien kommen die Unternehmen ins Spiel, und
auch dann wird in aller Regel noch reichlich öffentliches Geld
zugeschossen, etwa über die Kliniken, die die Studien mittragen.
Aber gerade dieses System ist besonders kaputt, da trotz öffentlich
finanzierter Beteiligung (die dann nicht selten durch Schweigeabkommen –
Non-Disclosure Agreements – gebunden ist) fast nur positive Studien
veröffentlicht wurden (und eigentlich immer noch werden), was wiederum
die Grundlagen der Testtheorie aushebelt und so selbst die gut gemachten
Studien entwertet.
Innerhalb des gegenwürtigen Systems versprechen Studienregister ein
wenig Abhilfe. Viel besser wäre jedoch eine staatlich finanzierte
Zentralstelle, die solche Studien mit gleichbleibender Abdeckung,
Sorgfalt und Publikationsdichte durchführt. Und das gilt selbst dann,
wenn diese Zentralstelle am Ende nach dem Vorbild von RKI oder PEI eher
nur so halb funktionieren würde. Dann würde natürlich auch noch das
letzte irgendwie glaubhafte Argument für die Alimentation der
Pharma-Unternehmen durch Patente wegfallen.
Die Antisprache vom GE ist eine Immunisierung der Industrie gegen solche
wirklich nicht fernliegenden Ideen. Was für ein historischen
Unglück, dass die Piratenpartei weiland mit dem Thema „geistiges
Eigentum ist ein ekliger Kampfbegriff“ überhaupt nicht in die
Öffentlichkeit gekommen ist. Das könnte natürlich durchaus mit dem
Geschäftsmodell großer …
Aber wo Christine Westerhaus es in dem Beitrag schon gesagt hat, konnte
ich einer neuen Tiergeschichte nicht widerstehen: Von Lachsen und
Eltern. Aktualität gewinnt das, weil ich klar nicht der Einzige bin,
dem es etwas merkwürdig vorkommt, wie fast alle Eltern auf der einen
Seite ostentativ darauf bestehen, ihre Kinder seien ihr Ein und Alles,
auf der anderen Seite aber die Große Kinderverdrossenheit von
Corona ganz öffentlich zelebrieren. Mal ehrlich: Wäre ich jetzt Kind,
wäre ich angesichts des herrschenden Diskurses von geschlossenen Schulen
als etwas zwischen Menschenrechtsverletzung und Katastrophe schon etwas
eingeschnappt.
Allerdings: vielleicht ist das ja gar keine Kinderverdrossenheit,
sondern Verdrossenheit mit der Lohnarbeit, auf die mensch aber noch
weniger schimpfen darf als auf die Kinder?
Wie auch immer, ernsthaft beunruhigt waren Lachse am NINA in
Trondheim, als eine Klasse lärmender Kinder um ihr Aquarium herumtobte.
Und dieses Mal sind sie belauscht worden. So klingen vergnügte Lachse:
Und so welche mit tobenden Kindern:
Wie es in der Sendung heißt: „They think school kids are scary.“ Sie.
Die Lachse.
PSA: Wenn euer Browser keine Lachstöne abspielt, beschwert euch bei
dessen Macher_innen: Ogg Vorbis sollte im 3. Jahrtausend wirklich alles
dekodieren können, was Töne ausgibt.
Fantasien zu Impfwirkungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
(Quelle).
Im immer wieder großartigen Public Domain Review – den ich schon
deshalb mag, weil fast alles ohne Javascript geht – war neulich ein
Essay über das Georgian Britain’s Anti-Vaxxer Movement von Erica
Eisen; es geht um frühe ImpfskeptikerInnen, und ich fand schon
bemerkenswert, wie sehr sich die Motive damalis und der heute ähneln.
Teils ist das ganz verständlich, weil etwa die Funktionsweisen von
Religion historisch ziemlich konstant sind. Insofern wundert die
Konstanz des Arguments über Impfen als Interferenz mit Gottes Plan
nicht:
The Small Pox is a visitation from God, but the Cow Pox is produced by
presumptuous man: the former was what heaven ordained, the latter is,
perhaps, a daring violation of our holy religion.
—William Rowley, Cow-Pox Inoculation: No Security Against Small-Pox
Infection (London: J. Barfield, 1805), 11.
Umgekehrt ist erschütternd, dass die (zumindest im Fall von SARS-2)
offensichtliche Abwägung zwischen möglichem Schaden und manifestem
Nutzen häufig immer noch so auszugehen scheint wie unter Verhältnissen,
die Eisen so beschreibt und in denen das tatsächlich ganz anders hätte
sein können:
These concerns were not allayed by the poor sanitation and medical
standards that sometimes characterized the public vaccination
hospitals created to serve Britain’s urban poor: at such places, the
vaccines made available to patients often came not directly from cows
but from the pustules of vaccinated children in the area, who may or
may not have received a thorough medical check before being lanced for
their “donation”. As a result, parents were not wholly unjustified in
their fears that an injection meant to ward off one deadly disease
might simply lead to their child being infected with another one.
Keine Überraschung ist dabei natürlich die Beständigkeit von Armut als
größtem Risikofaktor; zur der modernen Form berichtete neulich der
Deutschlandfunk:
Wo Menschen in beengten Wohnverhältnissen lebten, sei die Gefahr sich
anzustecken größer als im großzügig angelegten Einfamilienhaus, sagte
er in einer Landtagsdebatte in Düsseldorf. Der CDU-Chef und
Unions-Kanzlerkandidat verwies dabei auf das Beispiel Köln, wo im
Stadtteil Chorweiler die Inzidenz bei 500 und in Hahnwald dagegen bei
0 liege.
Aber die wirklich beeindruckenden Parallelen liegen in völlig abseitigen
Fantasien über mögliche Impfwirkungen und die Motivationen dahinter: Die
gehörnten Neugeborenen aus dem Eingangsbild treffen sich da gut mit den
Chips von Bill Gates, und die Angriffe aufs klare Denken gehen auch ganz
regelmäßig über imaginierte Bedrohngen von Kindern, etwa im Eingangsbild
oder wenn pockennarbige Monstren sie in kleine Minotauren verwandeln
Insofern: Ein wirklich lohnender Artikel mit, wie üblich beim PDR,
vielen schönen Bildern.
Das Bild der EU als „Friedensmacht“, die allenfalls mit etwas Geld die
Verhältnisse in der Welt milde verbessert, war natürlich schon immer
Quatsch. Die Rücksichtslosigkeit, mit der Kommission und Rat rassistische
und neokoloniale Agenden mit Gewalt durchsetzen („gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitk“ oder GASP) sah jedoch zu Zeiten der Lomé-Abkommen
durchaus deutlich harmloser aus (wobei auch diese viele Millionen
Menschenleben erheblich verkürzt haben dürften [1]).
Die GASP nun verbindet sich derzeit sehr direkt mit der blutigen
Migrationspolitik der EU, beispielsweise im Aufbau von Return Case
Management-Systemen. Das sind Verfahren, die der EU Zugriff auf
Repressionsdatenbanken der Herkunftsländer von Geflüchteten geben. Damit
auch die Regierungen der Herkunftsländer etwas davon haben, finanziert die
EU wo nötig deren Auf- und Ausbau, inklusive Vollerfassung der Fingerabdrücke
der Bevölkerungen.
Wie das genau aussieht, und wie nebenbei der sicherheits-industrielle
Komplex der EU gefüttert wird, hat im letzten November Privacy
International (PI) am Beispiel des Senegal dokumentiert: ein Laden
namens Civi.Pol, angesiedelt zwischen Rüstungsindustrie sowie
französischem Geheimdienst und Innenministerium, baut eine
Fingerabdruckdatenbank für sowohl die dortige Regierung als auch das
EU-Deportationsmanagement.
Nachtrag (2024-02-25)
Nur, damit keine Zweifel bestehen über die Natur der Regierung, die
die EU da aufrüstet: In der taz vom 14.2.2024 wird aus dem Senegal
berichtet:
„Anfangs haben sie gegen Demonstrierende Tränengas eingesetzt, heute
sind es echte Kugeln.“ Dann fällt ein Name: Alpha Yoro Tounkara. Der
Geografie-Student ist eines der drei Todesopfer der Niederschlagung
der Proteste am vergangenen Freitag und ein Freund von Ndeye Magatte
Seck
PI hat den Artikel sehr treffend mit diesem offizielle Pressefoto der EU
illustriert:
Hier trifft sich der Außenminister des Senegal, Mankeur Ndiaye, mit dem
Migrationskommissar der EU, Dimitris Avramopoulos, und schon auf den
ersten Blick ist klar, wer hier wem etwas erklärt, wer finster gucken
darf und wer lächeln muss, und dass hier Anweisungen in kleinem Rahmen
erteilt werden, die die Öffentlichkeit nichts angehen. Es ist auch
kein_e Protokollführer_in in Sicht.
Das Bild ist von 2016; vermutlich ging es bei diesem Gespräch also nicht
direkt um den von PI diskutierten Deal. Dass aber die EU meint, ihre
Verhandlungen mit Ländern im globalen Süden so illustrieren zu müssen
und zu können, das ist zumindest in meiner Welt schon in sich ein
Skandal.
Noch ein Grund, warum kleine AKWs stinken: Nicht mal klasse Kühltürme
(wie den hier in Biblis) gibts mehr.
Unter den deutschsprachigen Fortune Cookies von Debian sind jede Menge
Witze des Typs „Wenn Microsoft Autos bauen würde… müssten wir alle auf
Microsoft-Benzin™ umsteigen“ oder ”…würden die Warnlämpchen für Öl,
Batterie, Benzin, und Motorschaden durch ein einziges »Genereller
Auto-Fehler«-Lämpchen ersetzt.“
Da wirkt es schon etwas befremdlich, wenn ausgerechnet Bill Gates jetzt
Atomkraftwerke bauen will, und zwar jede Menge davon. Sein Laden
Terrapower [Vorsicht: CPU-intensive Webseite] versucht, mit dem
üblichen Marketing-Dummschwätz („Best-in-class talent“ – wer denkt sich
sowas aus? Und meint, auch nur irgendwer würde da nicht nur die Augen
verdrehen?) Schmelzsalzreaktoren wieder aus der Kiste klar schlechter
Ideen rauszuziehen.
Wer sich das bei Terrapower verlinkte Interview mit Gates [Vorsicht:
Link zu youtube] ansieht, versteht vielleicht, weshalb er da alle
Vernunft fahren lässt: Er hat genug Herz, dass ihm die Nöte der ärmeren
Hälfte der Welt nicht ganz gleich sind, aber er glaubt zu sehr an Markt
und Kapitalismus, um einzusehen, dass es diesen Leuten nicht wegen
mangelnder Produktion dreckig geht, sondern wegen Markt, Eigentum und
Ungleichheit, gerade auch im Zugriff auf
Bildung und Produktionsmittel (sagen wir:
der Boden, der entweder unsere Schweine oder ihre Bäuche füttert). Und
so kommt er auf den Trichter, dass billigere Energie doch bestimmt den
Kapitalismus auf eine weniger menschenfresserische Route bringen müsste.
Obwohl ich Gates also durchaus halbwegs guten Willen unterstelle, kommt
er doch wieder nur mit dem Unsinn, mit dem die Bombenbauer schon in den
50ern versuchten, ihren Atomstaat zu verkaufen (damals heiß das
„electricity too cheap to meter“[1]):
This is just like a candle. Our flame is taking the normal, depleted
Uranium, the 99.3% that's cheap as heck and there's a pile of it
sitting in [Paducah?], Kentucky that is enough to power the United
States for hundreds and hundreds of years. You're taking that and
you're converting it to [leicht verschämt] Plutonium, and you're
burning that, and we have super-high power densities, we have, you
know, total fail... fail-safe. Any reactor that a human has to do
something... that's a little scary. [Audio]
„Total fail-safe“ vom Microsoft-Vordenker und Vater des legendären
Webservers IIS hat natürlich nochmal einen besonderen Geschmack, etwa
angesichts der Exchange-Katastrophe, von der ich neulich am Rande
gestreift wurde. Und dann sollen die Menschen draußen bleiben und...
nun, wen genau die nötige Wartung machen lassen? Microsofts Roboter?
Und das alles in den Ländern, in denen die vier Milliarden Ärmsten
wohnen?
Das ist so offensichtlich absurd, dass ich mich frage, warum Gates es
überhaupt sagt.
Nur ist das nicht das Thema.
Wer über Atomkraft nachdenkt, sollte zumächst beim prinzipiellen
Alptraum jeder Sorte Technik anfangen: Eine Kettenreaktion ist zunächst
immer höchst instabil, denn ein Neutron muss dabei immer ganz genau ein
weiteres Neutron erzeugen. Ist es auch nur ein Hauch weniger, geht der
Reaktor exponentiell aus. Ist es ein Hauch mehr, geht der Reaktor
exponentiell durch. Das ist, ganz prinzipiell, nichts, womit mensch
basteln möchte, und das Gegenprinzip zu Gates' „fail safe“.
Dass herkömmliche (langsame Uran-) Reaktoren überhaupt beherrschbar
sind, liegt an einer Laune der Natur, nämlich einer sehr schmalen
Neutronen-Absorptionslinie des Uran-238 gerade im Bereich von
„thermischen” Neutronen (also welchen mit ein paar hundertstel eV).
Nimmt nämlich die Reaktionsrate eines solchen Reaktors zu, wird er
heißer, die Linie verbreitert sich thermisch, es kommt zu mehr
Absorption von Spaltneutronen, die Reaktionsrate nimmt ab. Nimmt
dagegen die Reaktionsrate ab, wird die Linie thermisch schmaler, die
Absorption nimmt ab, die Reaktionsrate steigt wieder ein wenig.
Das ist der wesentliche Grund, warum Brennstäbe ausgewechselt werden
lange bevor alles U-235 gespalten ist und weshalb die Wiederaufbereitung
schon vor der Zulassung von Mischoxid-Brennelementen (die Plutoium
enthalten) nicht völlig unplausibel schien: Irgendwann muss mensch
wieder U-238 in die Brennstäbe bringen, um die Regelung zu halten.
Das heißt auch: Ein solcher Reaktor wird immer instabiler, je länger
er ungewartet läuft. Zu den großen Wundern dieser Welt gehört, dass
nicht ständig vernachlässigte Reaktoren durchgehen.
Nun lassen sich ähnliche lokale Stabilitätspunkte auch künstlich
herstellen („negativer Temperaturkoeffizient“), und die Wikipedia
erklärt ganz gut, wie sich die Schmelzsalz-Fans das so vorstellen. Aber
selbst wenn mensch ihnen diese Ideen abnimmt, sind das in all diesen
Fällen nur kleine Dellen an einem langen, exponentiellen Hang einer sich
entweder selbst-rückgekoppelt abschwächenden (Puh!) oder verstärkenden
Reaktionsrate. Sowas will mensch als technisches Design ganz
grundsätzlich nicht, wenns irgendwie anders geht.
Und natürlich geht es anders, solange lediglich hinreichend Strom in
vernünftigem Umfang (also: wenn wir uns komplett sinnlose
Stromverschwendung wie die der terrapower-Webseite oder oder offensiv
schädliche Stromverschwendung wie Elektroautos sparen) das Ziel ist.
Wer sich die Mühe macht, die historischen Kernkraft-Programme in aller
Welt anzusehen, wird feststellen, dass immer staatliches Geld und am
Schluss das Interesse dahinterstand, die Technologie für die Bombe
wenigstens in der Hinterhand zu haben. Plus vielleicht noch die
Fantasie, einer politischen Einflussnahme im Stil der OPEC-Aktion nach
dem Jom Kippur-Krieg länger widerstehen zu können – nicht ganz
zufällig fing der ganz große Geldstrom in die „zivile“ Nutzung der
Kernspaltung erst nach 1973 so richtig an. Weder Kosten (die immer
exorbitant waren) noch Energieproduktion als solche waren je ein
ernstzunehmendes Argument bei Atomprogrammen.
Dementsprechend könnte mensch Gates' Gerede mit einem Achselzucken
vergessen, wenn er mit seinem (natürlich absurden) „helft den
Armen“-Narrativ nicht gerade den Staaten im globalen Süden eine
Erzählung liefern würde, warum sie auch Bombentechnologie haben sollten.
Denn natürlich ist Quatsch, dass bei Schmelzsalzreaktoren keine
Proliferationsgefahr bestehe; wer Neutronen im Überfluss hat, kann mit
etwas Chemie und vielleicht einer Handvoll Zentrifugen auch Bomben
bauen. Punkt.
Gates selbst räumt das – diskurv geradezu suizidal – ein: „super-high
power densities“. Hohe Energie- und damit auch Neutronendichten sind
das stärkste Argument gegen diese Sorte von Technik. Wer einen Eindruck
von der Rolle von Energiedichte bekommen will (und sich um Umweltsauerei
nicht kümmert), kann mal eine vollgeladene NiMH-Zelle (noch besser wäre
NiCd, aber das will mensch dann wirklich nicht in die Umwelt pesten) und
eine vollgeladene Lithium-Ionen-Zelle in ein Feuer werfen. Eins macht
bunte Farben, das andere ein verheerendes Feuerwerk [nur zur Sicherheit:
Nein, Feuer ist natürlich sowohl für NiMH als auch für Li-Ion eine
ganz schlechte Idee. Lasst da die Finger von]. Beides ist weniger
als ein laues Lüftchen gegen die Energiedichte eines
Schmelzsalzreaktors.
Was schließlich auf den zentralen Grund führt, warum mensch
Nukleartechnologie in so wenigen Händen wie möglich haben will: Sie ist
ein riesiger Hebel. Es gibt fast nichts anderes, mit dem ein einzelner,
entschlossener Mensch eine Million andere Menschen umbringen kann. Ein
Kilo Plutonium-239, geeignet verteilt, reicht jedenfalls mal, um die
alle ordentlich zu verstahlen (nämlich den Jahres-Grenzwert für die
Inhalation von α-Strahlern um einen Faktor 25 zu überschreiten).
Ein paar Kilo Uran-232 (wie es sich aus Thorium-Brütern – und die braucht
es von den Rohstoffreserven her, wenn der Kram eine Rolle bei der
Gesamtenergieversorgung spielen soll – gewinnen lässt) reichen für eine
richtige Bombe, die mechanisch so einfach ist, dass sie einE
entschiedeneR BastlerIn hinkriegen kann. Dieser Hebel ist übrigens
nicht nur für sich problematisch; er ist auch der Grund, warum ein Staat
in Gegenwart verbreiteter Nukleartechnologie praktisch autoritär werden
muss (vgl. Robert Jungks Atomstaat [2]), einfach weil er den Hebel
so intensiv bewachen muss.
Allein wegen dieses riesigen Hebels und der Tatsache, dass Leute auch
ohne den gegenwärtigen Modetrend Faschismus immer mal wieder
durchknallen will mensch hohe Neutronendichten nicht im Zugriff vieler
Menschen haben. Und das heißt: AKWs im breiten, kommerziellen Einsatz
[3] sind ein Rezept für Massenmord und autoritäre Staaten.
Es gibt eigentlich nur eine Technologie, die einen noch größeren Hebel
hat: Das ist DNA-Basteln. Mir schaudert vor der Zeit, in der die Leute,
die heute Erpressungstrojaner schreiben, die Übertragbarkeit von
Windpocken mit der Tödlichkeit der Masernfamilie zusammenprogrammieren
und das Ergebnis mit DNA-Druckern und Bioreaktoren in diese Welt bringen
können.
Höchst lesenswertes Buch in diesem Zusammenhang:
Hilgartner, S, Bell, R.C., O'Connor, R.: Nukespeak – the selling of
nuclear technology in America, Penguin Books 1982. Gibts leider
nicht in der Imperial Library, aber dann und wann noch antiquarisch.
Wer findet, dass ich hier defensiv klinge: Ja, na ja, ganz ohne
erbrütete Radionuklide müssten wir die ganzen
Nuklearmedizinabteilungen dichtmachen, und das wäre zumindest in
Einzelfällen schon schade. Vielleicht reichen für sowas
Spallationsquellen, aber wenn nicht: zwei, drei kleine Reaktoren
weltweit wären jedenfalls genug; viel mehr ist es auch heute nicht,
was den Krankenhausbedarf an wilden Isotopen deckt.
Als ich gestern endlich mal die autoritäre Versuchung in einiger
Breite diskutiert habe, war eines der Argumente gegen die bequeme Lösung
von Konflikten mit Zwang und Gewalt, dass diese Lösungen zwar manchmal
den erwünschten Effekt haben, aber in der Regel auch ziemlich
haarsträubende Nebenwirkungen.
Hydrilla-Pflanzen in einem Foto vom US Geological Survey.
Dazu ist mir heute in einem Beitrag zu Forschung aktuell vom 26. März
ein relativ exotisches Beispiel untergekommen, allerdings ziemlich weit
ab von den sozialen Konflikten, über die ich gestern vor allem
geschrieben habe. Es ging in der Sendung um ein aktuelles
Science-Paper von Steffen Breinlinger, Tabitha Phillips und
KollegInnen (DOI 10.1126/science.aax9050). Die Leute haben
untersucht, warum ab Mitte der 1990er in bestimmten Gebieten der
südlichen USA eine deutliche Übersterblichkeit von Weißkopf-Seeadlern
und, bei näherem Hinsehen, entlang ganzer Nahrungsketten in und über
Süßwasserseen auftrat.
Zunächst war schon vor der Arbeit eine Korrelation der toten Vögel
mit der Besiedlung von Seen durch Hydrilla (eine dort vom Menschen vor
relativ kurzer Zeit aus der alten Welt eingeführte Wasserpflanze)
aufgefallen, genauer durch Hydrilla und ein Cyanobakterium, das auf
dieser haust. Das Weitere hatte etwas von einer Sherlock
Holmes-Geschichte, denn Nachzucht und Verfütterung des Cyanobakteriums
waren ein Haufen Arbeit – und führten zu nichts: Tiere, die den
Hydrilla-Cyanobakterien-Cocktail verzehrten, fühlten sich prima.
Erst mit echtem Pamp aus den todbringenden Seen erkannten die
WissenschaftlerInnen, dass das Problem nicht das Cyanobakterium an sich
war, sondern im Wesentlichen die Fähigkeit von Hydrilla, Brom
anzureichern; erst mit wenigstens etwas Kaliumbromid im Wasser und
Hydrilla zur Bromid-Anreicherung wurden die Cyanobaktierien giftig.
Damit stellt sich die Frage, woher die Bromide in der freien Natur
kommen. Und da kommen wir zu den autoritären Lösungen. Hydrilla ist
invasiv, breitet sich also ziemlich stark aus, seit jemand mal sein
Aquarium in einen See gekippt und die Pflanze so in die Gewässer der
südlichen USA gebracht hat. Um der Ausbreitung Herr zu werden, wurde
wohl teils auf Herbizide zurückgegriffen, die bromierte
Kohlenwasserstoffe enthielten.
Tja: Da hat wohl wer einer autoritären Versuchung nachgegeben und die
einfache Lösung gesucht durch, na ja, das nächste Aquivalent zu Gewalt
an Pflanzen. Vermutlich hat das nicht mal besonders gut gegen Hydrilla
geholfen – es muss ja noch genug davon gegeben haben, dass Tiere durch
Abweiden (bzw. Fressen der Abweidenden) das Cyanobakterien-Gift
anreichen konnten. Aber plausiblerweise hat das Herbizid, die „Lösung“,
am Schluss die Seeadler (und Eulen und Milane) umgebracht.
Der Fairness halber: Vielleicht wars auch gar nichts in der Richtung.
Brom könnte auch aus weggeworfenem Kram mit Flammschutzmitteln (das
waren traditionell halogenierte Kohlenwasserstoffe) oder aus der
Reinigung von Abgasen der Kohleverstromung kommen. Und klar, es gibt
auch natürliche Vorkommen von Bromverbindungen. So ist das halt mit
Wissenschaft: Richtig eindeutige Antworten brauchen lange Zeit.
Ich werde bestimmt nicht wie Joachim Stamp von „am meisten leiden“
reden, aber ich habe gerade schon ein gewisses Déjà Vu. So, wie 1999
(mit einiger Vorbereitung beim zweiten Golfkrieg 1991) allerlei
ehemalige Pazifist_innen auf einmal bestimmte Reste von Jugoslawien
bombardieren wollten, tun sich im Zeichen der Coronaprävention viele
Menschen mit linkem Hintergrund durch die Forderung nach besonders
drakonischem staatlichen Durchgriff hervor.
Ich glaube, halbwegs zu verstehen, was diese Leute treibt; es ist die
autoritäre Versuchung, die schon in meiner Locke-Apologie aufgetaucht
ist.
Die autoritäre Versuchung ergibt sich mit schöner Regelmäßigkeit, wenn
Menschen, Gruppen oder auch mal Werte in Konflikt kommen. Es gibt dann,
ganz schematisch, zwei Möglichkeiten: Entweder, mensch versucht, den
Konflikt zu verringern, die Interessen auszugleichen, oft auch mal,
Irrtümer geduldig zu klären („Verhandlungsoption“). Oder
mensch unterdrückt den Konflikt, indem die (zumindest in
Selbstwahrnehmung) mächtigere Seite die weniger mächtige Seite durch
Drohung oder unmittelbare Gewalt zum Einwilligen zwingt
(„Nötigungsoption“).
So beschrieben, wird wohl jede_r sagen, mensch solle doch die
Verhandlungsoption nehmen. In Wahrheit ist die aber viel Arbeit, mensch
muss mit Menschen reden, die weniger Macht und/oder Ressourcen haben als
mensch selbst und, wenns ganz blöd kommt, noch ein paar Schritte auf
deren Positionen zu machen. Das lästig und dauert.
Wer auf Nötigungsoption setzt, hat hingegen häufig schnell Erfolg und
muss die eigene Position nicht überdenken. Und: mensch hat ganz klar
was Handfestes getan, was nicht zuletzt gut aussehen kann (wenn die
Zuschauer_innen auch der autoritären Versuchung erlegen sind). Diese
Perspektive auf schnelle, vorzeigbare und einfache „Lösungen“ macht die
autoritäre Versuchung aus.
Und die Versuchung ist stark, um so stärker, je weniger die andere
Konfliktpartei als aus individuellen Menschen zusammengesetzt scheint.
Ein paar Beispiele (ich könnte die Liste fast beliebig verlängern):
„Terroristen“ werden mit weit mehr „bekämpft“ als die Menschenrechte
hergeben (was immerhin dann und wann Unterhaltungswert hat).
„Soziale Brennpunkte“ bekommen Kameras und extra Polizei (die Kamera
mit ihrem panoptischen Potenzial ist überhaupt immer ein guter
Hinweis darauf, dass autoritären Versuchungen nachgegeben wurde).
Um arme Menschen, die sich in Bahnhöfen betrinken, kümmern sich
„Sicherheitsleute“ (deren Auftreten ist ein ähnlich guter Indikator
wie Kameras).
Wenn viele Leute lieber keine Atomkraftwerke am Laufen hätten,
prügelt die Polizei die Atommülltransporte schon durch.
Die ganze Organisation unserer Produktion basiert immer noch auf der
Drohung mit Hunger und Obdachlosigkeit.
Angesichts dieser Alltäglichkeiten ist die Frage, warum mensch der
autoritären Versuchung nicht nachgeben sollte, naheliegend.
Die richtige Antwort könnte sich auf Kant berufen: anderen mit Zwang
begegnen macht diese zu Mitteln eines eigenen Zwecks und ziemt sich
deshalb nicht. Klar ist es etwas gewagt, antiautoritäre Lehren
ausgerechnet auf den alten Preußen Kant zurückzuführen, aber doch, die
Sorte von Freundlichkeit, die aus seiner Menschheitszweckformel folgt,
führt da ebenso hin wie das viel simplere RiwaFiw.
Es gibt aber auch einen pragmatischen, wegen mir utilitaristischen
Grund: autoritärer Umgang funktioniert meistens nicht, jedenfalls nicht
so, wie sich die Machthaber_innen das vorstellen – und wenn er
funktioniert, hat er meist Nebenwirkungen, die auch diese nicht wollen.
Sehen wir uns die Beispiele von oben an:
Sobald die Leute an den Elementen des Zwangs (also den Prüfungen)
vorbei sind, vergessen sie alles; und auch davor verwenden sie viel
mehr Mühe darauf, den Überwachungsmaßnahmen zu entkommen bzw. sie zu
unterlaufen als darauf, irgendetwas herauszubekommen oder zu
verstehen [1].
Die Bekämpfung des „Terrorismus“ der letzten 30 Jahre hat ganze Länder
verwüstet, die Menschenrechte im Westen gerupft – und doch wachsen
die die „Terrorlisten“ von EU, UN und USA stetig, müssen immer neue
Menschenrechte der „Terrorbekämpfung“ geopfert werden.
Manchmal „befrieden“ Kameras wirklich einen Platz (oft genug auch
nicht) – aber dann geht das unerwünschte Treiben halt ein, zwei Ecken
weiter von Neuem los. Zu dem Thema empfiehlt sich insbesondere ein
Vergleich zu Kriminalität und Sicherheitsempfinden im Vergleich
zwischen BRD (die immer noch eine relativ geringe Kameralast hat) und
dem UK, speziell England (das in der Hinsicht nur noch als Karikatur
durchgeht).
Vielleicht stinkts am Bahnhof nicht mehr so, aber dann erfrieren die
Leute halt.
Nun, die AKWs haben sie am Laufen gehalten. So Kram geht schon
autoritär, ja.
Weil ja die Leute „arbeiten müssen“, aber ihr Konsum nicht beliebig
steigen kann, sorgt wachsende Produktivität für immer mehr Bullshit
Jobs (also: Arbeit, die dem Rest der Gesellschaft eher schadet) –
oder Leute lassen sich bezahlen für Kram, den sie so ähnlich ohnehin
tun würden, ohne dass er irgendwen füttern oder behausen würde (und
ich bin sehr dankbar, dass ich zur zweiten Kategoie gehören darf).
Ganz besonders augenfällig ist das Versagen autoritärer Methoden
natürlich im militärischen Bereich. Zwischen Balkan und
Afghanistan haben all die „Einsätze“ deutschen (oder anderen) Militärs
kein erkennbares Problem gelöst, aber viele neue Probleme geschaffen.
Deshalb: Sag nein zur autoritären Versuchung. Mit den „Anderen“ reden,
versuchen, ihre Handlungsweisen zu verstehen: Ja, das ist anstrengender,
aber es ist richtet im Normalfall viel weniger Schaden an, funktioniert
häufig besser, und es ist, was Kant undEmma Goldmann euch
empfohlen hätten. Wer könnte so einer Koalition widerstehen?
Oh, und: Klar will mensch jetzt gerade Kontakte reduzieren. Aber wenn
es gegenwärtig wirklich so sein sollte, dass sich haufenweise Leute des Nachts
bei Treffen anstecken und das nennenswert zur Ausbreitung von SARS 2
beiträgt, dann dürften das wohl Leute sein, die die Ausgangssperre auch
umgangen kriegen. Das gesetzt, wäre es dann wirksamer, herauszufinden,
warum diese Leute so einer drastischen Fehleinschätzung bezüglich des
eigenen und fremden Risikos unterliegen – oder warum ihnen das einfach
wurst ist und wie mensch ihnen wieder aus ihrer zynischen Verzweiflung
helfen kann, wenn es so sein sollte.
Gut: diese Argumentation steht und fällt mit dem Konzept,
Zweck der Schule sei, etwas zu lernen. Das ist ziemlich sicher so
nicht richtig, aber weil alle so tun, als stimme es, kann ich das in
mich da erstmal anschließen.
Als ich neulich meine Weisheit loswurde, nach der Radikalität wichtig,
aber Freundlichkeit wichtiger ist, habe als eine der wichtigen
Ausnahmen von „in gesellschaftlichen Fragen bitte nicht zu konsequent“
das Folterverbot genannt – und ich glaube wirklich, dass das unbedingt
gelten muss. Aktuelle Illustration: der Taser.
Elektroschocks sind eine extrem populäre Foltermethode, und Taser sind
schlicht Maschinen, um diese kompakt und schnell verabreichen zu können.
Punkt. Klar kann es sein, dass mensch als Polizist_in in Situationen
kommen mag, in denen Gewalt legitim erscheinen mag. Aber das ist
keine hinreichende Rechtfertigung für Folter, genauso wie es, sagen wir,
entführte Kinder nicht sind. Rechtfertige Folter in einem Fall, und
du bist auf dem klassischen slippery slope: Es wird sich immer noch eine
weiterer Fall finden, in dem Folter auch ok, am Schluss gar moralisch
geboten ist. Es gibt wirklich genug andere Sorten von Gewalt, die
mensch als Polizist_in anwenden kann.
Die faktische Verletzung des Folterverbots ist der eigentliche Grund,
warum mich die grausamen und tödlichen „Pilotversuche“ zu Tasern
überall in der Republik so entsetzen.
Ein weniger dramatischer Grund wird illustriert in der aktuellen
Geschichte, nach der eine Polizistin in Minneapolis mal wieder einen
Menschen aus Versehen umgepufft haben will: sie hätte sozusagen
danebengegriffen, hätte ihr Opfer nur foltern und nicht gleich töten
wollen (ok, das mit der Folter hat sie so nicht gesagt, sie bzw. der
Polizeichef hat wohl eher von „tasern“ geredet).
Mal abgesehen davon, dass ich hier guten Gewissens den Preis für die
dümmste Ausrede des Monats verleihen kann – wenn Taser wirklich
bedienungsgleich mit Polizeipistolen sind, dann müssen sich Hersteller,
Beschaffer_innen und Einsetzende Vulkanladungen von Asche aufs Haupt
streuen: Das ist genau das Problem. Die Polizistin fand ganz
offenbar, sie könne Tasern, weil das „nicht so schlimm” wie Schusswaffen
sei und so mit niedriger Schwelle angewandt werden kann. Also: sie
fand das nicht nur, sie hat einfach so gehandelt.
Genau diese Senkung der Hemmschwelle ist, weshalb Taser nicht gebaut
werden dürfen und sie schon gar nichts in den Händen von Polizist_innen
verloren haben. Sie ersetzen, jedenfalls gemäß der polizeilichen Logik
der Minneapolis-Rechtfertigung (und auch der Erfahrung von Amnesty),
keine Schusswaffen, sondern sie schaffen eine neue Klasse von scheinbar
weniger einschneidender gewaltförmiger Problembehandlung durch die
Polizei, und zu allem Überfluss noch eine, die anständige Menschen von
Folter nicht unterscheiden können.
I've upgraded my personal notebook – with a file system that has a
continuous history back to a slackware in 1996 and thus always is the
most rewarding thing to test upgrades on – to Debian bullseye today.
It's been a while since the last dist-upgrade messed up my X or rendered
a machine unbootable, but they still never fail to be exciting. This
one was no exception.
logind and systemd
The one major trouble as far as Debian proper is concerned was that the
full-upgrade pulled in systemd again (which I still can't get myself to
adopt on boxes I fiddle with a lot). This was because at some point I
had purged elogind (which doesn't do anything on this box), and both a
few KDE programs I have installed and the indispensable gparted need
policykit-1, which in turn pulls in some logind; if you don't have one,
apt will migrate you to systemd.
Well, it was easy to go back this time: Just say:
apt install elogind
apt install sysvinit-core
and all is back to normal again with the wonderful shell script goo
during system startup. Hooray for elogind! I will admit I've not
quite figured out what its actual use is, though. But that's probably
because I've never quite figured out policykit, which in turn is
probably because I think there's nothing wrong with sudo. But, as
you'll see in a second, I might be swayed.
Sure enough: Power
I'm running all kinds of interesting scripts when the machine goes
through various power states; for instance, I'm kill -STOP-ing a few
pieces of moving eye candy when the box loses grid power, and I'm
kill -CONT-ing them when the power is back. This happens through
shell scripts I've dropped into /etc/pm/power.d, from where pm-utils
has nicely been executing them for the last 10 years or so.
Alas, they didn't run any more after the upgrade. Instead, when I shut
the lid, the box would sleep right again after waking up. This last
thing was fixed quickly: Just tell elogind not to bother in
/etc/elogind/logind.conf.
That the pre-sleep and post-wakeup scripts still ran soothed my first
worry – that pm-utils might have had an RC- (release critical) bug
and dropped out of Debian. Going through pm-utils' /usr/share/doc info
made me worry again, though: the last upstream change there is from
2010, and the last Debian changelog entry is from 2019, mentioning an
open RC bug. Uh-oh. It seems I might soon need to try harder with
elogind.
But not just yet, as the trace to work this out was bug #772275 (oh
yes, the bug page for pm-utils makes we worry, too): pm-utils used to
receive the AC/Battery notification from acpi-support, and that
clearly broke in some way. At least for me, and with this upgrade.
Poking around a bit in /etc/apci didn't show an immediate hook; yes,
there's power.sh, but that gets called a lot on my box if the moon
is right (for Lenovo's crappy firmware at least), and one would need to
figure out whether or not there's grid power oneself.
So, I dug a bit deeper and noticed that ever since I've moved from
laptop-mode-tools to tlp, pm-utils were almost obsolete because tlp
actually does everything it does all without pm-utils – but it doesn't
let me run my beloved shell scripts (“by design“, its authors say).
Hence, it's not byebye to pm-utils yet.
But I like the way that tlp uses to be notified of power events:
through udev. Taking that thought a bit further so I don't have to do
any manual state management (as pm-utils doesn't have the equivalent of
tlp auto) and filter out power events for batteries (which I don't
care about), I ended up introducing two new udev rules that look
relatively generic to me:
Drop this into /etc/udev/rules.d/10local.rules (or so), and
pm-utils' power.d works again.
Another python2 grace time
But the real elephant in the room is that bullseye in effect drops
Python version 2. While this certainly does not come as a surprise, it
still hurts me a lot, because I have plenty of self-written larger or
smaller python2 programs – my audiobook-reader, my local wikipedia, my
work time accounting and a gazillion little other things. And there's
things like editmoin that haven't been ported yet either.
Well, I had hoped I could keep the buster python2 packages around,
perhaps even using the python-is-python2 package. But really, I don't
think that's an option for a halfway lively system (which will use
quite a few python3 packages). I gave up on that idea more or less as
soon as I realised that the python-docutils-common dependency (and
docutils I need left and right) will conflict between the docutils from
buster and from bullseye. Trying to keep buster packages will clearly
become incredibly fiddly.
So, instead I figured I ought to keep the legacy software alive while
finally porting it as I go along (one, my one-line CLI, I actually have
ported this morning) using a python2 “virtual” (yeah, right, virtual...)
environment.
Yes, virtual environments are evil all around, not only because their
content rots without anyone noticing; but then this is exactly about
letting things rot in a halfway controlled fashion, so I claim this is a
use case.
In case others mourn the demise of python2 in bullseye and want to go
slowly when migrating, here's what to do:
Make sure the python2 packages that still are in bullseye
are in place. This would be python2.7, python2.7-dev, and
presumably python-tk. Of course, you will want the virtualenv
package, but that's already python3.
Create the virtual environment:
virtualenv -p python2.7 ~/.legacy-python
Make it simple to use that. For that, add:
alias enable-oldpython='export PATH=~/.legacy-python/bin:$PATH'
to your .aliases (or whereever else you keep your aliases) and
exec bash in the current shell to try that out. This is when
you want want to run pip, or at any other time when you want your
python to be what's in the virtual environment.
But this won't work for hashbangs. To make that work, put a file
like:
somewhere into your path as, say, oldpython. Since I still have
some system-wide things using python2, I ended up sticking this into
/usr/local/bin. Given python2 has been out of security support
for more than a year now, I might be regretting that; on the other
hand, python's core hasn't had many security problems in the past 20
years, and so I figure I am fine. Caveat emptor, though.
Then, run pip install and/or python setup.py install to
your heart's delight. All this isn't forever, so this one time I
found myself capable of forgetting the long run, later upgrades, and
all that. Just remember: sudo and pip never mix, and they
particularly badly mix here. Oh: I actually found myself apt-get
source-ing python packages from buster and just running python
setup.py install in them because in my book that's a good deal
less obscure than pip.
Limping along with a private MoinMoin
But then came the bitter realisation: There's no moinmoin in bullseye
any more. That's a killer for at least three servers I'm operating.
And, really, looking at what the MoinMoin folks write on python3 (in
particular at its list of dependencies), I shudder in the expectation of
seeing something quite in line with my unpleasant experiences with
mailman2 happen with MoinMoin.
On my box, however, I can live with an aging service (that only
listens to localhost), and I can live with having moinmoin be a
CGI. In case these considerations (typically, for a “notes and
observations”-style wiki) apply to you as well, here's what I did to
make the legacy moinmoin run in my bullseye apache2.
First, I installed moinmoin into the “virtual” python 2.7 I created
above:
enable-oldpython # the alias above
pip install moin # no sudo!
Then I fixed the apache configuration to use that. So, I commented out the
previous MoinMoin integration and replaced it with something like:
<Directory /home/<YOUR USER NAME>/.legacy-python/share/moin/server>
AllowOverride None
Options +ExecCGI -MultiViews +SymLinksIfOwnerMatch
Require all granted
</Directory>
<Directory /home/<YOUR USER NAME>/.legacy-python/lib/python2.7/site-packages/MoinMoin/web/static/htdocs>
AllowOverride None
Require all granted
</Directory>
ScriptAlias /meiner /home/<YOUR USER NAME>/.legacy-python/share/moin/server/moin.cgi
Alias /wiki/ /home/<YOUR USER NAME>/.legacy-python/lib/python2.7/site-packages/MoinMoin/web/static/htdocs
Alias /moin_static1911 /home/<YOUR USER NAME>/.legacy-python/lib/python2.7/site-packages/MoinMoin/web/static/htdocs
Ich lese gerade recht viele der Biographien der Menschen, an die in
Heidelberg Stolpersteine erinnern, und dabei ist mir eins
ganz besonders aufgefallen: In dieser Zeit war die Ehe offenbar in der
Regel das effektive Ende des erzählenswerten Lebens einer Frau.
Während es nämlich durchaus viele bunte und schon rein vom Text her
lange Biographien unverheirateter Frauen gibt – ich erwähne hier nicht
erschöpfend Johanna Geißmar, die Schwestern Hamburger, Leeni
Preetorius oder natürlich Elise Dosenheimer –, beschränken sich die
Geschichten von verheirateten Frauen praktisch durchweg auf geboren,
geheiratet, Kinder gekriegt (oder nicht) – und dann entweder deportiert
und ermordet oder eben geflohen. Das geht so von den eher wohlhabenden
Hochherrs über die kleinbürgelichen Deutschs bis hin zu den
intellektuellen von Waldbergs und ändert sich allenfalls für die
Sozialdemokratin Käthe Seitz. Bei den meisten der Biographien ist
es eher noch ärger als bei diesen Beispielen.
Nun ist es wahrscheinlich, dass in dem Befund etwas historigraphischer
Bias reflektiert ist (also: Was wird überliefert?). Andererseits hat
eine Ehe die Möglichkeiten von Frauen tatsächlich drastisch
eingeschränkt, bis hin zu Trivialitäten wie einer Kontoeröffnung, und
die praktische Erwartung war wohl in aller Regel, dass sie in ihren
ehelichen Pflichten aufgingen.
Was mich daran gerade wirklich verblüfft: Gemäß praktisch der gesamten
Literatur (in der es wenig Schlimmeres zu geben scheint als „alte
Jungfer“ zu werden) und auch anekdotischer Überlieferung war die Heirat,
die „gute Partie“ wesentlichstes Lebensziel der breiten Mehrheit der
Frauen von damals. Klar, auch da dürfte die Geschichtsschreibung etwas
verzerren. Ganz gegen die tatsächlichen Erzählungen von damals
dürfte sie aber nicht stehen.
Doch wahrscheinlich sollte ich mich nicht sehr wundern. Denn auch
heute gibt es offenbar einen relativ breiten gesellschaftlichen Konsens
für Dinge, die ganz offenbar im Konflikt mit den Interessen der
allermeisten Mitglieder des Gesellschaft stehen: Autopolitik natürlich
(will eigentlich wirklich irgendwer täglich Stunden in einem stinkenden
Blechkäfig verbringen und endlos Krach machen?), oder die Privatisierung
der Rentenversicherung (die für eine deutlich ungleichere Verteilung des
für Alte bereitgestellten gesellschaftlichen Reichtums und ansonsten
über Quatsch-Investments der Rentenfonds noch für Shopping-Malls überall
sorgt), oder halt den ganz fundamentalen Wahnsinn, bei dem der Abbau von
Arbeitsplätzen („weniger Leute müssen ihre Zeit mit Zeug verbringen, den
sie gar nicht tun wollen“) als gesellschaftliche Katastrophe empfunden
wird.
Oh, falls das nicht offensichtlich ist: Klar kann es eine persönliche
Katastrophe sein, gefeuert zu werden. Solange aber vorher und nachher
gleich viel hergestellt wird, gilt das nur, weil wir die Warenverteilung
an Lohnarbeit gekoppelt haben, und das ist eine Wahl, die wir als
Gesellschaft auch anders vornehmen können. Und sollten, in Zeiten, in
denen die Produktion so wenig Arbeit braucht, dass, wie David Graeber so
treffend beobachtet, Bullshit Jobs die Regel geworden sind.
Seit einiger Zeit blättere ich öfter mal in Shoshana Zuboffs Age of
Surveillence Capitalism und finde es immer wieder nützlich und
gleichzeitig verkehrt. Dazu will ich etwas mehr schreiben, wenn ich
es ganz gelesen habe, aber jetzt gerade hat mich ihr Generalangriff auf
den Behaviorismus – auch der gleichzeitig richtig und falsch – wieder
an einen Gedanken aus Bertrand Russells A History of Western
Philosophy erinnert, der mich immer wieder beschäftigt – und den ich
sehr profund finde. Im Groben: „In politischen Theorien ist
Menschlichkeit wichtiger als Stringenz”. Oder: das „worse is better“
der Unix-Philosophie, das mensch trefflich kritisieren kann, ist
zumindest fürs politische Denken in der Regel angemessen.
Was ist eigentlich eine Menge?
Gegenstück zu worse is better: Eine LISP-Maschine im MIT-Museum.
Dabei konnte Russell beeindruckend stringent denken, etwa auf den paar
hundert Seiten, die er in den Principia Mathematica füllte, um sich
der Richtigkeit von 1+1=2 zu versichern.
Oder auch in der Russell'schen Antinomie, die ich in meinen
Einführungsvorlesungen in die formalen Grundlagen der Linguisitk immer
zur Warnung vor der naiven Mengendefinition – eine Menge sei ein Haufen
von „Objekten unserer Anschauung oder unseres Denkens“ – gebracht habe.
Wäre diese Definition nämlich ok, müsste es auch die Menge aller
Mengen geben, die sich nicht selbst enthalten. Nennen wir sie mal Ξ
(ich finde, das große Xi ist in Mathematik und Physik deutlich
unterverwendet). Die wesentliche Frage, die mensch einer Menge stellen
kann ist: Ist irgendwas in dir drin, also: „x ∈ Ξ“?
Und damit kommt Russells geniale Frage: Ist Ξ ∈ Ξ oder nicht? Schauen
wir mal:
Wenn Ξ ∈ Ξ gälte, enthält Ξ sich selbst, ist also nicht in der Mengen
aller Mengen, die sich nicht selbst enthalten, entgegen der Annahme in
diesem Spiegelstrich.
Ist aber Ξ ∉ Ξ, so enthält sich Ξ nicht selbst, wäre es also in der
Menge aller Mengen, die sich nicht selbst enthalten und müsste sich
also selbst enthalten. Passt wieder nicht.
Brilliant, oder? Die Lösung dieser „Russell'schen Antinomie“ ist
übrigens, sich bei der Definition von „Menge“ etwas mehr Mühe zu
geben.
Wer das nachvollzogen hat, wird wohl die Weisheit von Russells
Entscheidung erkennen, nach den Principia Mathematica eher
konventionelle Philosophie zu betreiben. In diesem Rahmen hat er 1945
seine überaus lesbare Darstellung der „westlichen“ Philosophie
veröffentlicht, in der er sich deutlich als Fan von John Locke outet, den
„apostle of the Revolution of 1688, the most moderate and the most
successful of all revolutions“, erfolgreichst, denn „no
subsequent revolution has hitherto been found necessary in England.“
Über das „found necessary“ könnte mensch angesichts des Elends, das
noch in den Werken von George Orwell – geschrieben, während Russell in
den 1940ern an seiner History arbeitete – deutlich wird, sicher
streiten, aber vielleicht ist das durch „most moderate“ noch hinreichend
abgedeckt.
Vernünftig vs. Widerspruchsfrei in der politischen Doktrin
Viel wichtiger ist mir aber Russells Beobachtung: „Pragmatically, the
theory was useful, however mistaken it may have been theoretically. This
is typical of Locke's doctrines.“ Etwas später sagt er: „No one has yet
succeeded in inventing a philosophy at once credible and
self-consistent. Locke aimed at credibility, and achieved it at the
expense of consistency. Most of the great philosophers have done the
opposite.“
Also in etwa: in der Philosophie – und da würde ich etwas hinter Russell
zurückgehen wollen und sagen: Politik und Soziologie – gibt es nicht
gleichzeitig „glaubwürdig“ (sagen wir lieber: menschlich) und
widerspruchsfrei. Ich glaube, Russell kam zu diesem desillusionierten
Einsichten aus Enttäuschung mit der russischen Revolution, deren
Scheitern, jedenfalls im Sinne von Freiheit, Gleichheit und
Solidarität für die Bürger_innen der Sowjetunion, er wahrscheinlich mit
übermäßiger ideologischer Strenge erklärte; jedenfalls führte er
Lockes gedankliche Geschmeidigkeit zurück auf dessen Erfahrungen des
britischen Bürgerkriegs der 1640er Jahre.
Immer wieder spottet Russell freundlich über Lockes, nun, Liberalität,
so etwa, wenn Hume einen schlimmen Irrtum beging, weil er „a better
intellect than Locke's, a greater acuteness in analysis, and a smaller
capacity for accepting comfortable inconsistencies“ hat. Oder wenn er
Lockes Methode so umschreibt:
[Er ist] always willing to sacrifice logic rather than become
paradoxical. He enunciates general principles which, as the reader can
hardly fail to perceive, are capable of leading to strange
consequences; but whenever the strange consequences seem about to
appear, Locke blandly refrains from drawing them. To a logician this
is irritating; to a practical man, it is a proof of sound judgement.
Was ich daraus mache: Wenn du über die Gesellschaft nachdenkst und du
kommst auf Menschenfresserei, müssen deine Ausgangsgedanken nicht
unbedingt Quatsch sein – das kann schon mal passieren, wenn ein Haufen
Leute sich streiten. Du solltest aber trotzdem nicht Menschenfresser_in
werden.
Freundlichkeit vs. Radikalität in der politischen Praxis
Eine derzeit ganz naheliegende Anwendung: So sehr es scheiße ist, wenn
Leute an eigentlich vermeidbaren Krankheiten sterben: Die autoritäre
Fantasie, einfach alle einzusperren, bis die SARS-2-Pandemie vorbei ist,
ist schon deshalb nicht menschenfreundlich, weil so ein Präzedenzfall
zu inflationären Forderungen nach ähnlich autoritären Maßnahmen führen
wird (alles andere mal beiseitegelassen). Umgekehrt führt das
unbedingte Bestehen auf Grundrechten wie Freizügigkeit, die
Zurückweisung staatlicher Autorität, auch wo diese nicht immer so
richtig wissenschaftlich unterfüttert ist, zu einem schlimmen Gemetzel.
Es bleibt, sich da irgendwie durchzumogeln (und das, ich gebs immer noch
nicht gerne zu, hat die Regierung recht ordentlich gemacht), und das
ist wohl, was was Russell an Locke mag.
Also: Im realen Umgang mit Menschen ist Freundlichkeit oft wichtiger als
Konsequenz. Dass Russell, obwohl er fast jeden Gedanken von Locke
widerlegt, seine gesamte Lehre sehr wohlwollend betrachtet, ist eine
sozusagen rekursive Anwendung dieses Prinzips.
Leider, und da kommen wir beinahe auf die Russell'sche Antinomie zurück,
bin ich aber überzeugt, dass auch die Mahnung, es mit den Prinzipien
nicht zu
weit zu treiben, dieser Mahnung selbst unterliegt. Folterverbot oder
Ausschluss der Todesstrafe etwa würde ich gerne unverhandelbar sehen.
Locke hätte mit dieser fast-paradoxen Selbstanwendung von
Nicht-Doktrinen auf Nicht-Doktrinen bestimmt keine Probleme gehabt. Bei
mir bin ich mir noch nicht ganz sicher.
Aber ich versuche, Zuboff mit der Sorte von Wohlwollen zu lesen, die
Russell für Locke hatte.
Nachtrag (2021-04-10)
Weil ich gerade über irgendeinen Twitter-Aktivismus nachdenken
musste (bei dem jedenfalls für mein Verständnis allzu oft gute Absichten
zu böser Tat werden), ist mir aufgefallen, dass meine
Russell-Interpretation eigentlich zusammenzufassen ist mit: „Radikalität
ist wichtig, aber Freundlichkeit ist wichtiger“. Das hat mir auf Anhieb
gefallen, weshalb ich es auch gleich als TL;DR über den Artikel gesetzt
habe.
Dann habe ich geschaut, ob duckduckgo diesen Satz kennt.
Erstaunlicherweise nein. Auch bei google: Fehlanzeige. Ha!
Und je mehr ich darüber nachdenke, gerade auch im Hinblick auf ein paar
Jahrzehnte linker Politik: RiwaFiw hätte vieles besser gemacht, und,
soweit ich sehen kann, fast nichts schlechter.
„Jetzt ist aber wirklich höchste Zeit, dass Corona endlich mal weggeht“
ist inzwischen ein universelles Sentiment, und auch mich lockt
gelegentlich die autoritäre Versuchung, einen „harten Lockdown“ zu
wünschen, damit das Ding weggeht (was es natürlich nicht täte). Der
Hass auf SARS-2 steigt, und damit womöglich auf Viren allgemein.
In der Tat scheinen Viren erstmal richtig doof, eklig und widerwärtig.
Wie scheiße ist das eigentlich, sich von den Zellen vertrauensvoll
aufnehmen zu lassen und dann den Laden zu übernehmen mit dem
einzigen Ziel, neues Virus zu machen? Und dann die Ähnlichkeit von z.B.
der T2-Bakteriophage mit Invasoren vom Mars...
Andererseits bin ich überzeugt, dass eine gewisse Anfälligkeit gegen
Viren wahrscheinlich ein evolutionärer Vorteil ist. Da gibts bestimmt
jede Menge echte Wissenschaft dazu, aber ich denke, eine einfache
Intiution geht auch ohne: Praktisch alle Viren nämlich wirken nur auf
kurze Distanz in Zeit und Raum (verglichen etwa mit Pflanzenpollen, aber
sogar mit vielen Bakterien), werden also im Wesentlichen bei Begegnungen
übertragen. Da die Wahrscheinlichkeit von Begegnungen mit dem Quadrat
der Bevölkerungsdichte geht, sollten Viren explodierende Populationen
„weicher“ begrenzen als leergefressene Ressourcen und so wahrscheinlich
katastrophalen Aussterbeereignissen vorbeugen.
Vorneweg: Ja, das klingt alles erstmal wild nach Thomas Malthus.
Dessen Rechtfertigung massenhaften Sterbenlassens ist natürlich
unakzeptabel (ebenso allerdings wie das fortgesetzte Weggucken von den
Meadows-Prognosen, die in der Regel auch katastrophale Zusammenbrüche
erwarten lassen).
Dies aber nicht, weil falsch wäre, dass in endlichen Systemen der
Ressourcengebrauch nicht endlos steigen kann; das ist nahe an einer
Tautologie. Nein, Malthus' Fehler ist der der Soziobiologie, nämlich
menschliche Gesellschaft und menschliches Verhalten an Funktionsweisen
der Natur auszurichten. Wer das will, wird recht notwendig zum
Schlächter, während umgekehrt die Geschichte der letzten 100 Jahre
überdeutlich zeigt, wie (sagen wir) Wachstumszwänge diverser Art durch
mehr Bildung, mehr Gleichheit und vor allem durch reproduktive
Selbstbestimmung von Frauen ganz ohne Blutbad und unter deutlicher
Hebung der generellen Wohlfahrt zu beseitigen sind.
Bei Kaninchen ist das aber, da muss ich mich leider etwas als Speziezist
outen, anders. Und daher habe ich mir Modellkaninchen für ein weiteres
meiner Computerexperimente herausgesucht, ganz analog zu den Schurken
und Engeln.
Die Fragestellung ist: Werden Ausschläge in Populationen wirklich
weniger wild, wenn Viren (also irgendwas, das Individuen nach
Begegnungen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit umbringt) im Spiel
sind?
Um das zu untersuchen, baue ich mir eine Spielwelt (wer mag, kann auch
„modifiziertes Lotka-Volterra-Modell“ dazu sagen) wie folgt:
Es gibt 1000 Felder, auf denen Gras wachsen kann oder nicht.
In der Welt leben Kaninchen, die pro Periode ein Grasfeld leerfressen
müssen, damit sie glücklich sind.
Haben Kaninchen mehr Gras als sie brauchen, vermehren sie sich, und
zwar um so mehr, je mehr Extrafutter sie haben (so machen das
zumindest Rehe).
Haben Kaninchen zu wenig Gras, sterben ein paar.
In jeder Periode verdoppelt sich die Zahl der Grasfelder (sagen wir: durch
Aussaat), bis alle 1000 Felder voll sind.
In Code sieht die Berechnung der Vermehrungsrate der Kaninchen so aus:
Wer den Verlauf der Vermehrungsrate mit dem Gras/Kaninchenverhältnis
γ auf der Abszisse sehen will:
Um dieses Modell zu rechnen, habe ich ein kleines Python-Programm
geschrieben, lv.py, das, mit anfänglichen Zahlen von Gras und
Kaninchen aufgerufen, den Verlauf der jeweiligen Populationen im Modell
ausgibt (nachdem es die Anfangsbedingungen etwas rausevolvieren hat
lassen).
Wie bei dieser Sorte von Modell zu erwarten, schwanken die Populationen
ziemlich (außer im Fixpunkt Kaninchen=Gras). So sieht das z.B. für
python3 lv.py 400 410 (also: anfänglich ziemlich nah am
Gleichgewicht) aus:
Das sieht nicht viel anders aus, wenn ich mit einem Kaninchen-Überschuss
anfange (python3 lv.py 400 800):
oder mit einem Gras-Paradies (python3 lv.py 800 150):
Aus Modellsicht ist das schon mal fein: Recht unabhängig von den
Anfangsbedingungen (solange sie im Rahmen bleiben) kommen zwar
verschiedene, aber qualitativ doch recht ähnliche Dinge raus: die
Kaninchenpopulationen liegen so zwischen 250 und 600 – im anfänglichen
Gras-Paradies auch mal etwas weiter auseinander – und schwanken wild von
Schritt zu Schritt.
Jetzt baue ich einen Virus dazu. Im lv.py geht das durch Erben vom
LV-Modell, was auf die LVWithVirus-Klasse führt. Diese hat einen
zusätzlichen Parameter, deadliness, der grob sagt, wie
wahrscheinlich es ist, dass ein Kaninchen nach einer Begegnung mit einem
anderen Kaninchen stirbt. Die Mathematik in der propagate-Methode,
würde etwa einem Bau entsprechen, in dem sich alle Kaninchen ein Mal
pro Periode sehen. Das ist jetzt sicher kein gutes Modell für
irgendwas, aber es würde mich sehr überraschen, wenn die Details der
Krankheitsmodellierung viel an den qualitativen Ergebnissen ändern
würden. Wichtig dürfte nur sein, dass die Todesrate irgendwie
überlinear mit der Population geht.
lv.py lässt das Modell mit Virus laufen, wenn es ein drittes
Argument, also die Tödlichkeit, bekommt. Allzu tödliche Viren löschen die
Population aus (python3 lv.py 800 150 0.05):
Zu harmlose Viren ändern das Verhalten nicht nennenswert
(python3 lv.py 800 150 1e-6):
Interessant wird es dazwischen, zum Beispiel python3 lv.py 800 150
2.1e-4 (also: rund jede fünftausendste Begegnung bringt ein Kaninchen um):
– wer an die Beschriftung der Ordinate schaut, wird feststellen, dass
die Schwankungen tatsächlich (relativ) kleiner geworden sind.
Das Virus wirkt offenbar wirklich regularisierend.
Wir befinden uns aber im Traditionsgebiet der Chaostheorie, und so
überrascht nicht, dass es Bereiche der Tödlichkeit gibt, in denen
plötzlich eine starke Abhängigkeit von den Anfangsbedingungen entsteht
und sich die Verhältnisse weit in die Entwicklung rein nochmal
grundsätzlich ändern können („nicht-ergodisch“). So etwa python3
lv.py 802 300 0.0012:
gegen python3 lv.py 803 300 0.0012:
Ein Kaninchen weniger am Anfang macht hundert Schritte später plötzlich
so ein gedrängeltes, langsames Wachstum.
Warum ich gerade bei 0.0012 geschaut habe? Nun ich wollte einen
Überblick über das Verhalten bei verschiedenen Tödlichkeiten und habe
darum stability_by_deadliness.py geschrieben, das einfach ein paar
interessante Tödlichkeiten durchprobiert und dann die relative
Schwankung (in Wirklichkeit: Standardabweichung durch Mittelwert) und
den Mittelwert der Population über der Virustödlichkeit aufträgt:
– das sieht sehr gut aus für meine These: Mit wachsender Tödlichkeit
des Virus nimmt die relative Streuung der Population ab, irgendwann
allerdings auch die Population selbst. Ganz links im Graphen gehts
durcheinander, weil sich dort chaotisches Systemverhalten mit kleinen
Zahlen tifft, und dazwischen scheint es noch ein, zwei Phasenübergänge
zu geben.
Leider ist dieses Bild nicht wirklich robust. Wenn ich z.B. die
Anfangsbedingungen auf 600 Gras und 250 Kaninchen ändere, kommt sowas
raus:
– die meisten der Effekte, die mich gefreut haben, sind schwach oder gar
ganz weg – wohlgemerkt, ohne Modelländerung, nur, weil ich zwei
(letztlich) Zufallszahlen geändert habe.
Mit etwas Buddeln findet mensch auch das Umgekehrte: wer immer mit 170
Gras und 760 Kaninchen anfängt, bekommt einen Bereich, in dem die
Populationen mit Virus größer sind als ohne, während gleichzeitig die
relative Schwankung nur noch halb so groß ist wie ohne Virus.
Dazwischen liegt ein 1a Phasenübergang:
Mensch ahnt: da steckt viel Rauschen drin, und auf der anderen Seite
höchst stabiles Verhalten, wo mensch es vielleicht nicht erwarten würde
(bei den hohen Tödlichkeiten und mithin kleinen Zahlen). Wissenschaft
wäre jetzt, das systematisch anzusehen (a.k.a. „Arbeit“). Das aber ist
für sehr ähnliche Modelle garantiert schon etliche Male gemacht worden,
so dass der wirklich erste Schritt im Jahr 51 nach PDP-11 erstmal
Literatur-Recherche wäre.
Dazu bin ich natürlich zu faul – das hier ist ja nicht mein Job.
Aber das kleine Spiel hat meine Ahnung – Viren stabilisieren Ökosysteme
– weit genug gestützt, dass ich weiter dran glauben kann. Und doch wäre
ich ein wenig neugierig, was die Dynamische-Systeme-Leute an harter
Wissenschaft zum Thema zu bieten haben. Einsendungen?
Ich mache die Kasse unserer Selbsthilfe-Fahrradwerkstatt URRmEL schon
länger als ich mir das eingestehen will. Etwas vergleichbar Absurdes
wie heute jedoch habe ich in dieser Eigenschaft noch nicht erlebt:
13,01 Euro für die Hochzeit von Terrorquatsch und Privatisierungswahn.
Genauer hat der Bundesanzeiger-Verlag dem Verein vor einer Weile eine
Rechnung geschickt, und da ich zu Coronazeiten nicht sehr oft zu unserem
Postfach komme, habe ich das erst heute gesehen:
Zunächst hatte ich ja an eine mäßig gelungene Bauernfängerei gedacht,
aber es stellt sich raus: Das Transparenzregister gibt es wirklich. Es
ist im Zuge des Sicherheitsgesetz-Tsunamis 2017 zusammen mit
Netzwerkdurchsetzungsgesetz, Videoüberwachungsverbesserungsgesetz, dem
„Bullenschubsparagraphen“ 114 StGB und noch einem runden Dutzend weiterer
schlecht gemachter Gesetze zur Einschränkung von Bürgerrechten durch den
Bundestag gerutscht.
Wir wirklich will, kann sich diesen spezifischen Unsinn bei der
Wikipedia erklären lassen. Aber viel mehr als die Umschreibung
„Terrorquatsch heiratet Privatisierungswahn“ von oben braucht mensch
dazu eigentlich nicht zu wissen: Er ist wahrscheinlich immerhin nicht
sehr schädlich, jedenfalls verglichen mit den anderen Gesetzen dieses
Jahrgangs.
Exkurs: „Terrorismus“ als Antisprache
Das Wort „Terrorismus“, diese Gelegenheit kann ich mir nach der Vorlage
neulich nicht entgehen lassen[1], ist natürlich destillierte
Antisprache, also Sprache, die Informationen verstecken und nicht
transportieren will. „Terrorismus“ hat nämlich aus Sicht der Obrigkeit
schon immer bedeutet: „wir dürfen auf andere Leute schießen, weil
hinreichend viele von unseren Leuten die hassen“. Nicht mehr und nicht
weniger.
Das ist die Bedeutung des Wortes für die Putschisten in Myanmar genauso
wie für Lukaschenko in Belarus, ist sie gegenüber „Islamisten“, ob nun
Taliban in Afghanistan oder Uiguren in Westchina, gegenüber der UCK
(jedenfalls aus Sicht der serbischen Obrigkeit von 1999), landlosen
Bauern in Brasilien oder fabrikbesetzenden Arbeiter_innen in
Argentinien. Und natürlich sowieso für all die „Innenpolitiker_innen“,
die Scheibe um Scheibe von der Menschenrechtssalami absäbeln.
Was das Wort versteckt: Auch die „Terroristen“ haben meist Gründe für
das, was sie tun, und diese Gründe sind oft gar nicht so verschieden von
denen, die die Obrigkeiten selbst antreiben: Patriotismus, Frömmigkeit,
Streben nach Reichtum dürften ganz vorne dabei sein. Aus dieser
Symmetrie folgt dann ziemlich unmittelbar auch, dass Versuche, die
zugrundeliegenden Konflikte mit Gewalt zu beseitigen, meist weitgehend
aussichtslos sind – und so eine Schlussfolgerung will mensch natürlich
weder als Obrigkeit noch als, na ja, Terrorist_in halt ziehen, so sehr
sie nach 20 Jahren „Krieg gegen den Terror“ eigentlich unvermeidlich
ist.
Nur zur Sicherheit: Nichts davon will, klar, staatliche oder private
Akteure rechtfertigen, die von Patriotismus pp. getrieben werden, und
noch weniger die, die deswegen rumballern oder -bomben (lassen). Es
heißt nur, dass, solange wir Patriotismus, Religion und Reichtum nicht
überwunden haben, die Klassifikation der der anderen Patriot_innen,
Religiösen und Armen als „Terroristen“ ganz gewiss nicht weiterhilft.
Ich kann diesen kurzen linguistischen Exkurs nicht schließen ohne eine
Extraportion Befremden zu äußern über die Leichtigkeit, mit der selbst
deutschen Regierungen das Wort „Terrorismus“ über die Lippen
kommt. Mindestens angesichts der ebenfalls unter dem Label
„Terrorismusbekämpfung“ gelaufenen Massakern im von der Wehrmacht
besetzten Jugoslawien sollte doch zumindest da etwas mehr Bedacht
walten. Sollte. Aber fragt mal eure_n Bundestagsabgeordnete_n, ob
er_sie auch nur irgendwas mit Kraljevo oder Kragujevac anfangen kann.
Verkaufen ohne Bestellung
Aber zurück zum Thema: In der Gesetzgebung zum Geldwäschegesetz, das das
Transparenzregister eingeführt hat, traf nun das semantische schwarze
Loch „Terrorismus“ auf die offensichtlich widersinnige, aber erstaunlich
vielen irgendwie einsichtige Idee, alles sei besser, wenn es ein
Privatunternehmen mache.
Und deswegen führt das Transparenzregister der
Bundesanzeiger-Verlag, ein Laden, der zwar seine ersten 40 Jahre als so
eine Art Bundes-Tochter fristete, aber im Rahmen des marktradikalen
Rauschs um die Jahrtausendwende (in ein paar Stufen) ausgerechnet an den
DuMont Schauberg-Verlag ging, einen der ganz großen Spieler im Kölschen
Klüngel. Dass das ohne Ausschreibung passierte, verdient kaum Erwähnung
– und klar hätte es eine Ausschreibung auch nicht besser gemacht:
Entweder, etwas ist Obrigkeit, dann solls gefälligst auch der Staat
machen, oder es ist es nicht, dann muss ich es aber auch nicht bezahlen,
wenn ich es nicht bestellt habe. Meint mensch.
Der Netto-Effekt jedenfalls: Der Terror-Zirkus Transparenzregister, den
jedenfalls unsere Fahrradwerkstatt nicht bestellt hat, soll jetzt durch
Gebühren finanziert werden von denen, die er transparent zu machen
vorgibt.
Und das sind rapide steigende Gebüren: es ging von 1.25 auf 4.80 Euro in
vier Jahren. Sind wir großzügig, ist das eine Verdoppelungszeit von
drei Jahren. Damit kostet der Eintrag in knapp dreißig Jahren 100 000
Euro. Auch wenn es nicht so weit kommt: Den Preis für etwas, das Leute
zwangsweise kaufen müssen, in dieser Freiheit bestimmen zu können: das
ist, soweit es mich betrifft, eine Lizenz zum Gelddrucken.
Wobei, ehrlicherweise: von den 13 Euro wird wahrscheinlich erstmal nicht
viel übrigbleiben, wenn Papier, Versand und Verrechnung bezahlt
sind – aber das ist ja gerade der spezifische Wahnsinn: Mal
angenommen, so ein Register hätte einen Nutzen, könnte mensch riesige
Mengen Geld und Arbeit sparen, wenn dei Mittel nicht über Millionen von
Briefen und Call Center und sonstwas eingetrieben werden müssten, sondern
irgendwo aus dem BMI-Haushalt kämen. Das bisschen Zusammenführung
verschiedener Register müsste dann eigentlich mit einer Million im Jahr
drin sein – vermutlich vergleichbar mit den Portokosten des privaten
Transparenzregisters.
La-la-la Servicequalität
Aber keine Sorge: Steuerbegünstigte Vereine wie unsere Fahrradwerkstatt
„können gemäß §4 TrGebV bei der registerführenden Stelle eine
Gebührenbefreiung ab dem Zeitpunkt der Antragstellung beantragen. Die
Antragstellung kann nach Registrierung ausschließlich über die
Internetseite des Transparenzregisters erfolgen.”
Hab ich probiert.
Ist nicht einfach.
Immerhin geht die Webseite ohne Javascript. Das ist schon mal
etwas, das ich mit all der Privatwirtschaft im Boot nicht erwartet
hätte. Eine offensichtliche Möglichkeit, einen Verein als gemeinnützig
zu melden, ist allerdings nicht erkennbar, und „steuerbegünstigt“ oder
„gemeinnützig“ kommt bei den FAQ nicht vor.
Ah: das ist eine Hotline. Ruf ich gleich mal an: „♪♪ ♪ ♪ Wir sind
heute nur eingeschränkt für Sie da.“
Das muss die Servicequalität (noch so ein Stück Antisprache: Qualität) im
Privatsektor sein, von der mensch so viel hört.
Ich habe mal eine Mail geschrieben. Wetten zu Dauer und Art der Antwort
nehme ich an.
Gut: Es ist keine Sepie. Aber dieser Oktopus ist bestimmt noch
viel schlauer.
Mal wieder gab es in Forschung aktuell ein Verhaltensexperiment, das
mich interessiert hat. Anders als neulich mit den Weißbüschelaffen
sind dieses Mal glücklicherweise keine Primaten im Spiel, sondern
Tintenfische, genauer Sepien – die mir aber auch nahegehen, schon, weil
das „leerer Tab“-Bild in meinem Browser eine ausgesprochen putzige Sepie
ist. Den Beitrag, der mich drauf gebraucht hat, gibt es nur als
Audio (1:48 bis 2:28; Fluch auf die Zeitungsverleger), aber dafür ist
die Original-Publikation von Alexandra Schnell et al (DOI
10.1098/rspb.2020.3161) offen.
Grober Hintergrund ist der Marshmallow-Test. Bemerkenswerterweise
zitiert der Wikipedia-Artikel bereits die Sepien-Publikation, nicht
jedoch kritischere Studien wie etwa die auf den ersten Blick ganz gut
gemachte von Watts et al (2018) (DOI: 10.1177/0956797618761661).
Schon dessen Abstract nimmt etwas die Luft aus dem reaktionären
Narrativ der undisziplinierten Unterschichten, die selbst an ihrem Elend
Schuld sind:
an additional minute waited at age 4 predicted a gain of approximately
one tenth of a standard deviation in achievement at age 15. But this
bivariate correlation was only half the size of those reported in the
original studies and was reduced by two thirds in the presence of
controls for family background, early cognitive ability, and the home
environment. Most of the variation in adolescent achievement came from
being able to wait at least 20 s. Associations between delay time and
measures of behavioral outcomes at age 15 were much smaller and rarely
statistically significant.
Aber klar: „achievement“ in Zahlen fassen, aus denen mensch eine
Standardabweichung ableiten kann, ist für Metrikskeptiker wie mich
auch dann haarig, wenn mich die Ergebnisse nicht überraschen. Insofern
würde ich die Watts-Studie jetzt auch nicht überwerten. Dennoch fühle
ich mich angesichts der anderen, wahrscheinlich eher noch schwächeren,
zitierten Quellen eigentlich schon aufgerufen, die Wikipedia an dieser
Stelle etwas zu verbessern.
Egal, die Tintenfische: Alexandra Schnell hat mit ein paar Kolleg_innen
in Cambridge also festgestellt, dass Tintenfische bis zu zwei
Minuten eine Beute ignorieren können, wenn sie damit rechnen, später
etwas zu kriegen, das sie lieber haben – und wie üblich bei der Sorte
Experimente ist der interessanteste Teil, wie sie es angestellt haben,
die Tiere zu irgendeinem Handeln in ihrem Sinn zu bewegen.
Süß ist erstmal, dass ihre ProbandInnen sechs Tintenfisch-Jugendliche im
Alter von neun Monaten waren. Die haben sie vor einen Mechanismus
(ebenfalls süß: Die Autor_innen finden den Umstand, dass sie den
3D-gedruckt haben, erwähnenswert genug für ihr Paper) mit zwei
durchsichtigen Türen gesetzt, hinter denen die Sepien jeweils ihre
Lieblingsspeise und eine Nicht-so-Lieblingsspeise (in beiden Fällen
irgendwelche ziemlich ekligen Krebstiere) sehen konnten. Durch
irgendwelche Sepien-erkennbaren Symbole wussten die Tiere, wie lange
sie würden warten müssen, bis sie zur Leibspeise kommen würden, zum
langweiligen Essen konnten sie gleich, und sie wussten auch, dass sie
nur einen von beiden Ködern würden essen können; dazu gabs ein recht
durchdachtes Trainingsprotokoll.
Na ja, in Wirklichkeit wars schon etwas komplizierter mit dem Training,
und ahnt mensch schon, dass nicht immer alles optimal lief:
Preliminary trials in the control condition showed that Asian shore
crabs were not a sufficiently tempting immediate reward as latencies
to approach the crab, which was baited in the immediate-release
chamber, were excessive (greater than 3 min) and some subjects refused
to eat the crab altogether.
Ich kann mir richtig vorstellen, wie die Gruppe vor dem Aquarium stand
und fluchte, weil die doofen Viecher ihre Köder nicht schlucken wollten:
„Wie zum Henker schreiben wir das nachher ins Paper?“ – um so mehr, als
alle Sepien konsequent die gleichen Präferenzen hatten (was ich ja auch
schon für ein bemerkenswertes Resultat halte, das bei n=6 und drei
Auswahlmöglichkeiten kaum durch Zufall zu erklären ist – vielleicht aber
natürlich durch das, was die Sepien sonst so essen).
Und dann wieder Dinge in der Abteilung „was alles schiefgehen kann, wenn
mensch mit Tieren arbeitet“:
Subjects received one session of 6 trials per day at a specific delay.
This number of trials was chosen to minimize satiety and its effects
on eating behaviour.
Schon die Abbildung 2 des Artikels finde ich wirklich erstaunlich: Alle
Sepien bekommen es hin, 30 Sekunden auf ihre Lieblingsspeise zu warten
– wow. Ok, kann natürlich sein, dass sie so lange brauchen, um sich zu
orientieren, aber Schnell und Co scheinen mir schon viel getan zu haben,
um das unwahrscheinlich zu machen.
Was jedenfalls rauskommen sollte, war eine Korrelation der Wartezeit
mit, na ja, der „Intelligenz“ (ich halte mich raus bei der genaueren
Bestimmung, was das wohl sei), und um die zu messen, mussten die Sepien
in ihren Aquarien zunächst lernen, das „richtige“ unter einem dunklen
und einem hellen Stück Plastik aussuchen. Anschließend, das war der
Intelligenztest, mussten sie mitbekommen, wenn die Versuchsleitung die
Definition von „richtig“ verändert hat. Dazu haben sie laut Artikel im
Mittel 46 Versuche gebraucht – gegenüber 27 Versuchen beim ersten
Lernen. Nicht selbstverständlich auch: Sepien, die beim ersten Lernen
schneller waren, waren auch schneller beim Begreifen der Regeländerung.
Da ist Abbildung 3 schon ziemlich eindrücklich: einer der Tintenfische
hat das Umkehrlernen in gut 20 Schritten bewältigt, ein anderer hat fast
70 Schritte gebraucht. Uiuiui – entweder haben die ziemlich schwankende
Tagesform, oder die Gerissenheit von Sepien variiert ganz dramatisch
zwischen Individuen.
Die erwartete Korrelation kam selbstverständlich auch raus (Abbildung
4), und zwar in einer Klarheit, die mich schon etwas erschreckt
angesichts der vielen Dinge, die beim Arbeiten mit Tieren schief
gehen können; der Bayes-Faktor, den sie im Absatz drüber angeben
(„es ist 8.83-mal wahrscheinlicher, dass Intelligenz und Wartenkönnen
korreliert sind als das Gegenteil“) ist bei diesem Bild ganz
offensichtlich nur wegen der kleinen Zahl der ProbandInnen nicht
gigantisch groß. Hm.
Schön fand ich noch eine eher anekdotische Beobachtung:
[Andere Tiere] have been shown to employ behavioural strategies such
as looking away, closing their eyes or distracting themselves with
other objects while waiting for a better reward.
Interestingly, in our study, cuttlefish were observed turning their
body away from the immediately available prey item, as if to distract
themselves when they needed to delay immediate gratification.
Ich bin vielleicht nach der Lektüre des Artikels nicht viel überzeugter von
den verschiedenen Erzählungen rund um den Marshmallow-Test.
Ich bin ja bekennender Leser von Fefes Blog, und ich gebe offen zu, dass
ich dort schon das eine oder andere gelernt habe. Zu den für mich
aufschlussreichsten Posts gehört dieser aus dem September 2015, der
mir seitdem nicht mehr aus dem Sinn gegangen ist, und zwar wegen der
Unterscheidung zwischen Kulturen der Ehre (die mensch sich verdienen und
die mensch dann verteidigen muss) und denen der Würde (die mensch
einfach hat).
Der Rest des Posts ist vielleicht nicht der scharfsinnigste Beitrag zur
Identitätsdebatte, und klar gilt auch Robert Gernhardts „Die Würde des
Menschen ist ein Konjunktiv“ weiter, aber der zentrale Punkt ist:
Artikel 1 Grundgesetz ist eine Befreiung von dem ganzen Unsinn von Ehre
und insofern ein großer Schritt in die Moderne. Das ist mir so erst
damals im September 2015 klar geworden.
Und seitdem habe ich mich um so mehr gewundert über den Stellenwert, den
„Gesicht nicht verlieren“ in „der Politik“ (und das schließt schon
Bezirksvorsitzende von Gewerkschaften ein) immer noch hat. Wo außerhalb
der Krawattenliga gibt es sonst noch „Ehrenerklärungen“ wie neulich
bei der CDU (von vor 20 Jahren ganz zu schweigen) oder kräuseln sich
nicht die Zehennägel, wenn jemand wie Westerwelle weiland verkündete:
„Ihr kauft mir den Schneid nicht ab“?
Um so mehr war ich angetan, als zumindest Angela Merkel diese Logik des
18. Jahrhunderts gestern durchbrochen hat und einfach mal „ich hab
Scheiße gebaut“ gesagt hat. Und es tröstet etwas, dass zumindest die
heutige Presseschau in weiten Teilen nicht das unsägliche Genöle von
Vertrauensfragen aus dem Bundestag gestern reflektiert.
Andererseits: Keine Presseschau ohne fassungsloses Kopfschütteln, wenn
nämlich die Süddeutsche schreibt:
Hätte die Bundesregierung stattdessen selber genug Impfdosen
geordert, und zwar nicht zuletzt bei Biontech im eigenen Land, dem
Erfinder des ersten Corona-Vakzins, befände sich Deutschland jetzt
nicht am Rande der Hysterie.
Hätte die Süddeutsche gesagt: „dafür gesorgt, dass so oder so alles, was
an Abfüllkapazität da ist, anfängt, Impfstoff abzufüllen, sobald
absehbar ist, dass es mit der Zulassung was wird“ – ok, das wäre ein
Punkt. Das augenscheinlich auch im Ernstfall herrschende Vertrauen in
„den Markt“ ist natürlich böser Quatsch. Aber auch überhaupt
nichts Neues. Und die Süddeutsche sitzt in dem Punkt in einem Glashaus
mit ganz dünnen Scheiben.
Aber sie redet auch vom „ordern“, was im Klartext heißt: „wir wollen
schneller geimpft sein als die anderen“ – das ist, noch klarerer Text,
anderen Leuten den Impfstoff wegnehmen. Meinen die Süddeutschen das
ernst?
Ich bin ja ohnehin in den letzten Wochen in der unangenehmen Situation,
meine Regierung zu verteidigen. Das habe ich, glaube ich, noch nie
gemacht. Aber im schwierigen Lavieren zwischen autoritärem Durchgriff –
etwa, alle Leute bei sich zu Hause einsperren – und einem
Laissez-Faire, das vermutlich fast eine halbe Million Menschen in der
BRD umgebracht hätte, sieht es fast so aus, als hätte der
Gesamtstaat (zu dem ja auch Landesregierungen und vor allem Gerichte
gehören) so ziemlich den Punkt erwischt hat, den „die
Gesellschaft“ sonst auch akzeptiert.
Warum ich das meine? Nun, so sehr ich gegen Metriken als Bestimmer
politischen Handelns bin, gibt die Mortalitätskurve doch eine Idee
davon, welche Kompromisse wir eingehen. Das RKI veröffentlicht jeden
Freitag so eine, und die im Bericht vom letzten Freitag sieht so aus:
In Worten: Die Gesamtsterblichkeit war im Corona-Jahr nicht viel anders
als sonst auch, nur kam der Grippe-Peak halt schon im November und
Dezember statt erst im Januar und Februar. Und da wir ja wegen der
Grippe in „normalen“ Jahren auch nicht alle das Winterende in Isolation
verbringen, war das Level an Isolation und Shutdown, das wir am Ende
hatten und das SARS-2 zur Vergleichbarkeit gezähmt hat, offenbar im
Sinne „der Gesellschaft“ gewählt.
Klar: Das hat so wohl niemand geplant. Dass es aber so rausgekommen
ist, dürfte nicht einfach nur Zufall sein. „Schwarmintelligenz“
wird den Grund sicher nicht treffen. Aber irgendwas, das nicht
furchtbar weit davon weg ist, dürfte die Ähnlichkeit der Kurven wohl
schon erklären. Vielleicht: Das, was bei uns von Gewaltenteilung noch
übrig ist?
Ansonsten bereite ich mich schon mal aufs Verspeisen meines Hutes vor,
wenn die „dritte Welle“ jetzt doch noch für einen schlimmen
Mortalitätspeak sorgt.
Bestimmt nur wegen durch Corona-Beratungen und Terrorgedenken in Brüssel
anderweitig gefesselter Aufmerksamkeit lief die Nachricht des Tages
nicht in der Tagesschau, sondern nur in der taz.
Dort wird über die weise Wahl im hessischen Dorf
Neu-Eichenberg berichtet, das sich nicht hat beirren lassen von der
großen Verwirrung, dass zwar alle das Wochenende nicht erwarten können,
aber „Arbeitsplätze“ im allgemeinen Bewusstsein das überragende Ziel
privaten wie öffentlichen Handelns zu sein scheinen,
In Neu-Eichenberg nämlich wollte eine Firma namens Dietz AG groß
investieren und damit einem Haufen Menschen viel Arbeit machen. Und
zwar wollte sie ein „Logistikzentrum“ bauen, in dem, so die taz,
„Onlinefirmen und Paketzusteller“ wirken sollten. Die bisherigen
Mehrheitsparteien SPD und CDU (bis vorhin gemeinsam 12 von 15 Sitzen)
hatten das bejubelt. Sie verloren deshalb bei den Gemeinderatswahlen am
vorletzten Wochenende je 17 und 20 Prozentpunkte. Damit ist die
Mehrheit für das „Logistikzentrum“ weg. Weniger Lärm, weniger Arbeit,
weniger hässliche Gewerbegebiete: die Bewohner_innen von Neu-Eichenberg
bekommen den Engelszüngeln-Preis für den Fortschritt des Monats.
Das um so mehr, als es ja wirklich ein Segen rundrum wäre, wenn
die ganze Paketverschickerei wieder auf, sagen wir, 1% ihres aktuellen
Umfangs einschrumpfen würde, denn selbst nach Maßstäben eines Landes,
das irgendwas wie ein Siebtel seiner Arbeitskraft ausgerechnet auf die
Produktion und den Betrieb von Autos verschwendet, ist die Paketfahrerei
eine besonders sinnlose Art, menschliche Lebenskraft zu verschleudern:
Erstmal, weil im Netz nach meiner anekdotischen Erfahrung noch mehr
nutzloser Plunder vertickt wird als in echten Geschäften, und dann, weil
bei der Einzelverschickung ein Haufen echt übler Jobs mitkommen.
Klar ist jetzt auch der stationäre Handel nichts, wo ich eben mal
Traumjobs vermuten würde, aber verglichen mit den
Beschäftigungsverhältnissen in allen Kettengliedern der „Logistik“
ist das wirklich Gold (und das nicht nur im Hinblick auf den Tarif).
Fast im Ernst: Eine Existenz als Buch- oder Wolle-und-Tee-Händler könnte
möglicherweise selbst mir nicht ganz unattraktiv scheinen.
Der 18.3. hat eine lange Tradition als Tag der politischen Gefangenen,
anfänglich in Erinnerung an den Beginn der Pariser Commune vor 150
Jahren; die Erinnerungsfeierlichkeiten in diesem Zusammenhang waren in
den Jahren der Weimarer Republik regelrechte politische Festivals. Das
hatte nach der Machtübergabe an die NSDAP ein Ende, doch seit genau 25
Jahren begehen Menschen auch in der BRD wieder den Tag der politischen
Gefangenen, vor allem im Umfeld der Roten Hilfe.
In Heidelberg gab es dazu heute eine Kundgebung, deren Hauptziel war,
den politischen Gefangenen in der BRD eine Stimme zu geben. Deshalb
bestand ein großer Teil der Kundgebung auch schlicht draus, Briefe und
andere Äußerungen der Gefangenen vorzulesen. Das wiederum schien den
Veranstalter_innen wichtig, weil der_die durchschnittliche Passant_in in
der Fußgängnerzone (die Kundgebung fand am Marktplatz statt) schon die
Behauptung, in ihrem Staat gebe es politische Gefangene, für eine
Zumutung hält. Tatsächlich erinnere ich mich an Gerichtsverfahren in den
späten 1980er Jahren, in denen Menschen für die Forderung, die
politischen Gefangenen in der BRD sollten freigelassen werden, mit
schwerem strafrechtlichem Geschütz verfolgt wurden und zum Teil sogar
Bewährungsstrafen kassierten. Das, immerhin, hat es nach meiner
Kenntnis in den letzten Jahren nicht mehr gegeben.
Aber dann würden vermutlich nicht viele Menschen glauben, dass es im
Strafgesetzbuch im Jahr 2021 noch einen ganzen Abschnitt gibt zu
„Hochverrat“, unterteilt in „gegen den Bund“ (§81), „gegen ein
Land“ (§82) und „Vorbereitung“ (§83), wozu dann noch ein
Kronzeugenparagraph §83a tritt. Und natürlich klingen auch etwa §90 und
§90a („Verunglimpfung des Bundespräsidenten“ bzw. „des Staates und
seiner Symbole“) oder §94 („Landesverrat“) durchaus nach ziemlich
politischer Justiz.
Die real exisitierenden politischen Gefangene in deutschen
Knästen werden allerdings weit überwiegend verfolgt nach der
129er-Paragraphen-Familie, bestehend aus §129 (normale Banden,
Provenienz: Kaiserreich), §129a (inländischer „Terrorismus“, Provenienz:
Schmidt-Regierung) und §129b (ausländischer „Terrorismus“, Provenienz:
Schröder-Regierung). Im Bereich der Antisprache „Terrorismus“ wirds
natürlich immer etwas haarig mit den Vorwürfen, und drum nehme ich als
Definition von „politische_r Gefangene_r” ganz pragmatisch: „hätten sie
ohne politisch missliebigen Hintergrund gehandelt, wären sie nie
eingefahren oder jedenfalls längst wieder draußen“.
Um da mal das Spektrum aufzumachen zwischen „Fällen“, bei denen sich die
bürgerliche Öffentlichkeit wahrscheinlich nur schwer wird empören können
auf der einen und offensichtlichen moralischen Bankrotterklärungen des
Staates auf der anderen, würde ich gerne kurz einen Blick auf die
Gefangenen werfen, deren Kontaktadressen die RH in ihrer
18.3.-Zeitung auf Seite 15 druckt (zu den meisten sind auch Artikel
in der Zeitung).
Da hätten wir zunächst Yilmaz Acil, Hüseyin Açar, Gökmen Çakil, Mustafa
Çelik, Salih Karaaslan, Agit Kulu, Veysel Satilmiş, Özkan Taş, Mazhar
Turan und Mustafa Tuzak, die in verschiedenen Gefängnissen der Republik
sitzen, weil... nun, weil sie mit der PKK in Verbindung gebracht werden.
Soweit ersichtlich, wird keinem von ihnen irgendeine konkrete Straftat
vorgeworfen – aber klar, die PKK als Organisation tut natürlich schon
Sachen, die Menschen, die die türkische Obrigkeit als NATO-Verbündeten
schon ok finden, für verwerflich halten könnten. Nach welchem
Rechtsstaatsprinzip daraus abzuleiten ist, Leute mit schlichten
Sympathien für PKK-Kämpfe sollten eingesperrt werden, ist natürlich noch
eine andere Frage, zumal, wie Gökmen Çakıl richtig anmerkt,
entsprechende „Aktivitäten [...] in der Schweiz oder in Belgien nicht
sanktioniert“ werden.
Ähnlich wird das Sentiment bei der Gefangenschaft von Musa Aşoğlu von
der Einschätzung abhängen, von welcher Sorte Widerstand gegen
verbündete Regierungen mensch sich dringend distanzieren muss, will
mensch nicht ins Gefängnis kommen; in seinem Fall genügte die
Mitgliedschaft in der DHKP-C (deren Erklärungen übrigens ein Fest sind
für Liebhaber_innen realsozialistischer Prosa) für sechs Jahre und neun
Monate Knast.
Milde Empörung im Fall von Thomas Meyer-Falk dürfte weniger
internationalistischen Furor brauchen. Er nämlich sitzt nach
jahrelanger Gefängnisstrafe wegen Banküberfällen (mit denen er linke
Jugendzentren finanzieren wollte) nun in Sicherungsverwahrung, die ja
schon als solche ein menschenrechtlicher Skandal ist. In seinem Fall
ist unbestreitbar: er wäre längst draußen, wenn es da nicht den
politischen Hintergrund gäbe – von dem er sich auch nicht distanzieren
will. Immerhin gibt derweil sein Blog wertvolle Einblicke in die
Realität der Sicherungsverwahrung.
Noch weiter im Spektrum klar politischer Justiz sind die Fälle von Lina,
Jo und Dy – sie alle sind im Antifa-Bereich unterwegs und sind oder
waren für Monate inhaftiert im Wesentlichen aufgrund vager Hinweise, sie
könnten in, mal bewusst entpolitisierend gesprochen, Prügeleien mit
Nazis verwickelt gewesen sein. Prügeleien dieser Art sind, weiter
bewusst entpolitisierend, ohne SARS-2 Alltag auf jedem Volksfest
und werden dann halt mit Strafbefehlen behandelt, die nur im
Wiederholungsfall über dem Vorbestrafungs-Limit von 90 Tagessätzen
liegen. Dass diese Leute monatelang im Knast schmoren, ist
ausschließlich politisch bedingt. Was in diesem Fall angesichts des
immer wieder hochblubbernden Faschismusproblems in Polizei und
Staatsanwaltschaften nochmal ein ganz besonderes Hautgout hat.
Bei der „militanten Zelle” von Nicole Grahlow und Martin Eickhoff – die
seit Oktober 2020 in in Haft sind – liegen noch Sachbeschädungsvorwürde
durch versuchte Brandstiftungen vor, aber keinerlei Gefährung von
Menschen mehr. Die Ziele, nämlich die ehemalige Bundesanstalt für
Arbeit in Nürnberg und das Schlachtimperium von Tönnies, sind allerdings
so nachvollziehbar, dass das inzwischen durch rechte
Hasspost-Praktiken ziemlich desavouierte Topos „Drohbriefe an diverse
Politiker_innen“ in der staatlichen Kommunikation dominiert. Ich will
hier bestimmt nichts gleichsetzen, aber ein ähnlicher Verfolgungseifer
bei Nazis, die Menschen abfackeln, würde der Verfolgung der beiden
einiges vom Eindruck von Willkür nehmen.
Glasklar im Hinblick auf eine menschenrechtliche Bankrotterklärung ist
schließlich der Fall von Ella („Unbekannte Person 1“): Ihr wird im
Wesentlichen vorgeworfen, an der Besetzung des Dannenröder Walds
teilgenommen zu haben und beharrlich die Aufklärung ihrer Identität zu
verweigern. Ohne die Gewalttaten der Polizei bei der Räumung des
Hüttendorfs, für deren wirklich empörendes Ausmaß der Staat
rechtfertigende Narrative sucht, wäre sie ganz gewiss keinen Moment in
Haft gekommen.
Nach all dem: Wer will, kann die Grenze zwischen politischen und, nun
ja, sozialen Gefangenen etwas anders ziehen als die Rote Hilfe. Um die
Einsicht, dass es auch in Justizvollzugsanstalten (was für ein
urdeutsches Wort!) politische Gefangene gibt, kommt mensch aber nicht
herum.
Ich bin gestern nochmal der Sache mit den Schurken und Engeln von
neulich nachgegangen, denn auch wenn die grundsätzliche Schlussfolgerung
– wenn du Chefposten kompetetiv verteilst, kriegst du ziemlich
wahrscheinlich Schurken als Chefs – robust ist und ja schon aus der dort
gemachten qualitativen Abschätzung folgt, so gibt es natürlich doch jede
Menge interessante offene Fragen: Setzen sich Schurken drastischer durch
wenn die Engeligkeit steiler verteilt ist? Wie sehr wirkt sich der
Vorteil für die Schurken wirklich aus, vor allem, wenn sie auch nur eine
endliche Lebensdauer haben? Wie ändern sich die Ergebnisse, wenn Leute
zweite und dritte Chancen bekommen, mal wie ein richtiger Schurke
Karriere zu machen? Wie verändert sich das Bild, wenn mensch mehr
Hierarchiestufen hinzufügt?
Weil das alte Modell mit der einen Kohorte, die bei jedem Schritt um
den Faktor 2 eindampft, für solche Fragen zu schlicht ist, muss ein neues
her. Es hat den Nachteil, dass es viel mehr Code braucht als das alte –
es hat aber der Vorteil, dass es im Prinzip beliebig lang laufen kann
und über einen weiten Bereich von Parametern hinweg stationär werden
dürfte, sich also der Zustand nach einer Weile (der „Relaxationszeit“) nicht
mehr ändern sollte – natürlich vom Rauschen durch die diskrete
Simulation abgesehen. Wem also das alte Modell zu schlicht und
langweilig ist: Hier ist sunde2.py.
Das Neue
Wie sieht das Modell aus? Nun, wir haben jetzt simultan einen ganzen
Haufen N von Hierarchiestufen, die auch immer alle besetzt sind; derzeit
habe ich konstant N = 50. Von Stufe zu Stufe ändert sich jetzt die
Population nicht mehr je um einen Faktor zwei, sondern so, dass die
unterste Stufe 16-mal mehr Aktoren hat als die oberste und die
Besetzungszahl dazwischen exponentiell geht. Diese Schicht-Statistik
sollte keinen großen Einfluss auf die Ergebnisse haben, hält aber
einerseits die Zahl der zu simulierenden Aktoren auch bei tiefen
Hierarchien im Rahmen, ohne andererseits auf den oberen Ebenen die ganze
Zeit mit allzu kleinen Zahlen kämpfen zu müssen.
Aktoren haben jetzt auch ein Alter; sie sterben (meist) nach L ⋅ N
Runden; L kann interpretiert werden als die Zahl der Versuche pro
Wettbewerb, die ein Aktor im Mittel hat, wenn er ganz nach oben will. Im
Code heißt das lifetime_factor (hier: Lebenzeit-Faktor), und ich
nehme den meist als 2 („vita brevis“).
Es gibt eine Ausnahme auf der strikten Lebenszeitbegrenzung: Wenn ein
Level sich schon um mehr als die Hälfte geleert hat, überleben die, die
noch drin sind, auch wenn sie eigentlich schon sterben müssten. An sich ist
diese künstliche Lebensverlängerung nur ein technischer Trick, damit mir
der Kram mit ungünstigen Parametern und bei der Relaxation nicht auf
interessante Weise um die Ohren fliegt; es kann nämlich durchaus sein,
dass die oberen Ebenen „verhungern“, weil Aktoren schneller sterben als
befördert werden. Er hat aber den interessanten Nebeneffekt, dass
speziell in Modellen mit kleinem L wie in der Realität die
Lebenserwartung der höheren Klassen höher ist als die der unteren.
Um die Gesamtzahl der Aktoren konstant zu halten, werden in jeder Runde
so viele Aktoren geboren wie gestorben sind, und zwar alle in die
niedrigste Schicht.
Das enspricht natürlich überhaupt nicht der Realität – schon die Zahlen
zur Bildungsbeteiligung gegen Ende des Posts Immerhin gegen Ende zeigen ja,
dass viele Menschen mitnichten bei Null anfangen in ihrem
gesellschaftlichen Aufstieg. Insofern hätte mensch darüber nachdenken
können, bestehende Aktoren irgendwie fortzupflanzen. Das aber hätte
eine Theorie zum Erbgang von Schurkigkeit gebraucht (die auch dann nicht
einfach ist, wenn mensch wie ich da wenig oder keine biologische
Komponenten vermutet) und darüber hinaus den Einbau von Abstiegen in der
Hierarchie erfordert.
Die zusätzliche Komplexität davon wäre jetzt nicht dramatisch gewesen,
aber das kontrafaktische „alle fangen bei Null an“ residiert als
„Chancengleichheit“ auch im Kern der modernen Wettbewerbsreligion. Für
ein Modell – das ohnehin in einer eher lockeren Beziehung zur
Wirklichkeit steht – ist sie daher genau richtig. Sollten übrigens in
der Realität Kinder von eher schurkigen Menschen auch tendenziell eher
schurkig werden, würde das die Anreicherung von Schurkigkeit gegenüber
dem chancengleichen Modell nur verstärken.
Das Alte
Der Rest ist wie beim einfachen Modell: da es gibt den
Schurken-Vorteil, die Wahrscheinlichkeit, dass ein Aktor, der gerade
schurkig ist, gegen einen, der gerade engelig ist, gewinnt. Dieser
rogue_advantage ist bei mir in der Regel 0.66.
Der letzte Parameter ist die Verteilung der Schurkigkeit (also der
Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Aktor in einem Wettbewerb als Schurke
verhält). Dazu habe ich wie zuvor eine Gleichverteilung,
Exponentialverteilungen der Schurkigkeit mit verschidenen λ (also:
gegenüber der Gleichverteilung sind mehr Aktoren Engel, wobei die
allerdings alle Schurkeigkeiten über 1 auf 1 beschnitten werden; für
kleine λ wird das also schwer zu interpretieren) und Normalverteilungen
reingebaut, dieses Mal aber viel expliziter als im einfachen Modell des
letzten Posts.
Ich hatte eigentlich vor, den Kram immer laufen zu lassen, bis er
„stationär“ würde, also sagen wir, bis der Schurkigkeits-Gradient in den
mittleren Schichten sich von Runde zu Runde nicht mehr wesentlich
ändert. Stellt sich aber raus: durch die relativ überschaubaren
Aktor-Zahlen und die Dynamik der Gesellschaft, in der ja per Design viel
Aufstieg stattfindet, rauschen die Metriken, die ich da probiert habe,
zu stark, um guten Gewissens sagen zu können, jetzt sei das Ding
relaxiert (im Code: DiffingWatcher).
Was passiert?
Stattdessen lasse ich die Modelle jetzt erstmal laufen, bis die
(gleichverteilte) Anfangspopulation weitgehend ausgestorben ist (nämlich
N ⋅ L Runden) und ziehe dann nochmal für N ⋅ L Runden Statistiken,
vor allem die mittlere Schurkigkeit in Abhängigkeit von der
Hierarchieebene. Die kann ich dann übereinanderplotten, wobei ich die
Zeit durch den Grauwert einfließen lasse (spätere, wahrscheinlich etwas
relaxiertere, Zustände sind dunkler):
Dabei ist auf der Abszisse die mittlere Hierarchieebene, auf der
Ordinate die mittlere Schurkigkeit auf der entsprechenden Ebene; die
Zeit ist, wie gesagt, durch den Grauwert der Punkte angedeutet und sorgt
für die Streuung.
Am auffälligsten ist wohl, dass Schurkigkeit auf den letzten paar Stufen
am drastischsten ansteigt. Das hätte ich in dem Ausmaß nicht erwartet
und deckt sich jedenfalls nach meiner Erfahrung nicht mit irgendwelchen
Realitäten (in denen die Schurkigkeit schon auf nur moderat
schwindelerregenden Ebenen rapide wächst). Ich komme gegen Ende nochmal
etwas quantitativer auf die Steilheit des Anstiegs zurück.
Hier, wie auch sonst, sind die Modelle bezeichnet durch einen String
– sunde2.py verwendet ihn als Dateinamen –, der aus einer Bezeichnung
der Verteilung (hier Exponential mit λ=4), der Zahl der Level N,
dem Schurken-Vorteil und dem Lebenszeit-Faktor L besteht.
Eine andere Art, diese Daten anzusehen, die insbesondere etwas mehr von
der Dynamik erahnen lässt, ist eine Heatmap der Schurkigkeit; hier
laufen die Hierarchieebenen auf der Ordinate, die Zeit auf der Abszisse;
aus Bequemlichkeitsgründen hat hier die höchste Ebene mal die
Bezeichnung 0 (so ist das übrigens auch im Programm gemacht, in den anderen
Grafiken ist dagegen Ebene 50 das Nüßlein-Territorium):
In-joke: Regenbogen-Palette. Ich habe gerade frei, ich darf das.
Hier lässt sich ganz gut erkennen, dass der Kram nach einer maximalen
Lebensdauer (da fängt die Grafik an) weitgehend relaxiert ist, und
wieder, dass die letzten paar Hierarchieebenen die dramatischsten
Schurken-Konzentrationen aufweisen. Die schrägen Strukturen, die
überall sichtbar sind, sind zufällige Schurken-Konzentrationen auf der
Karriereleiter. Intuitiv wäre wohl zu erwarten, dass sich Engel in
Haifischbecken eher noch schwerer tun und so Schurkigkeitszonen
selbstverstärkend sein könnten. Insofern ist die relativ geringe
Streifigkeit der Grafik – die sagt, dass das wenigstens im Modell nicht
so ist – erstmal eher beruhigend.
Umgekehrt bilde mich mir ein, dass im unteren Bereich der Grafik einige
blauere (also: engeligere) Strukturen deutlich flacher als 45 Grad
laufen: Das könnten Engel-Konzentrationen sein, die gemeinsam langsamer
die Karriereleiter besteigen. Fänd ich putzig (wenns die Karriereleiter
denn schon gibt), kann aber auch nur überinterpretiertes Rauschen sein.
Und noch eine Auswertung von diesem spezifischen Modell: Alter über
Hierarchieebene, was angesichts des aktuellen
Alte-weiße-Männer-Diskurses vielleicht interessant sein mag:
Diese Abbildung funktioniert so wie die der mittleren Schurkigkeit, nur
ist auf der Ordinate jetzt das Alter statt der Schurkigkeit. In dem
Modell leben Aktoren ja zwei Mal die Zahl der Hierarchieebenen Runden,
hier also 100 Runden. Die Aktoren ganz unten sind erkennbar deutlich
jünger als der Schnitt (der bei 50 liegt), ganz oben sammeln sich alte
Aktoren. Klingt speziell in dieser Ausprägung, in der oben wirklich nur
Aktoren kurz vom Exitus sind, irgendwie nach später Sowjetunion, und
klar ist das Modell viel zu einfach, um etwas wie die City of London
zu erklären.
Note to self: Beim nächsten Mal sollte ich mal sehen, wie sich das
mittlere Alter von Schuken und Engeln in den unteren Schichten so
verhält.
Mal systematisch
Weil Simulationen dieser Art schrecklich viele Parameter haben, ist das
eigentlich Interessante, den Einfluss der Parameter auf die Ergebnisse
zu untersuchen. Dazu habe ich mir mal ein paar Modelle herausgesucht,
die verschiedene Parameter variieren (in der run_many-Funktion von
sunde2); Ausgangspunkt sind dabei 50 Ebenen mit einem Lebenszeit-Faktor
von zwei und einem Schurkenvorteil von 0.66. Das kombiniere ich
mit:
einer Gleichverteilung von Schurkigkeiten
einer Exponentialverteilung mit λ = 2
einer Exponentialverteilung mit λ = 4
einer Exponentialverteilung mit λ = 4, aber einem Schurkenvorteil von
0.75
einer Exponentialverteilung mit λ = 4, aber einem Lebenszeit-Faktor von 4
Nach dem zweiten Teil meiner Leidensgeschichte über den Betrieb eines
Mailservers in der Postmoderne ist es ruhig geworden: Nachdem ich
erstmal das DNS vertrauenswürdig gestaltet hatte, fanden eigentlich
alle, bei denen mein Server Mails einliefern wollte, dessen Reputation
reiche schon hin.
Ich hegte also Hoffnung, dass das alles nicht so schlimm ist wie ich
geglaubt hatte, dass SMTP noch nicht kaputt ist und mensch mit
vernünftigem Aufwand selbst Mail verteilen kann. Bis heute morgen, als
von meinen Mailserver das hier zurückkam:
XXXXXXXXXXXXX@XXXXXXXXXX.de
host XXXXXXXXXXXX01i.mail.protection.outlook.com [104.47.2.36]
SMTP error from remote mail server after RCPT TO:<XXXXXXXXXXXXX@XXXXXXXXXX.de>:
550 5.7.606 Access denied, banned sending IP [116.203.206.117]. To request
removal from this list please visit https://sender.office.com/ and follow the
directions. For more information please go to
http://go.microsoft.com/fwlink/?LinkID=526655 AS(1430)
Oh nein. Microsoft. Na, mal sehen.
Ich schicke meinen Web-Browser zu sender.office.com, und es erscheint
einen Dialog mit einem kreiselnden Wartedings, ein sicheres Zeichen,
dass da mal wieder „Web-Programmier“ am Werk waren, die einfach so
voraussetzen, dass sie Code auf allen Maschinen ausführen dürfen. Na
super: Mails verschicken geht nicht, ohne Microsoft-Code laufen zu
lassen.
Aber egal, sollen sie halt auf meine CPU; das Javascript zieht ein
Captcha ein (zum ersten Mal bin ich froh, dass das Microsoft ist, denn
so ist es immerhin kein Google-Captcha und ich muss nicht deren „KI“
trainieren). Captcha gelöst, für ein paar Sekunden passiert nichts, dann
eine Meldung:
Step 1: Our messaging service has experienced a temporary issue,
please resubmit your information below.
Mach ich das mit dem resubmit, gleiche Reaktion. Hatte ich was anderes
erwartet?
Ok, kann ja sein, dass die einfach keine gute Fehlermeldung haben und
das irgendsoein dämlicher CSRF-Schutz mit Referrern ist (auch wenn mir
wirklich nicht klar wäre, wer auf diesem Zeug CSRF machen wollen
könnte). Lasse ich meinen Browser also noch Referrer-Header schicken.
Keine Änderung, immer noch kaputt.
An der Stelle werde ich sauer und will irgendwem eine zornige Mail
schicken. Aber: Keine Kontaktadresse, nirgends. Ich überlege, ob ich
eine Telemediengesetz-Beschwerde auf den Weg schicken soll, denn
zweifelsohne ist das ein kommerzielles Angebot unter deutschem Recht
(der Empfänger ist eine hiesige Firma, für die Microsoft das bestimmt
nicht umsonst macht). Vielleicht. Aber bevor ich mit einem Scheiß wie
dem Telemediengesetz argumentiere, brauche ich noch mehr Verzweiflung.
Sowohl auf luakit als auch per curl reagiert der Microsoft-Server darauf
mit:
Unable to process request
Gratuliere. Was machen diese Leute eigentlich beruflich?
Aber wurst, werfe ich halt meinen Browser für wüste, grob
privatsphäreverletzende Seiten an – mein Leben ist zu kurz, um den
Quatsch, den die Firma da auf die Menschheit loslässt, verstehen zu
wollen. Mit dem Browser fürs Grobe kommt dann auch was: eine Seite mit
viel Rede von „Defender”. Aber keine nützliche Information, und so
probiere ich halt sender.office.com nochmal mit dem Kamikaze-Browser.
Ergebnis: Our messaging service has experienced a temporary issue,
please resubmit your information below.
Immerhin hat ist auf der Info-Seite etwas, das nach einem Kontakt-Link
aussieht. Aber nein, es ist eine Issue-Seite auf github,
https://github.com/MicrosoftDocs/feedback/issues, 1630 Open Bugs.
Jaklar, da schreibe ich meinen noch dazu. Was glauben diese Leute
eigentlich?
Stattdessen habe ich dann heute vormittag an postmaster@office.com
geschrieben, und Mail ist nicht gleich zurückgewiesen worden.
Entsprechend hatte ich da noch Hoffnung, Microsoft könnte sich immerhin
an diesen Teil der Mail-RFCs halten. Jetzt, 18 Uhr, sieht es nicht
danach aus, da kam genau keine Reaktion (im diesem Vergleich, es
schmerzt mich, das zuzuzugeben, sieht die Telekom viel besser aus). Und
die sender.office.com-Seite ist auch noch kaputt.
Andererseits: Offensichtlich haben die Exchange-Leute gerade tatsächlich
außergewöhnliche Probleme. Vielleicht habe ich einfach nur Pech
gehabt und das ist sonst nicht so rekursiver Murks?
Nachtrag (2021-03-12)
(um 15:30) Immerhin weist Microsoft Mails an postmaster nicht so rüde
ab wie andere Mails. Mein Mailserver schreibt mir gerade, dass er es
24 Stunden lang nicht geschafft hat, die Mail an postmaster@office.com
auszuliefern, dass er es aber weiter probieren wird. Es bleibt
spannend. Unterdessen findet aber yahoo.de, dass es mit meiner
Reputation bergab geht. Oh je. Das sieht nach einem Alptraum mit
Verzögerung aus.
Nachtrag (2021-03-15)
(mittags) Nee, natürlich ist nichts bei postmaster@office.com
einzuliefern. Wo kämen wir da auch hin. Dafür macht inzwischen
wenigstens die sender.office.com-Geschichte etwas, wenn auch von der
Mail, die das verspricht, innerhalb von 10 Minuten nichts zu sehen
ist.
Nachtrag (2021-03-15)
(abends) Nach noch einem Versuch mit der sender.office.com-Geschichte
kam dann auch eine Mail mit einem Link, und dessen Derefenenzierung hat
tatsächlich etwas produziert, das versprach, mein Server werde innerhalb
von 30 Minuten von der Blacklist genommen. Schon frech, wie dieser
Laden über die Zeit anderer Menschen verfügt. Auf der anderern Seite:
jetzt will ich da gar niemandem mehr Mails schreiben. Pfft.