Heute morgen hat der Deutschlandfunk das IMI-Urgestein Tobias Pflüger
interviewt (Informationen am Morgen, 14.9.), und die Art, in der der
Interviewende versucht hat, Tobias dazu zu bringen, sich für einen
„Mangel“ an Bellizismus zu entschuldigen, war erwartbar empörend.
Umgekehrt aber war Tobias schon sehr zahm, verglichen jedenfalls mit dem
militanten Pazifismus, den ich von ihm eigentlich kenne; nun ja, er trat
auch als stellvertretender Vorsitzender der Linken auf, und die will
erkennbar regieren.
Das – wie natürlich auch das ultrazynische Rührstück um die
„Ortskräfte“, die die Bundeswehr aus dem gleichen Afghanistan „rettete“,
in das die Regierung in den Vormonaten noch mindestens 167 Menschen
abschieben hat lassen – wiederum gibt mir den Vorwarnd, endlich ein
paar politische Gegenstücke zum Tucholsky-Klassiker „Soldaten sind
[meinethalben potenzielle] Mörder“ zu formulieren, die ich schon lang
irgendwo unterbringen wollte (auch wenn ich anerkenne, dass sie
vermutlich nicht sehr originell sind und bestimmt schon oft ganz ähnlich
von PazifistInnen, AnarchistInnen und anarchistischen PazifistInnen
formuliert wurden; ich sollte vermutlich mehr von solchen Leuten lesen).
Erste Behauptung: Eine Regierung, die sich ein Militär hält, will für
die eigene Macht Menschen töten.
Für den Fall, dass jemand das nicht unmittelbar offensichtlich findet,
will ich ein paar Ableitungsschritte nennen. Erstens ist nämlich
Militär schicht dafür da, Krieg zu führen oder Aufstände zu
unterdrücken. Ich gebe zu, dass die Bundeswehr auch schon Dämme
ausgebessert, Brunnen gebohrt, und in Impfzentren ausgeholfen hat. Sie
war dabei aber immer ausnehmend schlecht, bis hin zur Unfähigkeit, die
Impfunterlagen korrekt und halbwegs gestapelt zusammenzutackern. Das
ist soweit erwartbar, denn sowohl das Rumgeballer als auch die
Gehorcherei sind bei nichttödlichen Einsätzen klar störend. Wer
Personal für „humanitäre“ Einsätze vorhalten will, würde
selbstverständlich keine Gewehre und Waffen kaufen und viel Geld dafür
ausgeben, den Leuten den Umgang damit (statt mit Baggern, Bohrern und
Büroklammern) beizubringen.
Mithin geht es beim Militär um Personal zum Bedienen von Kriegswaffen,
und das heißt zum Führen von Krieg (bei der Aufstandsbekämpfung ist das
der Sonderfall des Bürgerkriegs).
Was aber ist Krieg? Krieg ist auf der einen Seite der Versuch einer
Regierung, eine andere Regierung zu ersetzen, entweder durch sich selbst
(„Eroberungskrieg“) oder durch eine der eigenen Machtausübung weniger
hinderliche („Nation Building“). Und entweder komplett oder nur in
einem Teil des Machtbereichs der anderen Regierung.
Auf der anderen Seite ist Krieg der Versuch einer Regierung, die eigene Macht
gegen eine andere Regierung oder Teile der Bevölkerung (beim
Bürgerkrieg) zu halten. Wie herum es im Einzelfall auch sein mag: Es
geht allein darum, Macht auszuweiten oder zu erhalten.
Selbst wenn mensch der eigenen Regierung wider jede Evidenz (die
Bundeswehr hat derzeit in, wievielen?, zwanzig oder so, anderen
Ländern Waffen) unterstellt, sie sei dabei in der Rolle der
machterhaltenden, quasi verteidigenden Regierung: Sie könnte jede Menge
Blutvergießen verhindern, wenn sie einfach zurücktreten würde und sagen,
die „angreifende“ Regierung könne ja gerne versuchen, ob sie es besser kann.
Es gäbe dann keinen Krieg, und ob die Regierungsführung am Boden
wirklich wesentlich schlechter wäre, ist überhaupt nicht ausgemacht. Ich
z.B. würde es wahrscheinlich begrüßen, wenn die Schweiz die Regierung in
Baden übernehmen würde. Oder Luxemburg: soweit es mich betrifft,
könnten die mich schon erobern, denn sooo viel unethischer und
steuerparadiesiger als meine gegenwärtige Regierung sind die auch nicht,
aber ich glaube, deren Sozialsystem macht schon ein wenig mehr her.
Ach, wenn nicht gerade Macron regiert, würde jetzt auch ein Überfall aus
Frankreich nicht offensichtlich zu einem Rückschritt führen, wenn die
Machtübergabe hinreichend friedlich passiert. Ich versuche ohnehin im
Augenblick, ein wenig Französisch zu lernen.
Also: Regierungen, die ein Militär unterhalten, sagen damit klar an,
dass sie für ihre Macht töten wollen. Auf jeden Fall mal die Soldaten
der anderen Regierungen.
Es kommt aber noch schlimmer: Wie ich in meinem Furor über die
Weigerung der deutschen Regierung, dem Atomwaffenverbotsvertrag TPNW
beizutreten, argumentiert habe, sind Kernwaffen nur einsetzbar, um
Hunderttausende oder Millionen von Untertanen einer (na ja: in der
Regel) anderen Regierung zu töten. Es gibt schlicht keine anderen
glaubhaften Einsatzszenarien.
Mithin ist, wer die Bombe werfen will, gewillt, für die eigene Macht
Städte in Schlachthäuser zu verwandeln. Alle deutschen Regierungen
meiner Lebenszeit waren ganz wild auf die „nukleare Teilhabe“ und hatten
damit diesen Willen. Die zweite Behauptung, die ich hier machen will,
ergibt sich damit unmittelbar: Wer in der BRD lebt, wird regiert von
Menschen, die für ihre Macht Städte ausradieren werden.
Es wäre also schon ein großer zivilisatorischer Fortschritt, wenn sich
die nächste Regierung durchringen könnte zum Statement, sie könne sich
schon vorstellen, zwecks Machterhalt ein paar hundert, tausend, oder
zehntausend Menschen zu töten (also: sie löst die Bundeswehr nicht
einfach auf, was natürlich der erfreulichste Ausgang wäre); der eigene
Machterhalt würde aber doch nicht rechtfertigen, dutzendweise Städte
einzuäschern (weshalb sie den Spuk der nuklearen Teilhabe beenden und
dem TPNW beitreten würde).
Ich wette dagegen.