Ich kann nicht lügen: Einer der Gründe, weshalb ich gerade jetzt mit diesem Blog daherkomme ist, dass ich mir seit Dezember ganz besonders auf die Schulter klopfe wegen der Präzision meiner Corona-Vorhersagen: Wie befriedigend wäre es gewesen, wenn ich auf was Öffentliches hinweisen könnte, das meine Vorhersagen Anfang November dokumentieren würde. Als der „weiche Lockdown“ losging, habe ich nämlich etwas verkniffen rumerzählt: Klar werden die Zahlen nicht runtergehen, solange die Betriebe [1] nicht massiv runterfahren, und weil sich das niemand traut, werden in der Folge immer bizarrere Maßnahmen getroffen werden.
So ist es nun gekommen, bis hin zu den Windmühlenkämpfen gegen die Rodler_innen im Sauerland und die nächtlichen Ausgangssperren hier in Baden-Württemberg (die allerdings, soweit ich das erkennen kann, genau niemand durchsetzt).
Nun, jetzt habe ich die nächste Gelegenheit. Zu den relativ wenig beachteten Phänomenen gerade gehört nämlich, dass die Zahl der Corona-Intensivpatient_innen seit dem 4.1. konsistent fällt. Ich bin ziemlich überzeugt, dass das im Wesentlichen das Runterfahren von eigentlich praktisch allem (Betriebe, Geschäfte, Schulen) in der Woche vor Weihnachten spiegelt; und das würde auch darauf hinweisen, dass die Intensivbelegung dem Infektionsgeschehen etwas weniger als die generell angenommenen drei Wochen hinterherläuft.
Tatsächlich lasse ich seit September jeden Tag ein ad-hoc-Skript laufen, das die aktuellen DIVI-Zahlen aus dem RKI-Bericht des Tages extrahiert und dann logarithmisch (also: exponentielle Entwicklung ist eine Gerade) plottet. Das sieht dann etwa so aus:
Das angebrachte Lineal ist ein kleiner Python-Hack, den ich extra dafür gemacht habe (da schreibe ich bestimmt demnächst auch mal was zu), und er zeigt: Wir haben seit fast zwei Wochen einen exponentiellen Rückgang der Intensivbelegung – auch bei den Beatmeten, was die untere Linie zeigt; deren paralleler Verlauf lässt übrigens ziemlich zuverlässig darauf schließen, dass wohl keine im Hinblick auf den Verlauf aggressivere Mutante in großer Zahl unterwegs ist.
Die schlechte Nachricht: Wenn mensch die Steigung anschaut, kommt eine Halbierungszeit von was wie sechs Wochen raus. Das wird nicht reichen, zumal, und hier kommt jetzt meine Prognose, diese Entwicklung wohl bald gebrochen wird, denn zumindest in meiner Umgebung war die Weihnachtsruhe spätestens am 11.1. vorbei, in Bundesländern ohne Feiertag am 6. wahrscheinlich schon früher. Unter der Annahme von zweieinhalb Wochen zwischen Infektionsgeschehen und Intensivreaktion dürfte es dann also etwa Mitte nächster Woche so oder so vorbei sein mit dem Traum zurückgehender Infektionen.
Und wenn ich schon über Coronazahlen rede: Diesen Belegungsplot mache ich, weil ich ziemlich sicher bin, dass von all den Zahlen, die das RKI derzeit verbreitet, nur die DIVI-Zahlen überhaupt ziemlich nah an dem sind, was sie zu sagen vorgeben, auch wenn Peter Antes, auf dessen Urteil ich viel gebe, da neulich auch Zweifel geäußert hat, die ich erstmal nicht ganz verstehe: die zwei „komischen“ Schnackler, die ich sehe, sind jetzt mal wirklich harmlos.
Dass die Infektionszahlen problematisch sind, ist inzwischen ein Gemeinplatz; zwar wäre sicher, könnte mensch wirklich den Zeitpunkt der Übertragung in nennenswerter Zahl feststellen, ein sichtbarer Effekt vom Wochenende zu sehen (denn die Übertragung in der Breite dürfte derzeit stark von Arbeit und Arbeitsweg dominiert sein), aber nicht mal der würde die wilden Zacken verursachen, an die wir uns in den letzten Monaten gewöhnt haben.
Aber ok – dass in Daten dieser Art das Wochenende sichtbar ist, hätte ich auch bei 24/7-Gesundheitsämtern jederzeit vorhergesagt. Beim besten Willen nicht vorhergesagt hätte ich allerdings die Zackigkeit dieser Kurve:
Zu sehen sind hier die Todesmeldungen pro Tag (jetzt nicht vom RKI, sondern von Johns Hopkins, aber beim RKI sieht das nicht anders aus). Sowohl nach Film-Klischee („Zeitpunkt des Todes: Dreizehnter Erster, Zwölf Uhr Dreiunddreissig“) als auch nach meiner eigenen Erfahrung als Zivi auf einer Intensivstation hätte ich mir gedacht, dass Sterbedaten im Regelfall zuverlässig sind. Und so sehr klar ist, dass während Volksfesten mehr Leute sterben und bei den Motorradtoten ein deutliches Wochenend-Signal zu sehen sein sollte: Corona kennt ganz sicher kein Wochenende.
Also: DIVI rules.
Und ich muss demnächst wirklich mal gegen dark mode ranten.
[1] | Als bekennender Autofeind muss ich ja zugeben, dass der größte Wow-Effekt der ganzen Corona-Geschichte war, als im letzten März VW die Produktion eingestellt hat. Dass ich das noch erleben durfte... Der zweitgrößte Wow-Effekt war übrigens, dass die doch ziemlich spürbare Reduktion im Autoverkehr im März und April sich nicht rasch in den Sterblichkeitsziffern reflektiert hat. |
Zitiert in: How I'm Using Pelican Keine guten Nachrichten Die Intensiv-Antwort 66 ist das neue 50 Corona als Film Es waren die Läden An Xlib-based Screen Ruler in Python