Ich lese immer noch flächendeckend die Presseschau im Deutschlandfunk, um meinen Olivindex fortzuführen. Gedacht als grobes Maß für die bedenkliche Mischung aus Kriegsbegeisterung und Patriotismus ist der Olivindex in Wirklichkeit der Anteil der in der Presseschau vertretenen Kommentare, die ersichtlich voraussetzen, dass an deutschem Militär und deutschen Waffen die Welt genesen könnte oder gar müsste.
Seit dem letzten Mai habe ich am Fuß jeder Blog-Seite unter „Kriegsfieber aktuell“ jeweils eine Visualisierung dieser Scores als olive Farbbalken. Oben hingegen zeige ich das Ganze mal als klassischeren Plot, unter Wiederverwendung der Gauß-Glättung aus der Untersuchung der CO₂-Zeitreihe[1].
Es wäre wahrscheinlich interessant, das allmähliche Absinken des journalistischen Kriegsfiebers zwischen Mai und Juli mit den Ereignissen zu korrelieren, das kurzfristige Wiederaufflackern im Laufe des Septembers – ich glaube, im Wesentlichen im Gefolge der russischen Teilmobilmachung –, die kühleren Herzen im November und Dezember und das Wiederanschwellen des Bocksgesangs hin zu den weiter wachsenden Waffenlieferungen der letzten Zeit. Aber das ist wahrscheinlich eine Arbeit, die mit mehr historischer Distanz besser von der Hand gehen wird.
Ich erzähle das jetzt gerade alles nur, um zu motivieren, wie ich auf den Preisträgertext gekommen bin für den
Der aktuelle Preisträger ist die Pforzheimer Zeitung, die ausweislich der gestrigen DLF-Presseschau (wenn der Link kaputt ist: sorry, der DLF depubliziert den Kram immer noch rasend schnell) ausgerechnet die doch eher zahme Frage der Faeser-Kandidatur mit folgendem ziemlich unprovozierten Ausfall kommentiert:
Bundesinnenministerin will die 52-Jährige bis zur Hessen-Wahl bleiben – also ‚nebenher‘ auch noch Wahlkampf machen. In einer Phase, in der die nationale Sicherheit Deutschlands so wichtig ist wie seit bald acht Jahrzehnten nicht mehr.
Ummmm. Acht Jahrzehnte sind achtzig Jahre, 2023-80 gibt 1943. Damals war nach Ansicht des Pforzheimer Kommentators die „nationale Sicherheit“, zumal von „Deutschland“ ganz besonders „wichtig“? Uiuiuiui… Nun. Pforzheim. Die Stadt, in der bei den Landtagswahlen 2016 24.2% der Abstimmenden die AfD gewählt haben – damit waren die damals stärkste Kraft im Wahlkreis.
Eine gewisse Logik liegt da schon drin. Unterdessen herzlichen Glückwünsch an den/die PreisträgerIn.
[1] | Nun: weil mir hier die Ränder wichtig waren, habe ich etwas mehr „Sorgfalt“ (mensch könnte auch von „Großzügigkeit” reden) auf das Padding am Anfang und Ende der Zeitreihe verwendet, also die Stellen, an denen der Glättungskern über die Daten rausreicht. Ich mache das jetzt gerade durch Fortschreibung der jeweiligen Randelemente; das gibt diesen an den Rändern viel zu viel Gewicht, aber es ist immer noch besser als einfach mit Nullen fortzuschreiben. Wer mag, kann mein Tricksen in der smooth_gauss-Funktion in olivin ansehen. |