Mich hat neulich wer gefragt, wie viel CO2 ein durchschnittlicher Mensch so emittiert, und mit meiner Kopfzahl vom letzten Jahr, um die 35 Gigatonnen CO2-Äquivalent Gesamtemission weltweit, geteilt durch die geschätzten 8 Milliarden Menschen, die letzte Woche durch die Presse gingen, habe ich mal munter „vier Tonnen“ gesagt und anschließend die zweite Kopfzahl von damals, 2/3 Gt für die BRD mit 80 Millionen EinwohnerInnen zu „eher so acht Tonnen für dich und mich“ verarbeitet, „nicht zu vergessen ein paar Tonnen obendrauf für Fertigwaren und Futter, die wir importieren und die derzeit für oder gegen China, Brasilien oder Indonesien zählen.“
Aber darum ging es ihm nicht. Er wollte wissen, was ein Mensch so ausatmet, was wir also einfach nur durch unseren Stoffwechsel emittieren. Dafür hatte ich spontan keine brauchbaren Kopfzahlen und habe (ahem: deshalb) erstmal eingewandt, dass das, wie unten ausgeführt, ziemlich irrelevant ist. Dennoch ist das keine per se schlechte Frage, und so habe ich meinen Post zur menschlichen Leistung hervorgekramt und daraus für mich und vergleichbare Menschen eine Wärmefreisetzung zwischen 8 und 16 MJ am Tag (also Megajoule, Millionen Joule) abgelesen. So ein Ärger: Das hatte ich eigentlich schon damals zur Kopfzahl erklärt, aber dann doch wieder vergessen.
Vier Kilo pro Tag
Zur CO2-Bilanz unserer Kohlenstoff-Verstoffwechselung hatte ich in meinen Überlegungen zur thermischen Leistung schon etwas geschrieben. Eine kurze Erinnerung daran: Tiere wie der Mensch betreiben sich vor allem, indem sie Phosphor von ATP abspalten, was ihnen für jedes Mol ATP 31 kJ Energie bringt. Für 30 Mol ATP atmen wir ungefähr sechs Mol CO2 aus, womit wir auf die Stoffmenge von CO2 bezogen am Ende
an Wärme abgeben können. Das ist die untere Grenze der mit dem Ausatmen von einem Mol CO2 verbundenen Wärmefreisetzung; in Wahrheit werden auch die Prozesse zur Herstellung von ATP aus den verschiedenen Nahrungsbestandteilen Wärme freisetzen. Die obere Grenze ist – im zitierten Post diskutiert – die Reaktionsenthalpie von Verbrennung von Kohlenstoff, nämlich 394 kJ ⁄ mol. Die folgende Abschätzung aus der Abwärme liefert jedenfalls eine obere Grenze der Emission.
Wenn wir die 155 kJ/mol mit der Leistung eines Durchschnittmenschen verrechnen – wir nehmen jetzt mal den Mittelwert der oben erwähnten Grenzen, also 12'000 kJ/d –, ergibt sich für die CO2-Emission eines Menschen aus dem Stoffwechsel
Wer nun bei „Mol“ nur düstere Erinnerungen an den Chemieunterricht hat: Das ist einfach Abkürzung für „ungefähr 6⋅1023 Moleküle“, und diese krumme Zahl ist so gemacht, dass mensch im Groben nur die Nukleonenzahlen der beteiligten Atome zusammenaddieren muss, um das Mol („Stoffmenge“) in Gramm („Masse“) zu wandeln. Als Kopfzahlen taugen 12 Nukleonen für den Kohlenstoff und 16 Nukleonen für den Sauerstoff[1]. Für Kohlendioxid mit zwei Sauerstoff- und einem Kohlenstoffatom ergeben sich also 44 Gramm aufs Mol.
Mithin atmen wir so auf einen Faktor zwei – Tour de France-FahrerInnen ausgenommen –
Kohlendioxid aus. Mit der Kopfzahl 1 Kubikmeter aufs Kilogramm für Luft (jaja, CO2 ist ist etwas dichter als N2, das ja die Luft dominiert, aber Faktoren von 1.5 spielen hier keine große Rolle) ist das ganz nebenher schnell in ein Volumen gewandelt: Wir atmen was zwischen zwei und acht Kubikmeter reines CO2 am Tag aus, genug, um eine Grube zu füllen, die groß genug ist, um reinzufallen. Ein Glück, dass unter normalen Umständen CO2 nicht in solchen Gruben bleibt, oder wir würden uns regelmäßig durch unsere eigene Atmung umbringen.
Fürze und AfD-Debatten
Völlig vernachlässigbar im Hinblick auf den Treibhauseffekt sind übrigens Fürze. Die Wikipedia beziffert die auf rund einen Liter am Tag. Angenommen, es handele sich um pures Methan (das geruchlos ist, was zeigt, dass wir hier eine nicht ganz zutreffende Annahme machen), wäre das in etwa ein Gramm davon und damit klimatisch verschwindend gegenüber dem CO2, selbst dann, wenn mensch die Treibhauswirkung von Methan mit etwas wie einem Faktor 20 gegenüber Kohlendioxid ansetzt.
Aufs Jahr gerechnet haben wir also rund eine Tonne CO2-Äquivalent aus dem Stoffwechsel. Das schien mir verdächtig nahe an den fossilen Emissionen, die ich oben auf vier Tonnen pro Jahr geschätzt habe[2]. Dass wir im Schnitt lediglich vier Mal mehr fossile Energie verbraten sollten als wir durch unsere Nahrung zu uns nehmen, erschien mir auf Anhieb völlig unplausibel. Deswegen habe ich eine Suchmaschine mit etwas wie "CO2-Emission" "Atmung" angeworfen, und ich habe etwas über meinen Bekannten herausgefunden, das ich wirklich nicht wissen wollte.
Per (übrigens ziemlich lahmen) Faktencheck der Tagesschau stellt sich nämlich raus, dass das Thema „Uh, Menschen in Afrika atmen und machen fast so viel CO2 wie unsere Autos” von einem, nun, intellektuell eher einfach gestrickten Menschen etabliert wurde, der für die AfD im Bundestag sitzt. Gut: solche „Diskurse“ können Menschen auch über Ecken erreichen – vielleicht ist der Bekannte ja gar nicht in AfD-Echokammern unterwegs. Ich nehme das jetzt einfach mal ganz fest an.
Ziemlich irrelevant
Lahm ist der Tagesschau-Faktencheck übrigens nicht nur, weil er nicht mal versucht, ein – ja wirklich nicht allzu kompliziertes – physikalisches Argument zu machen, sondern einfach nur irgendeine Autorität zitiert und dann mit völlig albernen Mantissenlängen arbeitet (von „168” bis „2040“, quasi aufs Promille genau), sondern auch, weil er viel zu wenig darauf eingeht, warum genau die Frage nach dem Stoffwechselbeitrag gleichzeitig völlig irrelevant und dramatisch ist.
Irrelevant ist sie, weil: „Das vom Menschen ausgeatmete CO2 stammt aus dem eigenen Stoffwechsel, war also bereits im biologischen Kreislauf vorhanden“. Weder dieser noch die folgenden Sätze im Faktencheck machen hinreichend klar, was der entscheidende Unterschied ist zwischen Mensch und Betonmischer ist.
Menschen nämlich essen nach wie vor praktisch nur Dinge, die ungefähr im Jahr vorher Pflanzen waren, oder jedenfalls im Jahrzehnt vorher. Das steht im Gegensatz zu fossilem Kohlenstoff, also Kohlenstoff, der vor vielen Millionen Jahren mal Pflanze war (oder anderweitig aus der Atmosphäre genommen wurde). Während nun Kohlenstoff, der letztes Jahr Pflanze war, plausiblerweise auch demnächst wieder Pflanze sein wird und sich kaum in den Atmosphäre anreichern wird, wird Kohlenstoff, den wir von vor (hunderten) Millionen Jahren in die Gegenwart transportieren, das eher nicht so schnell können – und in der Tat verbleiben jedenfalls große Mengen davon augenscheinlich sehr lange in der Atmosphäre.
Eine Art, das zu sagen, wäre: „Solange wir weder Zeug aus Kohle noch aus Erdöl essen, sind wir unmittelbar nicht schlimmer als die Tiere, die wir verdrängt haben.“ Das „woher“ in der Überschrift deutet diesen Gedanken zwar an, aber es hätte schon sehr geholfen, ihn etwas klarer als über den doch recht abstrakten Verweis auf den „biologischen Kreislauf“ auszusprechen.
Wir verstoffwechseln also direkt nur sehr wenig fossilen Kohlenstoff; ich denke, ein paar Aromastoffe und und andere Spuren in üblichen Lebensmitteln dürften direkt aus Öl und Gas erzeugt werden, aber selbst Analogkäse wird immer noch aus „Milch-, Soja- oder Bakterieneiweiß und Pflanzenfette als Grundstoffe, teils auch Stärke“ (Wikipedia) gemacht. Solange das so ist, sind wir mit dem Stoffwechsel selbst notwendig im CO2-Gleichgewicht mit unserer Landwirtschaft, die ja ständig den Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden muss, der in der Folge wiederum in unseren Därmen landet – wie weit diese Produktions-Konsumptions-Logik noch als „biologischer Kreislauf“ durchgeht, dürft ihr selbst entscheiden.
Trotzdem schlimm
Allerdings: auch das Gegenargument ist in der Praxis ungültig, denn es gilt nur für die Sorte Subsistenzlandwirtschaft, die möglicherweise verbreitet bleibt in den Teilen des globalen Südens, die wir noch nicht „in den Weltmarkt integriert haben“: Sie findet ohne Beteiligung fossiler Energieträger statt, der Kohlenstoff, der da verhandelt wird, ist also tatsächlich vom letzten Jahr oder, wo die BäuerInnen mal roden, vielleicht vom letzten Jahrhundert.
Die marktkonforme Lebensmittelproduktion hingegen hat, zwischen Trockenlegung von Feuchtgebieten, Treckern und Supermärkten, einen gewaltigen Anteil an der Emission (mehr oder, etwa im Fall von Mooren, minder) fossilen Kohlenstoffs, je nach Rechnung zwischen 10% und 30%. Und so ist schon richtig, dass das Wachstum dem Klima den Rest gibt. Das Wachstum der Bevölkerung jedoch hat darauf nur insoweit einen Einfluss, als es normalerweise Wirtschaftswachstum nach sich zieht. Es ist aber nicht die Subsistenzbäuerin, es ist die Produktion für den Weltmarkt, die fossiles CO2 freisetzt.
Das spiegelt sich in den Abschätzungen der Pro-Kopf-Emission von Treibhausgasen in Our World In Data wider[3]. Während ein Weltmarktbürger wie dieser mangelinformierte AfD-Mensch um die acht Tonnen CO2-Äquivalent emittiert, sind Menschen in der komplett abgehängten Zentralafrikanischen Republik mit 40 Kilogramm im Jahr dabei. 200 Menschen dort haben den Fußabdruck dieses einen AfDlers. Ginge es nur um die Kohlenstoffemissionen, könnten wir „im Westen“ durch eine sehr mäßige Rate von Selbstentleibung noch jede Menge Bevölkerungswachstum im globalen Süden mehr als ausgleichen.
Aber einerseits ist das nur Teil der Gleichung, und andererseits soll sich ja eigentlich niemand aufhängen. Es bleibt also nicht nur im Interesse von Frauen, ihre reproduktive Freiheit durchzusetzen. Es wird immerhin ein kleiner Beitrag sein, mit dem Wirtschaftswachstum fertig zu werden – auch wenn eine rationalere Organisation der Produktion und ein Recht auf Faulheit dafür wichtiger sein werden. Es wird aber langfristig auch anderen Tieren wieder etwas mehr Platz geben. XKCD 1338 zeichnet, glaube ich, ein etwas zu düsteres Bild (z.B.: sind da die Wildschweine nicht deutlich unterschätzt?), aber qualitativ stimmt sicher, dass wir und unsere Nutztiere die ökologische Nische der Landsäugetiere auf der Erde dramatisch dominieren:
[1] | Wenn das wirklich so platt wäre, könnten weite Teile der Wissenschaft zumachen. Vgl. z.B. C14-Datierung, vgl. Isotopengeochemie, vgl. Isotopieverschiebung, vgl., oh je, stabile Isotope in der Forensik. Oh, und vgl. auch den Massendefekt, der ebenfalls in die Frage von Atommassen reinkommt (allerdings genau nicht beim 12er-Kohlenstoff). Die Nukleonenzählmethode ist aber trotzdem für fast alle leichten Elemente und für den Alltagsgebrauch überallhin gut genug. |
[2] | Übrigens dürfte von der Tonne Stoffwechsel-CO2 fast nichts in den vier Tonnen Emissionsschätzung drin sein; letztere entsteht ja vor allem durch Abschätzungen aus der Förderung fossiler Energieträger, landwirtschaftlicher Aktivität und dergleichen. Die tatsächliche Freisetzung irgendwelcher Gase wird nur in Ausnahmefällen erfasst – und wäre, wie ich gleich argumentieren werde, im Hinblick auf die Klimawirkung auch nicht hilfreich. |
[3] | Weil deren Webseite so eine CPU-intensive Javascript-Katastrophe ist: hier ein CSV der einschlägigen Daten. Rechte: CC-BY ourwoldindata.org. Übrigens: Wenn ihr guckt, sind die Zahlen für die jeweils vorindustrielle Zeit jeweils Null, obwohl damals die Leute natürlich auch schon geatmet haben. Wie gesagt, in aller Regel umfassen solche Zahlen nur Emissionen fossilen Kohlenstoffs, genau aus den oben diskutierten Gründen. |
Zitiert in: Eine neue Nexus-Nabe und ihr Fußabdruck