Warum CRISPR im Elfenbeinturm bleiben sollte: Entholzte Pappeln

Zur Frage technischer Lösungen sozialer Probleme – sagen wir: Klimawandel –, die mich neulich bewegt hat, ist mir gestern noch eine bemerkenswerte Ergänzung untergekommen, und zwar in den Deutschlandfunk-Wissenschaftsmeldungen vom 14.7. Darin hieß es:

Mit Hilfe der Gen-Schere CRISPR sollen Bäume nachhaltiger werden.

Ein Forschungsteam der North Carolina State University hat Gen-Scheren eingesetzt, um einen Baum mit möglichst idealen [!] Holzeigenschaften [!] zu entwickeln [!].

Die Holzfasern der genomeditierten Pappeln sollen sich besonders gut für die Verarbeitung eignen, zum Beispiel in der Papierindustrie oder sogar für Windeln. Dabei entsteht möglichst ebenmäßiges Material mit einem geringen Anteil an Lignin, einem besonders harten holzigen Bestandteil von Bäumen. Laut der Publikation im Fachmagazin Science könnten durch den Einsatz der genmodifizierten Holzfasern die Emissionen in der Holzverarbeitung deutlich gesenkt werden.

Ich finde, diese Meldung illustriert ganz gut, warum Hoffnungen auf „Innovationen“ zur Erreichung von mehr „Nachhaltigkeit“ so lange Illusionen sind, wie wir nicht von der Marktwirtschafts- und Wachstumslogik loskommen: Die „Nachhaltigkeit“ von der die Redaktion hier redet, besteht nur in einer weiteren Intensivierung unserer Dienstbarmachung der Natur, mithin also in weiteren Schritten auf dem Weg ins Blutbad (ich übertreibe vermutlich nicht).

Und dabei habe ich noch nicht die Geschacksfrage erwogen, wie freundlich es eigentlich ist, irgendwelche Organismen so herzurichten, dass sie besser zu unseren industriellen Prozessen passen, Organismen zumal, die uns über Jahrhunderte unsere Wege beschattet und Tempolimits erzwungen haben:

Eine Pappelallee mit breiter Auto- und akzeptabler Fahrradspur, im Vordergrund ein dickes Schild mit Geschwindigkeitsbegrenzung 70.

Die Pappelallee auf dem Damm, der die Bodenseeinsel Reichenau mit dem Festland verbindet, im Juli 2019 bereits mit einem akzeptablen Fahrradweg.

Statt also einfach viel weniger Papier zu produzieren und nachzudenken, wie wir von der ganzen unerfreulichen Einwegwindelei runterkommen, ohne dass das in zu viel Arbeit ausartet, machen wir lieber weiter wie bisher. Was kann schon schiefgehen, wenn wir riesige Plantagen ligninarmer Gummipappeln im Land verteilen, damit wir weiter Papier verschwenden und unsere Babys in Plastik verpacken können? Ich erwähne kurz: Bäume machen das Lignin (wörtlich übersetzt ja in etwa „Holzstoff“) ja nicht aus Spaß, sondern weil sie Struktur brauchen, um in die Höhe zu kommen.

Die Schote liefert auch ein gutes Argument gegen die Normalisierung von CRISPR-modifizierten Organismen in der Agrarindustrie, die in diesen Kreisen immer weniger verschämt gefordert wird. Es mag ja gerne sein, dass ein ganzer Satz Risiken wegfällt, wenn mensch nicht mehr wie bei der „alten“ Gentechnik dringend Antibiotika-Resistenzgene zur zielgerichteten DNA-Manipulation braucht. Das fundamentale Problem aber bleibt: CRISPR gibt Bayer und Co längere Hebel, und die setzen die natürlich nicht ein, um die Welternährung zu retten – das ist ohnehin Quatsch, weil diese eine Frage von Verteilung, „Biosprit“ und vielleicht noch unserem Fleischkonsum ist und Technologie in allen diesen Punkten überhaupt nicht hilft. Sowieso nicht werden sie Pflanzen herstellen, die die BäuerInnen im globalen Süden besser durch Trockenzeiten bringen werden, Pflanzen gar, die diese selbst nachziehen und weiterentwickeln können („aber… aber… denkt doch an das geistige Eigentum!“).

Nein. Sie werden den langen Hebel nutzen für Quatsch wie Pappeln, schneller einfacher zu gewinnendes Papier liefern – und das ist noch ein guter Fall im Vergleich zu Round up-Ready-Pflanzen (die höhere Glyphosat-Dosen aushalten) oder Arctic Apples (deren einziger Zweck zu sein scheint, dass Supermärkte ein paar mehr arme Schweine zum Apfelschnippeln hernehmen können, um nachher lecker-weiß leuchtende Apfelschnitzen teurer verkaufen zu können).

Wie der industrielle Einsatz von CRISPR zu beurteilen wäre, wenn die dadurch verfolgten Zwecke ökologisch oder wenigstens sozial akzeptabel wären, kann dabei dahingestellt bleiben. Solange die Technologieentwicklung im Allgemeinen durch Erwägungen von „Märkten“ getrieben wird, ist es für uns alle besser, wenn allzu mächtige Technologien scharf reguliert sind. Und das gilt schon drei mal für Kram mit einem so langen Hebel wie CRISPR.

Schließlich: Wenn ihr in die Meldungen reinhört, lasst sie doch noch laufen bis zu diesem genderpolitischen Offenbarungseid:

Laut der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA ist fast die Hälfte aller Schwangerschaften in den USA ungewollt.

Das passiert, wenn du ChristInnen deine Lehrpläne gestalten lässt – und es ist weiterer Hinweis darauf, dass reproduktive Selbstbestimmung ein zentraler Baustein einer menschenwürdigen Gegenwart und Zukunft ist.

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