Vom Nutzen der Diversität

Dafür, dass ich das Buch „SARS from East to West“ als „unfassbar langweilig“ beschrieben habe, gibt es schon ziemlich viel her, denn nach meiner ersten Besprechung hat es mit den bekannten Szenarien ja schon einen zweiten Post abgeworfen. Und jetzt gleich noch einen. Wenn ich kurz drüber nachdenke – eigentlich ist das ein Kennzeichen von Wissenschaft: Weite Strecken von mühsamer Langeweile unterbrochen von aufregenden Erkenntnissen, die mensch unbedingt gleich mitteilen möchte. Hm.

Heute jedenfalls will ich auf eine Geschichte aus Kapitel 8 des Buchs hinweisen. In diesem beschäftigen sich Joan Deppa, Andrew Seaberg und Grace Han Yao (die die Arbeit an der „School of Public Communications“ in Syracuse, NY gemacht haben und danach Public Communications-Profin, Investmentheini und Marktforscherin geworden sind) mit dem öffentlichen Nachrichtenfluss im Verlauf der SARS-1-Pandemie von 2003. Während nämlich, wie neulich zusammengefasst, spätestens seit dem 1. März 2003 in Ostasien klar war, dass eine ungewöhnliche Krankheit umging, tauchten in „westlichen“ Medien (Deppa et al haben CNN, die New York Times und die Washington Post untersucht) die ersten „richtigen“ Geschichten zu SARS erst nach der weltweiten Warnung der WHO am 15. März auf, auf die Titelseite der NYT hat es SARS gar erst am 7. April geschafft.

Als am 23.2.2003 die kanadische Touristin, die sich nahe dem Zimmer 911 angesteckt hatte, in Toronto landete, wussten aber dennoch KanadierInnen von SARS: In Vancouver und Toronto lebten schon damals viele Menschen, die sich mehr oder weniger als chinesische Expats verstanden und insbesondere chinesischsprachige Zeitungen mit chinesischen Meldungen lasen. Eine von ihnen war Agnes Wong, die in eben dem Krankenhaus arbeitete (dem Scarborough Grace), in das die Touristin eingeliefert worden war. Als sich deren Sohn am 7. März ebenfalls mit einer schlimmen Lungensymptomatik in der Notaufnahme vorstellte, erinnerte sich Wong an einen Artikel aus der in Toronto erscheinenden Sing Tao (eine der erwähnten Expat-Zeitungen), in dem über SARS-Fälle in Hong Kong berichtet worden war. Und dann ging es so weiter:

Die ursprüngliche Diagnose des Patienten im Scarborough Grace-Krankenhaus war Tuberkulose gewesen [...] Wong jedoch verständigte die Nachtschwester und bat sie, die Reiseanamnese der Mutter des Patienten zu prüfen. Sie erfuhr bald, dass die Mutter in Hong Kong gewesen und krank zurückgekommen war. Wong drängte die Pflegekräfte, den ärztlichen Dienst zu verständigen. Und so, das jedenfalls ist die Darstellung des Fernsehsenders CBC und der Zeitung Toronto Star, wurde der erste Fall von SARS in Kanada gefunden.

Sollte euch mal wer fragen, was die Sache mit der Diversität – die ja tatsächlich so oft in Reden von Marktradikalen vorkommt, dass mensch ins Grübeln kommen mag – soll: Vielleicht erinnert ihr euch an diese Geschichte.

Und wo ich schon über das Buch schreibe, kann ich vielleicht noch einen schnellen Nachtrag zum bekannten Szenario-Post loswerden in dem ich ja spekuliert hatte, dass die Murdoch-Presse in Kanada ähnlich destruktiv agiert haben könnte wie Springer hier. In der Tat findet sich im siebten Kapitel des Buchs (das vor allem eine Verhältnismäßigkeitsabwägung der Isolationsmaßnahmen vornimmt) folgende Passage:

Ganz besonders die konservative Presse spielte die Bedrohung durch SARS anfänglich herunter. Die Unterstellung war, alarmistische Berichterstattung über kleinere Probleme diene vor allem dazu, Zeitungen zu verkaufen und die Forschungsbudgets nordamerikanischer Universitäten zu erhöhen.

Wie gesagt: Bekannte Szenarien.

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