„Rohstoffe in Deutschland“ im Karlsruher Naturkundemuseum

Ein ziemlich großer Eimer mit Bruchsteinen drin, auf einem orangen Podest mit der Aufforderung, seinen täglichen Rohstoffverbrauch anzuheben.

Überzeugende Museumspädagogik in der Rohstoff-Ausstellung im Naturkundemuseum Karlsruhe: für unseren Konsum[1] wird jeden Tag pro Nase insgesamt 32 kg Zeug aus der Erde geholt. Bei diesem Exponat kann mensch auf eigene Gefahr versuchen, das anzuheben.

Zu den Museen, die ich mehr oder minder dank meines Museumspasses im vergangenen Jahr des Öfteren besucht habe, gehört das Naturundemuseum Karlsruhe. Wenn ich zwei Highlights nennen müsste: der Erdbebensimulator ist immer wieder ein Erlebnis, und die Dioramen, in denen ausgestopfte Tiere in idealisierten Ökosystemen arrangiert sind, sind gleichzeitig was fürs Auge und gerade richtig angestaubt für ruhige Kontemplation in Zeiten, in denen ohne Knöpfe und Beamer gar nichts mehr zu gehen scheint.

Derzeit finden obendrein zwei ziemlich lohnende Sonderausstellungen statt. Da ist erstens „Von Sinnen“ über die Wahrnehmungen von allerlei Organismen. Diese Ausstellung ist allerdings demnächst vorbei. Sollte sie nochmal woanders gezeigt werden, lasst sie euch nicht entgehen, schon allein, weil sie zeigt, wie gut ein Design funktionieren kann, das wahrnehungseingeschränkte Menschen mitnehmen will (und wahrscheinlich auch mitnimmt).

Noch bis April läuft dagegen „Deutschlands Bodenschätze“, eine kleine Ausstellung, in der ich erschreckend viel Zeit verbracht habe, etwa in Betrachtung einer der Manganknollen, die schon seit meiner Kindheit regelmäßig als Versprechen für hunderte weitere Jahre munteren Extraktivismus' gehandelt werden:

Eine Art Stein mit vielen Gnubbeln drauf.

Manganknolle aus der Ausstellung „Deutschlands Rohstoffe“ mit der Beschriftung: „aus dem deutschen Lizenzgebiet bei 117° West/11° 50' Nord aus 4.100 m Wassertiefe.“

Da Manganknollen ja typischerweise vom Boden des Roten Meers oder (wie hier) der Clarion-Clipperton-Zone[2] gekratzt werden, erschließt sich auch gleich, dass das „Deutschland“ im Ausstellungstitel eher bedeutet „was wir für unsere Wachstumsorgie verschleudern“ als das durch den Genitiv vielleicht naheliegendere „was unter dem von unserer Regierung kontrollierten Gebiet liegt“.

Die Verheerungen von Einfamilienhaus-, Neu- und Straßenbau

Genau in diesem Sinn ist auch das ganz oben illustrierte Exponat zu verstehen: Ein Eimer mit einigen Steinen drin, den mensch anheben kann (oder vielleicht auch nicht). Die 32 kg, die der Eimer wiegt, sind eine plausible Quantifizierung des Anteils jedes/r BundesbürgerIn an dem, was die Menschheit in ihrem Produktionsrausch so aus der Erde rauswühlt. Und zwar Tag für Tag für Tag.

Das mal für einen Moment tatsächlich zu tragen ist durchaus beeindruckend und vor allem instruktiv. Die Alltagserfahrung, also sagen wir, der Kram, den wir in die Mülltonne kippen, ist tatsächlich nur ein kleiner Teil dieser 32 kg. So mag das Heben dieses überraschend schweren Eimers ein Bewusstsein dafür wecken, welche Verheerungen gerade auch unsere Einfamilienhaus-, Neu- und Straßenbauwirtschaft anrichtet.

Weit weniger konsumkritisch wirkte bei mir der ebenfalls durch hebbare Exponate illustrierte Dichteunterschied zwischen Magnesium, Alu und Stahl. Ich muss mich leider öffentlich zum wenig nachhaltigen Gedanken bekennen: „Mein nächster Computer sollte aber wirklich ein Magnesiumgehäuse haben“.

Das wiederum führt relativ zwanglos in die Rubrik „warum schießen denn all die Leute im globalen Süden auf uns und unsere Freunde, die sie doch nur befreien wollen?“[3] In diese passt eine per Touchscreen entdeckbare Infografik der Rohstoff-Ausstellung:

Infografik mit sichtbaren LCD-Pixeln: 69.2 Autos pro Mensch in der BRD, 0.3 in Guinea, dazu der Text: „Das in der deutschen Autoindustrie eingesetzte Bauxit kommt hauptsächlich aus Guinea“.

Diese Grafik findet sich auch in der wirklich gut gemachten Broschüre „Argumente für eine Rohstoffwende“ des AK Rohstoffe etlicher deutscher NGOs wieder. Guckt euch das mal an, auch wenn ihr nicht in die Karlsruher Ausstellung kommt. Wer danach immer noch meint, wir sollten mal ordentlich grünes Wachstum machen, hat nicht nur ein stark aus der Balance geratenes Hirn-Hintern-Gleichgewicht, sondern dazu noch kein ohne aufwändige Bildgebung feststellbares Herz.

Mein Herz (zu dem Autofeindschaft allzeit leicht Zugang findet) jedenfalls hat die Broschüre spätestens auf Seite 9 erobert:

Mehr als 46 Milliarden Liter Benzin und Diesel verbrauchten Pkw in Deutschland im Jahr 2017. Eine reine Antriebswende würde diesen Verbrauch zwar reduzieren, aber auf Kosten eines Mehrverbrauchs von Metallen und Mineralen. Stattdessen wäre es wichtig, die Gesamtzahl der 47 Millionen zugelassenen Pkw in Deutschland deutlich zu reduzieren. Statt einer Antriebswende brauchen wir eine Mobilitätswende.

[also gut: nur die „Mobilität“ zu wenden wird jetzt das Meadows-Szenario auch nicht bannen – aber trotzdem ist das schön gesagt].

[1]Jaja, ich weiß, das passiert nicht in erster Linie „für den Konsum“, sondern um „Geld zu verdienen“. Der Unterschied ist tatsächlich ziemlich relevant, denn das hier ist bestimmt keine Verzichtspredigt. Wenn ich schon predige, dann Befreiung: Besser leben mit weniger Dreck.
[2]Ich sage mutig voraus, dass, wenn die Dinge weitergehen, wie sie bisher verlaufen sind, ihr in den nächsten Jahrzehnten regelmäßig von der CCZ in den Nachrichten hören werdet; insofern lohnt es sich wahrscheinlich, sich die Bezeichnung schon mal zu merken.
[3]

Ah, „haben geschossen“ sollte ich hier zutreffender schreiben. Jetzt gerade zählt die einschlägige Wikipedia-Seite nur noch rund 1000 schießbereite BundeswehrlerInnen im globalen Süden, wozu ich großzügig auch die quasikolonial verwalteten (vgl) Länder Kosovo und Bosnien-Herzegowina sowie die Fluchtkontrolle im Mittelmeer zähle.

Ich vermute sehr stark, dass wir nach der Metrik „deutsche Soldaten im Krieg“ gegenwärtig in der friedlichsten Zeit seit 1996 leben. Damals nämlich ist die Bundeswehr mit 2600 SoldatInnen zur IFOR-Operation nach Bosnien-Herzegowina gezogen, und seitdem war zwischen Mali und Hindukusch durchweg irgendwas, bei dem die verschiedenen Regierungen mit Tarnfleck, Gewehr und der gelegentlichen Bombe in größerem Stil mitmischen wollten.

Letzte Ergänzungen