Nacktscannen oder Strafen: Von den Grenzen der Freiwilligkeit

Ein weiterer Grund, Viren zu loben: Ich habe es geschafft, fünf Jahre und einen Monat nicht zu fliegen, was im Wissenschaftsbetrieb außerhalb von Pandemien nicht einfach ist. Doch ist jetzt es vorbei: es hilft nichts, wenn ich meinen Job machen will, komme ich für die nächsten drei Wochen nicht um die USA herum, und so musste ich mich heute erneut all den schon halb vergessenen unangenehmen Ritualen einer Flugreise unterziehen.

Nicht viel Schamgefühl außer Flugscham

In etwa das unangenehmste Ritual unter diesen ist wohl die „Sicherheitskontrolle“, wobei in Frankfurt inzwischen immerhin das Rausfummeln von Computern sowie in Abhängigkeit von der Mondphase auch anderen Elektrogeräten entfällt. Kennt wer die offizielle Erzählung, welcher Wundertechnik (vielleicht „KI“?) wir diese Erleichterung verdanken? Unter „den Umständen entsprechend gute Nachrichten“ zu rubrizieren ist auch, dass an den dämlichen Nacktscannern weiterhin zu lesen ist, mensch unterwerfe sich ihrer Analyse „freiwillig“.

Nicht, dass ich viel Schamgefühl jenseits der Flugscham hätte, aber da die Dinger wie kaum etwas anderes für das Geschick des Sicherheits-Industriellen Komplexes stehen, der öffentlichen Hand mit autoritären Versprechen allen möglichen Tech-Plunder unterzujubeln, habe ich zumindest in der BRD immer abgelehnt, sie auf mich anwenden zu lassen. Der Preis dafür war ein Abtasten etwa der Art, die es zuvor für ein Piepen des Metalldetektors gesetzt hatte.

Demonstrativ grobes Fingern

Bis vor fünf Jahren haben die Abtastenden in allen vielleicht fünf Fällen, in denen ich bei dem Zirkus mitspielen musste, einen gewissen Respekt für die Entscheidung demonstriert; manchmal fragten sie sogar mit echtem Interesse nach meinen Motiven.

Heute hingehen hat der Abtaster die Prozedur demonstrativ grob durchgeführt und spürbar viel gründlicher rumgefingert als unter den öffentlichen Narrativen („Sprengstoffgürtel und -schuhe finden“) plausibel. Durch eine (wirklich) milde Rückfrage in dieser Sache ließ sich der Abtaster hinreißen zu einem ranzenden: „Tja, wer nicht in den Scanner geht, kriegt halt das hier“. Ich denke, es ist keine Paranoia, wenn ich in seiner Rede mehr als nur einen Hauch von Strafabsicht wahrgenommen habe.

Ein weniger schlecht gelaunter Kollege relativierte das zwar ein wenig, indem er meinte, jetzt gerade – „Israel, Palästina“ – sei viel Sorgfalt geboten. Aber dennoch: Wann genau hört Freiwilligkeit auf und wann wandelt sich Sicherheitstheater in Strafe für unbotmäßige Technikverweigerung?

Ballern ganz offiziell im Mainstream

Es wäre gut, diese Grenze abgesteckt zu sehen wann immer irgendein autoritärer Quatsch (sagen wir, Fingerabdrücke im Personalausweis oder personengebundene Bahnfahrkarten) daherkommt und es heißt: „Habt euch doch nicht so, es ist ja freiwillig“. Ah… Na gut, speziell bei den Fingerabdrücken im Perser hat sich die Autorilla zugegenermaßen gar nicht erst mit eskalierendem Rumnerven abgegeben und gleich den Zwang ausgerollt.

Mir selbst nicht klar geworden bin ich darüber, ob das in irgendeiner Beziehung steht zu einer anderen Post-Corona-Änderung am Flughafen: Ballerspiele sind auch dort ganz offiziell im Mainstream angekommen. Am hochsicheren Flugsteig Z in Frankfurt sind sie inzwischen auf einem Salienzniveau mit Toiletten und Raucherzonen:

Ein Flugsteig, in dem ein paar Leute rumlaufen.  Davor ein quadratisches Schild mit Aufschrift „Gaming“ und einem Piktogramm aus einem stilisierten Gamepad und einem Männerklo-Icon.

Zitiert in: How to Pin a Wifi Access Point in Debian – and Why You Probably Don't Want to in Lufthansa Planes

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