Ella: Fast ein Jahr im Gefängnis

Gerade an dem Tag, an dem in meinen Überlegungen zu Wahlen und Informationstheorie anmerkte, bedeutender als Wahlen sei für die politische Partizipation „eine Justiz, die es häufig genug doch noch schafft, diesen wenigstens dann und wann ein wenig Schutz vor den Übergriffen der Exekutive zu geben“, fand eine verteilte Uraufführung eines Films statt, der Zweifel am „häufig genug“ ziemlich nachhaltig vertieft.

Es geht darin um den Fall von „Ella“ oder auch „UP1“ für „Unbekannte Person 1“, die seit der brutalen Räumung des Dannenröder Forsts im letzten November im Gefängnis sitzt. Der Fall folgt dem von den Rondenbarg-Prozessen allzu bekannten Muster, bei dem die Polizei lebensgefährliche Einsatzmethoden – im Dannenröder Forst insbesondere das Durchtrennen lebenswichtiger Seile – durch absurd aufgeblasene Vorwürfe gegen die Opfer dieser Einsätze in irgendeinem Sinne zu rechtfertigen versucht; in Ellas Fall kommt sicher noch einiger Zorn über ihre erfolgreiche Personalienverweigerung dazu.

Einsatzszene

Ein Sequenz vom Anfang des Ella-Films: Ein Polizist wirft einen Aktivisten von einem Baum runter. Die öffentliche Zurückhaltung angesichts erschreckend gewalttätiger Räumungstechniken im Wald (na gut, inzwischen: Autobahnbaustelle) ist jedenfalls im Hinblick auf künftige Möglichkeiten politischer Partizipation schon ziemlich beunruhigend.

Die erste Gerichtsinstanz hat dabei mitgemacht, und nun soll sie noch weitere 16 Monate im Gefängnis schmoren. Ohne große Öffentlichkeit wird das wohl auch so kommen, denn ein Landgerichtsprozess geht normalerweise nicht im Eiltempo. Und dann hilft auch ein Freispruch nichts mehr.

Sowohl im Hinblick auf Ellas Schicksal als auch auf die Diskussion indiskutabler Polizeitaktiken finde ich den Film also höchst verdienstvoll. Wer ihn verbreiten kann, möge das tun, z.B. von youtube; wer das Ding ohne google bekommen will, möge sich per Mail rühren, dann lege ich es auf von mir kontrollierten Webspace (ich spare mir die 800 MB in der Erwartung, dass eh alle zu youtube gehen).

Nachtrag (2022-05-10)

Meine Spekulation, es sei bei der ganzen Einsperrerei im Wesentlichen um Ellas Weigerung gegangen, ihre Personalien abzugeben, gewinnt an Substanz. Die Staatsgewalt lässt Ella jetzt, da sie ihre Identität preisgegeben hat, frei, wie die taz berichtet. Die Entscheidung wird den mitredenden Behörden leicht gefallen sein, denn sie werden alle nicht wild sein auf eine weitere Klärung der inzwischen offizell gewordenen Tatsache, dass „die Beamten die Unwahrheit gesagt hatten“ (so die taz sehr staatsfreundlich) und des offensichtlichen Desinteresses beider Gerichtsinstanzen, die Polizei beim Lügen zu erwischen. Zumindest die zweite Instanz kannte ja (vermutlich) den hier besprochenen Film.

Zitiert in: Sicherheit, die wirklich niemand will

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