Zu schön, um echt zu sein, Teil 3: Die „Reichsburg“ Cochem

Anlässlich in Speyer ausgestellter Kronen habe ich im März die These gewagt: „Wenn es ganz besonders echt aussieht, ist es wahrscheinlich ein Fake“. Im April fand ich bei der Dürkheimer Hardenburg weitere Belege für diese, nun, ich gehe gleich zu „Einsicht“ über. Mir scheint, speziell bei Burgen gilt meine, ach ja: „Regel“ ganz besonders, nicht zuletzt, weil ich gestern die „Reichsburg Cochem“ (vorsorglich: das ist ein kurzes o im Ortsnamen) aus der Nähe sah. Gerade in den Nebeln vom Moseltal sieht die stark nach Avalon aus:

Eine Burg mit vielen Türmchen auf einem mit Wein und Gestrüpp bewachsenen Hügeln vor im Hintergrund blasseren Hügeln.

Tatsächlich war an der Stelle einst durchaus eine echte Burg, von der aus diverse Grobiane Zölle auf der unter dem Gebäude dahinfließenden Mosel erpresst haben. Aber von dieser Burg ist nach dem pfälzischen Erbfolgekrieg – dem auch das Heidelberger Schloss viel von seiner Romantik verdankt – nicht viel übrig geblieben. Französisches Militär pustete das Ding im Jahr 1698 bis auf zwei Turmreste weg.

Ich denke, auf diesem Berg wäre heute von unten nichts mehr zu sehen, wenn nicht ein durch Eisenhandel reich gewordener hugenottischer Preuße namens Louis Fréderic Jacques Ravené – heute in Cochem durch Straßen- und Hotelnamen innbrünstig verehrt – das Areal 1868 gekauft hätte, um dort kräftig Burgenromantik zu betreiben.

Ich glaube, er hat noch nicht, wie etwa zur gleichen Zeit Ludwig II in Neuschwanstein, fleißig mit Beton bauen lassen – aber auch ohne ganz moderne Baustoffe ist die dekorative Türmchenorgie in etwa so echt wie die Krone von Rudolf IV von Österreich.

Vielleicht darf mensch das trotzdem hübsch finden. Aber dazu vergisst mensch besser, das dieses Sentiment vom Justizminister der NS-Regierung geteilt wurde, der in dem Gebäude 1943 eine Art, hust, Führungsakademie für seinen Apparat faschistischer Volks- und anderer Richter betreiben ließ. Was in den verbleibenden zwei Jahren seiner Amtszeit darin „gelehrt“ worden sein mag, wird wohl bitter genug gewesen sein, um den süßen Mittelalterkitsch ein wenig zu vergällen.

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