Gestern am frühen Abend ist auch bei uns das als „Zeynep“ durch die Presse ziehende Sturmtief angekommen. Ich hatte überlegt, meine CO₂-Messapparatur auf dem Balkon –
(unter der einen Eisschachtel ist ein Raspberry Pi, unter der anderen das zyTemp-Gerät, und die sind getrennt, weil der Raspi durch seine Abwärme die Temperaturmessung sehr stören würde – abzubauen, denn die zwei Eisschachteln, die da den Regenschutz machen, könnten bei hinreichend starkem Wind durchaus die Kraft entwickeln, den Stahlriegel[1], der sie über der Elektronik festhält, wegzuheben. Nun, ich habe die Installation stehen lassen und bin jetzt froh drum, denn so konnte ich den dramatischen Temperatursturz über die stürmische Kaltfront hinweg live beobachten:
Sieben Kelvin Temperatursturz in einer guten halben Stunde finde ich schon ziemlich sportlich. Stickstoff siedet bei normalem Luftdruck bei 77 Kelvin (oder ungefähr minus 200 Grad Celsius angesichts des absoluten Nullpunkts bei -273 Grad Celsius). Wenn das so weitergegangen wäre mit dem Temperaturabfall um 15 Kelvin pro Stunde, würden sich 14 Stunden später, also ungefähr gerade jetzt, die ersten Stickstoffpfützen bilden. Whoa.
Was mich zur Überlegung bringt, wie wohl die Atmosphäre ausfrieren würde; der Siedepunkt von Flüssigkeiten sinkt ja mit abnehmendem Druck, und weil die Erdatmosphäre Stickstoff plus ein bisschen was ist, wird der Druck sofort dramatisch fallen, wenn er kondensiert. Daher wird der Stickstoff wohl schön langsam nach und nach runterregnen, ganz wie kurz vorher schon der Sauerstoff (der bei 90 Kelvin siedet, aber weil niemand freiwillig mit flüssigem Sauerstoff hantiert, hat dieser Wert weniger Kopfzahl-Potenzial, und „ein wenig über Stickstoff“ ist alles, was ich mir merke), dessen 23% (nach Masse, nach Volumen sind es 21%) ja auch schon ordentlich zum Luftdruck beitragen.
Das ist beim Kohlendioxid anders: Es würde ohne nennenswerte Änderungen beim Luftdruck ausfrieren und bei knapp 200 Kelvin (oder -70 Grad Celsius) mit etwas Glück hübsche Flocken bilden (es kann erst bei Drücken von über 5 bar überhaupt flüssig werden) und friedlich ausschneien. Ich bin nicht sicher, ob das schon mal wer für den Mars ausgerechnet hat: Schneit es dort CO₂ oder friert es eher wie Reif aus?
Aber ich schweife ab. Um halb sieben hatte sich gestern abend der rasche Temperaturabfall gefangen, und das ist der zweite bemerkenswerte Punkt: an der Stelle, also nachdem die Front durch war, sank der CO₂-Gehalt der Luft ziemlich schlagartig um 20 ppm oder fünf Prozent. Das finde ich fast noch bemerkenswerter, denn es heißt, dass an der Front selbst nicht viel Materieaustausch stattfindet.
Dass sich Wetterfronten so ähnlich zu Schockfronten verhalten, war mir bisher nicht klar, und ich habe aus dem Stand keine gute Erklärung, warum das so sein sollte. So eine Wetterfront ist ja doch recht turbulent (kann ich noch aus frischer Erinnerung sagen) und definitiv weit im Unterschallbereich, anders als die Schockfronten bei uns in der Astrophysik, wo sie meist aussehen wie die Filamente, die das HST im Cygnus Loop aufgenommen hat:
Liebe GeophysikerInnen oder MeteorlogInnen: Ich bin dankbar für Lesetipps.
[1] | Wer sich fragt, was das mal war: Kioske hatten (oder haben?) solche Stahltrümmer zum Beschweren von Zeitschriften; wenn sie noch aktiv sind, ist da eine Kunststoffhülle mit Werbung drumrum. Also: Augen auf bei Sperrmüll nach Kioskauflösungen, die Dinger sind wirklich praktisch. |