In Marc-Uwe Klings Qualityland (helle Ausgabe in der Imperial Library) gibt es das großartige Konzept der FeSaZus, eines Nahrungsmittels, das zu je einem Drittel aus Fett, Salz und Zucker besteht und zumindest für das Proletariat von Qualityland in einigen – nicht zu vielen! – Darreichungsformen (FeSaZus im Cornflakesmantel, Muffins mit FeSaZu-Füllung, Schmalz-FeSaZus mit Speckgeschmack) eine wichtige Ernährungsgrundlage darstellt.
Via den Wissenschaftsmeldungen vom 3.2.2022 in DLF Forschung aktuell bin ich nun auf den Artikel „Sodium-enriched floral nectar increases pollinator visitation rate and diversity“ von Carrie Finkelstein und KollegInnen (Biology Letters 18 (3), 2022, DOI 10.1098/rsbl.2022.0016) gestoßen, der recht überzeugend belegt, dass Insekten im Schnitt einen Geschmack haben, der sich vom Qualityländer Durchschnittsgeschmack gar nicht so arg unterscheidet.
Finkelstein et al haben an der Uni von Vermont mindestens je zwölf Exemplare von fünf örtlich üblichen Blumenarten blühen lassen. Je Experiment (und davon gab es einige) haben sie sich pro Art sechs Individuen ausgesucht und mit Kunstnektar versehen. Bei dreien war das einfach eine 35%-ige Zuckerlösung, bei den anderen drei kam dazu noch 1% Kochsalz. In Wasser aufgelöst ist 1% Salz schon ziemlich schmeckbar. Ich habe darauf verzichtet, im Selbstversuch zu überprüfen, ob 1% Salz in so konzentriertem Sirup menschlichen Zungen überhaupt auffällt.
Und dann haben sie gewartet, bis bestäubende Insekten kamen und diese gezählt. Das zentrale (und jedenfalls von außen betrachtet trotz etwas Voodoo bei der Auswertung auch robuste) Ergebnis: An den Pflanzen, die Salz anboten, waren doppelt so viele Insekten – am stärksten vertreten übrigens allerlei Sorten von Bienen – wie an denen, die das nicht taten, und zwar ziemlich egal, um welche Blume es nun gerade ging. Mit anderen Worten: Insekten sind nicht wild auf faden Nektar.
Allerdings: So ein Faktor zwei in der Präferenz ist gar nicht so viel. Zwischen den BesucherInnenzahlen bei Schafgarbe (laut Paper 54.1 ± 6.3) und dem blutroten Storchschnabel (16.6 ± 3.5) liegt eher ein Faktor drei. Dennoch ist recht deutlich, dass die Insekten eher wenig Verständnis haben für Lauterbachs salzarme Ernährung. Dabei will ich nicht argumentieren, dass ein Durchschnittsmensch auf Dauer 150 mg Salz pro Kilogramm Körpergewicht und Tag essen könnte, ohne schließlich mit Hypertonie und Nierenversagen kämpfen zu müssen. Aber 10 oder 15 Gramm Salz am Tag kriegt mensch, wie Samin Nosrat in ihrem wunderbaren Kochbuch Salt, Fat, Acid, Heat (auch in der Imperial Library) ausführt, durch selbstsalzen oder auch den Salzgebrauch in selbstkochender Gastronomie, kaum hin[1]; salzarms Kochen und fades Essen mag mithin positive gesundheitliche Folgen haben, aber vermutlich kaum mehr als etwa der Einsatz von Himalayasalz, Voodoopuppen oder anderen potenten Placebos.
Erfreulich fand ich im Paper noch die Aussage „All analyses were performed in R (v. 4.0.2)“ – dass auch in weniger technologieaffinen Wissenschaftsbereichen proprietäre Software (in diesem Fall ganz vornedran SAS und SPSS) auf dem Weg nach draußen ist, halte ich für eine ausgezeichnete Nachricht.
Weniger schön fand ich das Bekenntnis, dass es in Anwesenheit von BiologInnen ganz offenbar gefährlich ist, einer unüblichen Spezies anzugehören:
If we were unable to identify a floral visitor in the field, we collected it and stored it in 75% ethanol.
Arme kleine Fliegen und arme VertreterInnen ungewöhnlicher Bienenarten. Wären sie stinknormale Honigbienen gewesen, hätten sie ihren Ausflug zu den verlockenden Blüten mit dem fein gesalzenen Nektar überlebt.
[1] | Nosrat argumentiert in ihrem Buch für mich zumindest plausibel (und durch meine eigene Kochpraxis bestätigt), dass Lauterbauchs Kritik am „Salzgeschmack“ zumeist am Thema vorbeigeht – in aller Regel vermittelt Kochsalz etwa durch Kontrolle von Osmolaritäten ziemlich nichttriviale Prozesse beim Garen und Verarbeiten von Lebensmitteln, und diese sind für den Geschmack der fertigen Speisen viel wichtiger als das Salz selbst. Aber das ist dann wirklich eine andere Geschichte. |
Zitiert in: Affen zählen ist schwer