Klarsprache: Migrationskontrolle als militärisches Problem

Foto: Betonmauer und Wachturm, rekonstruiert an der Mauer-Gedenkstätte in der Bornholmer Straße in Berlin, gesehen von der alten Ostseite.

Ist das noch ein Zaun? Und was sagen die „militärischen Fachleute“ zu seiner Eignung?

Die Militarisierung aller möglicher Politikfelder hat ganz sicher nicht erst mit der <hust> Zeitenwende angefangen; speziell bei der Migrationskontrolle – noch spezieller bei der gewaltformigen Abwehr regierungsseitig unerwünschter Menschen – markiert etwa die Gründung von Frontex im Jahr 2004 so eine <hust> Zeitenwende.

Die <hust> „verteidigungs”-politischen Richtlinien der Bundeswehr signalisieren in der Frage jedoch Kontinuität. In deren ersten Version (1992) ist nicht nur bereits sieben Jahre vor dem ersten ordentlichen Krieg der Bundeswehr von der (sc. militärischen) „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt“ die Rede. Nein, im Einklang mit den damaligen Angriffen auf das Grundrecht auf Asyl formulierte die Bundeswehr:

Jede Form internationaler Destabilisierung […] setzt Migrationsbewegungen in Gang […] Bei insgesamt negativem Entwicklungsverlauf kann dieser Zusammenhang auch militärische Dimensionen gewinnen.

In der aktuellen Version von 2011 liest sich das so:

Sicherheit wird nicht ausschließlich geografisch definiert. Entwicklungen in Regionen an Europas Peripherie und außerhalb des europäischen Sicherheits- und Stabilitätsraumes können unmittelbaren Einfluss auf die Sicherheit Deutschlands entfalten [… Es] entstehen Bedrohungen wie Bürgerkrieg, Destabilisierung von Regionen, humanitäre Krisen und damit verbundene Phänomene wie Radikalisierung und Migrationsbewegungen.

Ob bereits in der nächsten Version dieser „Leitlinien“ direkt von der militärischen Kontrolle von „Bedrohungen“ durch grenzüberschreitende Menschen die Rede sein wird, bleibt abzuwarten.

Dass die EU-Kommission schon seit Jahren in dieser Richtung diskutiert, kann hingegen spätestens seit heute morgen als gesichert gelten. Da nämlich hat Friedbert Meurer im Deutschlandfunk Franz Fischler interviewt, der von 1995 bis 2004 – also gerade in der Entwurfsphase von Frontex – in der EU-Kommission das (schon aus finanziellen Gründen) mächtige Landwirtschaftressort geleitet hat.

Gefragt, was er von einem „Zaun“[1] halte, der zwischen der Türkei und Bulgarien Flüchtende abwehren soll, sagte dieser Mann (ca. Minute 2:10):

…das kann ich jetzt auch nicht beweisen, ob es hilft oder nicht hilft [… von der Leyen meint, man] muss das also entsprechend auch ausstatten, mit Kameras, mit Luftraumüberwachung, mit Drohnen und was weiß ich was. Die anderen sagen, es hilft gar nicht. Also, ich kann da hier nicht den Schiedsrichter spielen, ich glaube, da muss man sich auf die militärischen Fachleute verlassen. [Hervorhebung A.F.]

Das ist schon ziemlich klare Klarsprache: Die Frage ist längst nicht mehr, ob „wir“ Asylsuchende (oder ggf. auch anderweitig Migrierende) mit Gewalt abweisen dürfen oder gar sollen. Die Frage ist nicht mal mehr, welche Mittel für so ein eigentlich menschenrechtswidriges Verhalten ethisch oder juristisch in Ordnung gehen könnten. Die Frage ist einfach nur noch, was militärisch nützlich oder wirksam sein könnte.

Ich frage mich mal wieder, was die Menschen in hundert Jahren über uns denken werden.

[1]Es gibt ein Spektrum zwischen Vorort-Jägerzaun und Todesstreifen – ich habe den „Zaun“ hier mal in Anführungszeichen gesetzt, weil das diskutierte Bauwerk auf diesem Spektrum wahrscheinlich näher beim Todesstreifen liegen würde als beim Jägerzaun.

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