Immer auf die Linken

In ihrem Engagement „gegen Rechts“ beschränkt sich die Regierung im Wesentlichen auf autoritäre Maßnahmen, also Verbote und Drohungen. Das ist schade, denn das Runtertönen des regierungsamtlichen Nationalismus („deutsche Interessen wahren“), Militarismus („Fähigkeit zur Machtprojektion“), Autoritarismus (§114 StGB, um mal was besonders Schlagendes zu erwähnen; die Rote Hilfe Berlin dazu) und der vielen anderen rechten Versatzstücke („Flüchtlingskrise“, „wegsperren, und zwar für immer“ usf) könnte erstens vielleicht wirklich was bringen und würde zweitens nicht am Ende in aller Regel menschenfreundliche Anliegen treffen.

Für die Beobachtung, nach der „Gesetze gegen Rechts“ (aktuell z.B. das verschärfte Hassgesetz) am Ende in aller Regel Linke treffen, habe ich gerade ein Beispiel gefunden, das ich gar nicht in diese Kategorie gepackt hatte: Den Entzug der Gemeinnützigkeit der VVN/BdA. Dabei hatte das Berliner Finanzamt der Antifa-Organisation eine dicke Steuernachforderung geschickt unter Hinweis auf erstens den Bericht des bayrischen Inlandsgeheimdienstes („Verfassungsschutz”, VS), der die VVN/BdA als staatsfeindlich listet.

Der Eintrag als solcher wäre ja nicht schlimm, denn dass der VS aus Schurken besteht und aufgelöst werden muss, ist nicht erst seit Maaßen klar. Jedoch hat der Gesetzgeber zweitens 2009 dem §51 Abgabenordnung (AO) – der Einleitung zur Regelung von Steuerbegünstigung und Gemeinnützigkeit – einen Absatz 3 hinzugefügt, in dem es heißt:

Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 [ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke] nicht erfüllt sind.

– der VS hat mithin ein effektives Vetorecht für die Anerkennung steuerlicher Begünstigung, was nicht weit weg ist von der Methode der Klassifikation als ausländischer Agent durch das Justizministerium in Russland[1]. Wie das die beschließenden ParlamentarierInnen mit einem transparenten, gewaltengeteilten Staatsmodell zusammenbekommen haben, ist mir schleierhaft.

Aber stellt sich raus: sie haben sich wohl als antifaschistisch bewegt gewähnt, denn §51 (3) AO entstand als Folge des gescheiterten Verbotsprozesses gegen die NPD. Zur Erinnerung: 2001 bis 2003 hatten Bund und Länder versucht, die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht verbieten zu lassen. Das scheiterte 2003, weil die diversen Inlandsgeheimdienste sich weigerten, ihre MitarbeiterInnen abzuziehen und Vertrauenspersonen abzuschalten, so dass klar hätte werden können, wie viel der Organisation tatsächlich nicht nur aus Geheimdienst besteht. Wo auf dem Spektrum von „NPD decken“, „die eigene Existenzgrundlage aufbauen“ und „unfähig sein“ das anzusiedeln war, bleibt bis auf Weiteres dem eigenen Geschmack überlassen (vgl. auch Wikipedia zum ersten NPD-Verbotsverfahren).

Tatsäche ist jedenfalls: Der VS hat die NPD gerettet, und nun dachten sich vermutlich nicht ganz übelmeinende Personen aus der Restpolitik, der Laden sollte zumindest nicht noch anders als über den VS in großen Mengen staatliches Geld bekommen. Dazu hätte eine Änderung im Parteiengesetz gereicht (und selbst das hätte ich als schlechte Idee klassifiziert). Dass auch die ganz normale Vereine regulierende Abgabenordnung geändert wurde, nun, das könnten weniger wohlmeinende Menschen auf den Fluren der Ministerien angeleiert haben. Vielleicht war es aber auch wirklich nur der Versuch, proaktiv Schlupflöcher zu stopfen.

Nun, zehn Jahre später wandte das Finanzamt Berlin das in sogar halbwegs glaubhaftem antifaschistischem Furor geänderte Gesetz gegen die größte antifaschistische Organisation der BRD.

Das hat letztes Jahr für einige Mobilisierung und viele Eintritte in die VVN/BdA gesorgt, nicht jedoch für eine Änderung des anrüchigen §51 (3) AO. Stattdessen haben sich Finanzamt Berlin und VS Bayern elegant aus der öffentlichen Schusslinie genommen, indem der VS Bayern seine Einschätzungen nur noch auf den bayrischen Landesverband der VVN beschränkt und das Finanzamt Berlin daher die Bundesorganisation nicht mehr als unerwünscht einstufen muss.

Was aber heißt: Der nächste VS, der einen Laden plattmachen will, der sich auf Steuerbegünstigung verlässt, kann das immer noch tun.

[1]In Russland sind im Laufe der Jahre eine Art Trucker-Gewerkschaft und eine Selbsthilfe-Organisation von Diabetiker_innen in den Fokus des ausländische-Agenten-Apparats gekommen. Dass VS und Finanzamt immerhin auf die VVN-BdA und nicht etwa auf Männergesangsvereine losgehen: das macht Hoffnung im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der deutschen Bürokratie jedenfalls im Vergleich zur russischen.

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