Ich versuche gerade erneut, die Neuregelung (oder eher: Wiederregelung oder vielleicht auch Widerregelung) der Bestandsdatenauskunft nachzuvollzielen und schmökere dazu im letzten einschlägigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27.5.2020 (1 BvR 1873/13). Darin findet das Gericht zunächst, dass die Anfechtungen von Regelungen im BND-Gesetz und im Zollfahndungsgesetz wegen Verfristung unzulässig sind, da der Bundestag in der Zwischenzeit bereits wieder Verschärfungen der entsprechenden Gesetze abgenickt hatte (Rn. 66ff).
Das ist schon mal sportlich: Die Regierung beschließt neuen Menschenrechtsabbau, bevor das Verfassungsgericht den alten beanstanden kann. Das ist nicht die ungeschickteste Art, auf die Beschränkungen zu reagieren, die so eine lästige Verfassung mit sich bringt.
Noch bemerkenswerter finde ich allerdings folgende, für höchstreichterliche Verhältnisse doch sehr klaren Worte des Gerichts (Rn. 80):
Auch § 113 Abs. 1 Satz 2 TKG konnte fristgerecht angegriffen werden. Zwar hat die Norm gegenüber der Vorgängerregelung vom 22. Juni 2004 (BGBl I S. 1190) ‒ trotz geänderten Wortlauts und neuer Regelungsstruktur ‒ für sich genommen keinen grundsätzlich neuen Gehalt. Die Vorgängerregelung wurde jedoch für verfassungswidrig erklärt (BVerfGE 130, 151). Wenn der Gesetzgeber nunmehr eine Regelung mit im Wesentlichen gleichem Inhalt wiederholt, stellt diese einen neuen verfassungsrechtlichen Prüfungsgegenstand dar (vgl. dazu BVerfGE 96, 260 <263>; 102, 127 <141>; vgl. auch BVerfGE 135, 259 <281 Rn. 36>).
Mit anderen Worten: Das Gericht hat den alten 113er für menschrechtswidrig erklärt, woraufhin die Regierung das Ding einfach ein wenig umformuliert und ganz offenbar im Wissen um seine Menschenrechtswidrigkeit völlig unverfroren wieder beschließen lässt. Dass keineR der betroffenen ParlamentarierInnen den Mut hatte, Einspruch gegen diesen doch besonders offensichtlichen Fall von Grundrechtsfeindlichkeit einzulegen, könnte in Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Parlaments ernüchtern. Andererseits ist das Muster autoritärer Problembewältigung (kein Mitglied der Regierungsparteien darf öffentlich gegen Wünsche von Polizei und Militär sprechen; privat tun sie das übrigens durchaus) leider allzu vertraut, und zwar von allen deutschen Regierungen zumindest in diesem Jahrtausend.
Wobei: Immerhin hat die Regierung nicht (erkennbar) die vom BVerfG beanstanden Passagen noch wesentlich weiter getrieben (die Passwortabfrage ist wohl eher ein sachlicher Unkenntnis geschuldetes Gimmick). So ein Weitertreiben gab es durchaus schon, vielleicht am eklatantesten bei den Terrordateien (ATD und RED), deren Verschärfungen von 2015 vorgaben, durch recht fundamentale Beanstandungen des BVerfG motiviert zu sein, aber in Wirklichkeit die Menschenrechtsverstöße noch zuspitzten. Oder, wie Michael Plöse richtig feststellt (Vorgänge 208, 4/2014):
[Der Regierungsentwurf zum ATDG-ÄG kann] kaum mehr nur als eine Enttäuschung bezeichnet werden – er ist vielmehr eine dreiste Provokation des Karlsruher Verfassungskompromisses.