Engelszüngelnhttps://blog.tfiu.de/2024-03-17T09:00:00+01:00Zum Tag der politischen Gefangenen: Weimar und die wehrhafte Demokratie2024-03-17T09:00:00+01:002024-03-17T09:00:00+01:00Anselmtag:blog.tfiu.de,2024-03-17:/zum-tag-der-politischen-gefangenen-weimar-und-die-wehrhafte-demokratie.html<div class="centerfig figure">
<img alt="Ein Mensch hält eine Pappe mit der Aufschrift „Faschist:innen verbieten ist wie Schnaps gegen Suff“." src="/media/2024/schaps-gegen-suff.jpeg" />
<p class="caption">Ich recyle zum 18. März meine Pappe <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/von-der-grossten-demo-in-heidelberg-in-jahrzehnten-und-der-autoritaren-versuchung.html">von neulich</a>, um das Diktum des
Hamburger Verfassungsrechtlers Horst Meier etwas auf den Punkt zu
bringen: „Das Parteiverbot ist eine einzigartige Schöpfung
westdeutschen Verfassungsgeistes, in der Kalter Krieg und hilfloser
Antifaschismus eine vordemokratische Symbiose eingangengen sind.“</p>
</div>
<p>Als ich mich anlässlich der großen Anti-AfD-Demos im Januar <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/von-der-grossten-demo-in-heidelberg-in-jahrzehnten-und-der-autoritaren-versuchung.html">skeptisch
zur autoritären Versuchung</a> im Umgang speziell mit der AfD geäußert
habe, habe ich munter behauptet, es hätte reichlich mildere (von
geeigneter mal ganz zu schweigen) Mittel als ein Verbot der NSDAP
gegeben, um ein Ende von Weimar im Faschismus zu verhindern:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Es hätte vermutlich immer noch gereicht, wenn die
Vorgängerorganisationen von CDU, FDP und AfD (letztere wäre im
Augenblick bei mir noch die DNVP) Gewaltenteilung und Rechtsstaat
nicht mit voller Absicht abgewickelt hätten. Es sind Einsichten wie
diese, die die autoritäre Rede von der „wehrhaften Demokratie“ bei
ihrer Erfindung verhindern sollte.</blockquote>
<p>Dazu würde ich gerne einen weiteren Datenpunkt liefern. Derzeit feiert
nämlich die <a class="reference external" href="https://rote-hilfe.de/100-jahre-rote-hilfe">Rote Hilfe ihren 100. Geburtstag</a>, unter anderem mit
<a class="reference external" href="https://rote-hilfe.de/kampagnen/100-jahre/film-solidaritaet-verbindet-100-jahre-rote-hilfe">einem Film</a> (den ich warm empfehlen kann, sollte er mal in einem Kino
in eurer Nähe laufen) sowie <a class="reference external" href="https://rote-hilfe.de/kampagnen/100-jahre/ausstellung-100-jahre-rote-hilfe-1924-2024">einer Ausstellung</a> zur wechselvollen
Geschichte der Organisation. Letztere kommt mit einem
<a class="reference external" href="https://rote-hilfe.de/sites/default/files/2024-03/Katalog_screen.pdf">aufschlussreichen Katalog</a>, in dem Folgendes zu lesen ist:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Nachdem die RHD [Rote Hilfe Deutschlands] mehrere Teilamnestien
erwirkt hatte und die Zahl der inhaftierten Genoss*innen Anfang 1931
auf 1.300 gesunken war, füllten die hohen Urteile gegen
fortschrittliche Kräfte die Gefängnisse schnell aufs Neue: Ende 1931
saßen 6.500 Aktivist*innen in Haft, und im Sommer 1932 zählte die RHD
sogar 9.000 politische Gefangene, die ebenso wie ihre Familien
Unterstützung brauchten</blockquote>
<p>Es stellt sich also heraus: Die Weimarer Republik <em>war</em> ausgesprochen
„wehrhaft“. Sie sperrte innerhalb von einem guten Jahr mal eben
deutlich über 5'000 „Linksextremisten“ ein, etwas, das die „wehrhafte“
BRD in diesem Ausmaß nie hinbekommen hat<a class="footnote-reference" href="#kpd" id="id1">[1]</a>. Ich behaupte,
notabene, nicht, dass diese Massenverhaftungen die Machtübergabe an die
NSDAP beschleunigt haben. Aber sie haben sie <em>offensichtlich</em> auch
nicht behindert.</p>
<p>Anlässlich des morgigen <a class="reference external" href="https://rote-hilfe.de/18-maerz-tag-der-politischen-gefangenen">Tags der politischen Gefangenen</a> (18. März)
möchte ich das kurz in Relation setzen zu den 19 politischen
Gefangenen, die die Rote Hilfe <a class="reference external" href="https://rote-hilfe.de/sites/default/files/2024-03/Rote-Hilfe_18-3-2024_web.pdf">in ihrer aktuellen Zeitung zum 18.3.</a>
für die BRD zählt (S. 15). Oder den 1000 politischen Gefangenen, die
<a class="reference external" href="https://www.memorial.de/index.php/8001-menschenrechtszentrum-memorial-zaehlt-1000-politische-gefangene-in-russland-seit-2009">Memorial für Russland zwischen 2009 und 2022</a> <em>insgesamt</em> rechnet.</p>
<p>Es bleibt, dass auch der Mythos von der mangelnden „Wehrhaftigkeit“ der
Weimarer Demokratie als Ursache von Weltkrieg und antisemitischem,
rassistischem und ablistischem Massenmord einer Prüfung nicht standhält,
ebensowenig wenig wie die Mythen von der <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/die-5-prozent-hurde-illustriert.html">fehlenden 5%-Hürde</a> oder <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/es-war-nicht-die-inflation.html">der
hohen Inflation</a>. Die platte Wahrheit ist und bleibt: Es waren die
„bürgerlichen“ Parteien, ihr Präsident und ihre ParlamentarierInnen, die
die NSDAP-Regierung sehenden Auges installiert haben. Obendrauf war der
NS-Apparat, ganz besonders in Polizei und Justiz, von <a class="reference external" href="http://stolpersteine-heidelberg.de/mediapool/63/638182/data/2022/01_Hachenburg_Stolpersteine_2022_Finale_Datei-2.pdf">wenigen
Ausnahmen</a> abgesehen, genau der Apparat der Weimarer Republik, und
übrigens im Wesentlichen auch der Apparat der frühen BRD.</p>
<p>Das ist keine schöne Wahrheit, vor allem nicht für die beteiligten
Parteien und Institutionen. Aber wer aus der Geschichte lernen will,
wird nicht um ein Mindestmaß an Entmystifizierung rumkommen. Und daraus
zumindest eine Konsequenz ziehen: Faschismus bekämpft mensch nicht durch
autoritäre Formierung der Gesellschaft.</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="kpd" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td><p class="first">Allerdings: Zwischen 1956 und 1964 haben deutsche Gerichte rund
10'000 Menschen im Zuge des <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/KPD-Verbot">Verbots der KPD</a> verurteilt. Zwar saß
nur eine überschaubare Minderheit der Betroffenen auch wirklich im
Knast, aber es gab durchaus unfassbare Urteile. Rolf Gössner berichtet
in „Die vergessenen Justizopfer des Kalten Krieges“ (Aufbau Verlag
1998) etwa:</p>
<blockquote class="pull-quote last">
[Die Niedersächsische Gemeinschaft zur Wahrung demokratischer
Rechte] NG war im Jahre 1958 verboten und aufgelöst worden, die
verwaltungsgerichtliche Entscheidung stand noch aus. Dennoch wurden
zwei ihrer Mitglieder, der Landrat a.D. Richard Brenning und der
Journalist Heinz Hilke, vor der Großen Strafkammer des Landgerichts
Lüneburg angeklagt und auch wegen „Rädelsführerschaft in einer
verfassungsfeindlichen Vereinigung in Tateinheit mit Geheimbündelei“
zu je vierzehn Monaten Gefängnis verurteilt – anschließende
Polizeiaufsicht und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf
drei Jahre inklusive.</blockquote>
</td></tr>
</tbody>
</table>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Ein Mensch hält eine Pappe mit der Aufschrift „Faschist:innen verbieten ist wie Schnaps gegen Suff“." src="/media/2024/schaps-gegen-suff.jpeg" />
<p class="caption">Ich recyle zum 18. März meine Pappe <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/von-der-grossten-demo-in-heidelberg-in-jahrzehnten-und-der-autoritaren-versuchung.html">von neulich</a>, um das Diktum des
Hamburger Verfassungsrechtlers Horst Meier etwas auf den Punkt zu
bringen: „Das Parteiverbot ist eine einzigartige Schöpfung
westdeutschen Verfassungsgeistes, in der Kalter Krieg und hilfloser
Antifaschismus eine vordemokratische Symbiose eingangengen sind.“</p>
</div>
<p>Als ich mich anlässlich der großen Anti-AfD-Demos im Januar <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/von-der-grossten-demo-in-heidelberg-in-jahrzehnten-und-der-autoritaren-versuchung.html">skeptisch
zur autoritären Versuchung</a> im Umgang speziell mit der AfD geäußert
habe, habe ich munter behauptet, es hätte reichlich mildere (von
geeigneter mal ganz zu schweigen) Mittel als ein Verbot der NSDAP
gegeben, um ein Ende von Weimar im Faschismus zu verhindern:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Es hätte vermutlich immer noch gereicht, wenn die
Vorgängerorganisationen von CDU, FDP und AfD (letztere wäre im
Augenblick bei mir noch die DNVP) Gewaltenteilung und Rechtsstaat
nicht mit voller Absicht abgewickelt hätten. Es sind Einsichten wie
diese, die die autoritäre Rede von der „wehrhaften Demokratie“ bei
ihrer Erfindung verhindern sollte.</blockquote>
<p>Dazu würde ich gerne einen weiteren Datenpunkt liefern. Derzeit feiert
nämlich die <a class="reference external" href="https://rote-hilfe.de/100-jahre-rote-hilfe">Rote Hilfe ihren 100. Geburtstag</a>, unter anderem mit
<a class="reference external" href="https://rote-hilfe.de/kampagnen/100-jahre/film-solidaritaet-verbindet-100-jahre-rote-hilfe">einem Film</a> (den ich warm empfehlen kann, sollte er mal in einem Kino
in eurer Nähe laufen) sowie <a class="reference external" href="https://rote-hilfe.de/kampagnen/100-jahre/ausstellung-100-jahre-rote-hilfe-1924-2024">einer Ausstellung</a> zur wechselvollen
Geschichte der Organisation. Letztere kommt mit einem
<a class="reference external" href="https://rote-hilfe.de/sites/default/files/2024-03/Katalog_screen.pdf">aufschlussreichen Katalog</a>, in dem Folgendes zu lesen ist:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Nachdem die RHD [Rote Hilfe Deutschlands] mehrere Teilamnestien
erwirkt hatte und die Zahl der inhaftierten Genoss*innen Anfang 1931
auf 1.300 gesunken war, füllten die hohen Urteile gegen
fortschrittliche Kräfte die Gefängnisse schnell aufs Neue: Ende 1931
saßen 6.500 Aktivist*innen in Haft, und im Sommer 1932 zählte die RHD
sogar 9.000 politische Gefangene, die ebenso wie ihre Familien
Unterstützung brauchten</blockquote>
<p>Es stellt sich also heraus: Die Weimarer Republik <em>war</em> ausgesprochen
„wehrhaft“. Sie sperrte innerhalb von einem guten Jahr mal eben
deutlich über 5'000 „Linksextremisten“ ein, etwas, das die „wehrhafte“
BRD in diesem Ausmaß nie hinbekommen hat<a class="footnote-reference" href="#kpd" id="id1">[1]</a>. Ich behaupte,
notabene, nicht, dass diese Massenverhaftungen die Machtübergabe an die
NSDAP beschleunigt haben. Aber sie haben sie <em>offensichtlich</em> auch
nicht behindert.</p>
<p>Anlässlich des morgigen <a class="reference external" href="https://rote-hilfe.de/18-maerz-tag-der-politischen-gefangenen">Tags der politischen Gefangenen</a> (18. März)
möchte ich das kurz in Relation setzen zu den 19 politischen
Gefangenen, die die Rote Hilfe <a class="reference external" href="https://rote-hilfe.de/sites/default/files/2024-03/Rote-Hilfe_18-3-2024_web.pdf">in ihrer aktuellen Zeitung zum 18.3.</a>
für die BRD zählt (S. 15). Oder den 1000 politischen Gefangenen, die
<a class="reference external" href="https://www.memorial.de/index.php/8001-menschenrechtszentrum-memorial-zaehlt-1000-politische-gefangene-in-russland-seit-2009">Memorial für Russland zwischen 2009 und 2022</a> <em>insgesamt</em> rechnet.</p>
<p>Es bleibt, dass auch der Mythos von der mangelnden „Wehrhaftigkeit“ der
Weimarer Demokratie als Ursache von Weltkrieg und antisemitischem,
rassistischem und ablistischem Massenmord einer Prüfung nicht standhält,
ebensowenig wenig wie die Mythen von der <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/die-5-prozent-hurde-illustriert.html">fehlenden 5%-Hürde</a> oder <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/es-war-nicht-die-inflation.html">der
hohen Inflation</a>. Die platte Wahrheit ist und bleibt: Es waren die
„bürgerlichen“ Parteien, ihr Präsident und ihre ParlamentarierInnen, die
die NSDAP-Regierung sehenden Auges installiert haben. Obendrauf war der
NS-Apparat, ganz besonders in Polizei und Justiz, von <a class="reference external" href="http://stolpersteine-heidelberg.de/mediapool/63/638182/data/2022/01_Hachenburg_Stolpersteine_2022_Finale_Datei-2.pdf">wenigen
Ausnahmen</a> abgesehen, genau der Apparat der Weimarer Republik, und
übrigens im Wesentlichen auch der Apparat der frühen BRD.</p>
<p>Das ist keine schöne Wahrheit, vor allem nicht für die beteiligten
Parteien und Institutionen. Aber wer aus der Geschichte lernen will,
wird nicht um ein Mindestmaß an Entmystifizierung rumkommen. Und daraus
zumindest eine Konsequenz ziehen: Faschismus bekämpft mensch nicht durch
autoritäre Formierung der Gesellschaft.</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="kpd" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td><p class="first">Allerdings: Zwischen 1956 und 1964 haben deutsche Gerichte rund
10'000 Menschen im Zuge des <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/KPD-Verbot">Verbots der KPD</a> verurteilt. Zwar saß
nur eine überschaubare Minderheit der Betroffenen auch wirklich im
Knast, aber es gab durchaus unfassbare Urteile. Rolf Gössner berichtet
in „Die vergessenen Justizopfer des Kalten Krieges“ (Aufbau Verlag
1998) etwa:</p>
<blockquote class="pull-quote last">
[Die Niedersächsische Gemeinschaft zur Wahrung demokratischer
Rechte] NG war im Jahre 1958 verboten und aufgelöst worden, die
verwaltungsgerichtliche Entscheidung stand noch aus. Dennoch wurden
zwei ihrer Mitglieder, der Landrat a.D. Richard Brenning und der
Journalist Heinz Hilke, vor der Großen Strafkammer des Landgerichts
Lüneburg angeklagt und auch wegen „Rädelsführerschaft in einer
verfassungsfeindlichen Vereinigung in Tateinheit mit Geheimbündelei“
zu je vierzehn Monaten Gefängnis verurteilt – anschließende
Polizeiaufsicht und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf
drei Jahre inklusive.</blockquote>
</td></tr>
</tbody>
</table>
Asteroideneinschläge sind schlecht fürs Bankgeschäft2024-03-10T08:00:00+01:002024-03-10T08:00:00+01:00Anselmtag:blog.tfiu.de,2024-03-10:/asteroideneinschlage-sind-schlecht-furs-bankgeschaft.html<div class="centerfig figure">
<img alt="Ein rundlicher Stein mit vielleicht 10 cm Durchmesser und einer Delle in der Mitte, darunter eine Museumsbeschriftung: Cheliabynsk 2013" src="/media/2024/tscheliabinsk-2013.jpeg" />
<p class="caption">2013 in Tscheljabinsk war es nur <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Tscheljabinsk%20%28Meteor%29">ein recht kleiner Brocken</a>, der vom
Himmel fiel und <em>ordentlich</em> Rumms machte<a class="footnote-reference" href="#kt" id="id1">[1]</a>. Im Bild ist
ein winziges Bruchstück des Brockens, das es ins Naturkundemuseum in
Wien geschafft hat. Die Frage der Marktwirtschaft an sowas ist: Was
sind die Kosten? Meine Frage ist: Ab welcher Grenze wird diese Frage
fragwürdig?</p>
</div>
<p>Zu den fürs Verständnis der Menschenwelt nützlicheren Konzepten, die
durch MarxistInnen in den politischen Diskurs kamen, gehört ziemlich
fraglos die <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Entfremdete%20Arbeit">Entfremdung</a>. Es gibt ganze Bücher darüber, wie genauer
zu fassen sei, was Marx in seinen Ökonomisch-Philosophischen
Manuskripten in den 1840er Jahren so beschrieben hat:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Jedes Produkt ist ein Köder, womit man das Wesen des andern, sein
Geld, an sich locken will, jedes wirkliche oder mögliche Bedürfnis ist
eine Schwachheit, die die Fliege an die Leimstange heranführen wird.</blockquote>
<p>Mir gefiel eigentlich immer die knappe Definition: „Entfremdung ist,
wenn Menschen nicht mehr als soziale Wesen in Beziehung zueinander
treten, sondern als Handelnde auf einem Markt, also durch Austausch von
Geld – und am Ende auch nur zu diesem Zweck.“</p>
<p>Ich will dabei nicht von der Hand weisen, dass diese Sorte Interaktion
häufig recht bequem ist. Klar macht es auch mein Leben leichter, wenn
ich beim Bäcker einfach einen Schein rüberreichen kann und mit einem
Brot rausgehe, ohne argumentieren zu müssen, warum es nötig und richtig
ist, mich zu füttern.</p>
<p>Wenn es allerdings um die Zerstörung von Landstrichen oder Kontinenten
durch Einschläge großer Asteroiden geht, wird die entfremdete Denke von
Markt und Profit zum Agitprop-Stück über den Irrsinn des Kapitalismus
und der Art, wie er die ihn tragende Gesellschaft organisiert. Könnte
mensch meinen. Aber hört euch mal <a class="reference external" href="https://download.deutschlandfunk.de/file/dradio/2024/01/24/hypothetischer_asteroideneinschlag_auf_der_erde_auswirkungen_dlf_20240124_1647_2365379f.mp3">diesen Beitrag aus DLF Forschung
aktuell vom 24. Januar</a> an. Ich warte hier solange.</p>
<p>Wer das Stück nicht gehört hat: Untersucht wird ein (überhaupt nicht
unplausibles) Szenario, in dem AstronomInnen einen größeren
erdkreuzenden Asteroiden entdecken. Schnell wird klar, dass er
innerhalb von etwa 10 Jahren die Erde treffen wird. Eifrig wird
beobachtet, und mit wachsender Genauigkeit des Orbits wird immer klarer,
wo genau er einschlagen und was er dabei zerstören wird.</p>
<p>Ich hätte bei Simulationen eines solchen Szenarios naiv Überlegungen
erwartet, wie mensch die Leute, die im Zielgebiet wohnen, dort
rauskriegt, wo sie dann leben sollen, auf wie viel Landfläche mensch
verzichten kann, ohne dass es viel Hunger gibt, wie mensch sich
vielleicht auf für ein paar Jahre sinkende globale
Durchschnittstemperaturen einstellt, sowas halt.</p>
<p>Im Interview hingegen klingt es, als sehe der Interviewte – Rudolf
Albrecht, Mitarbeiter der ESO im Ruhestand – das zentrale Interesse des
Artikels so:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Wenn man [im Zerstörungsgebiet] zum Beispiel ein Haus hat, was wird
mit dem Grundstückspreis passieren? Das Haus wird nicht mehr zu
verkaufen sein. Was passiert, wenn die Hauspreise gegen Null gehen?
Dann zahlen die Leute ihre Hypothekraten nicht mehr. Was passiert,
wenn die Leute ihre Hypothekraten nicht mehr bezahlen? Die Banken
bekommen Schwierigkeiten.</blockquote>
<p>Hu? „Ich könnte ja mit dem Weltuntergang an sich gut leben, aber wo
kommt dann mein Champagner her?“ „Was für ein Mist, dass ich mich in
meinem SUV gerade totgefahren habe; ich hatte ja fünf Cupholder
mitbestellt, und den links hinten hatte ich noch gar nicht ausprobiert!“
Ach: diese ganze Überlegung ist so obszön, dass mir gar nicht einfällt,
wie ich sie noch persiflieren kann.</p>
<p>Nun bezieht sich das Interview auf einen Artikel, den Laura Jamschon Mac
Garry, Albrecht selbst und Sergio Camacho-Lara unter dem Titel
<a class="reference external" href="https://doi.org/10.1016/j.actaastro.2023.10.052">Diplomatic, geopolitical and economic consequences of an impending
asteroid threat</a> in den Acta Astronautica <strong>214</strong> (2024)
veröffentlicht haben<a class="footnote-reference" href="#doi" id="id2">[2]</a>. Dieser Artikel enthält durchaus
auch die weit naheliegenderen Überlegungen zu einem rationaleren Umgang
mit so einer Krise. Albrechts Überlegungen finden sich dort aber doc,
und zwar als <em>Nachteile</em> einer frühen Entdeckung eines gefährlichen
Asteroiden:</p>
<blockquote class="pull-quote">
On the other hand, there was also a disadvantage associated with the
extensive lead time: the economy in the impact corridor would become
severely affected, as investments would probably decrease, real estate
values would plummet, banks could become insolvent as the population
would try to leave the area. The extensive lead time would be a period of
considerable political and economic uncertainty, during which time
events would take unpredictable turns. Merchant shipping and other
trade routes near the risk corridor would be likely to be discontinued
around the time of a possible impact. Delivery chains would be
interrupted.</blockquote>
<p>Glauben wirklich nennenswert viele Menschen, dass wir im Angesicht einer
solchen Katastrophe nicht überlegen, wie wir in einer geplanten und
überlegten Anstrengung dafür sorgen, dass das kein Riesengemetzel wird,
sondern weiter über <em>Grundstückspreise</em> reden?</p>
<p>Nun gut… Ich gebe zu, dass wir gerade eine ähnliche Situation <em>haben</em>,
denn die Klimaänderungen, die wir uns gerade eintreten, <em>werden</em>
absehbar zu einem Riesengemetzel führen, und da reden in der Tat immer
noch erstaunlich viele von Arbeitsplätzen, Emissionshandel und grünem
Wachstum, statt zu planen, wie wir einfach und angenehm den ganzen Mist
stoppen und dabei weniger Arbeit, Krach und Stress haben. Die
Entfremdung ist zumindest im Hinblick aufs Klima offenbar tatsächlich so
weit, dass ganze Gesellschaften ihre schiere Existenz nur übers Geld
verhandeln und dabei rauskriegen, dass es wichtiger ist, jetzt in
Blechkäfigen zu öden Jobs zu rasen als den Menschen in fünfzig Jahren
ein schönes Leben zu ermöglichen.</p>
<p>Ach weh: Jamschon Mac Garry et al haben vielleicht mehr Weisheit, als
ich ihnen aus dem Bauch heraus zugesprochen habe.</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="kt" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>Quantifiziert wäre der Rumms 500 Kilotonnen TNT-Äquivalent oder
ein gutes Dutzend Hiroshimabomben, so heißt es. Aber natürlich war
die Explosionsdynamik ganz anders, und so waren die Schäden auch viel
geringer.</td></tr>
</tbody>
</table>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="doi" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id2">[2]</a></td><td>Nebenbei ein Appell an die Verlage: eine Landing Page fürs
DOI-System ist potenziell für die Ewigkeit und garantiert kein guter
Platz für technische Spielereien. Dort ganz besonders sollte es
keinen Javascript-Zwang geben (so wie bei Acta Astronautica).
Wenigstens bei dem Journal treibt Elsevier es jetzt gerade gleich noch
wüster: Ohne Übertragung der Referrer-Header geht da nichts
Nützliches. Au Weia.</td></tr>
</tbody>
</table>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Ein rundlicher Stein mit vielleicht 10 cm Durchmesser und einer Delle in der Mitte, darunter eine Museumsbeschriftung: Cheliabynsk 2013" src="/media/2024/tscheliabinsk-2013.jpeg" />
<p class="caption">2013 in Tscheljabinsk war es nur <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Tscheljabinsk%20%28Meteor%29">ein recht kleiner Brocken</a>, der vom
Himmel fiel und <em>ordentlich</em> Rumms machte<a class="footnote-reference" href="#kt" id="id1">[1]</a>. Im Bild ist
ein winziges Bruchstück des Brockens, das es ins Naturkundemuseum in
Wien geschafft hat. Die Frage der Marktwirtschaft an sowas ist: Was
sind die Kosten? Meine Frage ist: Ab welcher Grenze wird diese Frage
fragwürdig?</p>
</div>
<p>Zu den fürs Verständnis der Menschenwelt nützlicheren Konzepten, die
durch MarxistInnen in den politischen Diskurs kamen, gehört ziemlich
fraglos die <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Entfremdete%20Arbeit">Entfremdung</a>. Es gibt ganze Bücher darüber, wie genauer
zu fassen sei, was Marx in seinen Ökonomisch-Philosophischen
Manuskripten in den 1840er Jahren so beschrieben hat:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Jedes Produkt ist ein Köder, womit man das Wesen des andern, sein
Geld, an sich locken will, jedes wirkliche oder mögliche Bedürfnis ist
eine Schwachheit, die die Fliege an die Leimstange heranführen wird.</blockquote>
<p>Mir gefiel eigentlich immer die knappe Definition: „Entfremdung ist,
wenn Menschen nicht mehr als soziale Wesen in Beziehung zueinander
treten, sondern als Handelnde auf einem Markt, also durch Austausch von
Geld – und am Ende auch nur zu diesem Zweck.“</p>
<p>Ich will dabei nicht von der Hand weisen, dass diese Sorte Interaktion
häufig recht bequem ist. Klar macht es auch mein Leben leichter, wenn
ich beim Bäcker einfach einen Schein rüberreichen kann und mit einem
Brot rausgehe, ohne argumentieren zu müssen, warum es nötig und richtig
ist, mich zu füttern.</p>
<p>Wenn es allerdings um die Zerstörung von Landstrichen oder Kontinenten
durch Einschläge großer Asteroiden geht, wird die entfremdete Denke von
Markt und Profit zum Agitprop-Stück über den Irrsinn des Kapitalismus
und der Art, wie er die ihn tragende Gesellschaft organisiert. Könnte
mensch meinen. Aber hört euch mal <a class="reference external" href="https://download.deutschlandfunk.de/file/dradio/2024/01/24/hypothetischer_asteroideneinschlag_auf_der_erde_auswirkungen_dlf_20240124_1647_2365379f.mp3">diesen Beitrag aus DLF Forschung
aktuell vom 24. Januar</a> an. Ich warte hier solange.</p>
<p>Wer das Stück nicht gehört hat: Untersucht wird ein (überhaupt nicht
unplausibles) Szenario, in dem AstronomInnen einen größeren
erdkreuzenden Asteroiden entdecken. Schnell wird klar, dass er
innerhalb von etwa 10 Jahren die Erde treffen wird. Eifrig wird
beobachtet, und mit wachsender Genauigkeit des Orbits wird immer klarer,
wo genau er einschlagen und was er dabei zerstören wird.</p>
<p>Ich hätte bei Simulationen eines solchen Szenarios naiv Überlegungen
erwartet, wie mensch die Leute, die im Zielgebiet wohnen, dort
rauskriegt, wo sie dann leben sollen, auf wie viel Landfläche mensch
verzichten kann, ohne dass es viel Hunger gibt, wie mensch sich
vielleicht auf für ein paar Jahre sinkende globale
Durchschnittstemperaturen einstellt, sowas halt.</p>
<p>Im Interview hingegen klingt es, als sehe der Interviewte – Rudolf
Albrecht, Mitarbeiter der ESO im Ruhestand – das zentrale Interesse des
Artikels so:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Wenn man [im Zerstörungsgebiet] zum Beispiel ein Haus hat, was wird
mit dem Grundstückspreis passieren? Das Haus wird nicht mehr zu
verkaufen sein. Was passiert, wenn die Hauspreise gegen Null gehen?
Dann zahlen die Leute ihre Hypothekraten nicht mehr. Was passiert,
wenn die Leute ihre Hypothekraten nicht mehr bezahlen? Die Banken
bekommen Schwierigkeiten.</blockquote>
<p>Hu? „Ich könnte ja mit dem Weltuntergang an sich gut leben, aber wo
kommt dann mein Champagner her?“ „Was für ein Mist, dass ich mich in
meinem SUV gerade totgefahren habe; ich hatte ja fünf Cupholder
mitbestellt, und den links hinten hatte ich noch gar nicht ausprobiert!“
Ach: diese ganze Überlegung ist so obszön, dass mir gar nicht einfällt,
wie ich sie noch persiflieren kann.</p>
<p>Nun bezieht sich das Interview auf einen Artikel, den Laura Jamschon Mac
Garry, Albrecht selbst und Sergio Camacho-Lara unter dem Titel
<a class="reference external" href="https://doi.org/10.1016/j.actaastro.2023.10.052">Diplomatic, geopolitical and economic consequences of an impending
asteroid threat</a> in den Acta Astronautica <strong>214</strong> (2024)
veröffentlicht haben<a class="footnote-reference" href="#doi" id="id2">[2]</a>. Dieser Artikel enthält durchaus
auch die weit naheliegenderen Überlegungen zu einem rationaleren Umgang
mit so einer Krise. Albrechts Überlegungen finden sich dort aber doc,
und zwar als <em>Nachteile</em> einer frühen Entdeckung eines gefährlichen
Asteroiden:</p>
<blockquote class="pull-quote">
On the other hand, there was also a disadvantage associated with the
extensive lead time: the economy in the impact corridor would become
severely affected, as investments would probably decrease, real estate
values would plummet, banks could become insolvent as the population
would try to leave the area. The extensive lead time would be a period of
considerable political and economic uncertainty, during which time
events would take unpredictable turns. Merchant shipping and other
trade routes near the risk corridor would be likely to be discontinued
around the time of a possible impact. Delivery chains would be
interrupted.</blockquote>
<p>Glauben wirklich nennenswert viele Menschen, dass wir im Angesicht einer
solchen Katastrophe nicht überlegen, wie wir in einer geplanten und
überlegten Anstrengung dafür sorgen, dass das kein Riesengemetzel wird,
sondern weiter über <em>Grundstückspreise</em> reden?</p>
<p>Nun gut… Ich gebe zu, dass wir gerade eine ähnliche Situation <em>haben</em>,
denn die Klimaänderungen, die wir uns gerade eintreten, <em>werden</em>
absehbar zu einem Riesengemetzel führen, und da reden in der Tat immer
noch erstaunlich viele von Arbeitsplätzen, Emissionshandel und grünem
Wachstum, statt zu planen, wie wir einfach und angenehm den ganzen Mist
stoppen und dabei weniger Arbeit, Krach und Stress haben. Die
Entfremdung ist zumindest im Hinblick aufs Klima offenbar tatsächlich so
weit, dass ganze Gesellschaften ihre schiere Existenz nur übers Geld
verhandeln und dabei rauskriegen, dass es wichtiger ist, jetzt in
Blechkäfigen zu öden Jobs zu rasen als den Menschen in fünfzig Jahren
ein schönes Leben zu ermöglichen.</p>
<p>Ach weh: Jamschon Mac Garry et al haben vielleicht mehr Weisheit, als
ich ihnen aus dem Bauch heraus zugesprochen habe.</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="kt" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>Quantifiziert wäre der Rumms 500 Kilotonnen TNT-Äquivalent oder
ein gutes Dutzend Hiroshimabomben, so heißt es. Aber natürlich war
die Explosionsdynamik ganz anders, und so waren die Schäden auch viel
geringer.</td></tr>
</tbody>
</table>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="doi" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id2">[2]</a></td><td>Nebenbei ein Appell an die Verlage: eine Landing Page fürs
DOI-System ist potenziell für die Ewigkeit und garantiert kein guter
Platz für technische Spielereien. Dort ganz besonders sollte es
keinen Javascript-Zwang geben (so wie bei Acta Astronautica).
Wenigstens bei dem Journal treibt Elsevier es jetzt gerade gleich noch
wüster: Ohne Übertragung der Referrer-Header geht da nichts
Nützliches. Au Weia.</td></tr>
</tbody>
</table>
Nachrichten aus dem Polizei-Rechtsstaat2024-03-02T08:00:00+01:002024-03-02T08:00:00+01:00Anselmtag:blog.tfiu.de,2024-03-02:/nachrichten-aus-dem-polizei-rechtsstaat.html<p>Am 2. Mai 2022 haben zwei Polizisten auf dem Marktplatz in Mannheim den
47-jährigen Ante P. umgebracht. Als Nicht-Schwabo<a class="footnote-reference" href="#schwabo" id="id1">[1]</a> mit
einer psychischen Diagnose gehörte ihr Opfer zur gegenüber tödlicher
Polizeigewalt in der BRD gefährdesten Gruppe überhaupt; ich darf ein
paar Beispiele aus den <a class="reference external" href="http://sofo-hd.de/ext/memOTD">sofo-hd-Jahrestagen</a> zitieren:</p>
<blockquote class="pull-quote">
<p>23.12.2023 – in Mannheim-Schönau töten Polizisten den
türkischstämmigen Ertekin Ö. mit vier Schüssen. Ö. hatte in einer
psychischen Krise und wegen Auseinandersetzungen mit dem Jugendamt
wegen seiner Kinder selbst die Polizei gerufen. Die Polizei eröffnete
das Feuer aus der Distanz, als sie ihn auf der Straße mit nacktem
Oberkörper und einem Messer in der Hand antraf.</p>
<p>12.1.2023 – In Mosbach-Neckarelz erschießt die Polizei einen Mann, der
sich mit einem Messer bewaffnet der Wohnung seiner Ex-Partnerin genähert
hat. Das Opfer hatte sich in psychiatrischer Behandlung befunden.</p>
<p>17.11.2022 – In Usingen im Taunus stirbt eine 39-jährige in
Polizeigewahrsam. Die Polizei gibt an, sie habe ihr Handfesseln
angelegt, weil sie randaliert habe. „Kurz darauf verschlechterte sich
der Gesundheitszustand der Frau [...] Die unverzüglich alarmierten
Rettungskräfte begannen noch vor Ort mit Wiederbelebungsversuchen“</p>
<p>5.1.2020 – In Gelsenkirchen schlägt der aus der Türkei kommende Mehmet
B. mit einem Ast auf ein leeres Polizeiauto ein und soll danach in der
Nähe stehende Beamte bedroht haben. Diese eröffnen das Feuer und töten
B. mit vier Schüssen. Die erste Sprachregelung der Polizei ist, dass
ein Terroranschlag vorlag, doch rudert der Innenminister später auf
„psychisch auffälliger Einzeltäter“ zurück. Die Staatsanwaltschaft
stellt die Ermittlungen gegen den Schützen natürlich ein.</p>
<p>2.11.2019 – Im Hunsrückdorf Hoppstädten-Weiersbach jagt ein größeres
Aufgebot Polizei einen Exil-Eritreer, der PassantInnen mit einer Axt
bedroht haben soll. Schließlich spüren zwei BeamtInnen den gesuchten
„neben einem Geräteschuppen am Boden kauernd“ auf einem Tennisplatz auf
und erschießen ihn in seiner, so die das Verfahren gegen den Schützen
einstellende Staatsanwaltschaft, „Aufwärtsbewegung“.</p>
<p>12.1.2019 – In Berlin stirbt ein griechischstämmiger Mann an den
Folgen von Polizeimaßnahmen („lagebedingter Erstickungstod”). Er war im
vorherigen Dezember im Gefolge eines psychotischen Schubes in einer
Bäckerei auffällig geworden. In der Gefangenensammelstelle Tempelhof
hatten ihn danach Beamte mit Pfefferspray traktiert und anschließend in
Bauchlage fixiert, bis er kollabierte.</p>
<p>9.2.2016 – In Hamburg stirbt der einen Monat zuvor wegen des Besitzes
von 1.65 Gramm Marihuana in Untersuchungshaft genommene Yaya Jabbi. Die
Polizei gibt an, er habe sich an der Gardinenstange in seiner Zelle
erhängt, das einen Suizid bestätigende Gutachten kommt ausgerechnet
von Klaus Püschel, der zuvor die ebenfalls klar rassistisch
eingesetzte Brechmittelfolter in Hamburg verantwortet hat.</p>
<p>13.4.2018 – In Fulda wirft der vor einer Abschiebung nach Afghanistan
stehende 19-jährige Matiullah Jabarkhil Steine auf eine Bäckerei, in der
seine Bitte um altes Brot rüde zurückgewiesen worden war. Rasch treffen
mindestens vier Polizisten ein und verfolgen den fliehenden Jabarkhil.
Nach 150 Metern eröffnet ein Polizist das Feuer und tötet Jabarkhil mit
zwölf Schüssen. Im Januar und August 2019 stellen Staatsanwaltschaften
die Verfahren gegen die Tatbeteiligten ein.</p>
</blockquote>
<p>Und so weiter ad nauseam. Wer noch kann, sollte auf
<a class="reference external" href="https://doku.deathincustody.info/recherche/">deathincustody.info</a> nachlesen; das spart zwar die polizeilichen
Tötungen „zur Gefahrenabwehr“ aus, ist aber trotzdem ziemlich
bedrückend.</p>
<p>Am ersten März nun fand in Mannheim das erstinstanzliche Strafverfahren
gegen die beiden Täter im „Fall“ Ante P. ein Ende. Dabei ist allein die
Tatsache des Verfahrens eine gewisse Besonderheit, die wohl nur den
zahlreichen Videoaufnahmen zu verdanken ist, die PassantInnen am
Marktplatz angefertigt und dann auch veröffentlicht haben. Ein
vergleichbarer Vorfall nur acht Tage nach der Tötung von Ante P. im
Mannheimer Waldhof ohne entsprechendes Material kam nicht mal vor
Gericht.</p>
<p>Dass das Gericht die beiden Angeklagten im aktuellen Prozess im
Wesentlichen freigesprochen hat – einer der beiden ist mit 120
Tagessätzen á 50 Euro zwar kurz mal vorbestraft, aber angesichts einer
Tötungshandlung darf eine Strafe im unteren Bereich der Urteile beim
<a class="reference external" href="https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__114.html">„Bullenschubsen“ nach §114 StGB</a> als Freispruch gelten<a class="footnote-reference" href="#vergleich" id="id2">[2]</a>
–, wird niemand überraschen, der meine kurze Zusammenstellung oben
überflogen hat oder anderweitig mit Rechtshilfe zu tun hat. Aber darum
geht es mir hier gar nicht, denn als Antiautoritärer bin ich ja froh
über jede Strafe, die <em>nicht</em> verhängt wird.</p>
<p>Nein, es sind mehr die Umstände des Verfahrens, die zornig machen. Das
Grundrechtekomitee hat dazu gestern eine Pressemitteilung herausgegeben,
die Pflichtlektüre sein sollte für Menschen, die finden, ausgerechnet
die eigene Regierung sollte Menschenrechte in aller Welt herbeibomben
und -waffenliefern oder durch <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/strafgericht-ist-fur-die-anderen.html">Export von Repressionstechnologie</a>
„befördern“: <a class="reference external" href="https://www.grundrechtekomitee.de/details/pressemitteilung-die-verteidigung-haette-das-urteil-auch-gleich-diktieren-koennen-katastrophales-urteil-gegen-polizisten-in-mannheim-unverhohlener-ableismus-und-institutionelle-naehe-von-strafjustiz-und-polizei">Katastrophales Urteil in Mannheim - unverhohlener Ableismus
und institutionelle Nähe von Strafjustiz und Polizei</a>.</p>
<p>Wer es etwas genauer wissen will, sei auf den ebenfalls höchst
aufschlussreichen <a class="reference external" href="/media/2024/ini-2-mai-prozessbericht.pdf">Prozessbericht der Initiative 2. Mai</a> verwiesen, den
ich hier spiegele; es wäre wirklich schade, wenn er durch z.B.
Bitrot <a class="reference external" href="https://initiative-2mai.de/">auf seiner Quellseite</a> aus dem Internet verschwände.</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="schwabo" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>Als Schwabo bezeichne(te)n viele BewohnerInnen Jugoslawiens
„die Deutschen“; weil ich immer noch schlechtes Gewissen habe, dass
ich meiner Regierung Anfang der 1990er nicht genug Widerstand
entgegengesetzt habe, als sie Jugoslawien in Mord und Totschlag stürzte,
nehme ich ihr Wort gerne, um das Konzept zu bezeichnen, das
andernorts (aus meiner Sicht weniger glücklich) „Biodeutsch“ oder
„Kartoffel“ heißt.</td></tr>
</tbody>
</table>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="vergleich" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id2">[2]</a></td><td>Zum Vergleich: Wegen trivialster Verstöße gegen Auflagen
(im Wesentlichen „Mütze zur Corona-Maske getragen“) bei einer
Demonstration gegen Polizeigewalt kurz nach der, nun,
Polizeimaßnahme am 2.5.2022 hat ein Gericht 50 Tagessätze verhängt.</td></tr>
</tbody>
</table>
<p>Am 2. Mai 2022 haben zwei Polizisten auf dem Marktplatz in Mannheim den
47-jährigen Ante P. umgebracht. Als Nicht-Schwabo<a class="footnote-reference" href="#schwabo" id="id1">[1]</a> mit
einer psychischen Diagnose gehörte ihr Opfer zur gegenüber tödlicher
Polizeigewalt in der BRD gefährdesten Gruppe überhaupt; ich darf ein
paar Beispiele aus den <a class="reference external" href="http://sofo-hd.de/ext/memOTD">sofo-hd-Jahrestagen</a> zitieren:</p>
<blockquote class="pull-quote">
<p>23.12.2023 – in Mannheim-Schönau töten Polizisten den
türkischstämmigen Ertekin Ö. mit vier Schüssen. Ö. hatte in einer
psychischen Krise und wegen Auseinandersetzungen mit dem Jugendamt
wegen seiner Kinder selbst die Polizei gerufen. Die Polizei eröffnete
das Feuer aus der Distanz, als sie ihn auf der Straße mit nacktem
Oberkörper und einem Messer in der Hand antraf.</p>
<p>12.1.2023 – In Mosbach-Neckarelz erschießt die Polizei einen Mann, der
sich mit einem Messer bewaffnet der Wohnung seiner Ex-Partnerin genähert
hat. Das Opfer hatte sich in psychiatrischer Behandlung befunden.</p>
<p>17.11.2022 – In Usingen im Taunus stirbt eine 39-jährige in
Polizeigewahrsam. Die Polizei gibt an, sie habe ihr Handfesseln
angelegt, weil sie randaliert habe. „Kurz darauf verschlechterte sich
der Gesundheitszustand der Frau [...] Die unverzüglich alarmierten
Rettungskräfte begannen noch vor Ort mit Wiederbelebungsversuchen“</p>
<p>5.1.2020 – In Gelsenkirchen schlägt der aus der Türkei kommende Mehmet
B. mit einem Ast auf ein leeres Polizeiauto ein und soll danach in der
Nähe stehende Beamte bedroht haben. Diese eröffnen das Feuer und töten
B. mit vier Schüssen. Die erste Sprachregelung der Polizei ist, dass
ein Terroranschlag vorlag, doch rudert der Innenminister später auf
„psychisch auffälliger Einzeltäter“ zurück. Die Staatsanwaltschaft
stellt die Ermittlungen gegen den Schützen natürlich ein.</p>
<p>2.11.2019 – Im Hunsrückdorf Hoppstädten-Weiersbach jagt ein größeres
Aufgebot Polizei einen Exil-Eritreer, der PassantInnen mit einer Axt
bedroht haben soll. Schließlich spüren zwei BeamtInnen den gesuchten
„neben einem Geräteschuppen am Boden kauernd“ auf einem Tennisplatz auf
und erschießen ihn in seiner, so die das Verfahren gegen den Schützen
einstellende Staatsanwaltschaft, „Aufwärtsbewegung“.</p>
<p>12.1.2019 – In Berlin stirbt ein griechischstämmiger Mann an den
Folgen von Polizeimaßnahmen („lagebedingter Erstickungstod”). Er war im
vorherigen Dezember im Gefolge eines psychotischen Schubes in einer
Bäckerei auffällig geworden. In der Gefangenensammelstelle Tempelhof
hatten ihn danach Beamte mit Pfefferspray traktiert und anschließend in
Bauchlage fixiert, bis er kollabierte.</p>
<p>9.2.2016 – In Hamburg stirbt der einen Monat zuvor wegen des Besitzes
von 1.65 Gramm Marihuana in Untersuchungshaft genommene Yaya Jabbi. Die
Polizei gibt an, er habe sich an der Gardinenstange in seiner Zelle
erhängt, das einen Suizid bestätigende Gutachten kommt ausgerechnet
von Klaus Püschel, der zuvor die ebenfalls klar rassistisch
eingesetzte Brechmittelfolter in Hamburg verantwortet hat.</p>
<p>13.4.2018 – In Fulda wirft der vor einer Abschiebung nach Afghanistan
stehende 19-jährige Matiullah Jabarkhil Steine auf eine Bäckerei, in der
seine Bitte um altes Brot rüde zurückgewiesen worden war. Rasch treffen
mindestens vier Polizisten ein und verfolgen den fliehenden Jabarkhil.
Nach 150 Metern eröffnet ein Polizist das Feuer und tötet Jabarkhil mit
zwölf Schüssen. Im Januar und August 2019 stellen Staatsanwaltschaften
die Verfahren gegen die Tatbeteiligten ein.</p>
</blockquote>
<p>Und so weiter ad nauseam. Wer noch kann, sollte auf
<a class="reference external" href="https://doku.deathincustody.info/recherche/">deathincustody.info</a> nachlesen; das spart zwar die polizeilichen
Tötungen „zur Gefahrenabwehr“ aus, ist aber trotzdem ziemlich
bedrückend.</p>
<p>Am ersten März nun fand in Mannheim das erstinstanzliche Strafverfahren
gegen die beiden Täter im „Fall“ Ante P. ein Ende. Dabei ist allein die
Tatsache des Verfahrens eine gewisse Besonderheit, die wohl nur den
zahlreichen Videoaufnahmen zu verdanken ist, die PassantInnen am
Marktplatz angefertigt und dann auch veröffentlicht haben. Ein
vergleichbarer Vorfall nur acht Tage nach der Tötung von Ante P. im
Mannheimer Waldhof ohne entsprechendes Material kam nicht mal vor
Gericht.</p>
<p>Dass das Gericht die beiden Angeklagten im aktuellen Prozess im
Wesentlichen freigesprochen hat – einer der beiden ist mit 120
Tagessätzen á 50 Euro zwar kurz mal vorbestraft, aber angesichts einer
Tötungshandlung darf eine Strafe im unteren Bereich der Urteile beim
<a class="reference external" href="https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__114.html">„Bullenschubsen“ nach §114 StGB</a> als Freispruch gelten<a class="footnote-reference" href="#vergleich" id="id2">[2]</a>
–, wird niemand überraschen, der meine kurze Zusammenstellung oben
überflogen hat oder anderweitig mit Rechtshilfe zu tun hat. Aber darum
geht es mir hier gar nicht, denn als Antiautoritärer bin ich ja froh
über jede Strafe, die <em>nicht</em> verhängt wird.</p>
<p>Nein, es sind mehr die Umstände des Verfahrens, die zornig machen. Das
Grundrechtekomitee hat dazu gestern eine Pressemitteilung herausgegeben,
die Pflichtlektüre sein sollte für Menschen, die finden, ausgerechnet
die eigene Regierung sollte Menschenrechte in aller Welt herbeibomben
und -waffenliefern oder durch <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/strafgericht-ist-fur-die-anderen.html">Export von Repressionstechnologie</a>
„befördern“: <a class="reference external" href="https://www.grundrechtekomitee.de/details/pressemitteilung-die-verteidigung-haette-das-urteil-auch-gleich-diktieren-koennen-katastrophales-urteil-gegen-polizisten-in-mannheim-unverhohlener-ableismus-und-institutionelle-naehe-von-strafjustiz-und-polizei">Katastrophales Urteil in Mannheim - unverhohlener Ableismus
und institutionelle Nähe von Strafjustiz und Polizei</a>.</p>
<p>Wer es etwas genauer wissen will, sei auf den ebenfalls höchst
aufschlussreichen <a class="reference external" href="/media/2024/ini-2-mai-prozessbericht.pdf">Prozessbericht der Initiative 2. Mai</a> verwiesen, den
ich hier spiegele; es wäre wirklich schade, wenn er durch z.B.
Bitrot <a class="reference external" href="https://initiative-2mai.de/">auf seiner Quellseite</a> aus dem Internet verschwände.</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="schwabo" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>Als Schwabo bezeichne(te)n viele BewohnerInnen Jugoslawiens
„die Deutschen“; weil ich immer noch schlechtes Gewissen habe, dass
ich meiner Regierung Anfang der 1990er nicht genug Widerstand
entgegengesetzt habe, als sie Jugoslawien in Mord und Totschlag stürzte,
nehme ich ihr Wort gerne, um das Konzept zu bezeichnen, das
andernorts (aus meiner Sicht weniger glücklich) „Biodeutsch“ oder
„Kartoffel“ heißt.</td></tr>
</tbody>
</table>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="vergleich" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id2">[2]</a></td><td>Zum Vergleich: Wegen trivialster Verstöße gegen Auflagen
(im Wesentlichen „Mütze zur Corona-Maske getragen“) bei einer
Demonstration gegen Polizeigewalt kurz nach der, nun,
Polizeimaßnahme am 2.5.2022 hat ein Gericht 50 Tagessätze verhängt.</td></tr>
</tbody>
</table>
Leider kein Sprecher ohne Nerven2024-02-24T06:00:00+01:002024-02-24T06:00:00+01:00Anselmtag:blog.tfiu.de,2024-02-24:/leider-kein-sprecher-ohne-nerven.html<p>Ich habe mich hier schon <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/tag/live.html">des Öfteren</a> als Fan von Live-Medien und dem
mehr oder minder professionellen Umgang mit ihren Pannen geoutet –
natürlich immer mit besonderer <hust> Mühe, jeden Anschein von
Schadenfreude zu vermeiden.</p>
<p>Vor diesem Hintergrund fand ich den Umgang des anonymen Sprechers<a class="footnote-reference" href="#namen" id="id1">[1]</a> mit einer offensichtlichen Panne bei den 16:30-Nachrichen am
23.1.2024 im Deutschlandfunk (ja, ich bin ein wenig hinterher bei meinem
asynchronen Radio-Konsum) nachgerade unfassbar professionell. Hört euch
das hier mal an:</p>
<p><span class="raw-html"><audio controls="controls"> <source type="audio/ogg" src="/media/2024/doppelte-nachricht.ogg"/> <p class="transcript">(Blättern) Die deutsche Schauspielerin Sandra Hüller ist für einen Oscar nominiert worden […ca 20 Sekunden Sprache…] (Blattern) Die deutsche Schauspielerin Sandra Hüller ist für einen Oscar nominiert worden [weiterer identischer Text]</p></audio></span></p>
<p>Als ich das hörte, war ich hingerissen, wie der Sprecher <em>völlig</em> ungerührt
weiterliest, obwohl ihm spätestens nach wenigen Sekunden aufgefallen
sein muss, dass er sich gerade wiederholt. Gut – ich hätte jetzt ein
„Verzeihung, diese Nachricht hatten wir gerade schon“ eigentlich
sympathischer gefunden. Die größere Kunst jedoch ist, so glaube ich,
überzeugend so zu tun, als <em>sei</em> gar nichts.</p>
<p>Bei genauerer Betrachtung stellt sich allerdings heraus, dass für den
Sprecher tatsächlich gar nichts <em>war</em>. Folgt mir kurz auf meinem Weg zu
dieser Entdeckung.</p>
<p>Wer im Audio genau hinhört, hört ganz am Anfang ein Blättern; dass da
(noch) geblättert wird, hat mich zunächst nicht verunsichert, denn die
Werkzeuge von Profis ändern sich langsam. Es ist aus meiner Sicht gut
möglich, dass die Leute im DLF noch nicht vom Computer weglesen. Dass
vor der Wiederholung nochmal ein Blättern zu hören ist, hat mich auch
noch nicht verblüfft. Im Gegenteil ist es höchst plausibel, dass es zur
Wiederholung kam, weil zwei Kopien des gleichen Blattes im
Nachrichtenstapel lagen.</p>
<p>Allerdings sahen beim Beschneiden im Audio-Editor die Wellenformen von
Blättern und Lossprechen schon ganz verblüffend ähnlich aus. So ähnlich,
dass ich mir die Mühe gemacht habe, die Wiederholung unter das Original
zu legen und (etwas improvisiert) mithilfe meines <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/an-xlib-based-screen-ruler-in-python.html">pyscreenruler</a> als
Hilfslinie aneineinander auszurichten:</p>
<div class="figure">
<img alt="Zwei Wellenformen untereinander, die exakt parallel verlaufen" src="/media/2024/parallel-waveforms.png" />
</div>
<p>Nein: Auch der professionellste Sprecher kann nicht so exakt parallele
Signalverläufe hervorbringen.</p>
<div class="addition docutils container" id="addition-1">
<p class="addition-header">Nachtrag (2024-03-02)</p>
<p>Weil Proteste kamen: Ja, in ganz feinen Details unterscheiden sich die
Kurven. Das kommt einerseits vielleicht ein wenig aus der
unterschiedlichen Vorgeschichte der beiden Signale, die in die
Kompression eingegangen ist. Yor allem ist das etwas, das grob unter
dem Begriff unter „<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Alias-Effekt">Aliasing</a>“ läuft: Wenn ihr einen etwa ein Pixel
breiten Gipfel durch zwei Pixel durchschiebt, ist manchmal nur in
einem richtig Signal und manchmal in beiden. Hier ist die Lage der
beiden Signale bezüglich des jeweils ersten Samples (Audio-Pixel, wenn
ihr so wollt) leicht verschieden, und drum „wackelt“ es auf Pixelebene
manchmal ein wenig.</p>
</div>
<p>Das ist entweder digital erzeugt oder
digital wiederholt worden. Eine Roboterstimme mit dieser Qualität und
dann noch beim Deutschlandfunk ist wohl auszuschließen (schon, weil es
dort einen Personalrat gibt). Da die Doppelung genau an
Satzgrenzen beginnt und aufhört, scheint auch eine natürliche Ursache
für die Dopplung – sagen wir, ein Puffer, dessen Fortsetzung nicht
rechtzeitig fertig ist und der dann einfach wiederholt wird – jedenfalls
sehr unwahrscheinlich (mal abgesehen davon, dass kein plausibler Puffer
20 Sekunden lang wäre).</p>
<p>Bliebe noch, dass da jemand bewusst geschnitten bzw. geloopt hat. Aber
wie geht das? Soweit ich weiß, werden die Nachrichten im DLF live
gesprochen, was heißt, dass der Loop mehr oder weniger in Echtzeit
produziert worden sein muss. Geht sowas überhaupt? Vor allem aber: Wer
sollte das tun wollen? Und warum?</p>
<p>Fazit im Hinblick auf <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/tag/live.html">Live</a>: Leider ist hier kein Nachrichtensprecher
ohne Nerven zugange. Wer immer da redet, hatte seinen Job schon getan,
als irgendwer anders diesen Loop in seine Sprache einbaute.</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="namen" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td><p class="first">Ich glaubte mich zu erinnern, dass die
DLF-NachrichtensprecherInnen früher ihre Namen gesagt haben. Haben
sie nicht, jedenfalls nicht 2001. Ich habe extra in meinem Archiv
nachgehört. Dabei bin ich allerdings über Verkehrsmeldungen
gestolpert, die sie damals noch gebracht haben, und darüber bin ich
(etwas perverserweise) nostalgisch geworden („Seewetteramt Hamburg“).
Für andere DLF-DauerhörerInnen hätte ich hier eine
Flashback-Gelegenheit, nämlich die Verkehrsmeldungen vom 24. August
2001, 16:34:</p>
<p class="last"><span class="raw-html"><audio controls="controls"> <source type="audio/ogg" src="/media/2024/dlf-verkehr-2001-08-24T16:30.ogg"/></audio></span></p>
</td></tr>
</tbody>
</table>
<p>Ich habe mich hier schon <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/tag/live.html">des Öfteren</a> als Fan von Live-Medien und dem
mehr oder minder professionellen Umgang mit ihren Pannen geoutet –
natürlich immer mit besonderer <hust> Mühe, jeden Anschein von
Schadenfreude zu vermeiden.</p>
<p>Vor diesem Hintergrund fand ich den Umgang des anonymen Sprechers<a class="footnote-reference" href="#namen" id="id1">[1]</a> mit einer offensichtlichen Panne bei den 16:30-Nachrichen am
23.1.2024 im Deutschlandfunk (ja, ich bin ein wenig hinterher bei meinem
asynchronen Radio-Konsum) nachgerade unfassbar professionell. Hört euch
das hier mal an:</p>
<p><span class="raw-html"><audio controls="controls"> <source type="audio/ogg" src="/media/2024/doppelte-nachricht.ogg"/> <p class="transcript">(Blättern) Die deutsche Schauspielerin Sandra Hüller ist für einen Oscar nominiert worden […ca 20 Sekunden Sprache…] (Blattern) Die deutsche Schauspielerin Sandra Hüller ist für einen Oscar nominiert worden [weiterer identischer Text]</p></audio></span></p>
<p>Als ich das hörte, war ich hingerissen, wie der Sprecher <em>völlig</em> ungerührt
weiterliest, obwohl ihm spätestens nach wenigen Sekunden aufgefallen
sein muss, dass er sich gerade wiederholt. Gut – ich hätte jetzt ein
„Verzeihung, diese Nachricht hatten wir gerade schon“ eigentlich
sympathischer gefunden. Die größere Kunst jedoch ist, so glaube ich,
überzeugend so zu tun, als <em>sei</em> gar nichts.</p>
<p>Bei genauerer Betrachtung stellt sich allerdings heraus, dass für den
Sprecher tatsächlich gar nichts <em>war</em>. Folgt mir kurz auf meinem Weg zu
dieser Entdeckung.</p>
<p>Wer im Audio genau hinhört, hört ganz am Anfang ein Blättern; dass da
(noch) geblättert wird, hat mich zunächst nicht verunsichert, denn die
Werkzeuge von Profis ändern sich langsam. Es ist aus meiner Sicht gut
möglich, dass die Leute im DLF noch nicht vom Computer weglesen. Dass
vor der Wiederholung nochmal ein Blättern zu hören ist, hat mich auch
noch nicht verblüfft. Im Gegenteil ist es höchst plausibel, dass es zur
Wiederholung kam, weil zwei Kopien des gleichen Blattes im
Nachrichtenstapel lagen.</p>
<p>Allerdings sahen beim Beschneiden im Audio-Editor die Wellenformen von
Blättern und Lossprechen schon ganz verblüffend ähnlich aus. So ähnlich,
dass ich mir die Mühe gemacht habe, die Wiederholung unter das Original
zu legen und (etwas improvisiert) mithilfe meines <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/an-xlib-based-screen-ruler-in-python.html">pyscreenruler</a> als
Hilfslinie aneineinander auszurichten:</p>
<div class="figure">
<img alt="Zwei Wellenformen untereinander, die exakt parallel verlaufen" src="/media/2024/parallel-waveforms.png" />
</div>
<p>Nein: Auch der professionellste Sprecher kann nicht so exakt parallele
Signalverläufe hervorbringen.</p>
<div class="addition docutils container" id="addition-1">
<p class="addition-header">Nachtrag (2024-03-02)</p>
<p>Weil Proteste kamen: Ja, in ganz feinen Details unterscheiden sich die
Kurven. Das kommt einerseits vielleicht ein wenig aus der
unterschiedlichen Vorgeschichte der beiden Signale, die in die
Kompression eingegangen ist. Yor allem ist das etwas, das grob unter
dem Begriff unter „<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Alias-Effekt">Aliasing</a>“ läuft: Wenn ihr einen etwa ein Pixel
breiten Gipfel durch zwei Pixel durchschiebt, ist manchmal nur in
einem richtig Signal und manchmal in beiden. Hier ist die Lage der
beiden Signale bezüglich des jeweils ersten Samples (Audio-Pixel, wenn
ihr so wollt) leicht verschieden, und drum „wackelt“ es auf Pixelebene
manchmal ein wenig.</p>
</div>
<p>Das ist entweder digital erzeugt oder
digital wiederholt worden. Eine Roboterstimme mit dieser Qualität und
dann noch beim Deutschlandfunk ist wohl auszuschließen (schon, weil es
dort einen Personalrat gibt). Da die Doppelung genau an
Satzgrenzen beginnt und aufhört, scheint auch eine natürliche Ursache
für die Dopplung – sagen wir, ein Puffer, dessen Fortsetzung nicht
rechtzeitig fertig ist und der dann einfach wiederholt wird – jedenfalls
sehr unwahrscheinlich (mal abgesehen davon, dass kein plausibler Puffer
20 Sekunden lang wäre).</p>
<p>Bliebe noch, dass da jemand bewusst geschnitten bzw. geloopt hat. Aber
wie geht das? Soweit ich weiß, werden die Nachrichten im DLF live
gesprochen, was heißt, dass der Loop mehr oder weniger in Echtzeit
produziert worden sein muss. Geht sowas überhaupt? Vor allem aber: Wer
sollte das tun wollen? Und warum?</p>
<p>Fazit im Hinblick auf <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/tag/live.html">Live</a>: Leider ist hier kein Nachrichtensprecher
ohne Nerven zugange. Wer immer da redet, hatte seinen Job schon getan,
als irgendwer anders diesen Loop in seine Sprache einbaute.</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="namen" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td><p class="first">Ich glaubte mich zu erinnern, dass die
DLF-NachrichtensprecherInnen früher ihre Namen gesagt haben. Haben
sie nicht, jedenfalls nicht 2001. Ich habe extra in meinem Archiv
nachgehört. Dabei bin ich allerdings über Verkehrsmeldungen
gestolpert, die sie damals noch gebracht haben, und darüber bin ich
(etwas perverserweise) nostalgisch geworden („Seewetteramt Hamburg“).
Für andere DLF-DauerhörerInnen hätte ich hier eine
Flashback-Gelegenheit, nämlich die Verkehrsmeldungen vom 24. August
2001, 16:34:</p>
<p class="last"><span class="raw-html"><audio controls="controls"> <source type="audio/ogg" src="/media/2024/dlf-verkehr-2001-08-24T16:30.ogg"/></audio></span></p>
</td></tr>
</tbody>
</table>
In den Stuttgarter Naturkundemuseen2024-02-21T16:00:00+01:002024-02-21T16:00:00+01:00Anselmtag:blog.tfiu.de,2024-02-21:/in-den-stuttgarter-naturkundemuseen.html<p>Trotz des Risikos weiterer Verwicklungen in <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/carl-wurttemberg-und-die-unvollstandige-revolution.html">Aktivitäten von
Gewaltherrscher-Sprösslingen</a>, mit denen in Stuttgarter Museen offenbar
schon mal zu rechnen ist<a class="footnote-reference" href="#herrscher" id="id1">[1]</a>, habe ich mich mit meinem
<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/pages/museumspass.html">Museumspass</a> erneut in die Landeshauptstadt gewagt, denn das <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Naturkundemuseum%20Stuttgart">dortige
Naturkundemuseum</a> lockte sehr. Wo, wenn nicht dort, wird wohl
Professor Zwengelmann Direktor<a class="footnote-reference" href="#kruse" id="id2">[2]</a> sein?</p>
<p>Der Beschluss zu diesem Post reifte indes vor allem, weil ich vor einer
naheliegenden Fehlbedienung des Löwentor-Teils des Museums warnen will.
Zunächst: Das Museum besteht aus einem modernen Bau, in dem die
verschiedenen geologischen Systeme, die in Baden-Württemberg vertreten
sind (das heißt: Kreide hat eine Wand von kaum ein paar Metern), nach
Fauna, Flora und Fossilien vorgestellt werden, und einem vielleicht 500
m Parkspaziergang davon entfernten älteren Gebäude („Schloss
Rosenstein“), in dem es um die aktuelle Welt geht.</p>
<p>Wer nun im Löwentor-Bau naheliegenderweise von der Garderobe durch eine
offene Tür entspannt in die große Ausstellungshalle diffundiert, landet
im Tertiär, wird dann recht schnell konfus zwischen Jura und Trias
umherirren und sich schließlich fragen, wie das alles zusammengehört.
Das liegt daran, dass der Löwentor-Teil so eine Art Open-Plan-Museum
ist, also (fast) alles auf zwei durchgehenden Ebenen einer großen Halle
stattfindet:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Ein moderner, hoher Raum. Eine Treppe führt zu diversen Fossilien, an einer Wand hängt eine mehrere Meter hohe schwarze Platte mit viel Struktur." src="/media/2024/loewentor-openplan.jpeg" />
</div>
<p>Das ist klasse, wenn mensch schnell „zurückspulen“ möchte (sagen wir:
Ich will nochmal das arme Babymammut sehen, das im Moorloch kämpft –
herzzerreißend, aber paläontologisch verbürgt), denn mensch muss nicht
ohne Übersicht durch Zillionen von Räumen irren. Noch dazu hat das
Museum durch diese Architektur auch Platz, einige meterhohe
Riesenfossilien zu drapieren, allen voran die cthulhuesken
Überreste von Seelilien aus den Posidonienschiefern des Schwarzjura<a class="footnote-reference" href="#lovecraft" id="id3">[3]</a>, im Foto oben rechts an der Wand.</p>
<p>Andererseits hat ohne die Strukturierung durch Mauern viel Mühe, wer
Leitelemente wie die gelbe Linie in diesem Bild:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Ein Skelett eines kleinen Rindes in einem Glaskasten; seine Knochen sind schwarz. Auf dem Glaskasten steht in Gelb „Quartär Holozän“, eine gelbe Linie auf dem Boden läuft auf den Glaskasten zu." src="/media/2024/torfrind.jpeg" />
</div>
<p>als zu einem irgendwie optionalen Spiel gehörend interpretiert. Nein,
die kuratorische Erzählung und damit der Spaziergang durch die
Erdzeitalter funktionieren nur, wenn mensch auf der Linie hinter der
Kasse im Erdaltertum anfängt und ihrem leicht verschlungenen Verlauf
chronologisch durch die (durch verschiedene Farben markierten)
stratigraphischen Systeme folgt.</p>
<p>Das Rinderskelett in dem Kasten auf dem Gelbe-Linien-Bild kommt mit
diesem Rezept ziemlich am Schluss – Holozän – und markiert bereits
domestizierende Menschen (anders gesagt: ein positives <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/mach-mit-bei-dit.html#das-datum-zur-zeit-stardit">StarDIT</a>).
Verglichen mit unseren heutigen Turborindern war dieses Tier aber eher
mickrig. Zur Erklärung bietet der Museumstext an, diese „Torfrinder“
seien so klein gewesen, weil sie in ihrer kargen Umwelt nicht genug zu
Essen bekommen haben. Etwas differenzierter und vielleicht weniger
dickensianisch hat Markus Bühler <a class="reference external" href="https://bestiarium.kryptozoologie.net/artikel/bild-des-tages-torfrind-skelett/">genau dieses Skelett 2012
diskutiert</a>.</p>
<p>Für Laien wie mich eindrücklicher als Knochen sind, das muss ich
zugeben, aber die vielen lebensgroßen Dioramen, mit denen das Museum
versucht (mit gutem Erfolg, soweit es mich betrifft), die vergangenen
oder entfernten Lebenswelten erfahrbar zu machen. In etliche kann
mensch auch reingehen, so dass Mutproben wie diese möglich werden:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Eine Menschenhand wird von links in den geöffneten Kiefer eines von rechts ins Bild ragenden Saurierkopfs gehalten." src="/media/2024/dino-mutprobe.jpeg" />
</div>
<p>Noch im paläontologischen Teil der Ausstellung finden sich auch Menschen
in diesen Dioramen, zunächst als Neandertaler. Der Tuareg, der im
anderen Teil der Ausstellung („Schloss Rosenstein“) in einer Vitrine
steht, vertiefte meine Bedenken, dass das Ganze Richtung „<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkerschau">Völkerschau</a>“
abrutscht; auch ein Naturkundemuseum mag sich gelegentlich Fragen
stellen müssen wie die, die mich während meines <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/mehrfach-reflexiv-das-linden-museum-in-stuttgart.html">Besuchs im
Lindenmuseum</a> (ebenfalls in Stuttgart) beschäftigt haben.</p>
<p>Kolonialer Herablassung kann mensch das Naturkundemuseum
jedoch eher nicht bezichtigen, denn in den Vitrinen steht durchaus auch
mal ein weißer Mann, und er spielt nicht gerade eine vorteilhafte
Rolle:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Hinter Glas ein paar lebensgroße (aber künstliche) Maispflanzen. Davor bückt sich ein blonder Mann (auch künstlich) im Karohemd und mischt ein Pflanzenschutzmittel." src="/media/2024/giftmischer.jpeg" />
</div>
<p>In der Vitrine geht es um Artensterben durch Giftmischerei und einige
weitere Kollisionen zwischen Kapitalismus und der realen Welt.
Vielleicht sind Karohemd und blonde Haare der Verkörperung des ersteren
<em>einen Hauch</em> zu dick aufgetragen. Vielleicht aber auch nicht.</p>
<p>Der Mann hat so oder so keine Chance gegen meinen Lieblingsbereich im
Gesamt-Museum, nämlich den Nebenraum in der Gegend des oberen Jura,
in dem verschiedene Rekonstruktionen illustrieren, wie Dinosaurier sich
befiedert haben und sich dann im Tertiär zwitschernd unter die
Säugetiere gemischt haben. Das sind größtenteils anheimelnde Modelle,
bis hin zum höchst anmutigen und weise blickenden Archäopteryx. Wenn
die wirklich so aussahen, ist es ausgesprochen bedauerlich, dass sie es
nicht in die Gegenwart geschafft haben:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Etwas vogelähnliches mit braundem Gefieder. Der Kopf allerdings hat keinen Schnabel, sondern eher einen lächelndem Mund in einer länglichen Schnauze – und große, gütig blickende Augen." src="/media/2024/anmutiger-archeaopteryx.jpeg" />
</div>
<p>Mein wesentlicher Schluss aus diesem Seitenraum ist: Wenn ihr die
<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/alle-voglein-sind-schon-da.html">Vöglein singen hört</a>, bedenkt, dass sie einstmals T. Rex waren, oder
jedenfalls sowas ähnliches. Wenn aber die Dinosaurier weggekommen sind
vom Töten und Fressen durch überlegene Stärke und Größe, dann mag das
auch für unsere Spezies ein bisschen Hoffnung machen.</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="herrscher" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td><p class="first">Tatsächlich ist das Naturkundemuseum ein enfernter
Abkömmling der „Kunst- und Wunderkammer“ der Stuttgarter Autokraten,
was nicht nur an kuratorischen Grausamkeiten zu erkennen ist. Aber
auch. Hier ist das älteste Exponat der Ausstellung, ein Geweih eines
Eiszeithirschen; Die Obrigkeit hat es ersichtlich im Jahr 1600 ihren
Schätzen einverleibt:</p>
<div class="centerfig last figure">
<img alt="Ein Stück eines vergilbten Geweihs, über das in schwarzer Tinte groß „1600. FOSSILE“ gemalt ist." src="/media/2024/eiszeithirsch.jpeg" />
</div>
</td></tr>
</tbody>
</table>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="kruse" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id2">[2]</a></td><td>Womit ich mich erneut als glühender Fan der Max
Kruse-Edition des <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Urmel%20aus%20dem%20Eis">Urmel</a> geoutet habe. Und nein, der echte Direktor des
Stuttgarter Naturkundemuseums hat natürlich nichts mit Zwengelmann zu tun.</td></tr>
</tbody>
</table>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="lovecraft" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id3">[3]</a></td><td>Ich musste „Schwarzjura“ und „Posidonienschiefer“
einfach neben „Cthulhu“ platzieren. Sie passen, so finde ich, perfekt
in diesen Kontext, auch wenn sie ganz offizielle:w
Geologie sind.</td></tr>
</tbody>
</table>
<p>Trotz des Risikos weiterer Verwicklungen in <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/carl-wurttemberg-und-die-unvollstandige-revolution.html">Aktivitäten von
Gewaltherrscher-Sprösslingen</a>, mit denen in Stuttgarter Museen offenbar
schon mal zu rechnen ist<a class="footnote-reference" href="#herrscher" id="id1">[1]</a>, habe ich mich mit meinem
<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/pages/museumspass.html">Museumspass</a> erneut in die Landeshauptstadt gewagt, denn das <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Naturkundemuseum%20Stuttgart">dortige
Naturkundemuseum</a> lockte sehr. Wo, wenn nicht dort, wird wohl
Professor Zwengelmann Direktor<a class="footnote-reference" href="#kruse" id="id2">[2]</a> sein?</p>
<p>Der Beschluss zu diesem Post reifte indes vor allem, weil ich vor einer
naheliegenden Fehlbedienung des Löwentor-Teils des Museums warnen will.
Zunächst: Das Museum besteht aus einem modernen Bau, in dem die
verschiedenen geologischen Systeme, die in Baden-Württemberg vertreten
sind (das heißt: Kreide hat eine Wand von kaum ein paar Metern), nach
Fauna, Flora und Fossilien vorgestellt werden, und einem vielleicht 500
m Parkspaziergang davon entfernten älteren Gebäude („Schloss
Rosenstein“), in dem es um die aktuelle Welt geht.</p>
<p>Wer nun im Löwentor-Bau naheliegenderweise von der Garderobe durch eine
offene Tür entspannt in die große Ausstellungshalle diffundiert, landet
im Tertiär, wird dann recht schnell konfus zwischen Jura und Trias
umherirren und sich schließlich fragen, wie das alles zusammengehört.
Das liegt daran, dass der Löwentor-Teil so eine Art Open-Plan-Museum
ist, also (fast) alles auf zwei durchgehenden Ebenen einer großen Halle
stattfindet:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Ein moderner, hoher Raum. Eine Treppe führt zu diversen Fossilien, an einer Wand hängt eine mehrere Meter hohe schwarze Platte mit viel Struktur." src="/media/2024/loewentor-openplan.jpeg" />
</div>
<p>Das ist klasse, wenn mensch schnell „zurückspulen“ möchte (sagen wir:
Ich will nochmal das arme Babymammut sehen, das im Moorloch kämpft –
herzzerreißend, aber paläontologisch verbürgt), denn mensch muss nicht
ohne Übersicht durch Zillionen von Räumen irren. Noch dazu hat das
Museum durch diese Architektur auch Platz, einige meterhohe
Riesenfossilien zu drapieren, allen voran die cthulhuesken
Überreste von Seelilien aus den Posidonienschiefern des Schwarzjura<a class="footnote-reference" href="#lovecraft" id="id3">[3]</a>, im Foto oben rechts an der Wand.</p>
<p>Andererseits hat ohne die Strukturierung durch Mauern viel Mühe, wer
Leitelemente wie die gelbe Linie in diesem Bild:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Ein Skelett eines kleinen Rindes in einem Glaskasten; seine Knochen sind schwarz. Auf dem Glaskasten steht in Gelb „Quartär Holozän“, eine gelbe Linie auf dem Boden läuft auf den Glaskasten zu." src="/media/2024/torfrind.jpeg" />
</div>
<p>als zu einem irgendwie optionalen Spiel gehörend interpretiert. Nein,
die kuratorische Erzählung und damit der Spaziergang durch die
Erdzeitalter funktionieren nur, wenn mensch auf der Linie hinter der
Kasse im Erdaltertum anfängt und ihrem leicht verschlungenen Verlauf
chronologisch durch die (durch verschiedene Farben markierten)
stratigraphischen Systeme folgt.</p>
<p>Das Rinderskelett in dem Kasten auf dem Gelbe-Linien-Bild kommt mit
diesem Rezept ziemlich am Schluss – Holozän – und markiert bereits
domestizierende Menschen (anders gesagt: ein positives <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/mach-mit-bei-dit.html#das-datum-zur-zeit-stardit">StarDIT</a>).
Verglichen mit unseren heutigen Turborindern war dieses Tier aber eher
mickrig. Zur Erklärung bietet der Museumstext an, diese „Torfrinder“
seien so klein gewesen, weil sie in ihrer kargen Umwelt nicht genug zu
Essen bekommen haben. Etwas differenzierter und vielleicht weniger
dickensianisch hat Markus Bühler <a class="reference external" href="https://bestiarium.kryptozoologie.net/artikel/bild-des-tages-torfrind-skelett/">genau dieses Skelett 2012
diskutiert</a>.</p>
<p>Für Laien wie mich eindrücklicher als Knochen sind, das muss ich
zugeben, aber die vielen lebensgroßen Dioramen, mit denen das Museum
versucht (mit gutem Erfolg, soweit es mich betrifft), die vergangenen
oder entfernten Lebenswelten erfahrbar zu machen. In etliche kann
mensch auch reingehen, so dass Mutproben wie diese möglich werden:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Eine Menschenhand wird von links in den geöffneten Kiefer eines von rechts ins Bild ragenden Saurierkopfs gehalten." src="/media/2024/dino-mutprobe.jpeg" />
</div>
<p>Noch im paläontologischen Teil der Ausstellung finden sich auch Menschen
in diesen Dioramen, zunächst als Neandertaler. Der Tuareg, der im
anderen Teil der Ausstellung („Schloss Rosenstein“) in einer Vitrine
steht, vertiefte meine Bedenken, dass das Ganze Richtung „<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkerschau">Völkerschau</a>“
abrutscht; auch ein Naturkundemuseum mag sich gelegentlich Fragen
stellen müssen wie die, die mich während meines <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/mehrfach-reflexiv-das-linden-museum-in-stuttgart.html">Besuchs im
Lindenmuseum</a> (ebenfalls in Stuttgart) beschäftigt haben.</p>
<p>Kolonialer Herablassung kann mensch das Naturkundemuseum
jedoch eher nicht bezichtigen, denn in den Vitrinen steht durchaus auch
mal ein weißer Mann, und er spielt nicht gerade eine vorteilhafte
Rolle:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Hinter Glas ein paar lebensgroße (aber künstliche) Maispflanzen. Davor bückt sich ein blonder Mann (auch künstlich) im Karohemd und mischt ein Pflanzenschutzmittel." src="/media/2024/giftmischer.jpeg" />
</div>
<p>In der Vitrine geht es um Artensterben durch Giftmischerei und einige
weitere Kollisionen zwischen Kapitalismus und der realen Welt.
Vielleicht sind Karohemd und blonde Haare der Verkörperung des ersteren
<em>einen Hauch</em> zu dick aufgetragen. Vielleicht aber auch nicht.</p>
<p>Der Mann hat so oder so keine Chance gegen meinen Lieblingsbereich im
Gesamt-Museum, nämlich den Nebenraum in der Gegend des oberen Jura,
in dem verschiedene Rekonstruktionen illustrieren, wie Dinosaurier sich
befiedert haben und sich dann im Tertiär zwitschernd unter die
Säugetiere gemischt haben. Das sind größtenteils anheimelnde Modelle,
bis hin zum höchst anmutigen und weise blickenden Archäopteryx. Wenn
die wirklich so aussahen, ist es ausgesprochen bedauerlich, dass sie es
nicht in die Gegenwart geschafft haben:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Etwas vogelähnliches mit braundem Gefieder. Der Kopf allerdings hat keinen Schnabel, sondern eher einen lächelndem Mund in einer länglichen Schnauze – und große, gütig blickende Augen." src="/media/2024/anmutiger-archeaopteryx.jpeg" />
</div>
<p>Mein wesentlicher Schluss aus diesem Seitenraum ist: Wenn ihr die
<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/alle-voglein-sind-schon-da.html">Vöglein singen hört</a>, bedenkt, dass sie einstmals T. Rex waren, oder
jedenfalls sowas ähnliches. Wenn aber die Dinosaurier weggekommen sind
vom Töten und Fressen durch überlegene Stärke und Größe, dann mag das
auch für unsere Spezies ein bisschen Hoffnung machen.</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="herrscher" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td><p class="first">Tatsächlich ist das Naturkundemuseum ein enfernter
Abkömmling der „Kunst- und Wunderkammer“ der Stuttgarter Autokraten,
was nicht nur an kuratorischen Grausamkeiten zu erkennen ist. Aber
auch. Hier ist das älteste Exponat der Ausstellung, ein Geweih eines
Eiszeithirschen; Die Obrigkeit hat es ersichtlich im Jahr 1600 ihren
Schätzen einverleibt:</p>
<div class="centerfig last figure">
<img alt="Ein Stück eines vergilbten Geweihs, über das in schwarzer Tinte groß „1600. FOSSILE“ gemalt ist." src="/media/2024/eiszeithirsch.jpeg" />
</div>
</td></tr>
</tbody>
</table>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="kruse" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id2">[2]</a></td><td>Womit ich mich erneut als glühender Fan der Max
Kruse-Edition des <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Urmel%20aus%20dem%20Eis">Urmel</a> geoutet habe. Und nein, der echte Direktor des
Stuttgarter Naturkundemuseums hat natürlich nichts mit Zwengelmann zu tun.</td></tr>
</tbody>
</table>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="lovecraft" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id3">[3]</a></td><td>Ich musste „Schwarzjura“ und „Posidonienschiefer“
einfach neben „Cthulhu“ platzieren. Sie passen, so finde ich, perfekt
in diesen Kontext, auch wenn sie ganz offizielle:w
Geologie sind.</td></tr>
</tbody>
</table>
Carl Württemberg und die unvollständige Revolution2024-02-12T19:00:00+01:002024-02-12T19:00:00+01:00Anselmtag:blog.tfiu.de,2024-02-12:/carl-wurttemberg-und-die-unvollstandige-revolution.html<div class="contents toc local topic" id="inhalt">
<ul class="simple">
<li><a class="reference internal" href="#was-nicht-bleiben-sollte" id="id2">Was nicht bleiben sollte</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#ach-so-die-webseite" id="id3">Ach so: Die Webseite</a></li>
</ul>
</div>
<p>Immer noch bin ich mit meinem <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/pages/museumspass.html">Museumspass</a> unterwegs, doch nicht immer
sind es die Gegenstände in den Ausstellungen, die die tiefsten Eindrücke
hinterlassen. So war das neulich auch im <a class="reference external" href="https://www.landesmuseum-stuttgart.de/">württembergischen
Landesmuseum</a> (vor dem Klicken ggf. einen Blick auf <a class="reference internal" href="#ach-so-die-webseite">ach so: die
Webseite</a> werfen) in Stuttgart. Vorausgeschickt: zwischen dem
ehemaligen Kuriositätenkabinett der Potentaten des Schwabenlandes und
allerlei keltischen Schätzen gibts da durchaus viel Beeindruckendes oder
zumindest, tja, Kurioses.</p>
<div class="section" id="was-nicht-bleiben-sollte">
<h2>Was nicht bleiben sollte</h2>
<p>Den erwähnten tiefsten Eindruck hinterließ jedoch die Wand neben dem
Ausgang. Dort ist nämlich eine dieser Mahntafeln zur Privatisierung
gesellschaftlicher Aufgaben<a class="footnote-reference" href="#steu" id="id1">[1]</a> angebracht, auf denen Menschen zur
Dankbarkeit für allerlei Personen und Firmen aufgerufen werden
(„Logos“):</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Auf einer braunen Wand angebrachte weiße Schilder mit diversen Logos unter der Überschrift „Exclusive Partners“ („Wüstenrot-Stiftung“, „Bosch“). Ganz vorne jedoch ein Wappen mit Krönchen und allem, darunter „Carl Herzog von Württemberg“." src="/media/2024/landesmuseum-sponsors.jpeg" />
</div>
<p>So traurig diese <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/genf-vs-die-dauerbeflimmerung.html">Beflimmerung</a> light schon im Allgemeinen ist: dass da
ein Nachkomme der alten <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_I._(W%C3%BCrttemberg)">Autokraten</a> und <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_(W%C3%BCrttemberg)#Aufstand_des_Armen_Konrad">Gewaltherrscher</a> sein
ultrakitschiges Herrschaftszeichen mit Krone und Spruchband („Furchtlos
und treu“ – hatten wir nicht schon mehr als genug Sprüche mit „Treue“
während der letzten hundert Jahre?) im öffentlichen Raum – und dann noch
ganz vorne – platzieren darf, das ist klar ein Symptom einer
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Novemberrevolution">Demokratisierung</a>, die allzu früh <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Spartakusaufstand#Verlauf">steckengeblieben ist</a>.</p>
<p>Nun will ich mich nicht beschweren, dass die bis dann herrschenden
Schurken 1918 ihre Köpfe behalten durften. Keine Frage, der <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_XVI.#Prozess_und_Hinrichtung">Umgang mit
Louis XVI im Jahr 1793</a> war selbstverständlich ein schlimmer Verstoß
gegen das <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/worse-is-manchmal-better.html">Prinzip RiwaFiw</a> („Radikalität ist wichtig, aber
Freundlichkeit ist wichtiger“).</p>
<p>Dass aber die ausgehenden FürstenInnen einen Gutteil der Dinge, die sie
sich mit Feuer und Schwert von ihren Untertanen geholt hatten, behalten
durften und ihnen das jetzt die Mittel gibt, Duftmarken und vermutlich
auch Agenden in unseren Museen zu setzen, das ist auch ein schlimmer
Verstoß gegen RiwaFiw. Die damaligen Gesetzgeber haben allzu
radikal am Prinzip von Eigentum festgehalten, statt sich an einer ganz
schlichten, intuitiven und freundlichen Ethik zu orientieren. Sagen wir:
„was du bekommst, indem du Menschen quälst, soll zumindest diesen
Menschen wieder nutzen, wenn dir die Gewaltmittel ausgehen, um deine
Ansprüche durchzusetzen“.</p>
<p>In Sachen Schaden und Spott tritt dazu die weitere Alimentierung der
Nachfahren der alten Obrigkeiten, so (vermutlich auch im
württembergischen Landesmuseum) durch den „Ankauf“ von Plunder, der
bereits 1918 hätte sozialisiert werden müssen.</p>
<p>Besonders auffällig war das im Zusammenhang mit Carl Württembergs
Spießgesellen aus dem anderen Landesteil, stark archaisierend „Haus
Baden“ genannt, das vor rund dreißig Jahren mit Teilen seines
Tafelsilbers versuchte, das Land zu erpressen. Einen kurzen Eindruck
der damaligen Debatten gibt ein <a class="reference external" href="https://archivalia.hypotheses.org/28769">Blogpost von 2006</a> zu diesem Thema, in
dem einige FAZ-Passagen illustrieren, weshalb das weitere Gebiet der
durchlauchtigen Besitztümer auch außerhalb des württembergischen
Landesmuseums für schlechte Laune sorgt; diese Geschichte geht übrigens
immer noch weiter, wie <a class="reference external" href="https://archivalia.hypotheses.org/22114">weitere</a> Beiträge <a class="reference external" href="https://archivalia.hypotheses.org/57950">auf dem Blog</a> aus dem
letzten Jahrzehnt belegen.</p>
</div>
<div class="section" id="ach-so-die-webseite">
<h2>Ach so: Die Webseite</h2>
<p>Ich kann diesesn Post nicht ohne einen scharfen Themenbruch beenden. Als
ich nämlich oben aufs württembergische Landesmuseum verlinkt habe, habe
ich selbstverständlich erstmal nachgesehen, was dort eigentlich steht
und sah: Nichts. Alles weiß. Dabei hat die Seite eine <a class="reference external" href="/c7y">Crapicity</a> von
gerade mal 6 (also: nur 5 Byte Digitalsoße auf 1 Byte lesbaren Text),
was für kommerziell produzierte Webseiten in der heutigen Zeit an sich
recht ordentlich ist.</p>
<p>Das hat mich milde neugierig gemacht, warum die Anzeige trotzdem so
vergurkt ist. Was soll ich sagen? Es ist etwas unbedachtes CSS, das
den Kram hier kaputt macht – eingestanden natürlich nur in Verbindung mit
der üblichen Javascriptitis, ohne die <a class="reference external" href="https://www.points.de">die Zuständigen</a> gleich selbst
gesehen hätten, dass was kaputt ist. Auf reinen Textbrowsern wie wie w3m
ist die Seite ordentlich nutzbar. <a class="reference external" href="https://www.dillo.org/">Dillo</a> mit seiner reduzierten
CSS-Interpretation liefert ebenfalls ein brauchbares Rendering.</p>
<p>Immerhin, die Museumsleute haben offenbar ein gewisses
Problembewusstsein im Hinblick darauf, dass die „großen“ Browser ihren
Inhalt weiß auf weiß darstellen. Auf der <a class="reference external" href="https://www.landesmuseum-stuttgart.de/erklaerung-zur-barrierefreiheit">Erklärung zur
Barrierefreiheit</a> des Museums heißt es nämlich:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Einige der Helligkeitskontraste sind zu klein und damit schlecht
wahrnehmbar.</blockquote>
<p>Das ist nicht falsch. Allerdings netto doch <em>einen Hauch</em>
euphemistisch:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Screenshot eines Browserfensters für www.landesmuseum-stuttgart.de: Alles ist weiß" src="/media/2024/landesmusem-weiss-auf-weiss.png" />
</div>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="steu" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>Nun, <em>eigentlich</em> sind das Mahnmale der unzureichenden
Besteuerung von Unternehmen und Reichen; denn offensichtlich haben die
Mäzene Geld, das sie genauso gut der Gesellschaft zur Verfügung stellen
(also als Steuer zahlen) könnten, mit dem sie sich jetzt aber privaten
Einfluss auf öffentliche Museen kaufen. Und immerhin: hatte mensch
sie ordentlich besteuert, könnten sie die Mussen nicht zwingen, ihre
(also: der Museen, nicht der Mäzene) BesucherInnen mit doofen Logos
und Wappen zu belästigen.</td></tr>
</tbody>
</table>
</div>
<div class="contents toc local topic" id="inhalt">
<ul class="simple">
<li><a class="reference internal" href="#was-nicht-bleiben-sollte" id="id2">Was nicht bleiben sollte</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#ach-so-die-webseite" id="id3">Ach so: Die Webseite</a></li>
</ul>
</div>
<p>Immer noch bin ich mit meinem <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/pages/museumspass.html">Museumspass</a> unterwegs, doch nicht immer
sind es die Gegenstände in den Ausstellungen, die die tiefsten Eindrücke
hinterlassen. So war das neulich auch im <a class="reference external" href="https://www.landesmuseum-stuttgart.de/">württembergischen
Landesmuseum</a> (vor dem Klicken ggf. einen Blick auf <a class="reference internal" href="#ach-so-die-webseite">ach so: die
Webseite</a> werfen) in Stuttgart. Vorausgeschickt: zwischen dem
ehemaligen Kuriositätenkabinett der Potentaten des Schwabenlandes und
allerlei keltischen Schätzen gibts da durchaus viel Beeindruckendes oder
zumindest, tja, Kurioses.</p>
<div class="section" id="was-nicht-bleiben-sollte">
<h2>Was nicht bleiben sollte</h2>
<p>Den erwähnten tiefsten Eindruck hinterließ jedoch die Wand neben dem
Ausgang. Dort ist nämlich eine dieser Mahntafeln zur Privatisierung
gesellschaftlicher Aufgaben<a class="footnote-reference" href="#steu" id="id1">[1]</a> angebracht, auf denen Menschen zur
Dankbarkeit für allerlei Personen und Firmen aufgerufen werden
(„Logos“):</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Auf einer braunen Wand angebrachte weiße Schilder mit diversen Logos unter der Überschrift „Exclusive Partners“ („Wüstenrot-Stiftung“, „Bosch“). Ganz vorne jedoch ein Wappen mit Krönchen und allem, darunter „Carl Herzog von Württemberg“." src="/media/2024/landesmuseum-sponsors.jpeg" />
</div>
<p>So traurig diese <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/genf-vs-die-dauerbeflimmerung.html">Beflimmerung</a> light schon im Allgemeinen ist: dass da
ein Nachkomme der alten <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_I._(W%C3%BCrttemberg)">Autokraten</a> und <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_(W%C3%BCrttemberg)#Aufstand_des_Armen_Konrad">Gewaltherrscher</a> sein
ultrakitschiges Herrschaftszeichen mit Krone und Spruchband („Furchtlos
und treu“ – hatten wir nicht schon mehr als genug Sprüche mit „Treue“
während der letzten hundert Jahre?) im öffentlichen Raum – und dann noch
ganz vorne – platzieren darf, das ist klar ein Symptom einer
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Novemberrevolution">Demokratisierung</a>, die allzu früh <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Spartakusaufstand#Verlauf">steckengeblieben ist</a>.</p>
<p>Nun will ich mich nicht beschweren, dass die bis dann herrschenden
Schurken 1918 ihre Köpfe behalten durften. Keine Frage, der <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_XVI.#Prozess_und_Hinrichtung">Umgang mit
Louis XVI im Jahr 1793</a> war selbstverständlich ein schlimmer Verstoß
gegen das <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/worse-is-manchmal-better.html">Prinzip RiwaFiw</a> („Radikalität ist wichtig, aber
Freundlichkeit ist wichtiger“).</p>
<p>Dass aber die ausgehenden FürstenInnen einen Gutteil der Dinge, die sie
sich mit Feuer und Schwert von ihren Untertanen geholt hatten, behalten
durften und ihnen das jetzt die Mittel gibt, Duftmarken und vermutlich
auch Agenden in unseren Museen zu setzen, das ist auch ein schlimmer
Verstoß gegen RiwaFiw. Die damaligen Gesetzgeber haben allzu
radikal am Prinzip von Eigentum festgehalten, statt sich an einer ganz
schlichten, intuitiven und freundlichen Ethik zu orientieren. Sagen wir:
„was du bekommst, indem du Menschen quälst, soll zumindest diesen
Menschen wieder nutzen, wenn dir die Gewaltmittel ausgehen, um deine
Ansprüche durchzusetzen“.</p>
<p>In Sachen Schaden und Spott tritt dazu die weitere Alimentierung der
Nachfahren der alten Obrigkeiten, so (vermutlich auch im
württembergischen Landesmuseum) durch den „Ankauf“ von Plunder, der
bereits 1918 hätte sozialisiert werden müssen.</p>
<p>Besonders auffällig war das im Zusammenhang mit Carl Württembergs
Spießgesellen aus dem anderen Landesteil, stark archaisierend „Haus
Baden“ genannt, das vor rund dreißig Jahren mit Teilen seines
Tafelsilbers versuchte, das Land zu erpressen. Einen kurzen Eindruck
der damaligen Debatten gibt ein <a class="reference external" href="https://archivalia.hypotheses.org/28769">Blogpost von 2006</a> zu diesem Thema, in
dem einige FAZ-Passagen illustrieren, weshalb das weitere Gebiet der
durchlauchtigen Besitztümer auch außerhalb des württembergischen
Landesmuseums für schlechte Laune sorgt; diese Geschichte geht übrigens
immer noch weiter, wie <a class="reference external" href="https://archivalia.hypotheses.org/22114">weitere</a> Beiträge <a class="reference external" href="https://archivalia.hypotheses.org/57950">auf dem Blog</a> aus dem
letzten Jahrzehnt belegen.</p>
</div>
<div class="section" id="ach-so-die-webseite">
<h2>Ach so: Die Webseite</h2>
<p>Ich kann diesesn Post nicht ohne einen scharfen Themenbruch beenden. Als
ich nämlich oben aufs württembergische Landesmuseum verlinkt habe, habe
ich selbstverständlich erstmal nachgesehen, was dort eigentlich steht
und sah: Nichts. Alles weiß. Dabei hat die Seite eine <a class="reference external" href="/c7y">Crapicity</a> von
gerade mal 6 (also: nur 5 Byte Digitalsoße auf 1 Byte lesbaren Text),
was für kommerziell produzierte Webseiten in der heutigen Zeit an sich
recht ordentlich ist.</p>
<p>Das hat mich milde neugierig gemacht, warum die Anzeige trotzdem so
vergurkt ist. Was soll ich sagen? Es ist etwas unbedachtes CSS, das
den Kram hier kaputt macht – eingestanden natürlich nur in Verbindung mit
der üblichen Javascriptitis, ohne die <a class="reference external" href="https://www.points.de">die Zuständigen</a> gleich selbst
gesehen hätten, dass was kaputt ist. Auf reinen Textbrowsern wie wie w3m
ist die Seite ordentlich nutzbar. <a class="reference external" href="https://www.dillo.org/">Dillo</a> mit seiner reduzierten
CSS-Interpretation liefert ebenfalls ein brauchbares Rendering.</p>
<p>Immerhin, die Museumsleute haben offenbar ein gewisses
Problembewusstsein im Hinblick darauf, dass die „großen“ Browser ihren
Inhalt weiß auf weiß darstellen. Auf der <a class="reference external" href="https://www.landesmuseum-stuttgart.de/erklaerung-zur-barrierefreiheit">Erklärung zur
Barrierefreiheit</a> des Museums heißt es nämlich:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Einige der Helligkeitskontraste sind zu klein und damit schlecht
wahrnehmbar.</blockquote>
<p>Das ist nicht falsch. Allerdings netto doch <em>einen Hauch</em>
euphemistisch:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Screenshot eines Browserfensters für www.landesmuseum-stuttgart.de: Alles ist weiß" src="/media/2024/landesmusem-weiss-auf-weiss.png" />
</div>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="steu" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>Nun, <em>eigentlich</em> sind das Mahnmale der unzureichenden
Besteuerung von Unternehmen und Reichen; denn offensichtlich haben die
Mäzene Geld, das sie genauso gut der Gesellschaft zur Verfügung stellen
(also als Steuer zahlen) könnten, mit dem sie sich jetzt aber privaten
Einfluss auf öffentliche Museen kaufen. Und immerhin: hatte mensch
sie ordentlich besteuert, könnten sie die Mussen nicht zwingen, ihre
(also: der Museen, nicht der Mäzene) BesucherInnen mit doofen Logos
und Wappen zu belästigen.</td></tr>
</tbody>
</table>
</div>
Ach Bahn, Teil 16: Rekursion in der Praxis2024-02-04T06:00:00+01:002024-02-04T06:00:00+01:00Anselmtag:blog.tfiu.de,2024-02-04:/ach-bahn-teil-16-rekursion-in-der-praxis.html<div class="centerfig figure">
<img alt="Ein Ausschnitt aus dem Stichwortverzeichnis eines englischsprachigen Buches, Seite 269. Unter dem Stichwort „recursion“ findet sich die Seite 269." src="/media/2024/rekursiver-index.png" />
</div>
<p>14.83% aller Nerd-Witze drehen sich um <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Rekursion">Rekursion</a>. Der im Bild oben
kommt von den Großmeistern Brian Kernigan und Dennis Ritchie, die eine
knappe Erklärung von Rekursion im Stichvortverzeichnis des Klassikers
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/The_C_Programming_Language">The C Programming Language</a> (2. Auflage) untergebracht haben.</p>
<p>Bei etwas, das Verwunderung und Verwirrung stiften kann, will die Bahn
natürlich nicht Beiseite stehen. Vor ein paar Tagen hatte ich mich ja
<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-14-hallodummy-abc-dummy.html#addition-1">schlecht gelaunt gezeigt</a> darüber, dass die armen Seelen, die die
Bahn-Kontaktmail betreuen müssen, statt auf die Anliegen einzugehen,
auch nach anderthalb Monaten lediglich grob im Bedeutungsfeld liegende
Textbausteine zusammenklicken.</p>
<p>Die Bahn hat, praktisch in Rekordzeit, mit dem hier geantwortet:</p>
<blockquote class="pull-quote">
-webkit-box-shadow: 0px 4px 8px #828282; /*webkit browser
*/-moz-box-shadow: 0px 4px 8px #828282; /*firefox */box-shadow: 0px
4px […die gewohnten gut 2kB CSS…]
berschrift7-H{font-family:Arial;color:#000000;font-size:10pt;}
.NormaleTabelle-C{vertical-align:top;} Ihre Nachricht vom: 29. Januar
2024Unser Zeichen: 1-17XXXXXXXXXX Hallo Herr [immerhin richtiger
Name], vielen Dank für Ihre E-Mail.Sie bemängeln, dass wir in unserem
Antwortschreiben nicht individuell auf Ihr Anliegen eingehen, sondern
dieses mit Textbausteinen beantworten. Bitte sehen Sie dies nicht als
Herabsetzung Ihrer Person. Die Deutsche Bahn befördert pro Tag ca. 4
Millionen Reisende und es erreichen den Kundendialog pro Woche eine
Vielzahl von Anfragen, Anregungen und Kritik zu den verschiedensten
Themen. Vor diesem Hintergrund bitten wir um Verständnis, dass wir -
wie es bei jedem Großunternehmen üblich ist - auf Textbausteine
zurückgreifen, um Verzögerungen bei der Beantwortung zu
vermeiden. Ihre Kritik haben wir zur Information den verantwortlichen
Fachbereichen zur internen Auswertung zur Verfügung gestellt. Mit
freundlichen Grüßen Ihr Kundendialog DB Fernverkehr AG Ihre Meinung
ist uns wichtig. Bitte bewerten Sie Ihren heutigen Kontakt zu unserem
Service. Wir freuen uns über Ihre Teilnahme an unserer
Kundenzufriedenheitsbefragung.P.S.: Für Ihre Anregungen, Lob und
Kritik sind wir jederzeit gern unter 030 2970 für Sie da. Sie
erreichen uns rund um die Uhr mit dem Stichwort Kundendialog im
Hauptmenü.</blockquote>
<p>Wenn ich mich jetzt <em>wieder</em> über Textbausteine beklagen würde, müssten –
Nerd humour alert – wir hoffen, dass wir beide <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Endrekursion">Tail Call Elimination</a>
vornehmen. Wie ein Stack-Überlauf in der wirklichen Welt aussieht, will
ich ja lieber nicht sehen.</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Ein Ausschnitt aus dem Stichwortverzeichnis eines englischsprachigen Buches, Seite 269. Unter dem Stichwort „recursion“ findet sich die Seite 269." src="/media/2024/rekursiver-index.png" />
</div>
<p>14.83% aller Nerd-Witze drehen sich um <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Rekursion">Rekursion</a>. Der im Bild oben
kommt von den Großmeistern Brian Kernigan und Dennis Ritchie, die eine
knappe Erklärung von Rekursion im Stichvortverzeichnis des Klassikers
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/The_C_Programming_Language">The C Programming Language</a> (2. Auflage) untergebracht haben.</p>
<p>Bei etwas, das Verwunderung und Verwirrung stiften kann, will die Bahn
natürlich nicht Beiseite stehen. Vor ein paar Tagen hatte ich mich ja
<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-14-hallodummy-abc-dummy.html#addition-1">schlecht gelaunt gezeigt</a> darüber, dass die armen Seelen, die die
Bahn-Kontaktmail betreuen müssen, statt auf die Anliegen einzugehen,
auch nach anderthalb Monaten lediglich grob im Bedeutungsfeld liegende
Textbausteine zusammenklicken.</p>
<p>Die Bahn hat, praktisch in Rekordzeit, mit dem hier geantwortet:</p>
<blockquote class="pull-quote">
-webkit-box-shadow: 0px 4px 8px #828282; /*webkit browser
*/-moz-box-shadow: 0px 4px 8px #828282; /*firefox */box-shadow: 0px
4px […die gewohnten gut 2kB CSS…]
berschrift7-H{font-family:Arial;color:#000000;font-size:10pt;}
.NormaleTabelle-C{vertical-align:top;} Ihre Nachricht vom: 29. Januar
2024Unser Zeichen: 1-17XXXXXXXXXX Hallo Herr [immerhin richtiger
Name], vielen Dank für Ihre E-Mail.Sie bemängeln, dass wir in unserem
Antwortschreiben nicht individuell auf Ihr Anliegen eingehen, sondern
dieses mit Textbausteinen beantworten. Bitte sehen Sie dies nicht als
Herabsetzung Ihrer Person. Die Deutsche Bahn befördert pro Tag ca. 4
Millionen Reisende und es erreichen den Kundendialog pro Woche eine
Vielzahl von Anfragen, Anregungen und Kritik zu den verschiedensten
Themen. Vor diesem Hintergrund bitten wir um Verständnis, dass wir -
wie es bei jedem Großunternehmen üblich ist - auf Textbausteine
zurückgreifen, um Verzögerungen bei der Beantwortung zu
vermeiden. Ihre Kritik haben wir zur Information den verantwortlichen
Fachbereichen zur internen Auswertung zur Verfügung gestellt. Mit
freundlichen Grüßen Ihr Kundendialog DB Fernverkehr AG Ihre Meinung
ist uns wichtig. Bitte bewerten Sie Ihren heutigen Kontakt zu unserem
Service. Wir freuen uns über Ihre Teilnahme an unserer
Kundenzufriedenheitsbefragung.P.S.: Für Ihre Anregungen, Lob und
Kritik sind wir jederzeit gern unter 030 2970 für Sie da. Sie
erreichen uns rund um die Uhr mit dem Stichwort Kundendialog im
Hauptmenü.</blockquote>
<p>Wenn ich mich jetzt <em>wieder</em> über Textbausteine beklagen würde, müssten –
Nerd humour alert – wir hoffen, dass wir beide <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Endrekursion">Tail Call Elimination</a>
vornehmen. Wie ein Stack-Überlauf in der wirklichen Welt aussieht, will
ich ja lieber nicht sehen.</p>
Ach, Bahn, Teil 15: Privatsphäre ist teuer2024-01-30T20:00:00+01:002024-01-30T20:00:00+01:00Anselmtag:blog.tfiu.de,2024-01-30:/ach-bahn-teil-15-privatsphare-ist-teuer.html<div class="contents toc local topic" id="inhalt">
<ul class="simple">
<li><a class="reference internal" href="#update-definiere-digitalisierung" id="id2">Update: Definiere Digitalisierung</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#echter-fortschritt-fahrscheinloses-reisen" id="id3">Echter Fortschritt: fahrscheinloses Reisen</a></li>
</ul>
</div>
<p>Dass „Digitalisierung“ <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/tag/antisprache.html">Antisprache</a> ist, also etwas, das mit
ordentlicher Sprache zusammen zu Quatsch zerstrahlt, habe ich <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/antisprache-digitalisierung.html">schon vor
geraumer Zeit</a> behauptet. Ein schöner Beleg dazu war neulich im
Bahn-Reisezentrum in Hamburg-Altona zu bewundern:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Ein Plakataufsteller auf einem gefliesten Boden: „Jetzt wird's digital! Für die Buchung Ihres Digitalen Tickets benötigen wir Ihren Vor- und Zunamen sowie Ihre E-Mail-Adresse“." src="/media/2024/bahn-digital.jpeg" />
</div>
<p>Die Bahn verlangt jetzt also Name und gar noch eine Mail-Adresse von
Menschen, die vergünstigte Tickets kaufen wollen. Was mit Menschen
passiert, die keine Mailadresse haben: Wer weiß?</p>
<p>So oder so ist das ein ziemlich dreister Übergriff auf die Privatsphäre
der weniger betuchten KundInnen der Bahn. Es macht den Buchungsprozess
komplizierter und hat für die Betroffenen ganz offensichtlich nicht den
Hauch eines Vorteils. Die Bahn will hier vermutlich irgendwelche
windigen Geschäfte mit ihren fiesen Spezialtickets<a class="footnote-reference" href="#fies" id="id1">[1]</a> verhindern
(oder was könnten sie sonst für einen Grund für diese Masche haben?),
will aber aus nicht ganz einsichtigen Gründen nicht zugeben, dass sie
damit allen das Leben schwer macht.</p>
<p>Stattdessen versucht die Bahn, das Offensichtliche durch Antisprache
wegzuquatschen: „Optimal weil digital“. Was für ein platter Versuch,
die KundInnen für dumm zu verkaufen. Zum Fremdschämen. Wer, frage ich
mich, soll auf diese Fadenscheinigkeit hereinfallen?</p>
<div class="section" id="update-definiere-digitalisierung">
<h2>Update: Definiere Digitalisierung</h2>
<p>Aber es gibt nichts, das nicht auch Vorteile hätte: Ich habe einen
Neuzugang in meiner Hitliste „Definiere Digitalisierung“, die ich vor einem
guten Jahr <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-11-wenn-geschenke-schlechte-laune-machen.html">angefangen habe</a>. Der aktuelle Stand:</p>
<ol class="arabic simple">
<li>Digitalisierung ist, wenn alles außer Werbung und Ausforschung kaputt
ist.</li>
<li>Digitalisierung ist, wenn du deinen Namen und deine Mailadresse
abgeben musst.</li>
<li>Digitalisierung ist, wenn du es aus- und wiedereinschalten musst.</li>
<li>Digitalisierung ist, wenn Menschen, die keinen Bock drauf haben,
Computer verwenden müssen.</li>
</ol>
</div>
<div class="section" id="echter-fortschritt-fahrscheinloses-reisen">
<h2>Echter Fortschritt: fahrscheinloses Reisen</h2>
<p>Ach ja… Es gehört ja vielleicht nicht direkt hierher, aber weil die Bahn
schon mal derart ehrlich vorlegt: Wenn „papierloses Reisen“ ein so
großer Wert ist, dass er die Aufgabe von Privatsphäre rechtfertigt… Ja,
wie ist das dann mit „Reisen ohne die fetten Geräte unter der Verwaltung
von Google bzw. Apple“? Wäre nicht noch viel besser: „fahrscheinloses
Reisen“?</p>
<p>Jaja, das mag vielleicht jetzt gerade etwas radikal klingen, aber das
galt bis vor ein paar Jahren auch für fahrscheinlosen Nahverkehr.
Inzwischen aber ist das kein großer Aufreger mehr. Neulich zum Beispiel
bin ich in Tucson eine ganze Woche lang ohne Ticket durch die Sonne von
Arizona getuckert:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Text in einer Art Wolkenform auf Betonboden: „Fares are currently free / suntran.com“ und das nochmal in Spanisch." src="/media/2024/tucson-fahrscheinlos.jpeg" />
</div>
<p>Ja, klar, da steht noch „currently“, und vielleicht wickeln sie ihr
Umsonst-Fahrprogramm ja nochmal ab. Aber erstens geht es eben doch,
zweitens wäre sowas ein rundrum viel besseres „Produkterlebnis” (<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-14-hallodummy-abc-dummy.html#addition-1">oh
Mann!</a>), und drittens eine geeignetere Maßnahme gegen
Ticket-Schwarzhandel als Übergriffe auf die Daten der KundInnen.</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="fies" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>Fies, weil die Tickets mit Zugbindung bewirken, dass arme
Leute in den Randstunden fahren müssen, während die Reichen fahren
dürfen, wann sie wollen. Auch hier war der <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/vom-verlust-des-schlanken-effizienten-beamtenapparats.html">schlanke, effiziente
Beamtenapparat</a> von früher deutlich besser: Es gab einen
Einheitspreis (von Bonzenschleudern wie dem Rheingold mal abgesehen).
Das war übrigens nicht nur gerechter, es hat auch von vorneherein den
Ticket-Schwarzhandel verhindert, den die Bahn hier vermutlich
auf dem Rücken der ärmeren KundInnen bekämpfen will.</td></tr>
</tbody>
</table>
</div>
<div class="contents toc local topic" id="inhalt">
<ul class="simple">
<li><a class="reference internal" href="#update-definiere-digitalisierung" id="id2">Update: Definiere Digitalisierung</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#echter-fortschritt-fahrscheinloses-reisen" id="id3">Echter Fortschritt: fahrscheinloses Reisen</a></li>
</ul>
</div>
<p>Dass „Digitalisierung“ <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/tag/antisprache.html">Antisprache</a> ist, also etwas, das mit
ordentlicher Sprache zusammen zu Quatsch zerstrahlt, habe ich <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/antisprache-digitalisierung.html">schon vor
geraumer Zeit</a> behauptet. Ein schöner Beleg dazu war neulich im
Bahn-Reisezentrum in Hamburg-Altona zu bewundern:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Ein Plakataufsteller auf einem gefliesten Boden: „Jetzt wird's digital! Für die Buchung Ihres Digitalen Tickets benötigen wir Ihren Vor- und Zunamen sowie Ihre E-Mail-Adresse“." src="/media/2024/bahn-digital.jpeg" />
</div>
<p>Die Bahn verlangt jetzt also Name und gar noch eine Mail-Adresse von
Menschen, die vergünstigte Tickets kaufen wollen. Was mit Menschen
passiert, die keine Mailadresse haben: Wer weiß?</p>
<p>So oder so ist das ein ziemlich dreister Übergriff auf die Privatsphäre
der weniger betuchten KundInnen der Bahn. Es macht den Buchungsprozess
komplizierter und hat für die Betroffenen ganz offensichtlich nicht den
Hauch eines Vorteils. Die Bahn will hier vermutlich irgendwelche
windigen Geschäfte mit ihren fiesen Spezialtickets<a class="footnote-reference" href="#fies" id="id1">[1]</a> verhindern
(oder was könnten sie sonst für einen Grund für diese Masche haben?),
will aber aus nicht ganz einsichtigen Gründen nicht zugeben, dass sie
damit allen das Leben schwer macht.</p>
<p>Stattdessen versucht die Bahn, das Offensichtliche durch Antisprache
wegzuquatschen: „Optimal weil digital“. Was für ein platter Versuch,
die KundInnen für dumm zu verkaufen. Zum Fremdschämen. Wer, frage ich
mich, soll auf diese Fadenscheinigkeit hereinfallen?</p>
<div class="section" id="update-definiere-digitalisierung">
<h2>Update: Definiere Digitalisierung</h2>
<p>Aber es gibt nichts, das nicht auch Vorteile hätte: Ich habe einen
Neuzugang in meiner Hitliste „Definiere Digitalisierung“, die ich vor einem
guten Jahr <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-11-wenn-geschenke-schlechte-laune-machen.html">angefangen habe</a>. Der aktuelle Stand:</p>
<ol class="arabic simple">
<li>Digitalisierung ist, wenn alles außer Werbung und Ausforschung kaputt
ist.</li>
<li>Digitalisierung ist, wenn du deinen Namen und deine Mailadresse
abgeben musst.</li>
<li>Digitalisierung ist, wenn du es aus- und wiedereinschalten musst.</li>
<li>Digitalisierung ist, wenn Menschen, die keinen Bock drauf haben,
Computer verwenden müssen.</li>
</ol>
</div>
<div class="section" id="echter-fortschritt-fahrscheinloses-reisen">
<h2>Echter Fortschritt: fahrscheinloses Reisen</h2>
<p>Ach ja… Es gehört ja vielleicht nicht direkt hierher, aber weil die Bahn
schon mal derart ehrlich vorlegt: Wenn „papierloses Reisen“ ein so
großer Wert ist, dass er die Aufgabe von Privatsphäre rechtfertigt… Ja,
wie ist das dann mit „Reisen ohne die fetten Geräte unter der Verwaltung
von Google bzw. Apple“? Wäre nicht noch viel besser: „fahrscheinloses
Reisen“?</p>
<p>Jaja, das mag vielleicht jetzt gerade etwas radikal klingen, aber das
galt bis vor ein paar Jahren auch für fahrscheinlosen Nahverkehr.
Inzwischen aber ist das kein großer Aufreger mehr. Neulich zum Beispiel
bin ich in Tucson eine ganze Woche lang ohne Ticket durch die Sonne von
Arizona getuckert:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Text in einer Art Wolkenform auf Betonboden: „Fares are currently free / suntran.com“ und das nochmal in Spanisch." src="/media/2024/tucson-fahrscheinlos.jpeg" />
</div>
<p>Ja, klar, da steht noch „currently“, und vielleicht wickeln sie ihr
Umsonst-Fahrprogramm ja nochmal ab. Aber erstens geht es eben doch,
zweitens wäre sowas ein rundrum viel besseres „Produkterlebnis” (<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-14-hallodummy-abc-dummy.html#addition-1">oh
Mann!</a>), und drittens eine geeignetere Maßnahme gegen
Ticket-Schwarzhandel als Übergriffe auf die Daten der KundInnen.</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="fies" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>Fies, weil die Tickets mit Zugbindung bewirken, dass arme
Leute in den Randstunden fahren müssen, während die Reichen fahren
dürfen, wann sie wollen. Auch hier war der <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/vom-verlust-des-schlanken-effizienten-beamtenapparats.html">schlanke, effiziente
Beamtenapparat</a> von früher deutlich besser: Es gab einen
Einheitspreis (von Bonzenschleudern wie dem Rheingold mal abgesehen).
Das war übrigens nicht nur gerechter, es hat auch von vorneherein den
Ticket-Schwarzhandel verhindert, den die Bahn hier vermutlich
auf dem Rücken der ärmeren KundInnen bekämpfen will.</td></tr>
</tbody>
</table>
</div>
Feiertage in remind: Jetzt Bundesweit2024-01-28T06:00:00+01:002024-01-28T06:00:00+01:00Anselmtag:blog.tfiu.de,2024-01-28:/feiertage-in-remind-jetzt-bundesweit.html<div class="centerfig figure">
<img alt="Vor einem bunten Schaufenster steht eine bunte Jesusfigur auf einem kleinen, leintuchumhüllten Podest, darunter ganz viel Grünstreu und Blumen." src="/media/2024/2014-fronleichnam-wallduern.jpeg" />
<p class="caption">Vielleicht braucht ein Post zu Feiertagsdaten nicht unbedingt eine
Illustration. Aber wo sollte ich diese Konkurrenz zwischen
Fronleichnamskult (2014 in Walldürn) und moderner Schaufensterdeko
sonst unterbringen?</p>
</div>
<p>In meinem <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/feiertage-in-baden-wurttemberg-fur-die-terminverwaltung-remind.html">Post zu Feiertagen in remind</a> habe ich gesagt:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Mit wenig Mühe sollte das auf die Verhältnisse in anderen
Bundesländern anzupassen sein. Wer das tut, darf die Ergebnisse gerne
hierherschicken. Als großer Freund des Feiertags an und für sich würde
ich hier sehr gerne ein Repositorium von Feiertagsdateien pflegen.</blockquote>
<p>Nun, tatsächlich lohnt es sich eigentlich gar nicht, so etwas
crowdzusourcen, denn es gibt eine recht nützliche Übersicht über die
Feiertage in den <a class="reference external" href="https://wwwadd.zah.uni-heidelberg.de/kalender/index.php.de">Astronomischen Grundlagen für den Kalender</a>, und das
wiederum ist schnell in Python übersetzt (will sagen: Fehler sind
meine). Das Ergebnis: <a class="reference external" href="https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage">remind-feiertage</a>.</p>
<p>Das ist ein Python-Skript, das ohne weitere Abhängigkeit läuft und einen
oder mehrere Bundesland-Kürzel nimmt:</p>
<pre class="literal-block">
$ python remind-feiertage.py
Usage: remind-feiertage.py land {land}.
Gibt remind-Feiertagsdateien für deutsche Länder aus.
Länderkürzel: BW BY BE BB HB HH HE MV NDS NRW RLP SH TH.
Erklärung: SL=Saarland, SN=Sachsen, SA=Sachsen-Anhalt)
</pre>
<p>Übergibt mensch alle Kürzel, kommen auch alle Feiertagsdateien raus.
Ihr könnt also auch einfach die Daten für euer Bundesland von hier
cutten und pasten:</p>
<pre class="literal-block">
$ python remind-feiertage.py BW BY BE BB HB HH HE MV NDS NRW RLP SA SH SL SN TH
============= BB =============
# Feiertage in BB
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= BE =============
# Feiertage in BE
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM Mar 8 MSG Frauentag
============= BW =============
# Feiertage in BW
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM Jan 6 MSG Epiphanias
REM [ostern+60] MSG Fronleichnam
REM Nov 1 MSG Allerheiligen
============= BY =============
# Feiertage in BY
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM Jan 6 MSG Epiphanias
REM [ostern+60] MSG Fronleichnam
REM Aug 15 MSG M. Himmelfahrt
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= HB =============
# Feiertage in HB
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= HE =============
# Feiertage in HE
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM [ostern+60] MSG Fronleichnam
============= HH =============
# Feiertage in HH
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= MV =============
# Feiertage in MV
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM Mar 8 MSG Frauentag
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= NDS =============
# Feiertage in NDS
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= NRW =============
# Feiertage in NRW
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM [ostern+60] MSG Fronleichnam
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= RLP =============
# Feiertage in RLP
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM [ostern+60] MSG Fronleichnam
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= SA =============
# Feiertage in SA
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM Jan 6 MSG Epiphanias
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= SH =============
# Feiertage in SH
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= SL =============
# Feiertage in SL
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM [ostern+60] MSG Fronleichnam
REM Aug 15 MSG M. Himmelfahrt
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= SN =============
# Feiertage in SN
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM [ostern+60] MSG Fronleichnam
REM Oct 31 MSG Reformationstag
REM Wednesday Nov 16 MSG Buß+Bettag
============= TH =============
# Feiertage in TH
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM [ostern+60] MSG Fronleichnam
REM Sep 20 MSG Weltkindertag
REM Oct 31 MSG Reformationstag
</pre>
<p>Hinweise, wie das mit remind verwendbar ist, findet ihr im
<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/feiertage-in-baden-wurttemberg-fur-die-terminverwaltung-remind.html">Baden-Württemberg-Post</a>.</p>
<p>Lasst mich zur Klarheit und auch als mein äußerstes Zugeständnis an
Search Engine Optimisation gerade noch die Bundesland-Kürzel
ausschreiben:</p>
<table class="docutils field-list" frame="void" rules="none">
<col class="field-name" />
<col class="field-body" />
<tbody valign="top">
<tr class="field"><th class="field-name">BW:</th><td class="field-body">Baden-Württemberg</td>
</tr>
<tr class="field"><th class="field-name">BY:</th><td class="field-body">Bayern</td>
</tr>
<tr class="field"><th class="field-name">BE:</th><td class="field-body">Berlin</td>
</tr>
<tr class="field"><th class="field-name">BB:</th><td class="field-body">Brandenburg</td>
</tr>
<tr class="field"><th class="field-name">HB:</th><td class="field-body">Bremen</td>
</tr>
<tr class="field"><th class="field-name">HH:</th><td class="field-body">Hamburg</td>
</tr>
<tr class="field"><th class="field-name">HE:</th><td class="field-body">Hessen</td>
</tr>
<tr class="field"><th class="field-name">MV:</th><td class="field-body">Mecklenburg-Vorpommern</td>
</tr>
<tr class="field"><th class="field-name">NDS:</th><td class="field-body">Niedersachsen</td>
</tr>
<tr class="field"><th class="field-name">NRW:</th><td class="field-body">Nordrhein-Westfalen</td>
</tr>
<tr class="field"><th class="field-name">RLP:</th><td class="field-body">Rheinland-Pfalz</td>
</tr>
<tr class="field"><th class="field-name">SA:</th><td class="field-body">Sachsen-Anhalt</td>
</tr>
<tr class="field"><th class="field-name">SH:</th><td class="field-body">Schleswig-Holstein</td>
</tr>
<tr class="field"><th class="field-name">SL:</th><td class="field-body">Saarland</td>
</tr>
<tr class="field"><th class="field-name">SN:</th><td class="field-body">Sachsen</td>
</tr>
<tr class="field"><th class="field-name">TH:</th><td class="field-body">Thüringen</td>
</tr>
</tbody>
</table>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Vor einem bunten Schaufenster steht eine bunte Jesusfigur auf einem kleinen, leintuchumhüllten Podest, darunter ganz viel Grünstreu und Blumen." src="/media/2024/2014-fronleichnam-wallduern.jpeg" />
<p class="caption">Vielleicht braucht ein Post zu Feiertagsdaten nicht unbedingt eine
Illustration. Aber wo sollte ich diese Konkurrenz zwischen
Fronleichnamskult (2014 in Walldürn) und moderner Schaufensterdeko
sonst unterbringen?</p>
</div>
<p>In meinem <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/feiertage-in-baden-wurttemberg-fur-die-terminverwaltung-remind.html">Post zu Feiertagen in remind</a> habe ich gesagt:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Mit wenig Mühe sollte das auf die Verhältnisse in anderen
Bundesländern anzupassen sein. Wer das tut, darf die Ergebnisse gerne
hierherschicken. Als großer Freund des Feiertags an und für sich würde
ich hier sehr gerne ein Repositorium von Feiertagsdateien pflegen.</blockquote>
<p>Nun, tatsächlich lohnt es sich eigentlich gar nicht, so etwas
crowdzusourcen, denn es gibt eine recht nützliche Übersicht über die
Feiertage in den <a class="reference external" href="https://wwwadd.zah.uni-heidelberg.de/kalender/index.php.de">Astronomischen Grundlagen für den Kalender</a>, und das
wiederum ist schnell in Python übersetzt (will sagen: Fehler sind
meine). Das Ergebnis: <a class="reference external" href="https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage">remind-feiertage</a>.</p>
<p>Das ist ein Python-Skript, das ohne weitere Abhängigkeit läuft und einen
oder mehrere Bundesland-Kürzel nimmt:</p>
<pre class="literal-block">
$ python remind-feiertage.py
Usage: remind-feiertage.py land {land}.
Gibt remind-Feiertagsdateien für deutsche Länder aus.
Länderkürzel: BW BY BE BB HB HH HE MV NDS NRW RLP SH TH.
Erklärung: SL=Saarland, SN=Sachsen, SA=Sachsen-Anhalt)
</pre>
<p>Übergibt mensch alle Kürzel, kommen auch alle Feiertagsdateien raus.
Ihr könnt also auch einfach die Daten für euer Bundesland von hier
cutten und pasten:</p>
<pre class="literal-block">
$ python remind-feiertage.py BW BY BE BB HB HH HE MV NDS NRW RLP SA SH SL SN TH
============= BB =============
# Feiertage in BB
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= BE =============
# Feiertage in BE
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM Mar 8 MSG Frauentag
============= BW =============
# Feiertage in BW
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM Jan 6 MSG Epiphanias
REM [ostern+60] MSG Fronleichnam
REM Nov 1 MSG Allerheiligen
============= BY =============
# Feiertage in BY
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM Jan 6 MSG Epiphanias
REM [ostern+60] MSG Fronleichnam
REM Aug 15 MSG M. Himmelfahrt
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= HB =============
# Feiertage in HB
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= HE =============
# Feiertage in HE
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM [ostern+60] MSG Fronleichnam
============= HH =============
# Feiertage in HH
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= MV =============
# Feiertage in MV
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM Mar 8 MSG Frauentag
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= NDS =============
# Feiertage in NDS
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= NRW =============
# Feiertage in NRW
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM [ostern+60] MSG Fronleichnam
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= RLP =============
# Feiertage in RLP
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM [ostern+60] MSG Fronleichnam
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= SA =============
# Feiertage in SA
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM Jan 6 MSG Epiphanias
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= SH =============
# Feiertage in SH
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= SL =============
# Feiertage in SL
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM [ostern+60] MSG Fronleichnam
REM Aug 15 MSG M. Himmelfahrt
REM Oct 31 MSG Reformationstag
============= SN =============
# Feiertage in SN
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM [ostern+60] MSG Fronleichnam
REM Oct 31 MSG Reformationstag
REM Wednesday Nov 16 MSG Buß+Bettag
============= TH =============
# Feiertage in TH
# CC0; siehe auch https://codeberg.org/AnselmF/remind-feiertage
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM [ostern-2] MSG Karfreitag
REM [ostern+1] MSG Ostermontag
REM May 1 MSG Maifeiertag
REM [ostern+39] MSG Himmelfahrt
REM [ostern+50] MSG Pfingstmontag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM [ostern+60] MSG Fronleichnam
REM Sep 20 MSG Weltkindertag
REM Oct 31 MSG Reformationstag
</pre>
<p>Hinweise, wie das mit remind verwendbar ist, findet ihr im
<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/feiertage-in-baden-wurttemberg-fur-die-terminverwaltung-remind.html">Baden-Württemberg-Post</a>.</p>
<p>Lasst mich zur Klarheit und auch als mein äußerstes Zugeständnis an
Search Engine Optimisation gerade noch die Bundesland-Kürzel
ausschreiben:</p>
<table class="docutils field-list" frame="void" rules="none">
<col class="field-name" />
<col class="field-body" />
<tbody valign="top">
<tr class="field"><th class="field-name">BW:</th><td class="field-body">Baden-Württemberg</td>
</tr>
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</tr>
<tr class="field"><th class="field-name">TH:</th><td class="field-body">Thüringen</td>
</tr>
</tbody>
</table>
Von der größten Demo in Heidelberg seit Jahrzehnten und der autoritären Versuchung2024-01-21T16:00:00+01:002024-01-21T16:00:00+01:00Anselmtag:blog.tfiu.de,2024-01-21:/von-der-grossten-demo-in-heidelberg-in-jahrzehnten-und-der-autoritaren-versuchung.html<div class="contents toc local topic" id="inhalt">
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</div>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Jemand hält eine mit Edding handbeschriebene Pappe for dem Körper: „Wer von der AfD redet, darf von Kretschamann nicht schweigen/Abschiebestopp jetzt!“" src="/media/2024/abschiebestopp-jetzt.jpeg" />
<p class="caption">Bei der größten Demo in Heidelberg seit Menschengedenken wollte ich
mit „Abschiebestopp jetzt!“ daran erinnern, dass wir ja bereits ein
großes Deportationsprogramm am Laufen haben. Auch ein grüner
Ministerpräsidente lässt zum Beispiel über Baden-Baden Roma ins Kosovo
deportieren (<a class="reference external" href="https://tacker.fr/node/4548">wogegen sich dann und wann Protest regt</a>; siehe auch
<a class="reference external" href="https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP14/Drucksachen/5000/14_5335_D.pdf">Grüne Positionen in der Opposition</a>).</p>
</div>
<p>Eigentlich meide ich Demonstrationen, die sich recht offen an die Seite
aktueller oder historischer Obrigkeiten stellen. Das gilt um so mehr,
wenn die fragliche Obrigkeit praktisch gleichzeitig zu den Demos <a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/bundestag-beschliesst-neue-abschieberegelungen-114.html">de
facto faschistoide Gesetze</a> (<a class="reference external" href="https://www.grundrechtekomitee.de/details/nein-zum-heute-im-bundestag-verhandelten-rueckfuehrungsverbesserungsgesetz-fuer-die-verteidigung-der-freien-offenen-und-demokratischen-gesellschaft">das Grundrechtekomitee dazu</a>)
verabschiedet. Allzu schnell kommt mensch dabei in die Grauzone zur
Huldigung oder gar zum Aufmarsch.</p>
<p>Gestern aber habe ich trotz dieser Bauchschmerzen an der wirklich
beeindruckend großen <a class="reference external" href="http://sofo-hd.de/event/1705481039">Anti-AfD-Demo in Heidelberg</a> teilgenommen.
Solange es glaubhaft <em>auch</em> gegen „Remigration“ – besser bekannt unter
dem konventionellen Namen Abschiebungen – geht, <em>kann</em> ich unter dem
imaginierten Blick der Nachwelt nicht daheimbleiben.</p>
<p>Und es ist ja wirklich großartig, dass da geschätzt 18'000 Menschen auf
der Straße waren. Die <a class="reference external" href="http://sofo-hd.de/event/1698848074">letzte Demo zu dem Thema</a> – genauer zum
entsetzlichen Gemeinsamen Europäischen Abschiebesystem<a class="footnote-reference" href="#geas" id="id1">[1]</a> GEAS –
in Heidelberg im November war ja leider eher weniger gut besucht:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="In etwa 100 Menschen in einer breiten Reihe vor der Heidelberger Stadtbücherei." src="/media/2024/2023-stabue-geas-demo.jpeg" />
</div>
<p>Außerdem stellt sich in aller Regel auch bei regierungsfreundlichen
Demonstrationen heraus, dass sich dort <a class="reference external" href="2022-03-02.rst">erstaunlich viele Menschen guten
Willens sammeln</a>. So war das auch gestern. Es gab viel Zuspruch für
meine eingestandenermaßen möglicherweise leicht spalterische Botschaft.
Allerdings war von den Regierungsparteien in Baden-Wüttemberg in der
Demo auch nicht viel zu sehen.</p>
<div class="section" id="verbote-furs-gute">
<h2>Verbote fürs Gute?</h2>
<p>Auch der gute Wille ändert aber nichts daran, dass ausgerechnet auf
einer (letzlich) Antifa-Demo die <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/die-autoritare-versuchung.html">autoritäre Versuchung</a> breit zu
spüren war. Manches „Nazis raus“ mag augenzwinkernd gerufen worden
sein und im Bewusstsein, dass es wirklich fies wäre, wem anders die
deutschen FaschistInnen überzuhelfen, zumal ja die meisten „anderen“
inzwischen schon genug eigene FaschistInnen haben.</p>
<p>Mein Eindruck war aber, dass doch eine breite Mehrheit der
Demonstrierenden ein Verbot der AfD befürwortete. Die Frage vorerst
beiseite, ob das irgendeine positive Wirkung hätte: Es ist eben selbst
schon autoritär, wenn rechte Gesinnung ausgerechnet über Verbote,
Strafen, Zwang, und klar, durch die Obrigkeit geheilt werden soll. Ich
habe versucht, das auf der Rückseite meiner Pappe auszudrücken:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Eine Person hält vor dem Hintergrund einer Demo eine Pappe: „Faschist:innen verbieten ist wie Schnaps gegen Suff“." src="/media/2024/schaps-gegen-suff.jpeg" />
<p class="caption">Ich habe mich mit meiner Nachricht, dass Verbote gegen Faschismus
stark nach einer Schnapskur für Alkoholkranke klingen, ziemlich
zurückgehalten. Mag sein, dass mich dabei übermäßiges
Harmoniebedürfnis zurückhielt.</p>
</div>
<p>Ich will keinesfalls ausschließen, dass der Zweck im Einzelfall mal
Mittel heiligen mag. Insofern ist es schon statthaft, darüber
nachzudenken, ob mensch nicht doch etwas verbieten möchte, wenn die
Machtverhältnisse das zulassen. <em>In diesem Fall</em> mag es sogar (aber nur
kurz) erlaubt sein, im Hinblick auf den Zweck voll aufzudrehen und in
gefährliche Nähe einer Shoah-Relativierung zu gehen. Aber hätte ein
Parteiverbot der NSDAP die Shoah verhindert?</p>
</div>
<div class="section" id="nation-volk-konkurrenz-hierarchie-militar-problem">
<h2>Nation, Volk, Konkurrenz, Hierarchie, Militär: Problem</h2>
<p>Ich bin so gut wie sicher, dass das nicht der Fall gewesen wäre, um so
weniger, als zwischen 1922 und 1925 die NSDAP (in leicht wechselnden
Varianten) verboten <em>war</em>. Anfang der 1930er jedenfalls hätten
Hindenburg, Schleicher und Co gewiss alternative Wege zur Machtübergabe
gefunden – oder es hätte halt einen Putsch gegeben.</p>
<p>Aber hypothetisch die Eignung von Verboten zur Abwendung faschistischer
Verhältnisse unterstellt, würde es im Hinblick auf die
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Verh%C3%A4ltnism%C3%A4%C3%9Figkeitsprinzip%20%28Deutschland%29">Verhältnismäßigkeit</a> an der Notwendigkeit fehlen. Für die
Verhinderung der Shoah hätte <em>dann</em> bereits gereicht, dass der ganz
„normale“ Reichspräsident Hindenburg die NS-Regierung nicht ernannt
hätte („milderes Mittel“); er hätte reichlich alternative Wege gehabt.
Es hätte vermutlich immer noch gereicht, wenn die
Vorgängerorganisationen von CDU, FDP und AfD (letztere wäre im
Augenblick bei mir noch die <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/DNVP">DNVP</a>) Gewaltenteilung und Rechtsstaat nicht
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Erm%C3%A4chtigungsgesetz%20%281933%29">mit voller Absicht abgewickelt</a> hätten. Es sind Einsichten wie diese,
die die autoritäre Rede von der „wehrhaften Demokratie“ bei ihrer
Erfindung verhindern sollte.</p>
<p>Natürlich wussten Hindenburg und die ihn unterstützende informelle
Koalition recht genau, was sie da taten. Sie waren nur selbst von der
Verehrung für Nation, Volk, Konkurrenz, Hierarchie, Militär und nicht
zu vergessen Antikommunismus durchdrungen. <em>Inhaltlich</em> lagen sie auf
einer Linie mit der NSDAP, auch wenn ich gerne glaube, dass viele von
ihnen die Methoden des NS-Apparats (also damals vor allem der SA) nicht
schätzten. Ich gebe ihnen sogar, dass nennenswert viele von ihnen
jedenfalls anfangs weder mit den Verhältnissen in den <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/noch-bis-7-12-in-heidelberg-auftakt-des-terrors-uber-die-ersten-ns-konzentrationslager.html">frühen
Konzentrationslagern</a> einverstanden waren noch mit dem Massenmord in
Auschwitz, Treblinka und Co oder seinem Vorgänger etwa in <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss%20Grafeneck">Grafeneck</a>
oder <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%B6tungsanstalt%20Hadamar">Hadamar</a> (<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Clemens%20August%20Graf%20von%20Galen">Beleg</a>).</p>
</div>
<div class="section" id="von-nazi-gewehren-und-antifa-pfefferspray">
<h2>Von Nazi-Gewehren und Antifa-Pfefferspray</h2>
<p>Auch Menschen, die meine Einschützung teilen, ein Verbot bewirke
allenfalls ein tieferes Einsinken in den autoritären Morast, mögen
einwenden: „Aber irgendwas muss man doch machen!“ Ich würde dem
„irgendwas“ darin heftig widersprechen. Wenn dieses „irgendwas“ nämlich
autoritärer Grundrechtsabbau ist, ist es allemal besser, nichts zu tun.
Grundrechte, die weg sind, sind <em>sehr</em> schwer wiederzubekommen, ganz zu
schweigen davon, dass Maßnahmen „gegen rechts“ erfahrungsgemäß wenig
später mit zehnfacher Wucht nach links durchschlagen.</p>
<p>Ein schönes Beispiel dazu ist, dass die Behörden in den letzten zwei
Jahren jede Menge kleiner Waffenscheine von Menschen aberkannt haben, die
sie für Antifas hielten. In den mir bekannten Fällen ging es
dabei darum, legal Pfefferspray zur Abwehr von Naziübergriffen mitnehmen
zu können. Die ganze Aktion lief in direktem Fallout der rechten
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Polizistenmord_in_Georgensgm%C3%BCnd_2016">Schießerei von Georgensgemünd</a> und der folgenden Verschärfung des
Waffenrechts unter der Flagge einer klaren Kante gegen Rechts.</p>
<p>Dabei würde ich noch nicht mal dem (letztlich ohnehin eher zwecklosen)
Pfefferspray nachweinen, aber im Nebeneffekt entstanden zumindest
gelegentlich, vielleicht sogar grundsätzlich, Einträge in der
<a class="reference external" href="http://www.datenschmutz.de/moin/PIAV">PIAV</a>-Tabelle zu Waffen- und Sprengstoffkriminalität. Wenn die
vielleicht bei einem Grenzübertritt oder im Rahmen der ja für die fremde
Polizei häufig überhaupt nicht kontextualisierbaren <a class="reference external" href="http://www.datenschmutz.de/moin/Vertrag%20von%20Pr%C3%BCm">Prüm</a>-Transfers
auftauchen, kann das bei einem Polizeikontakt den Unterschied machen
zwischen einem „Guten Tag, der Herr“ und einem „das SEK knallt dich auf
die nächstbeste Motorhaube“.</p>
</div>
<div class="section" id="wie-baue-ich-mir-untertanen">
<h2>Wie baue ich mir Untertanen?</h2>
<p>So versuchend der autoritäre Weg des Verbots sein mag: Nach solchen
Überlegungen scheint es mir aussichtsreicher, zunächst so tiefschürfend
wie möglich die Frage zu beackern, was eigentlich die Ursachen sind für
den fast globalen Trend zur autoritären bis <a class="reference external" href="https://taz.de/Neue-Regierung-in-Argentinien/!5980187&s=Milei/">durchgeknallten</a> Zivilreligion
von Nation, Volk, Konkurrenz, Hierarchie, Militär – bei hinreichend
konsequenter Umsetzung also zum Faschismus.</p>
<p>Dazu haben, ja, schon viele Menschen sehr viel geschrieben, zumeist mit
Betrachtungen über erodierende Mittelschichten, <a class="reference external" href="https://www.matthes-seitz-berlin.de/buch/maennerphantasien.html">Männer</a> (bzw. moderner
Baby-Boomer) mit Bedeutungsverlust, dem Abendland an und für sich (in
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Oswald%20Spengler">schlechtester Tradition</a>), imaginierten Identitätsverlusten usf. Das
ist jedenfalls teilweise bestimmt nicht falsch. Als unbelehrbarer
Antiautoritärer (und zumal Klaus Theweleit <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/sport-ist-rechts.html">leider</a> Fußballfan geworden
ist) möchte ich aber dafür werben, etwas allgemeiner über Herrschaft
nachzudenken, also darüber, wie Obrigkeiten es eigentlich schaffen, ihre
Untertanen zur Unterordnung zu bringen.</p>
<p>Die halbe Politologie stellt diese Frage, wenn auch häufig mit aus
meiner Sicht ethisch fragwürdiger Betonung: „<em>wie</em> schaffen wir das?“
statt „wie <em>schaffen</em> die das?“. Auch zur Einordnung solcher Arbeiten
fand ich meine Variante der Klassifikationen von Herrschaftstechniken
eigentlich immer recht nützlich. Danach kann eine Obrigkeit setzen
auf:</p>
<ul class="simple">
<li>göttliche Bestimmung oder eventuell besondere Brillianz („du
gehorchst, weil du dazu bestimmt bist“)</li>
<li>Angst vor der Obrigkeit („du gehorchst, weil ich dir sonst wehtue“)</li>
<li>Wohlstandsversprechen („du gehorchst, weil es dann dir oder spätestens
deinen Kindern dann besser geht“)</li>
<li>Angst vor der Nicht-Obrigkeit („du gehorchst, weil ansonsten [Wölfe
| Japaner | Chinesen | Russen | Griechen | Clans | Arme | Kinderschänder]
kommen und dich [fressen | ausnehmen | beherrschen]”).</li>
</ul>
<p>In realen Machtverhältnissen mischen sich natürlich die einzelnen
Techniken in verschiedenen Verhältnissen, die zudem durchweg stark
abhängen davon, welche Untergruppe der Untertanen gerade adressiert
wird: Höheren Klassen wird mensch als guter Herrscher eher etwas
versprechen, niedrigen Klassen oder leicht rassifizierbaren Gruppen eher
mit Schmerz und Pein drohen. Welche Mixtur dominiert und wie sehr sie
gleichmäßig über die Untertanenschaft ausgebracht wird, bestimmt ganz
wesentlich, wie so eine Gesellschaft funktioniert und wie angenehm
Menschen in ihr leben können.</p>
<p>Lasst mich deshalb die vier Szenarien etwas ausführlicher betrachten,
bevor ich wieder auf den Zusammenhang mit der AfD komme.</p>
</div>
<div class="section" id="gottliche-bestimmung">
<h2>Göttliche Bestimmung</h2>
<p>Ich fand die These, Religion sei als Mittel erfunden worden, Machtausübung
zu legitimieren, schon immer attraktiv. Empirisch hat das
augenscheinlich prima funktioniert, etwa bei all den FürstInnen „von
Gottes Gnaden“, dem göttlichen Kaiserhaus (das ist das IHDD auf <a class="reference external" href="https://edh.ub.uni-heidelberg.de/edh/inschrift/HD037058">allen
möglichen römischen Inschriften</a>) oder auch bei den (fast) frühesten
schriftlichen Überlieferungen von Herrschaft überhaupt, dem <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Codex%20Hammurapi">Codex
Hammurapi</a>, dessen einschlägigen Inhalt einE Wikipedia-AutorIn so
wiedergibt:</p>
<blockquote class="pull-quote">
[Es] wird zunächst erklärt, dass der babylonische Stadtgott Marduk
durch Anu und Enlil, die höchsten Götter des sumerisch-akkadischen
Pantheons, zur Herrschaft über die Menschheit berufen worden sei.
Dementsprechend sei Babylon als seine Stadt auch zum Zentrum der Welt
bestimmt worden. Damit eine gerechte Ordnung im Land bestehe,
Übeltäter und Unterdrückung von Schwachen ein Ende fänden und es den
Menschen gut gehe, sei dann Hammurapi zur Königsherrschaft über die
Menschen erwählt worden.</blockquote>
<p>Bemerkenswert daran ist bereits, dass schon in dieser ganz frühen
Fassung der Claim göttlicher Bestimmung wohl doch nicht als ausreichend
empfunden wurde, denn sonst hätte Hammurapi kaum noch verweisen lassen
auf „Menschen gut gehe“ (Wohlstandsversprechen) und die „Übeltäter“
(Angst vor der Nicht-Obrigkeit).</p>
<p>Andererseits lässt die moderne Verehrung für <hust> Führungsfiguren
zwischen (aktuell) Franz Beckenbauer, (etwa genauso aktuell) Elon Musk
oder (seit gefühlt schon immer) Lady Di …</p></div><div class="contents toc local topic" id="inhalt">
<ul class="simple">
<li><a class="reference internal" href="#verbote-furs-gute" id="id3">Verbote fürs Gute?</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#nation-volk-konkurrenz-hierarchie-militar-problem" id="id4">Nation, Volk, Konkurrenz, Hierarchie, Militär: Problem</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#von-nazi-gewehren-und-antifa-pfefferspray" id="id5">Von Nazi-Gewehren und Antifa-Pfefferspray</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#wie-baue-ich-mir-untertanen" id="id6">Wie baue ich mir Untertanen?</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#gottliche-bestimmung" id="id7">Göttliche Bestimmung</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#angst-vor-der-obrigkeit" id="id8">Angst vor der Obrigkeit</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#wohlstandsversprechen" id="id9">Wohlstandsversprechen</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#die-angst-vor-den-anderen" id="id10">Die Angst vor den Anderen</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#und-die-afd" id="id11">Und die AfD?</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#faulheit-gegen-den-faschismus" id="id12">Faulheit gegen den Faschismus</a></li>
</ul>
</div>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Jemand hält eine mit Edding handbeschriebene Pappe for dem Körper: „Wer von der AfD redet, darf von Kretschamann nicht schweigen/Abschiebestopp jetzt!“" src="/media/2024/abschiebestopp-jetzt.jpeg" />
<p class="caption">Bei der größten Demo in Heidelberg seit Menschengedenken wollte ich
mit „Abschiebestopp jetzt!“ daran erinnern, dass wir ja bereits ein
großes Deportationsprogramm am Laufen haben. Auch ein grüner
Ministerpräsidente lässt zum Beispiel über Baden-Baden Roma ins Kosovo
deportieren (<a class="reference external" href="https://tacker.fr/node/4548">wogegen sich dann und wann Protest regt</a>; siehe auch
<a class="reference external" href="https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP14/Drucksachen/5000/14_5335_D.pdf">Grüne Positionen in der Opposition</a>).</p>
</div>
<p>Eigentlich meide ich Demonstrationen, die sich recht offen an die Seite
aktueller oder historischer Obrigkeiten stellen. Das gilt um so mehr,
wenn die fragliche Obrigkeit praktisch gleichzeitig zu den Demos <a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/bundestag-beschliesst-neue-abschieberegelungen-114.html">de
facto faschistoide Gesetze</a> (<a class="reference external" href="https://www.grundrechtekomitee.de/details/nein-zum-heute-im-bundestag-verhandelten-rueckfuehrungsverbesserungsgesetz-fuer-die-verteidigung-der-freien-offenen-und-demokratischen-gesellschaft">das Grundrechtekomitee dazu</a>)
verabschiedet. Allzu schnell kommt mensch dabei in die Grauzone zur
Huldigung oder gar zum Aufmarsch.</p>
<p>Gestern aber habe ich trotz dieser Bauchschmerzen an der wirklich
beeindruckend großen <a class="reference external" href="http://sofo-hd.de/event/1705481039">Anti-AfD-Demo in Heidelberg</a> teilgenommen.
Solange es glaubhaft <em>auch</em> gegen „Remigration“ – besser bekannt unter
dem konventionellen Namen Abschiebungen – geht, <em>kann</em> ich unter dem
imaginierten Blick der Nachwelt nicht daheimbleiben.</p>
<p>Und es ist ja wirklich großartig, dass da geschätzt 18'000 Menschen auf
der Straße waren. Die <a class="reference external" href="http://sofo-hd.de/event/1698848074">letzte Demo zu dem Thema</a> – genauer zum
entsetzlichen Gemeinsamen Europäischen Abschiebesystem<a class="footnote-reference" href="#geas" id="id1">[1]</a> GEAS –
in Heidelberg im November war ja leider eher weniger gut besucht:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="In etwa 100 Menschen in einer breiten Reihe vor der Heidelberger Stadtbücherei." src="/media/2024/2023-stabue-geas-demo.jpeg" />
</div>
<p>Außerdem stellt sich in aller Regel auch bei regierungsfreundlichen
Demonstrationen heraus, dass sich dort <a class="reference external" href="2022-03-02.rst">erstaunlich viele Menschen guten
Willens sammeln</a>. So war das auch gestern. Es gab viel Zuspruch für
meine eingestandenermaßen möglicherweise leicht spalterische Botschaft.
Allerdings war von den Regierungsparteien in Baden-Wüttemberg in der
Demo auch nicht viel zu sehen.</p>
<div class="section" id="verbote-furs-gute">
<h2>Verbote fürs Gute?</h2>
<p>Auch der gute Wille ändert aber nichts daran, dass ausgerechnet auf
einer (letzlich) Antifa-Demo die <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/die-autoritare-versuchung.html">autoritäre Versuchung</a> breit zu
spüren war. Manches „Nazis raus“ mag augenzwinkernd gerufen worden
sein und im Bewusstsein, dass es wirklich fies wäre, wem anders die
deutschen FaschistInnen überzuhelfen, zumal ja die meisten „anderen“
inzwischen schon genug eigene FaschistInnen haben.</p>
<p>Mein Eindruck war aber, dass doch eine breite Mehrheit der
Demonstrierenden ein Verbot der AfD befürwortete. Die Frage vorerst
beiseite, ob das irgendeine positive Wirkung hätte: Es ist eben selbst
schon autoritär, wenn rechte Gesinnung ausgerechnet über Verbote,
Strafen, Zwang, und klar, durch die Obrigkeit geheilt werden soll. Ich
habe versucht, das auf der Rückseite meiner Pappe auszudrücken:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Eine Person hält vor dem Hintergrund einer Demo eine Pappe: „Faschist:innen verbieten ist wie Schnaps gegen Suff“." src="/media/2024/schaps-gegen-suff.jpeg" />
<p class="caption">Ich habe mich mit meiner Nachricht, dass Verbote gegen Faschismus
stark nach einer Schnapskur für Alkoholkranke klingen, ziemlich
zurückgehalten. Mag sein, dass mich dabei übermäßiges
Harmoniebedürfnis zurückhielt.</p>
</div>
<p>Ich will keinesfalls ausschließen, dass der Zweck im Einzelfall mal
Mittel heiligen mag. Insofern ist es schon statthaft, darüber
nachzudenken, ob mensch nicht doch etwas verbieten möchte, wenn die
Machtverhältnisse das zulassen. <em>In diesem Fall</em> mag es sogar (aber nur
kurz) erlaubt sein, im Hinblick auf den Zweck voll aufzudrehen und in
gefährliche Nähe einer Shoah-Relativierung zu gehen. Aber hätte ein
Parteiverbot der NSDAP die Shoah verhindert?</p>
</div>
<div class="section" id="nation-volk-konkurrenz-hierarchie-militar-problem">
<h2>Nation, Volk, Konkurrenz, Hierarchie, Militär: Problem</h2>
<p>Ich bin so gut wie sicher, dass das nicht der Fall gewesen wäre, um so
weniger, als zwischen 1922 und 1925 die NSDAP (in leicht wechselnden
Varianten) verboten <em>war</em>. Anfang der 1930er jedenfalls hätten
Hindenburg, Schleicher und Co gewiss alternative Wege zur Machtübergabe
gefunden – oder es hätte halt einen Putsch gegeben.</p>
<p>Aber hypothetisch die Eignung von Verboten zur Abwendung faschistischer
Verhältnisse unterstellt, würde es im Hinblick auf die
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Verh%C3%A4ltnism%C3%A4%C3%9Figkeitsprinzip%20%28Deutschland%29">Verhältnismäßigkeit</a> an der Notwendigkeit fehlen. Für die
Verhinderung der Shoah hätte <em>dann</em> bereits gereicht, dass der ganz
„normale“ Reichspräsident Hindenburg die NS-Regierung nicht ernannt
hätte („milderes Mittel“); er hätte reichlich alternative Wege gehabt.
Es hätte vermutlich immer noch gereicht, wenn die
Vorgängerorganisationen von CDU, FDP und AfD (letztere wäre im
Augenblick bei mir noch die <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/DNVP">DNVP</a>) Gewaltenteilung und Rechtsstaat nicht
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Erm%C3%A4chtigungsgesetz%20%281933%29">mit voller Absicht abgewickelt</a> hätten. Es sind Einsichten wie diese,
die die autoritäre Rede von der „wehrhaften Demokratie“ bei ihrer
Erfindung verhindern sollte.</p>
<p>Natürlich wussten Hindenburg und die ihn unterstützende informelle
Koalition recht genau, was sie da taten. Sie waren nur selbst von der
Verehrung für Nation, Volk, Konkurrenz, Hierarchie, Militär und nicht
zu vergessen Antikommunismus durchdrungen. <em>Inhaltlich</em> lagen sie auf
einer Linie mit der NSDAP, auch wenn ich gerne glaube, dass viele von
ihnen die Methoden des NS-Apparats (also damals vor allem der SA) nicht
schätzten. Ich gebe ihnen sogar, dass nennenswert viele von ihnen
jedenfalls anfangs weder mit den Verhältnissen in den <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/noch-bis-7-12-in-heidelberg-auftakt-des-terrors-uber-die-ersten-ns-konzentrationslager.html">frühen
Konzentrationslagern</a> einverstanden waren noch mit dem Massenmord in
Auschwitz, Treblinka und Co oder seinem Vorgänger etwa in <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss%20Grafeneck">Grafeneck</a>
oder <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%B6tungsanstalt%20Hadamar">Hadamar</a> (<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Clemens%20August%20Graf%20von%20Galen">Beleg</a>).</p>
</div>
<div class="section" id="von-nazi-gewehren-und-antifa-pfefferspray">
<h2>Von Nazi-Gewehren und Antifa-Pfefferspray</h2>
<p>Auch Menschen, die meine Einschützung teilen, ein Verbot bewirke
allenfalls ein tieferes Einsinken in den autoritären Morast, mögen
einwenden: „Aber irgendwas muss man doch machen!“ Ich würde dem
„irgendwas“ darin heftig widersprechen. Wenn dieses „irgendwas“ nämlich
autoritärer Grundrechtsabbau ist, ist es allemal besser, nichts zu tun.
Grundrechte, die weg sind, sind <em>sehr</em> schwer wiederzubekommen, ganz zu
schweigen davon, dass Maßnahmen „gegen rechts“ erfahrungsgemäß wenig
später mit zehnfacher Wucht nach links durchschlagen.</p>
<p>Ein schönes Beispiel dazu ist, dass die Behörden in den letzten zwei
Jahren jede Menge kleiner Waffenscheine von Menschen aberkannt haben, die
sie für Antifas hielten. In den mir bekannten Fällen ging es
dabei darum, legal Pfefferspray zur Abwehr von Naziübergriffen mitnehmen
zu können. Die ganze Aktion lief in direktem Fallout der rechten
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Polizistenmord_in_Georgensgm%C3%BCnd_2016">Schießerei von Georgensgemünd</a> und der folgenden Verschärfung des
Waffenrechts unter der Flagge einer klaren Kante gegen Rechts.</p>
<p>Dabei würde ich noch nicht mal dem (letztlich ohnehin eher zwecklosen)
Pfefferspray nachweinen, aber im Nebeneffekt entstanden zumindest
gelegentlich, vielleicht sogar grundsätzlich, Einträge in der
<a class="reference external" href="http://www.datenschmutz.de/moin/PIAV">PIAV</a>-Tabelle zu Waffen- und Sprengstoffkriminalität. Wenn die
vielleicht bei einem Grenzübertritt oder im Rahmen der ja für die fremde
Polizei häufig überhaupt nicht kontextualisierbaren <a class="reference external" href="http://www.datenschmutz.de/moin/Vertrag%20von%20Pr%C3%BCm">Prüm</a>-Transfers
auftauchen, kann das bei einem Polizeikontakt den Unterschied machen
zwischen einem „Guten Tag, der Herr“ und einem „das SEK knallt dich auf
die nächstbeste Motorhaube“.</p>
</div>
<div class="section" id="wie-baue-ich-mir-untertanen">
<h2>Wie baue ich mir Untertanen?</h2>
<p>So versuchend der autoritäre Weg des Verbots sein mag: Nach solchen
Überlegungen scheint es mir aussichtsreicher, zunächst so tiefschürfend
wie möglich die Frage zu beackern, was eigentlich die Ursachen sind für
den fast globalen Trend zur autoritären bis <a class="reference external" href="https://taz.de/Neue-Regierung-in-Argentinien/!5980187&s=Milei/">durchgeknallten</a> Zivilreligion
von Nation, Volk, Konkurrenz, Hierarchie, Militär – bei hinreichend
konsequenter Umsetzung also zum Faschismus.</p>
<p>Dazu haben, ja, schon viele Menschen sehr viel geschrieben, zumeist mit
Betrachtungen über erodierende Mittelschichten, <a class="reference external" href="https://www.matthes-seitz-berlin.de/buch/maennerphantasien.html">Männer</a> (bzw. moderner
Baby-Boomer) mit Bedeutungsverlust, dem Abendland an und für sich (in
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Oswald%20Spengler">schlechtester Tradition</a>), imaginierten Identitätsverlusten usf. Das
ist jedenfalls teilweise bestimmt nicht falsch. Als unbelehrbarer
Antiautoritärer (und zumal Klaus Theweleit <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/sport-ist-rechts.html">leider</a> Fußballfan geworden
ist) möchte ich aber dafür werben, etwas allgemeiner über Herrschaft
nachzudenken, also darüber, wie Obrigkeiten es eigentlich schaffen, ihre
Untertanen zur Unterordnung zu bringen.</p>
<p>Die halbe Politologie stellt diese Frage, wenn auch häufig mit aus
meiner Sicht ethisch fragwürdiger Betonung: „<em>wie</em> schaffen wir das?“
statt „wie <em>schaffen</em> die das?“. Auch zur Einordnung solcher Arbeiten
fand ich meine Variante der Klassifikationen von Herrschaftstechniken
eigentlich immer recht nützlich. Danach kann eine Obrigkeit setzen
auf:</p>
<ul class="simple">
<li>göttliche Bestimmung oder eventuell besondere Brillianz („du
gehorchst, weil du dazu bestimmt bist“)</li>
<li>Angst vor der Obrigkeit („du gehorchst, weil ich dir sonst wehtue“)</li>
<li>Wohlstandsversprechen („du gehorchst, weil es dann dir oder spätestens
deinen Kindern dann besser geht“)</li>
<li>Angst vor der Nicht-Obrigkeit („du gehorchst, weil ansonsten [Wölfe
| Japaner | Chinesen | Russen | Griechen | Clans | Arme | Kinderschänder]
kommen und dich [fressen | ausnehmen | beherrschen]”).</li>
</ul>
<p>In realen Machtverhältnissen mischen sich natürlich die einzelnen
Techniken in verschiedenen Verhältnissen, die zudem durchweg stark
abhängen davon, welche Untergruppe der Untertanen gerade adressiert
wird: Höheren Klassen wird mensch als guter Herrscher eher etwas
versprechen, niedrigen Klassen oder leicht rassifizierbaren Gruppen eher
mit Schmerz und Pein drohen. Welche Mixtur dominiert und wie sehr sie
gleichmäßig über die Untertanenschaft ausgebracht wird, bestimmt ganz
wesentlich, wie so eine Gesellschaft funktioniert und wie angenehm
Menschen in ihr leben können.</p>
<p>Lasst mich deshalb die vier Szenarien etwas ausführlicher betrachten,
bevor ich wieder auf den Zusammenhang mit der AfD komme.</p>
</div>
<div class="section" id="gottliche-bestimmung">
<h2>Göttliche Bestimmung</h2>
<p>Ich fand die These, Religion sei als Mittel erfunden worden, Machtausübung
zu legitimieren, schon immer attraktiv. Empirisch hat das
augenscheinlich prima funktioniert, etwa bei all den FürstInnen „von
Gottes Gnaden“, dem göttlichen Kaiserhaus (das ist das IHDD auf <a class="reference external" href="https://edh.ub.uni-heidelberg.de/edh/inschrift/HD037058">allen
möglichen römischen Inschriften</a>) oder auch bei den (fast) frühesten
schriftlichen Überlieferungen von Herrschaft überhaupt, dem <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Codex%20Hammurapi">Codex
Hammurapi</a>, dessen einschlägigen Inhalt einE Wikipedia-AutorIn so
wiedergibt:</p>
<blockquote class="pull-quote">
[Es] wird zunächst erklärt, dass der babylonische Stadtgott Marduk
durch Anu und Enlil, die höchsten Götter des sumerisch-akkadischen
Pantheons, zur Herrschaft über die Menschheit berufen worden sei.
Dementsprechend sei Babylon als seine Stadt auch zum Zentrum der Welt
bestimmt worden. Damit eine gerechte Ordnung im Land bestehe,
Übeltäter und Unterdrückung von Schwachen ein Ende fänden und es den
Menschen gut gehe, sei dann Hammurapi zur Königsherrschaft über die
Menschen erwählt worden.</blockquote>
<p>Bemerkenswert daran ist bereits, dass schon in dieser ganz frühen
Fassung der Claim göttlicher Bestimmung wohl doch nicht als ausreichend
empfunden wurde, denn sonst hätte Hammurapi kaum noch verweisen lassen
auf „Menschen gut gehe“ (Wohlstandsversprechen) und die „Übeltäter“
(Angst vor der Nicht-Obrigkeit).</p>
<p>Andererseits lässt die moderne Verehrung für <hust> Führungsfiguren
zwischen (aktuell) Franz Beckenbauer, (etwa genauso aktuell) Elon Musk
oder (seit gefühlt schon immer) Lady Di schon ahnen, dass jedenfalls
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Autorit%C3%A4rer%20Charakter">autoritär vorgeprägte Charaktere</a> stark für Personenkult und Anbetung
anfällig sind und wenigstens ihnen gegenüber die Behauptung von
Auswerwähltheit ungefähr die preisgünstigste Unterwerfungsmethode ist.</p>
<p>Umgekehrt wird mit wachsender gesellschaftlicher Durchdringung der
ersten Aufklärung von 1750f und der damit allmählich abnehmenden
Bedeutung von Religion zumindest der Teil mit der Berufung auf Götter
immer unwirksamer, auch wenn das gelegentlich <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Islamische%20Revolution">im Gefolge</a> ebenso
blutiger wie <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Der%20Polizeistaatsbesuch">gefälliger Diktaturen</a> in Vergessenheit geraten mag.</p>
<p>Das heißt nicht, dass Unterwerfung durch Anbetung keine attraktive
Herrschaftsoption bliebe. Die in diese Richtung weisende Forderung nach
einer „Entkrampfung“ des Elitebegriffs in den deutschen 1990er Jahren
(etwa durch den Versuch einer <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Exzellenzinitiative">positiven Belegung des Begriffs
„Elitehochschule“</a>) darf allerdings für die BRD als vorerst gescheitert
gelten. In den DLF-Presseschauen der letzten Jahre finden sich zum
Stichwort nur Phrasen wie „die Elite um Putin“, „ein Großteil der
politischen Elite des Landes über ihren Schatten gesprungen“ oder „nur
noch als Mittel einer Elite zur Erziehung der vermeintlich ignoranten
Mehrheit“. Bei solchen Konnotationen ist so bald nicht mit einer
breiten Rückkehr von Aristokratie oder Elite als ideologische Basis von
Herrschaft zu rechnen.</p>
<p>Gut also, dass es Alternativen gibt.</p>
</div>
<div class="section" id="angst-vor-der-obrigkeit">
<h2>Angst vor der Obrigkeit</h2>
<p>Diese Herrschaftstechnik heißt bei der deutschen Polizei „unmittelbarer
Zwang“: Untertanen gehorchen, weil der Apparat der Obrigkeit ansonsten
tötet, schlägt oder einsperrt. Ganz ohne das kommt (gegenwärtig) kein
Staat aus, auch wenn <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/75-jahre-ohne-militar-costa-rica.html">einzelne immerhin darauf verzichten, Militär</a> in
Stellung zu bringen gegen eventuelle kollektive Erhebungen der
Untertanen.</p>
<p>Sie ist die Herrschaftstechnik derer, die der autoritären Versuchung
besonders weit nachgeben. Aufgrund dieser Urtümlichkeit hätte ich
jederzeit auf unmittelbaren Zwang getippt für das, was Marx
„ursprüngliche Akkumulation“ genannt hat, also den (vor-) historischen
Übergang von mutmaßlichem Revierverhalten zu formaleren Begriffen von
Nutzungsrechten. Marx und ich hatten da (ggf. vermutlich) im Kopf, dass
irgendein Grobian frühen SubstistenzbäuerInnen gesagt hat, sie hätten
ab jetzt ein Drittel ihrer Ernte an sie, die Grobiane, abzugeben
(„Schönen Bauernhof haben Sie da. Wäre doch schade, wenn wir den kurz
und klein hauen müssten“).</p>
<p>Vielleicht ist die wahre Geschichte der Menschheit etwas heller als das,
wenigstens, wenn mensch <a class="reference external" href="https://www.ufg.uni-kiel.de/en/staff-directory/scientific-collaborators/dr-frank-schlutz">Frank Schlütz</a> glaubt, der in
<a class="reference external" href="https://doi.org/10.1073/pnas.2312962120">doi:10.1073/pnas.2312962120</a> und etwas leichter zugänglich in <a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/megasiedlungen-vor-6000-jahren-erbsen-korn-und-dung-sicherten-die-ernaehrung-dlf-8c45c8d9-100.html">in DLF
Forschung aktuell vom 21.12.2023</a> von den mutmaßlich ersten größeren
Städten (also: rund 5000 Menschen) erzählte. Diese seien (in seiner
Darstellung) rund um <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/mach-mit-bei-dit.html">StarDIT</a> 4000 herum in der Schwarzmeerregion entstanden
und hätten dank Erbsendiät und kluger Verwendung tierischen Düngers
für einige hundert Jahre gut funktioniert.</p>
<p>Für meine Zwecke mag relevant sein, dass Schlütz am Beginn dieser
Kultur viele Versammlungshäuser sieht und ihr Ende mit der Ausdünnung
der Versammlungshäuser zusammenbringt. Das <em>könnte</em> darauf hindeuten,
dass hier, wenn überhaupt, eher Herrschaft gegen äußere Feinde oder
zur Wohlstandsmehrung stattfand – der archäologische Befund würde
offenbar sogar eine gemütliche Anarchie nicht ausschließen. Wenn das so
wäre, könnten sich entweder Hobbes oder Rousseau freuen, denn dann wäre
an ihren Konzepten vom <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Vom_Gesellschaftsvertrag_oder_Prinzipien_des_Staatsrechtes">Gesellschaftsvertrag</a> mehr historische Wahrheit
als sie vermutlich selbst vermutet haben.</p>
<p>Umgekehrt ist kaum zu leugnen, dass, wo Köpfe in Serie rollen,
unmittelbarer Zwang eine zentrale Herrschaftstechnik ist, und das gilt
im Augenblick sicher für die „wichtigsten“ Staaten, seien es die USA
oder <em>Mainland China</em> („Volksrepublik“ war nie ein schönes Wort, aber
hier passt es wirklich gar nicht). Letzteres spielt in dieser Liga
besonders weit jenseits des transnationalen Medians – eine autoritäre
Orientierung, die die OECD bei anderer Gelegenheit durch ausgezeichnete
PISA-Ergebnisse belohnt.</p>
<p>Dennoch kann ich aus Interaktionen mit meinen chinesischen KollegInnen
berichten, dass für die Legitimation der dortigen Obrigkeit das
Versprechen, dass alle (außer Faulpelzen) mehr Konsummöglichkeiten und
schönere Wohnungen erhalten, deutlich wichtiger ist als die Große
Firewall und ubiquitäre Personenkontrollen. Ich nehme das als weiteren
Beleg für meine <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/die-autoritare-versuchung.html">Zweifel an der Nachhaltigkeit autoritärer Lösungen</a>.</p>
<p>Aber klar: Die Versprechen ewiger Wohlstandsmehrung werden zwingend
irgendwann mit der Realität kollidieren. Ich würde tatsächlich
behaupten, dass wir so eine Kollision in der evangelikalen Trump-Krise
in den USA in Zeitlupe bewundern können. Wie sieht es also aus damit?</p>
</div>
<div class="section" id="wohlstandsversprechen">
<h2>Wohlstandsversprechen</h2>
<p>Nicht <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Der%20eindimensionale%20Mensch">erst Herbert Marcuse</a> und <a class="reference external" href="https://en.wikipedia.org/wiki/Manufacturing_Consent">Noam Chomsky et al</a> haben die
Eleganz und in einer ganz eigenen Weise panoptische Wirkung der
Legitimation von Herrschaft durch das Versprechen materieller
Besserstellung erkannt und kritisiert. <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Gesetzliche%20Krankenversicherung">Schon die Bismarck'schen
Sozialgesetze</a> waren frühe Meisterstücke dieser modernen und jedenfalls
im Vergleich zu den Alternativen auch angenehmen Herrschaftstechnik.
Ihre große Zeit jedoch waren in der BRD die Jahre in etwa
zwischen 1950 und der „<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Helmut%20Kohl">geistig-moralischen Wende</a>“ von 1982.</p>
<p>Das hatte speziell in dieser Konstellation gut nachvollziehbare Gründe.
Dass die alten Eliten fast durchweg die katatstrophale Nazi-Barbarei
unterstützt hatten, war noch breit in Erinnerung, so dass Gottes Gnade
nicht in Frage kam. Exzessiver Zwang hatte ebenfalls gerade eine
Bauchlandung erlitten, und einige der neuen Herrschenden waren am
falschen Ende dieses Zwangs gewesen. Die Angst vor den anderen musste
schließlich als wacklige Angelegenheit erscheinen, konnten sich die
Herrschenden doch nicht sicher sein, dass der real existierende Murks im
Osten ihre eigenen Untertanen auf Dauer gegen die Versuchung einer
rationaleren und am Ende gar weniger anstrengenden Ökonomie immunisieren
würde.</p>
<p>Zu diesen aus obrigkeitlicher Sicht unerfreulichen Randbedingungen trat
noch eine für heutige Verhältnisse traumhaft organisierte
ArbeitstellerInnenschaft (also: die Leute, die die Arbeit gemacht haben,
waren in großer Zahl in Gewerkschaften), und so blieb im Wesentlichen
nur das Wohlstandsversprechen als Herrschaftserzählung.</p>
<p>Da im Rest dessen, was sich „erste Welt“ nannte, sich die Dinge
vielleicht nicht ganz so drastisch, aber auch nicht völlig anders
verhielten, legte diese erste Welt eine historisch weitgehend einmalige
Umverteilung von oben nach unten hin, verbunden mit einer historisch
fast ebenso einmaligen ökonomischen Expansion; Thomas Piketty hat vor
ein paar Jahren einen <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Das%20Kapital%20im%2021.%20Jahrhundert">Bestseller dazu gelandet</a>, an dessen Metriken
mensch gerne rummäkeln kann – wie an allen Metriken –, dessen
qualitative Schlüsse aber allenfalls von den vertrocknetsten
Marktradikalen bestritten werden.</p>
</div>
<div class="section" id="die-angst-vor-den-anderen">
<h2>Die Angst vor den Anderen</h2>
<p>Das Wohlstandsversprechen hat als Herrschaftstechnik ein paar Schwächen.
Insbesondere ist es in einer Welt, in der die Selektion für politische
und wirtschaftliche Macht <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/schurken-und-engel-teil-2.html">auf Schurkigkeit hin</a> erfolgt, höchst
instabil, denn Schurken sind normalerweise schlecht im Teilen.</p>
<p>In dem Moment, in dem in den 1970er Jahren ein paar externe Krisen die
Profitrate drückten und andererseits sich die konkurrierende Sowjetunion
für fast alle offensichtlich als <em>überhaupt</em> kein Paradies der
Arbeiterklasse <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Archipel%20Gulag">herausstellte</a> (übrigens: erst neulich war <a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/28-12-1973-der-archipel-gulag-von-alexander-solschenizyn-erscheint-dlf-b6e9e188-100.html">50 Jahre
Archipel Gulag</a>), kam in der selbsterklärten ersten Welt das
dominierende Herrschaftsmodell wieder in Bewegung.</p>
<p><em>Wahrscheinlich</em> etwas irregulär begann dieser Umschwung in der
(bestenfalls) anderthalbten Welt, nämlich im Pinochet-Chile von 1973 und
zunächst <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Putsch%20in%20Chile%201973">sehr gewalttätig</a> (also: Modell Angst vor der Obrigkeit).
Sechs Jahre später spielten aber die großen Umsteuerer Thatcher und
Reagan voll auf der Klaviatur der Angst vor der Nicht-Obrigkeit: „Lasst
euch von den Gewerkschaften, den Iranern, den Kommunisten nicht auf der
Nase herumtanzen. Verzichtet mal lieber auf Rechte und arbeitet
mehr.“</p>
<p>Der so eingeläutete Abschied vom Wohlstandsversprechen schlug in den
frühen 1980er Jahren auch hier im Lande durch; das „Wir müssen den
Gürtel enger schnallen“ des sehr beleibten damaligen Kanzlers Kohl
findet inzwischen <a class="reference external" href="https://www.bundeskanzler-helmut-kohl.de/personen-1/norbert-bluem/">sogar die Adenauer-Stiftung Kult</a>.</p>
<p>Unterdessen sind irgendwelche „Gefahren“ der internationale
Industriestandard in den Legitimationserzählen von Regierung wie
Opposition: Die Russen kommen, der Westen kommt, die Ausländer nehmen
dir die Wohnung weg, die Kinderschänder holen dein Kind, der generelle
Niedergang deines Volkes ruiniert deine Rente, die Klimaschützer lassen
den Krankenwagen nicht durch, die Wölfe holen dein Kind, die USA hängen
uns bei der KI ab, Japan bei den Autos, China schon sowieso, und dann
holen sich die auch noch Taiwan, die Ausländer hängen auf deine Kosten
faul herum, die Grünen nehmen dir dein Einfamilienhaus weg, die Moslems
zünden deine Kirche an, die Griechen stürzen uns alle in die Pleite, die
Ausländer bekommen deine Frau, die Frauen deine Sprache
undsoweiterundsofort.</p>
<p>Es dürfte ein <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Unsichtbare_Hand#Linguistik">Phänomen dritter Art</a> – nicht geplant, aber auch nicht
rein zufällig – sein, dass gerade in Zeiten, in denen Herrschaft ganz
wesentlich durch Angst vor den anderen begründet wird, auch
wissenschaftsähnliche Theorien Konjunktur haben, die im Gefolge von
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Hobbes">Hobbes</a> und der Erbsünde darlegen, wie schlecht doch der Mensch an sich
ist: <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Soziobiologie">Soziobiologie</a> beispielsweise oder auch die eigenartig verdrehte
Evolutions-Charade vom <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Das%20egoistische%20Gen">egoistischen Gen</a>; das „außen“, vor dem die
Obrigkeit die Untertanen beschützt, kann so ganz bequem auch der
Untertan neben dir sein.</p>
<p>Oh: Zu viel Misstrauen gegen die Mit-Untertanen wäre allerdings auch
verfehlt, denn schließlich muss mensch ja mit diesen früher oder
später auf die Untertanen anderer Obrigkeiten schießen können.</p>
</div>
<div class="section" id="und-die-afd">
<h2>Und die AfD?</h2>
<p>Natürlich hat auch die deutsche Obrigkeit schon vor 1982 eifrig mit
Angst vor der Nicht-Obrigkeit – besonders originell: „BaföG-Empfänger“
waren Ende der 1970er für eine Weile ein munteres Feindbild – und
ohnehin mit unmittelbarem Zwang operiert. Doch weit mehr als heute war
die Erzählung von der Wohlstandsmehrung die Basis der
Loyalitätsansprüche.</p>
<p>Solange sich der Wohlstandsbegriff an welt- und menschenschädlichen
Metriken wie dem Bruttosozial- oder noch schlimmer -inlandsprodukt
orientiert, ist das Ende solcher Versprechen unausweichlich (und
im Übrigen begrüßenswert). Dementsprechend ist heute zumeist nur
noch die Rede von der „Verteidigung“ <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/antisprache-arbeitsplatze.html">dieser Sorte Wohlstand</a>.
Verteidigung, versteht sich dabei, gegen all die Dinge, vor denen mensch
prima Angst haben kann.</p>
<p>Die folglich dominierende Herrschaftstechnik durch Angst vor der
Nicht-Obrigkeit bedient sich – ich habe oben einige aufgezählt – einer
großen Zahl von Bedrohungserzählungen. Das jedoch hat dramatische
Nebenwirkungen – wenn auch nicht ganz so dramatische wie der
konsumbasierte Wohlstand. Wenn die Obrigkeit nämlich ständig Gefahren
kommuniziert und sich diese Gefahren über den Verlauf von Jahrzehnten
allenfalls verschärfen – die Rente ist ja in diesen Erzählungen immer
bedrohter, die islamischen Anschlagspläne werden zugleich immer
wahnsinniger und teuflischer –, werden die Untertanen früher oder später
vermuten, dass die Rezepte der aktuellen Obrigkeit nicht wirken.</p>
<p>Da aber ebenfalls über Jahrzehnte der autoritäre Umgang mit den
„Bedrohungen“ („Klimakleber? Einsperren und härter bestrafen!
Andere Terroristen? Einsperren und härter bestrafen! Die Russen
kommen? Wir müssen mehr schießen (lassen)!“) das zentrale Motiv der
obrigkeitlichen Erzählungen war, werden sich auch nur halbwegs loyale
Untertanen sagen, dass diese aktuelle Obrigkeit nicht autoritär genug
ist.</p>
<p>Das, so behaupte ich, ist vor allem anderen, was derzeit trotz oder
wegen des galloppierenden Grundrechteabbaus in vielen Staaten der Erde,
und so eben auch in der BRD, passiert. Es ist auch gar nicht <em>sooo</em>
weit von dem entfernt, was in den 1920er und 1930er Jahren über weite
Teile der Welt schwappte<a class="footnote-reference" href="#wwi" id="id2">[2]</a>.</p>
</div>
<div class="section" id="faulheit-gegen-den-faschismus">
<h2>Faulheit gegen den Faschismus</h2>
<p>Nach dieser Betrachtung erscheint es mir ziemlich unplausibel, dass
weitere autoritäre Maßnahmen – etwa ein Parteiverbot – die
Rechtsentwicklung verlangsamen oder gar umkehren könnten. Was hingegen
nach aller geschichtlichen Erfahrung fast sicher helfen würde: Eine
Rückkehr zur Herrschaft durch Versprechen einer besseren Zukunft.</p>
<p>Das wäre gar nicht so furchtbar schwer. Kein vernünftiger
Mensch würde bei der derzeitigen Entwicklung der Technik daran zweifeln,
dass „wir“ problemlos mit (im Mittel über die Lebenszeit) ein paar
Stunden Lohnarbeit die Woche all den Kram her- und bereitstellen können,
der für eine gesicherte und glaubhaft angenehme Existenz aller Menschen
hinreicht, ohne dass wir dafür die Welt planieren müssten. Doch selbst
die, die dem zustimmen, werden fast durchweg einwenden, das Elend der
Welt sei keine Frage der Technik, sondern eine der Natur des
Menschen, der nun mal ohne Drohung nichts tue.</p>
<p>Wenn ich Illustrationen solcher Einschätzungen auseinanderpflücke,
bleibt bei mir am Ende jedoch recht durchweg etwas ganz anderes übrig.
Nämlich: Einer Gesellschaft, die freundlich mit Mensch und Natur umgeht,
stehen im Wesentlichen Nation, Volk, Konkurrenz, Hierarchie und Militär
im Weg.</p>
<p>Das zu benennen, und eine Welt ohne Existenzängste und ohne
überflüssige Schufterei als ebenso positive wie erreichbare
Zukunftsvision zu etablieren: <em>Das</em> wäre der nichtautoritäre Umgang mit
dem weltweiten Rechtsruck.</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="geas" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>Bevor ihr das Akronym GEAS in der Öffentlichkeit so
expandiert, guckt lieber nochmal nach, wie die ErfinderInnen das
übersetzen.</td></tr>
</tbody>
</table>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="wwi" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id2">[2]</a></td><td>Wobei damals die Spätfolgen der schockierenden Knochenmühlen
des ersten Weltkriegs die Sache sicher nochmal deutlich schlimmer
machten. Allerdings: Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass so ab zwei,
drei Kelvin Klimaerwärmung in unserer Welt Knochenmühlen anlaufen
werden, für die selbst die des ersten Weltkriegs nur als Präludium
durchgingen. Der milliardenfache Tod in Dennis Meadows' Modellen –
von denen einzelne ja <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/und-nochmal-postwachstum-von-friedrichstadt-zu-isnogud.html#arma">nicht weit von der Realität entfernt</a> zu
liegen scheinen – wird sich außerhalb der Simulation für
wahrscheinlich alle Zeitgenossen nicht schön anfühlen. Selbst für uns
Reiche.</td></tr>
</tbody>
</table>
</div>
Unbesungener Held: Der Verkehrsberuhiger Otto Wicht2024-01-14T06:00:00+01:002024-01-14T06:00:00+01:00Anselmtag:blog.tfiu.de,2024-01-14:/unbesungener-held-der-verkehrsberuhiger-otto-wicht.html<div class="centerfig figure">
<img alt="Stadtszene mit Klinkerhäusern, vor denen Sträucher und Bäume stehen. Dazwischen ein Weg, auf dem ein paar Leute laufen." src="/media/2024/2022-husum-wohnstrasse.jpeg" />
<p class="caption">Was alles geht, wenn Städte für Menschen und nicht für Autos gebaut
werden: eine Straße als Garten in Husum, 2022. Otto Wicht hat
den ersten Schritt in diese Richtung getan.</p>
</div>
<p>Im Deutschlandfunk-<a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/kalenderblatt-100.html?drsearch:date=2023-11-14">Kalenderblatt vom 14.11.2023</a> habe ich zum ersten
Mal von einem Menschen gehört, der ungezählte Menschenleben gerettet und
ungezählte weitere im ganz großen Stil angenehmer gemacht hat: Otto
Wicht, Stadtbaurat in Buxtehude<a class="footnote-reference" href="#namen" id="id1">[1]</a>. Er hatte vierzig Jahre
zuvor, am 14. November 1983, im Herzen der Bestie – in dem Land, in dem
<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/geschichte-carl-benz-bei-wilhelm-i.html">das ganze Elend anfing</a> – die ersten Blumenkübel auf der Konopkastraße
aufstellen lassen, um Autos auf wenigstens entfernt menschenverträgliche
Geschwindigkeit einzubremsen.</p>
<blockquote class="pull-quote">
<p>Herbst 1983. Buxtehudes Autofahrer sind genervt. Plötzlich stehen mal
rechts, mal links, kreisrunde Blumenkübel am Fahrbahnrand. Es geht
darum, langsamer zu fahren.</p>
<p>Die niedersächsische Stadt hat am vierzehnten November 1983 die
bundesweit erste Tempo-dreißig-Zone eingeführt. [...]</p>
<p>Die umfunktionierten Betonringe sind eigentlich für den Bau von
Kanalisationsleitungen gedacht und werden nach den ersten Unfällen mit
Katzenaugen, später mit rot-weißen Verkehrsbaken nachgerüstet.</p>
</blockquote>
<p>Aber hört euch den <a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/kalenderblatt-100.html?drsearch:date=2023-11-14">ganzen Beitrag</a> an; spektakulär finde ich ja vor
allem die indignierten Schimpftiraden von AutofahrerInnen, die sich
augenscheinlich in ein Grundrecht auf Rumrasen, auf Krach machen,
stinken, Menschen verscheuchen, hineindeliriert haben. „Der Verkehr
muss doch fließen,“ lässt sich eine vernehmen, als seien Autos „der
Verkehr“ und als sei es irgendwie akzeptabel, tonnenweise Stahl mit 15
Metern <em>pro Sekunde</em> gerade mal einen Meter neben ziemlich weichen
Zielen durch die Gegend zu ballern.</p>
<p>Na ja: ich gebe zu, dass Ansichten dieser Art auch vierzig Jahre nach
Otto Wichts großem ersten Schritt noch in manchen Köpfen herumspuken.
Der DLF-Beitrag lässt ahnen, dass <em>diese</em> Zeitenwende alles andere als
einfach war, selbst wenn sich inzwischen sogar ein CDU-Stadtrat – für
seine Verhältnisse – einsichtig zeigt und eher kopfschüttelnd
zurückblickt auf seine Sprüche aus den Achtzigern:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Und deswegen haben wir immer gesagt, Herr Wicht, Herr Wicht, die Stadt
ist dicht, wenn der Verkehr zum Stocken kam, ne?</blockquote>
<p>Tja: Schon wieder dieser „Verkehr“, der da stockt. Und nicht etwa im
Wesentlichen Blechkäfige von Menschen, die mit hinreichend Empathie mit
ihrer Umwelt Fahrrad gefahren und dann auch kein Stau wären.</p>
<p>An Wichts HeldInnen-Status nagt im Übrigen auch nicht, dass
Verkehrsberuhigung damals in der Luft lag:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Kurz nach den Norddeutschen zogen Berlin-Moabit, Ingolstadt und Mainz,
das ostwestfälische Borgentreich und das schwäbische Esslingen nach.</blockquote>
<p>Auch in Fällen von Zeitgeist braucht es schlicht Menschen, die den
ersten Schritt tun und dafür dann die Flak der (in diesem Fall)
Autofahrenden abbekommen, ohne auf „aber dort hat das doch prima
funktioniert“ verweisen zu können.</p>
<p>Obwohl Wicht so viele Menschen und Nerven gerettet hat und dafür
haufenweise Hass aus der Klientel abbekommen hat, die heute in den
schwelenden Resten von Twitter herumschimpft, hat er im Augenblick
nicht mal eine Wikipedia-Seite. Ich sollte mich <em>wirklich</em> überwinden
und eine schreiben, vielleicht auf der Basis <a class="reference external" href="https://www.tageblatt-trauer.de/nachruf/wicht/41533653?from_mobile=1">dieses Nachrufs</a> mit ein
wenig Ausschmückung aus <a class="reference external" href="https://www.kreiszeitung-wochenblatt.de/buxtehude/c-politik/buxtehudes-ex-stadtbaurat-otto-wicht-ist-gestorben_a59438">jenem</a>. Oder findet sich vielleicht einE
routinierteR WikipedianerIn, um einem großen Diener von Staat <em>und</em>
Bevölkerung ein kleines Denkmal zu setzen?</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="namen" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>Ich wittere schon wieder den Weltgeist am Werk, wenn bei
epochale Ereignissen (nein, absolut keine Ironie hier) wie
Verkehrsberuhigung Namen wie Buxtehude und Wicht eine zentrale Rolle
spielen.</td></tr>
</tbody>
</table>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Stadtszene mit Klinkerhäusern, vor denen Sträucher und Bäume stehen. Dazwischen ein Weg, auf dem ein paar Leute laufen." src="/media/2024/2022-husum-wohnstrasse.jpeg" />
<p class="caption">Was alles geht, wenn Städte für Menschen und nicht für Autos gebaut
werden: eine Straße als Garten in Husum, 2022. Otto Wicht hat
den ersten Schritt in diese Richtung getan.</p>
</div>
<p>Im Deutschlandfunk-<a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/kalenderblatt-100.html?drsearch:date=2023-11-14">Kalenderblatt vom 14.11.2023</a> habe ich zum ersten
Mal von einem Menschen gehört, der ungezählte Menschenleben gerettet und
ungezählte weitere im ganz großen Stil angenehmer gemacht hat: Otto
Wicht, Stadtbaurat in Buxtehude<a class="footnote-reference" href="#namen" id="id1">[1]</a>. Er hatte vierzig Jahre
zuvor, am 14. November 1983, im Herzen der Bestie – in dem Land, in dem
<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/geschichte-carl-benz-bei-wilhelm-i.html">das ganze Elend anfing</a> – die ersten Blumenkübel auf der Konopkastraße
aufstellen lassen, um Autos auf wenigstens entfernt menschenverträgliche
Geschwindigkeit einzubremsen.</p>
<blockquote class="pull-quote">
<p>Herbst 1983. Buxtehudes Autofahrer sind genervt. Plötzlich stehen mal
rechts, mal links, kreisrunde Blumenkübel am Fahrbahnrand. Es geht
darum, langsamer zu fahren.</p>
<p>Die niedersächsische Stadt hat am vierzehnten November 1983 die
bundesweit erste Tempo-dreißig-Zone eingeführt. [...]</p>
<p>Die umfunktionierten Betonringe sind eigentlich für den Bau von
Kanalisationsleitungen gedacht und werden nach den ersten Unfällen mit
Katzenaugen, später mit rot-weißen Verkehrsbaken nachgerüstet.</p>
</blockquote>
<p>Aber hört euch den <a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/kalenderblatt-100.html?drsearch:date=2023-11-14">ganzen Beitrag</a> an; spektakulär finde ich ja vor
allem die indignierten Schimpftiraden von AutofahrerInnen, die sich
augenscheinlich in ein Grundrecht auf Rumrasen, auf Krach machen,
stinken, Menschen verscheuchen, hineindeliriert haben. „Der Verkehr
muss doch fließen,“ lässt sich eine vernehmen, als seien Autos „der
Verkehr“ und als sei es irgendwie akzeptabel, tonnenweise Stahl mit 15
Metern <em>pro Sekunde</em> gerade mal einen Meter neben ziemlich weichen
Zielen durch die Gegend zu ballern.</p>
<p>Na ja: ich gebe zu, dass Ansichten dieser Art auch vierzig Jahre nach
Otto Wichts großem ersten Schritt noch in manchen Köpfen herumspuken.
Der DLF-Beitrag lässt ahnen, dass <em>diese</em> Zeitenwende alles andere als
einfach war, selbst wenn sich inzwischen sogar ein CDU-Stadtrat – für
seine Verhältnisse – einsichtig zeigt und eher kopfschüttelnd
zurückblickt auf seine Sprüche aus den Achtzigern:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Und deswegen haben wir immer gesagt, Herr Wicht, Herr Wicht, die Stadt
ist dicht, wenn der Verkehr zum Stocken kam, ne?</blockquote>
<p>Tja: Schon wieder dieser „Verkehr“, der da stockt. Und nicht etwa im
Wesentlichen Blechkäfige von Menschen, die mit hinreichend Empathie mit
ihrer Umwelt Fahrrad gefahren und dann auch kein Stau wären.</p>
<p>An Wichts HeldInnen-Status nagt im Übrigen auch nicht, dass
Verkehrsberuhigung damals in der Luft lag:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Kurz nach den Norddeutschen zogen Berlin-Moabit, Ingolstadt und Mainz,
das ostwestfälische Borgentreich und das schwäbische Esslingen nach.</blockquote>
<p>Auch in Fällen von Zeitgeist braucht es schlicht Menschen, die den
ersten Schritt tun und dafür dann die Flak der (in diesem Fall)
Autofahrenden abbekommen, ohne auf „aber dort hat das doch prima
funktioniert“ verweisen zu können.</p>
<p>Obwohl Wicht so viele Menschen und Nerven gerettet hat und dafür
haufenweise Hass aus der Klientel abbekommen hat, die heute in den
schwelenden Resten von Twitter herumschimpft, hat er im Augenblick
nicht mal eine Wikipedia-Seite. Ich sollte mich <em>wirklich</em> überwinden
und eine schreiben, vielleicht auf der Basis <a class="reference external" href="https://www.tageblatt-trauer.de/nachruf/wicht/41533653?from_mobile=1">dieses Nachrufs</a> mit ein
wenig Ausschmückung aus <a class="reference external" href="https://www.kreiszeitung-wochenblatt.de/buxtehude/c-politik/buxtehudes-ex-stadtbaurat-otto-wicht-ist-gestorben_a59438">jenem</a>. Oder findet sich vielleicht einE
routinierteR WikipedianerIn, um einem großen Diener von Staat <em>und</em>
Bevölkerung ein kleines Denkmal zu setzen?</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="namen" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>Ich wittere schon wieder den Weltgeist am Werk, wenn bei
epochale Ereignissen (nein, absolut keine Ironie hier) wie
Verkehrsberuhigung Namen wie Buxtehude und Wicht eine zentrale Rolle
spielen.</td></tr>
</tbody>
</table>
Feiertage in Baden-Württemberg für die Terminverwaltung remind2024-01-13T17:00:00+01:002024-01-13T17:00:00+01:00Anselmtag:blog.tfiu.de,2024-01-13:/feiertage-in-baden-wurttemberg-fur-die-terminverwaltung-remind.html<div class="centerfig figure">
<img alt="Screenshot eines Terminals mit blauem Hintergrund. Gezeigt ist die Kommandozeile remind -cu+2 ~/.reminders 2024-03-24 und ein ASCII-Kalender, in dem Karfreitag und Ostermontag markiert sind." src="/media/2024/remind-calendar.png" />
<p class="caption">Gut: In der Realität sehe ich meinen remind-Kalender meist als
Tk-Widget oder in HTML, aber im Zweifel geht auch ASCII, etwa, wenn
ich wie jetzt meine Feiertage vorführen will.</p>
</div>
<p>Als ich neulich <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/openssl-syslog-and-unexpected-consequences-of-usrmerge-upgrading-to-bookworm.html">zu Debian bookworm migriert</a> bin, musste ich mich
endlich vom GPE-Kalender<a class="footnote-reference" href="#gpe" id="id1">[1]</a> verabschieden, weil er nach langen
Jahren als verwaistes Paket schließlich doch noch einen Konflikt mit was
Wichtigem eingefangen hat. Es war aber ohnehin höchste Zeit, für die
Terminverwaltung zu etwas Sinnvollerem zu migrieren. In meinem Fall:
<a class="reference external" href="https://dianne.skoll.ca/projects/remind/">remind</a>. Das nun fühlt sich – zusammen mit tkremind (auch
Debian-paketiert) und einem:</p>
<pre class="literal-block">
reminders = subprocess.run(["remind", "-pp", "-c+3",
"/home/msdemlei/.reminders"],
capture_output=True).stdout
reminders_html = subprocess.run(["rem2html", "-tableonly"],
capture_output=True, input=reminders).stdout
</pre>
<p>in dem Python-Skript, das mir meine tägliche Zusammenfassung in HTML
produziert – so an, als könnte das für die nächsten 20 Jahre halten.</p>
<p>Mit diesem Gefühl wollte ich nun endlich die Anzeige von Feiertagen
konfigurieren, etwas, das ich mit dem GPE-Kalender bis zu dessen
bitterem Ende Jahr um Jahr prokrastiniert habe. Allein, zu einer
Anfrage <tt class="docutils literal">"remind" Feiertage <span class="pre">"Baden-Württemberg"</span></tt> ist weder Google noch
Duckduckgo etwas Brauchbares eingefallen.</p>
<p>Um das zu ändern, schreibe ich diesen Post. Und zwar habe ich gerade
die folgende remind-Datei mit den gesetzlichen Feiertagen in
Baden-Württemberg geschrieben:</p>
<pre class="literal-block">
# Feiertage in Baden-Württemberg (Stand 2024)
#
# Verteilt unter CC0.
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM Jan 6 MSG Epiphania
REM May 1 MSG Kampftag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Nov 1 MSG Allerheiligen
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM [ostern-2] Karfreitag
REM [ostern+1] Ostermontag
REM [ostern+39] Himmelfahrt
REM [ostern+50] Pfingstmontag
REM [ostern+60] Fronleichnam
</pre>
<p>Mit wenig Mühe sollte das auf die Verhältnisse in anderen Bundesländern
anzupassen sein. Wer das tut, darf die Ergebnisse gerne
hierherschicken. Als großer Freund des Feiertags an und für sich würde
ich hier sehr gerne ein Repositorium von Feiertagsdateien pflegen.</p>
<p>Wie verwende ich das? Nun, ich habe ein Verzeichnis für allerlei
Kram, der längere Zeit <em>irgendwo</em> in meinem Home sein soll, aber nicht
gerade in dessen Wurzel: <tt class="docutils literal">~/misc</tt>. Dort leben jetzt auch diese
Feiertage als <tt class="docutils literal">bawue.rem</tt>.</p>
<p>Die eigentlichen Termine habe ich – wie aus dem Python oben schon ahnbar
und mit großem Vergnügen <a class="reference external" href="https://specifications.freedesktop.org/basedir-spec/basedir-spec-latest.html">XDG</a>-unkonform – in einer Datei
<tt class="docutils literal"><span class="pre">~/.reminders</span></tt>. Und dort steht jetzt bei mir:</p>
<pre class="literal-block">
INCLUDE /usr/share/remind/lang/de.rem
DO misc/bawue.rem
</pre>
<p>Die erste Zeile macht deutschsprachige Beschriftung, das <tt class="docutils literal">DO</tt> (statt
include) in der zweiten Zeile ist wichtig, damit remind den Pfad relativ
zum Pfad der reminders-Datei auflöst.</p>
<p>Und damit werde ich nie wieder dienstliche Termine auf Feiertage legen.
So.</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="gpe" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>GPE steht hier für das längst vergessene <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/GPE%20Palmtop%20Environment">GPE Palmtop
Environment</a>; demnach roch auch der GPE-Kalender schon seit einem
Jahrzehnt ziemlich streng.</td></tr>
</tbody>
</table>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Screenshot eines Terminals mit blauem Hintergrund. Gezeigt ist die Kommandozeile remind -cu+2 ~/.reminders 2024-03-24 und ein ASCII-Kalender, in dem Karfreitag und Ostermontag markiert sind." src="/media/2024/remind-calendar.png" />
<p class="caption">Gut: In der Realität sehe ich meinen remind-Kalender meist als
Tk-Widget oder in HTML, aber im Zweifel geht auch ASCII, etwa, wenn
ich wie jetzt meine Feiertage vorführen will.</p>
</div>
<p>Als ich neulich <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/openssl-syslog-and-unexpected-consequences-of-usrmerge-upgrading-to-bookworm.html">zu Debian bookworm migriert</a> bin, musste ich mich
endlich vom GPE-Kalender<a class="footnote-reference" href="#gpe" id="id1">[1]</a> verabschieden, weil er nach langen
Jahren als verwaistes Paket schließlich doch noch einen Konflikt mit was
Wichtigem eingefangen hat. Es war aber ohnehin höchste Zeit, für die
Terminverwaltung zu etwas Sinnvollerem zu migrieren. In meinem Fall:
<a class="reference external" href="https://dianne.skoll.ca/projects/remind/">remind</a>. Das nun fühlt sich – zusammen mit tkremind (auch
Debian-paketiert) und einem:</p>
<pre class="literal-block">
reminders = subprocess.run(["remind", "-pp", "-c+3",
"/home/msdemlei/.reminders"],
capture_output=True).stdout
reminders_html = subprocess.run(["rem2html", "-tableonly"],
capture_output=True, input=reminders).stdout
</pre>
<p>in dem Python-Skript, das mir meine tägliche Zusammenfassung in HTML
produziert – so an, als könnte das für die nächsten 20 Jahre halten.</p>
<p>Mit diesem Gefühl wollte ich nun endlich die Anzeige von Feiertagen
konfigurieren, etwas, das ich mit dem GPE-Kalender bis zu dessen
bitterem Ende Jahr um Jahr prokrastiniert habe. Allein, zu einer
Anfrage <tt class="docutils literal">"remind" Feiertage <span class="pre">"Baden-Württemberg"</span></tt> ist weder Google noch
Duckduckgo etwas Brauchbares eingefallen.</p>
<p>Um das zu ändern, schreibe ich diesen Post. Und zwar habe ich gerade
die folgende remind-Datei mit den gesetzlichen Feiertagen in
Baden-Württemberg geschrieben:</p>
<pre class="literal-block">
# Feiertage in Baden-Württemberg (Stand 2024)
#
# Verteilt unter CC0.
SET ostern EASTERDATE($Uy)
REM Jan 1 MSG Neujahr
REM Jan 6 MSG Epiphania
REM May 1 MSG Kampftag
REM Oct 3 MSG Nationalfeiertag
REM Nov 1 MSG Allerheiligen
REM Dec 25 MSG Weihnachten 1
REM Dec 26 MSG Weihnachten 2
REM [ostern-2] Karfreitag
REM [ostern+1] Ostermontag
REM [ostern+39] Himmelfahrt
REM [ostern+50] Pfingstmontag
REM [ostern+60] Fronleichnam
</pre>
<p>Mit wenig Mühe sollte das auf die Verhältnisse in anderen Bundesländern
anzupassen sein. Wer das tut, darf die Ergebnisse gerne
hierherschicken. Als großer Freund des Feiertags an und für sich würde
ich hier sehr gerne ein Repositorium von Feiertagsdateien pflegen.</p>
<p>Wie verwende ich das? Nun, ich habe ein Verzeichnis für allerlei
Kram, der längere Zeit <em>irgendwo</em> in meinem Home sein soll, aber nicht
gerade in dessen Wurzel: <tt class="docutils literal">~/misc</tt>. Dort leben jetzt auch diese
Feiertage als <tt class="docutils literal">bawue.rem</tt>.</p>
<p>Die eigentlichen Termine habe ich – wie aus dem Python oben schon ahnbar
und mit großem Vergnügen <a class="reference external" href="https://specifications.freedesktop.org/basedir-spec/basedir-spec-latest.html">XDG</a>-unkonform – in einer Datei
<tt class="docutils literal"><span class="pre">~/.reminders</span></tt>. Und dort steht jetzt bei mir:</p>
<pre class="literal-block">
INCLUDE /usr/share/remind/lang/de.rem
DO misc/bawue.rem
</pre>
<p>Die erste Zeile macht deutschsprachige Beschriftung, das <tt class="docutils literal">DO</tt> (statt
include) in der zweiten Zeile ist wichtig, damit remind den Pfad relativ
zum Pfad der reminders-Datei auflöst.</p>
<p>Und damit werde ich nie wieder dienstliche Termine auf Feiertage legen.
So.</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="gpe" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>GPE steht hier für das längst vergessene <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/GPE%20Palmtop%20Environment">GPE Palmtop
Environment</a>; demnach roch auch der GPE-Kalender schon seit einem
Jahrzehnt ziemlich streng.</td></tr>
</tbody>
</table>
„Rohstoffe in Deutschland“ im Karlsruher Naturkundemuseum2024-01-06T12:00:00+01:002024-01-06T12:00:00+01:00Anselmtag:blog.tfiu.de,2024-01-06:/rohstoffe-in-deutschland-im-karlsruher-naturkundemuseum.html<div class="centerfig figure">
<img alt="Ein ziemlich großer Eimer mit Bruchsteinen drin, auf einem orangen Podest mit der Aufforderung, seinen täglichen Rohstoffverbrauch anzuheben." src="/media/2024/brd-rohstoffverbrauch.jpeg" />
<p class="caption">Überzeugende Museumspädagogik in der Rohstoff-Ausstellung im
Naturkundemuseum Karlsruhe: für unseren Konsum<a class="footnote-reference" href="#jaja" id="id1">[1]</a> wird jeden
Tag <em>pro Nase</em> insgesamt 32 kg Zeug aus der Erde geholt. Bei diesem
Exponat kann mensch auf eigene Gefahr versuchen, das anzuheben.</p>
</div>
<p>Zu den Museen, die ich mehr oder minder dank meines <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/pages/museumspass.html">Museumspasses</a> im
vergangenen Jahr des Öfteren besucht habe, gehört das <a class="reference external" href="http://www.smnk.de/">Naturundemuseum
Karlsruhe</a>. Wenn ich zwei Highlights nennen müsste: der
Erdbebensimulator ist immer wieder ein Erlebnis, und die Dioramen, in
denen ausgestopfte Tiere in idealisierten Ökosystemen arrangiert sind,
sind gleichzeitig was fürs Auge und gerade richtig angestaubt für ruhige
Kontemplation in Zeiten, in denen ohne Knöpfe und Beamer gar <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/wenn-die-barbarei-im-wortsinn-vor-der-haustur-liegt.html">nichts
mehr zu gehen scheint</a>.</p>
<p>Derzeit finden obendrein zwei ziemlich lohnende Sonderausstellungen statt.
Da ist erstens „<a class="reference external" href="https://von-sinnen.com/de/start">Von Sinnen</a>“ über die Wahrnehmungen von allerlei
Organismen. Diese Ausstellung ist allerdings demnächst vorbei. Sollte
sie nochmal woanders gezeigt werden, lasst sie euch nicht entgehen,
schon allein, weil sie zeigt, wie gut ein Design funktionieren kann, das
wahrnehungseingeschränkte Menschen mitnehmen will (und wahrscheinlich
auch mitnimmt).</p>
<p>Noch bis April läuft dagegen „<a class="reference external" href="https://www.smnk.de/ausstellungen/sonderausstellungen/deutschlands-bodenschaetze/">Deutschlands Bodenschätze</a>“, eine kleine
Ausstellung, in der ich erschreckend viel Zeit verbracht habe, etwa in
Betrachtung einer der <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Manganknollen">Manganknollen</a>, die schon seit meiner Kindheit
regelmäßig als Versprechen für hunderte weitere Jahre munteren
Extraktivismus' gehandelt werden:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Eine Art Stein mit vielen Gnubbeln drauf." src="/media/2024/manganknolle.jpeg" />
<p class="caption">Manganknolle aus der Ausstellung „Deutschlands Rohstoffe“ mit der
Beschriftung: „aus dem deutschen Lizenzgebiet bei 117° West/11° 50'
Nord aus 4.100 m Wassertiefe.“</p>
</div>
<p>Da Manganknollen ja typischerweise vom Boden des Roten Meers oder (wie
hier) der <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Clarion-Clipperton-Zone">Clarion-Clipperton-Zone</a><a class="footnote-reference" href="#merken" id="id2">[2]</a> gekratzt werden,
erschließt sich auch gleich, dass das „Deutschland“ im Ausstellungstitel
eher bedeutet „was <em>wir</em> für unsere Wachstumsorgie verschleudern“ als das
durch den Genitiv vielleicht naheliegendere „was unter dem von unserer
Regierung kontrollierten Gebiet liegt“.</p>
<blockquote class="display-pull">
Die Verheerungen von Einfamilienhaus-, Neu- und
Straßenbau</blockquote>
<p>Genau in diesem Sinn ist auch das ganz oben illustrierte Exponat zu
verstehen: Ein Eimer mit einigen Steinen drin, den mensch anheben kann
(oder vielleicht auch nicht). Die 32 kg, die der Eimer wiegt, sind eine
plausible Quantifizierung des Anteils jedes/r BundesbürgerIn an dem, was
die Menschheit in ihrem Produktionsrausch so aus der Erde rauswühlt.
Und zwar Tag für Tag für Tag.</p>
<p>Das mal für einen Moment tatsächlich zu tragen ist durchaus
beeindruckend und vor allem instruktiv. Die Alltagserfahrung, also
sagen wir, der Kram, den wir in die Mülltonne kippen, ist tatsächlich
nur ein kleiner Teil dieser 32 kg. So mag das Heben dieses überraschend
schweren Eimers ein Bewusstsein dafür wecken, welche Verheerungen gerade
auch unsere Einfamilienhaus-, Neu- und Straßenbauwirtschaft anrichtet.</p>
<p>Weit weniger konsumkritisch wirkte bei mir der ebenfalls durch hebbare
Exponate illustrierte Dichteunterschied zwischen Magnesium, Alu und
Stahl. Ich muss mich leider öffentlich zum wenig nachhaltigen Gedanken
bekennen: „Mein nächster Computer sollte aber wirklich ein
Magnesiumgehäuse haben“.</p>
<p>Das wiederum führt relativ zwanglos in die Rubrik „warum schießen denn
all die Leute im globalen Süden auf uns und unsere Freunde, die sie doch
nur befreien wollen?“<a class="footnote-reference" href="#haben" id="id3">[3]</a> In diese passt eine per Touchscreen
entdeckbare Infografik der Rohstoff-Ausstellung:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Infografik mit sichtbaren LCD-Pixeln: 69.2 Autos pro Mensch in der BRD, 0.3 in Guinea, dazu der Text: „Das in der deutschen Autoindustrie eingesetzte Bauxit kommt hauptsächlich aus Guinea“." src="/media/2024/fahrzeuge-guinea.jpeg" />
</div>
<p>Diese Grafik findet sich auch in der wirklich gut gemachten Broschüre
„<a class="reference external" href="https://ak-rohstoffe.de/wp-content/uploads/2020/05/Rohstoffwende.pdf">Argumente für eine Rohstoffwende</a>“ des <a class="reference external" href="https://ak-rohstoffe.de/ueber-uns/">AK Rohstoffe</a> etlicher
deutscher NGOs wieder. Guckt euch das mal an, auch wenn ihr nicht in
die Karlsruher Ausstellung kommt. Wer danach immer noch meint, wir
sollten mal ordentlich grünes Wachstum machen, hat nicht nur ein stark
aus der Balance geratenes Hirn-Hintern-Gleichgewicht, sondern dazu noch
kein ohne aufwändige Bildgebung feststellbares Herz.</p>
<p>Mein Herz (zu dem Autofeindschaft allzeit leicht Zugang findet)
jedenfalls hat die Broschüre spätestens auf Seite 9 erobert:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Mehr als 46 Milliarden Liter Benzin und Diesel verbrauchten Pkw in
Deutschland im Jahr 2017. Eine reine Antriebswende würde diesen
Verbrauch zwar reduzieren, aber auf Kosten eines Mehrverbrauchs von
Metallen und Mineralen. Stattdessen wäre es wichtig, die Gesamtzahl
der 47 Millionen zugelassenen Pkw in Deutschland deutlich zu
reduzieren. Statt einer Antriebswende brauchen wir eine
Mobilitätswende.</blockquote>
<p>[also gut: <em>nur</em> die „Mobilität“ zu wenden wird jetzt das
<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/und-nochmal-postwachstum-von-friedrichstadt-zu-isnogud.html#arma">Meadows-Szenario</a> auch nicht bannen – aber trotzdem ist das schön
gesagt].</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="jaja" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>Jaja, ich weiß, das passiert nicht in erster Linie „für den
Konsum“, sondern um „Geld zu verdienen“. Der Unterschied ist
tatsächlich ziemlich relevant, denn das hier ist bestimmt keine
Verzichtspredigt. Wenn ich schon predige, dann Befreiung: <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/antisprache-arbeitsplatze.html">Besser
leben mit weniger Dreck</a>.</td></tr>
</tbody>
</table>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="merken" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id2">[2]</a></td><td>Ich sage mutig voraus, dass, wenn die Dinge weitergehen, wie sie
bisher verlaufen sind, ihr in den nächsten Jahrzehnten regelmäßig von
der CCZ in den Nachrichten hören werdet; insofern lohnt es sich
wahrscheinlich, sich die Bezeichnung schon mal zu merken.</td></tr>
</tbody>
</table>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="haben" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id3">[3]</a></td><td><p class="first">Ah, „<em>haben</em> geschossen“ sollte ich hier zutreffender
schreiben. Jetzt gerade zählt die <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Auslandseins%C3%A4tze_der_Bundeswehr">einschlägige Wikipedia-Seite</a> nur
noch rund 1000 schießbereite BundeswehrlerInnen im globalen Süden,
wozu ich großzügig auch die <a class="reference external" href="https://www.jungewelt.de/artikel/448570.bosnien-und-herzegowina-demo-gegen-hohen-repr%C3%A4sentanten-schmidt.html?sstr=Christian%7CSchmidt">quasikolonial verwalteten</a> (<a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/hoher-repraesentant-schmidt-zu-konflikt-in-bosnien-herzegowina-100.html">vgl</a>) Länder
Kosovo und Bosnien-Herzegowina sowie die Fluchtkontrolle im
Mittelmeer zähle.</p>
<p class="last">Ich vermute sehr stark, dass wir nach der Metrik „deutsche Soldaten im
Krieg“ gegenwärtig in der friedlichsten Zeit seit 1996 leben. Damals
nämlich ist die Bundeswehr mit 2600 SoldatInnen zur <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Peace_Implementation_Forces">IFOR</a>-Operation nach
Bosnien-Herzegowina gezogen, und seitdem war zwischen Mali und Hindukusch
durchweg irgendwas, bei dem die verschiedenen Regierungen mit Tarnfleck,
Gewehr und der gelegentlichen Bombe in größerem Stil mitmischen
wollten.</p>
</td></tr>
</tbody>
</table>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Ein ziemlich großer Eimer mit Bruchsteinen drin, auf einem orangen Podest mit der Aufforderung, seinen täglichen Rohstoffverbrauch anzuheben." src="/media/2024/brd-rohstoffverbrauch.jpeg" />
<p class="caption">Überzeugende Museumspädagogik in der Rohstoff-Ausstellung im
Naturkundemuseum Karlsruhe: für unseren Konsum<a class="footnote-reference" href="#jaja" id="id1">[1]</a> wird jeden
Tag <em>pro Nase</em> insgesamt 32 kg Zeug aus der Erde geholt. Bei diesem
Exponat kann mensch auf eigene Gefahr versuchen, das anzuheben.</p>
</div>
<p>Zu den Museen, die ich mehr oder minder dank meines <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/pages/museumspass.html">Museumspasses</a> im
vergangenen Jahr des Öfteren besucht habe, gehört das <a class="reference external" href="http://www.smnk.de/">Naturundemuseum
Karlsruhe</a>. Wenn ich zwei Highlights nennen müsste: der
Erdbebensimulator ist immer wieder ein Erlebnis, und die Dioramen, in
denen ausgestopfte Tiere in idealisierten Ökosystemen arrangiert sind,
sind gleichzeitig was fürs Auge und gerade richtig angestaubt für ruhige
Kontemplation in Zeiten, in denen ohne Knöpfe und Beamer gar <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/wenn-die-barbarei-im-wortsinn-vor-der-haustur-liegt.html">nichts
mehr zu gehen scheint</a>.</p>
<p>Derzeit finden obendrein zwei ziemlich lohnende Sonderausstellungen statt.
Da ist erstens „<a class="reference external" href="https://von-sinnen.com/de/start">Von Sinnen</a>“ über die Wahrnehmungen von allerlei
Organismen. Diese Ausstellung ist allerdings demnächst vorbei. Sollte
sie nochmal woanders gezeigt werden, lasst sie euch nicht entgehen,
schon allein, weil sie zeigt, wie gut ein Design funktionieren kann, das
wahrnehungseingeschränkte Menschen mitnehmen will (und wahrscheinlich
auch mitnimmt).</p>
<p>Noch bis April läuft dagegen „<a class="reference external" href="https://www.smnk.de/ausstellungen/sonderausstellungen/deutschlands-bodenschaetze/">Deutschlands Bodenschätze</a>“, eine kleine
Ausstellung, in der ich erschreckend viel Zeit verbracht habe, etwa in
Betrachtung einer der <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Manganknollen">Manganknollen</a>, die schon seit meiner Kindheit
regelmäßig als Versprechen für hunderte weitere Jahre munteren
Extraktivismus' gehandelt werden:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Eine Art Stein mit vielen Gnubbeln drauf." src="/media/2024/manganknolle.jpeg" />
<p class="caption">Manganknolle aus der Ausstellung „Deutschlands Rohstoffe“ mit der
Beschriftung: „aus dem deutschen Lizenzgebiet bei 117° West/11° 50'
Nord aus 4.100 m Wassertiefe.“</p>
</div>
<p>Da Manganknollen ja typischerweise vom Boden des Roten Meers oder (wie
hier) der <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Clarion-Clipperton-Zone">Clarion-Clipperton-Zone</a><a class="footnote-reference" href="#merken" id="id2">[2]</a> gekratzt werden,
erschließt sich auch gleich, dass das „Deutschland“ im Ausstellungstitel
eher bedeutet „was <em>wir</em> für unsere Wachstumsorgie verschleudern“ als das
durch den Genitiv vielleicht naheliegendere „was unter dem von unserer
Regierung kontrollierten Gebiet liegt“.</p>
<blockquote class="display-pull">
Die Verheerungen von Einfamilienhaus-, Neu- und
Straßenbau</blockquote>
<p>Genau in diesem Sinn ist auch das ganz oben illustrierte Exponat zu
verstehen: Ein Eimer mit einigen Steinen drin, den mensch anheben kann
(oder vielleicht auch nicht). Die 32 kg, die der Eimer wiegt, sind eine
plausible Quantifizierung des Anteils jedes/r BundesbürgerIn an dem, was
die Menschheit in ihrem Produktionsrausch so aus der Erde rauswühlt.
Und zwar Tag für Tag für Tag.</p>
<p>Das mal für einen Moment tatsächlich zu tragen ist durchaus
beeindruckend und vor allem instruktiv. Die Alltagserfahrung, also
sagen wir, der Kram, den wir in die Mülltonne kippen, ist tatsächlich
nur ein kleiner Teil dieser 32 kg. So mag das Heben dieses überraschend
schweren Eimers ein Bewusstsein dafür wecken, welche Verheerungen gerade
auch unsere Einfamilienhaus-, Neu- und Straßenbauwirtschaft anrichtet.</p>
<p>Weit weniger konsumkritisch wirkte bei mir der ebenfalls durch hebbare
Exponate illustrierte Dichteunterschied zwischen Magnesium, Alu und
Stahl. Ich muss mich leider öffentlich zum wenig nachhaltigen Gedanken
bekennen: „Mein nächster Computer sollte aber wirklich ein
Magnesiumgehäuse haben“.</p>
<p>Das wiederum führt relativ zwanglos in die Rubrik „warum schießen denn
all die Leute im globalen Süden auf uns und unsere Freunde, die sie doch
nur befreien wollen?“<a class="footnote-reference" href="#haben" id="id3">[3]</a> In diese passt eine per Touchscreen
entdeckbare Infografik der Rohstoff-Ausstellung:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Infografik mit sichtbaren LCD-Pixeln: 69.2 Autos pro Mensch in der BRD, 0.3 in Guinea, dazu der Text: „Das in der deutschen Autoindustrie eingesetzte Bauxit kommt hauptsächlich aus Guinea“." src="/media/2024/fahrzeuge-guinea.jpeg" />
</div>
<p>Diese Grafik findet sich auch in der wirklich gut gemachten Broschüre
„<a class="reference external" href="https://ak-rohstoffe.de/wp-content/uploads/2020/05/Rohstoffwende.pdf">Argumente für eine Rohstoffwende</a>“ des <a class="reference external" href="https://ak-rohstoffe.de/ueber-uns/">AK Rohstoffe</a> etlicher
deutscher NGOs wieder. Guckt euch das mal an, auch wenn ihr nicht in
die Karlsruher Ausstellung kommt. Wer danach immer noch meint, wir
sollten mal ordentlich grünes Wachstum machen, hat nicht nur ein stark
aus der Balance geratenes Hirn-Hintern-Gleichgewicht, sondern dazu noch
kein ohne aufwändige Bildgebung feststellbares Herz.</p>
<p>Mein Herz (zu dem Autofeindschaft allzeit leicht Zugang findet)
jedenfalls hat die Broschüre spätestens auf Seite 9 erobert:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Mehr als 46 Milliarden Liter Benzin und Diesel verbrauchten Pkw in
Deutschland im Jahr 2017. Eine reine Antriebswende würde diesen
Verbrauch zwar reduzieren, aber auf Kosten eines Mehrverbrauchs von
Metallen und Mineralen. Stattdessen wäre es wichtig, die Gesamtzahl
der 47 Millionen zugelassenen Pkw in Deutschland deutlich zu
reduzieren. Statt einer Antriebswende brauchen wir eine
Mobilitätswende.</blockquote>
<p>[also gut: <em>nur</em> die „Mobilität“ zu wenden wird jetzt das
<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/und-nochmal-postwachstum-von-friedrichstadt-zu-isnogud.html#arma">Meadows-Szenario</a> auch nicht bannen – aber trotzdem ist das schön
gesagt].</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="jaja" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>Jaja, ich weiß, das passiert nicht in erster Linie „für den
Konsum“, sondern um „Geld zu verdienen“. Der Unterschied ist
tatsächlich ziemlich relevant, denn das hier ist bestimmt keine
Verzichtspredigt. Wenn ich schon predige, dann Befreiung: <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/antisprache-arbeitsplatze.html">Besser
leben mit weniger Dreck</a>.</td></tr>
</tbody>
</table>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="merken" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id2">[2]</a></td><td>Ich sage mutig voraus, dass, wenn die Dinge weitergehen, wie sie
bisher verlaufen sind, ihr in den nächsten Jahrzehnten regelmäßig von
der CCZ in den Nachrichten hören werdet; insofern lohnt es sich
wahrscheinlich, sich die Bezeichnung schon mal zu merken.</td></tr>
</tbody>
</table>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="haben" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id3">[3]</a></td><td><p class="first">Ah, „<em>haben</em> geschossen“ sollte ich hier zutreffender
schreiben. Jetzt gerade zählt die <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Auslandseins%C3%A4tze_der_Bundeswehr">einschlägige Wikipedia-Seite</a> nur
noch rund 1000 schießbereite BundeswehrlerInnen im globalen Süden,
wozu ich großzügig auch die <a class="reference external" href="https://www.jungewelt.de/artikel/448570.bosnien-und-herzegowina-demo-gegen-hohen-repr%C3%A4sentanten-schmidt.html?sstr=Christian%7CSchmidt">quasikolonial verwalteten</a> (<a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/hoher-repraesentant-schmidt-zu-konflikt-in-bosnien-herzegowina-100.html">vgl</a>) Länder
Kosovo und Bosnien-Herzegowina sowie die Fluchtkontrolle im
Mittelmeer zähle.</p>
<p class="last">Ich vermute sehr stark, dass wir nach der Metrik „deutsche Soldaten im
Krieg“ gegenwärtig in der friedlichsten Zeit seit 1996 leben. Damals
nämlich ist die Bundeswehr mit 2600 SoldatInnen zur <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Peace_Implementation_Forces">IFOR</a>-Operation nach
Bosnien-Herzegowina gezogen, und seitdem war zwischen Mali und Hindukusch
durchweg irgendwas, bei dem die verschiedenen Regierungen mit Tarnfleck,
Gewehr und der gelegentlichen Bombe in größerem Stil mitmischen
wollten.</p>
</td></tr>
</tbody>
</table>
Select And Merge Pages From Lots Of PDFs Using pdftk2023-12-30T10:00:00+01:002023-12-30T10:00:00+01:00Anselmtag:blog.tfiu.de,2023-12-30:/select-and-merge-pages-from-lots-of-pdfs-using-pdftk.html<p>For most of my ad-hoc PDF manipulation needs (cut and paste pages,
watermark, fill forms, attach files, decrypt, etc), I am relying on
<a class="reference external" href="https://gitlab.com/pdftk-java/pdftk">pdftk</a>: Fast, Debian-packaged (in pdftk-java), and as reliable as
expectable given the swamp of half-baked PDF writers. So, when I
recently wanted to create a joint PDF from the first pages of about 50
other PDFs, I immediately started thinking along the lines of <tt class="docutils literal">ls</tt> and
perhaps a <tt class="docutils literal">cat <span class="pre">-b</span></tt> (which would number the lines and thus files) and
then pdftk.</p>
<p>Why <tt class="docutils literal">cat <span class="pre">-b</span></tt>? Well, to do cut-and-merge with pdftk, you have to come
up with a command line like:</p>
<pre class="literal-block">
pdftk A=input1.pdf B=input2.pdf cat A1-4 B5-8 output merged.pdf
</pre>
<p>This would produce a document <tt class="docutils literal">merged.pdf</tt> from pages 1 through 4 of
<tt class="docutils literal">input1.pdf</tt> and pages 5 through 8 of <tt class="docutils literal">input2.pdf</tt>. I hence
need to produce a “handle” for each input file, for which something
containing the running number would a appear an obvious choice.</p>
<p>My initial plan had therefore been to turn lines like <tt class="docutils literal">1 foo.pdf</tt> from
<tt class="docutils literal">ls | cat <span class="pre">-b</span></tt> into <tt class="docutils literal">doc1=foo.pdf</tt> with a dash of <tt class="docutils literal">sed</tt> and go from
there. If I were more attentive than I am, I would immediately have
realised that won't fly: With handles containing digits, pdftk would
have no robust way to tell whether <tt class="docutils literal">doc12</tt> means “page 12 from doc“,
“page 2 from doc1“, or “all pages from doc12”. Indeed, pdftk's man page
says:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Input files can be associated with handles, where a handle is one or
more upper-case letters[.]</blockquote>
<p>Oh dang. I briefly meditated whether I could cook up unique sequences
of uppercase handles (remember, I had about 50 files, so just single
uppercase letters wouldn't have done it) using a few shell hacks. But I
then decided<a class="footnote-reference" href="#fool" id="id1">[1]</a> that's beyond my personal shell script limit and
calls for a more systematic programming language like, umm, python<a class="footnote-reference" href="#python" id="id2">[2]</a>.</p>
<p>The central function in the resulting little program is something that
writes integers using uppercase letters only. Days later, I can't
explain why I have not simply exploited the fact that there are a lot
more uppercase letters than there are decimal digits, and hence making
uppercase labels from integers is solvable using <tt class="docutils literal">string.translate</tt>.
A slightly overcompact rendering of that would be:</p>
<pre class="literal-block">
DIGIT_TO_LETTER = {ascii: chr(ascii+17) for ascii in range(48, 59)}
def int_to_uppercase(i):
return str(i).translate(DIGIT_TO_LETTER)
</pre>
<p>(if you don't remember the ASCII table: 48 is the ASCII code for zero,
and 48+17 is 65, which is the ASCII code for the uppercase A).</p>
<p>But that's not what I did, perhaps because of professional deformation
(cf. my <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/saner-timestamps-with-dit-in-pelican-and-beyond.html">crusade against base-60</a>). Instead, I went for a base-26
representation using uppercase letters only, just like the common
base-16 (“hex”) representation that, however, uses 0-9 and A-F and thus
is unsuitable here. With this, you would count like this (where more
signifiant “digits“ are on the right rather than on the
western-conventional left here because it doesn't matter and saves a
<tt class="docutils literal">reverse</tt>):</p>
<pre class="literal-block">
A, B, C, D..., X, Y, Z, AB, BB, CB, ... ZB, AC, BC...
0, 1, ..............25, 26, 27,....... 52, 53
</pre>
<p>I freely admit I was at first annoyed that my handles went from Z to AB
(rather than AA). It did take me longer than I care to confess here to
realise that's because A is the zero here, and just like 01 is the same
as 1 decimal<a class="footnote-reference" href="#octal" id="id3">[3]</a>, AA is equal to A (and BA equal to B) in that
system. Consequently, my function for unique handles didn't produce AA
even though I hadn't realised the problem when writing the function –
there's nothing as practical as a good theory.</p>
<p>With that function, the full ad-hoc script to pick pages one (that's
encoded in the <tt class="docutils literal"><span class="pre">f"{hdl}1"</span></tt> in case you want other page ranges) from
all files matching <tt class="docutils literal"><span class="pre">/some/dir/um*.pdf</span></tt> looks like this:</p>
<pre class="literal-block">
import glob
import os
import subprocess
def make_handle(ind):
"""returns a pdftk handle for a non-negative integer.
This is a sequence of one or more uppercase letters.
"""
hdl = []
while True:
hdl.append(chr(65+ind%26))
ind = ind//26
if not ind:
break
return "".join(hdl)
sources = [(make_handle(ind), name)
for ind, name in enumerate(sorted(glob.glob("/some/dir/um*.pdf")))]
subprocess.check_call(["pdftk"]+[f"{hdl}={name}" for hdl, name in sources]+
["cat"]+[f"{hdl}1" for hdl, _ in sources]+
["output", "output.pdf"])
</pre>
<p>Looking back, not only the massively silly base-26 handles are
unnecessarily complicated. Had I realised from the beginning I would be
using python in the end, I would
probably have gone for <a class="reference external" href="https://github.com/pmaupin/pdfrw">pdfrw</a> right away; while the complexity in terms
of Debian dependencies is roughly the same (“one over what you'll
already have”), avoiding a <tt class="docutils literal">subprocess</tt> call is almost always a win<a class="footnote-reference" href="#java" id="id4">[4]</a>.</p>
<p>But these misgivings are one reason why I wrote this post: This is a
compact illustration of the old programmers' wisdom to “Plan to throw
one away – you will anyway“. Except that for tiny little ad-hoc scripts
like this, a bit of baroque adornment and an extra process do not hurt
and the code above ought to work just fine if you need to produce a PDF
document from some fixed page range of a few dozen or hundred other PDF
documents.</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="fool" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>Decided foolishly, by the way, as <tt class="docutils literal">tr 0123456789 ABCDEFGHIJ</tt>
immediately turns a sequence of distinct integers into a sequence of
distinct uppercase-only strings.</td></tr>
</tbody>
</table>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="python" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id2">[2]</a></td><td>I don't feel too good about being in the mainstream for a
change, but I can prove that I'd have chosen python long before it
became fashionable.</td></tr>
</tbody>
</table>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="octal" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id3">[3]</a></td><td>Not in Python, though, where 01 thankfully is a syntax
error, and not neccessarily in C, where you may be surprised to see
that, for instance, 077 works out to 63 decimal. I would rank this
particular folly among the most questionable design decisions in the
history of programming languages.</td></tr>
</tbody>
</table>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="java" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id4">[4]</a></td><td>That, and my growing suspicion that “you'll already have a
Java runtime on your box” is quickly becoming a rather daring
assumption. Once the assumption is plain wrong, pdftk stops being a
cheap dependency, as it will pull in a full JRE.</td></tr>
</tbody>
</table>
<p>For most of my ad-hoc PDF manipulation needs (cut and paste pages,
watermark, fill forms, attach files, decrypt, etc), I am relying on
<a class="reference external" href="https://gitlab.com/pdftk-java/pdftk">pdftk</a>: Fast, Debian-packaged (in pdftk-java), and as reliable as
expectable given the swamp of half-baked PDF writers. So, when I
recently wanted to create a joint PDF from the first pages of about 50
other PDFs, I immediately started thinking along the lines of <tt class="docutils literal">ls</tt> and
perhaps a <tt class="docutils literal">cat <span class="pre">-b</span></tt> (which would number the lines and thus files) and
then pdftk.</p>
<p>Why <tt class="docutils literal">cat <span class="pre">-b</span></tt>? Well, to do cut-and-merge with pdftk, you have to come
up with a command line like:</p>
<pre class="literal-block">
pdftk A=input1.pdf B=input2.pdf cat A1-4 B5-8 output merged.pdf
</pre>
<p>This would produce a document <tt class="docutils literal">merged.pdf</tt> from pages 1 through 4 of
<tt class="docutils literal">input1.pdf</tt> and pages 5 through 8 of <tt class="docutils literal">input2.pdf</tt>. I hence
need to produce a “handle” for each input file, for which something
containing the running number would a appear an obvious choice.</p>
<p>My initial plan had therefore been to turn lines like <tt class="docutils literal">1 foo.pdf</tt> from
<tt class="docutils literal">ls | cat <span class="pre">-b</span></tt> into <tt class="docutils literal">doc1=foo.pdf</tt> with a dash of <tt class="docutils literal">sed</tt> and go from
there. If I were more attentive than I am, I would immediately have
realised that won't fly: With handles containing digits, pdftk would
have no robust way to tell whether <tt class="docutils literal">doc12</tt> means “page 12 from doc“,
“page 2 from doc1“, or “all pages from doc12”. Indeed, pdftk's man page
says:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Input files can be associated with handles, where a handle is one or
more upper-case letters[.]</blockquote>
<p>Oh dang. I briefly meditated whether I could cook up unique sequences
of uppercase handles (remember, I had about 50 files, so just single
uppercase letters wouldn't have done it) using a few shell hacks. But I
then decided<a class="footnote-reference" href="#fool" id="id1">[1]</a> that's beyond my personal shell script limit and
calls for a more systematic programming language like, umm, python<a class="footnote-reference" href="#python" id="id2">[2]</a>.</p>
<p>The central function in the resulting little program is something that
writes integers using uppercase letters only. Days later, I can't
explain why I have not simply exploited the fact that there are a lot
more uppercase letters than there are decimal digits, and hence making
uppercase labels from integers is solvable using <tt class="docutils literal">string.translate</tt>.
A slightly overcompact rendering of that would be:</p>
<pre class="literal-block">
DIGIT_TO_LETTER = {ascii: chr(ascii+17) for ascii in range(48, 59)}
def int_to_uppercase(i):
return str(i).translate(DIGIT_TO_LETTER)
</pre>
<p>(if you don't remember the ASCII table: 48 is the ASCII code for zero,
and 48+17 is 65, which is the ASCII code for the uppercase A).</p>
<p>But that's not what I did, perhaps because of professional deformation
(cf. my <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/saner-timestamps-with-dit-in-pelican-and-beyond.html">crusade against base-60</a>). Instead, I went for a base-26
representation using uppercase letters only, just like the common
base-16 (“hex”) representation that, however, uses 0-9 and A-F and thus
is unsuitable here. With this, you would count like this (where more
signifiant “digits“ are on the right rather than on the
western-conventional left here because it doesn't matter and saves a
<tt class="docutils literal">reverse</tt>):</p>
<pre class="literal-block">
A, B, C, D..., X, Y, Z, AB, BB, CB, ... ZB, AC, BC...
0, 1, ..............25, 26, 27,....... 52, 53
</pre>
<p>I freely admit I was at first annoyed that my handles went from Z to AB
(rather than AA). It did take me longer than I care to confess here to
realise that's because A is the zero here, and just like 01 is the same
as 1 decimal<a class="footnote-reference" href="#octal" id="id3">[3]</a>, AA is equal to A (and BA equal to B) in that
system. Consequently, my function for unique handles didn't produce AA
even though I hadn't realised the problem when writing the function –
there's nothing as practical as a good theory.</p>
<p>With that function, the full ad-hoc script to pick pages one (that's
encoded in the <tt class="docutils literal"><span class="pre">f"{hdl}1"</span></tt> in case you want other page ranges) from
all files matching <tt class="docutils literal"><span class="pre">/some/dir/um*.pdf</span></tt> looks like this:</p>
<pre class="literal-block">
import glob
import os
import subprocess
def make_handle(ind):
"""returns a pdftk handle for a non-negative integer.
This is a sequence of one or more uppercase letters.
"""
hdl = []
while True:
hdl.append(chr(65+ind%26))
ind = ind//26
if not ind:
break
return "".join(hdl)
sources = [(make_handle(ind), name)
for ind, name in enumerate(sorted(glob.glob("/some/dir/um*.pdf")))]
subprocess.check_call(["pdftk"]+[f"{hdl}={name}" for hdl, name in sources]+
["cat"]+[f"{hdl}1" for hdl, _ in sources]+
["output", "output.pdf"])
</pre>
<p>Looking back, not only the massively silly base-26 handles are
unnecessarily complicated. Had I realised from the beginning I would be
using python in the end, I would
probably have gone for <a class="reference external" href="https://github.com/pmaupin/pdfrw">pdfrw</a> right away; while the complexity in terms
of Debian dependencies is roughly the same (“one over what you'll
already have”), avoiding a <tt class="docutils literal">subprocess</tt> call is almost always a win<a class="footnote-reference" href="#java" id="id4">[4]</a>.</p>
<p>But these misgivings are one reason why I wrote this post: This is a
compact illustration of the old programmers' wisdom to “Plan to throw
one away – you will anyway“. Except that for tiny little ad-hoc scripts
like this, a bit of baroque adornment and an extra process do not hurt
and the code above ought to work just fine if you need to produce a PDF
document from some fixed page range of a few dozen or hundred other PDF
documents.</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="fool" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>Decided foolishly, by the way, as <tt class="docutils literal">tr 0123456789 ABCDEFGHIJ</tt>
immediately turns a sequence of distinct integers into a sequence of
distinct uppercase-only strings.</td></tr>
</tbody>
</table>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="python" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id2">[2]</a></td><td>I don't feel too good about being in the mainstream for a
change, but I can prove that I'd have chosen python long before it
became fashionable.</td></tr>
</tbody>
</table>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="octal" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id3">[3]</a></td><td>Not in Python, though, where 01 thankfully is a syntax
error, and not neccessarily in C, where you may be surprised to see
that, for instance, 077 works out to 63 decimal. I would rank this
particular folly among the most questionable design decisions in the
history of programming languages.</td></tr>
</tbody>
</table>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="java" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id4">[4]</a></td><td>That, and my growing suspicion that “you'll already have a
Java runtime on your box” is quickly becoming a rather daring
assumption. Once the assumption is plain wrong, pdftk stops being a
cheap dependency, as it will pull in a full JRE.</td></tr>
</tbody>
</table>
75 Jahre ohne Militär: Costa Rica2023-12-26T06:00:00+01:002023-12-26T06:00:00+01:00Anselmtag:blog.tfiu.de,2023-12-26:/75-jahre-ohne-militar-costa-rica.html<div class="centerfig figure">
<img alt="Rechts im Bild ein Bahnsteig, links ein endloser Güterzug. Auf jedem Wagen stehen zwei Panzer." src="/media/2023/2013-bruchsal-panzer.jpeg" />
<p class="caption">Was ist der Unterschied zwischen der badischen Stadt Bruchsal und
San José, der Hauptstadt von Costa Rica? Nun: Im Bahnhof von San José
würde nicht plötzlich – wie hier im Juni 2013 – ein Güterzug voller
Panzer stehen.</p>
</div>
<p>Bevor deren 75. Jubiläumsjahr vorbei ist, möchte ich an eine
der ganz großen zivilisatorischen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts
erinnern: 1948 löste der damalige Präsident José Figueres Ferrer das
Militär in Costa Rica auf, und es hat kein Rezidiv gegeben, obwohl die
Nachbarstaaten diesen, ach ja, <em>Fort-</em>Schritt nicht hinbekommen haben –
vom Rest der Welt ganz zu schweigen.</p>
<p>Ich brauchte auch erst eine Erinnerung daran und bekam die im
Deutschlandfunk-<a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/kalenderblatt-100.html?drsearch:date=2023-12-01">Kalenderblatt am 1.12.2023</a>. Der 1. Dezember ist der
Jahrestag von Ferrers Inititative und ist seit 2020 in Costa Rica ein
Feiertag („abolió el ejército“ – take that, „Volkstrauertag“). Peter
B. Schumann erwähnte in seinem kleinen Beitrag gute Gründe zum Feiern:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Die Kaserne wurde zum Nationalmuseum und der Wehretat zum
Entwicklungsbudget. Damit konnten das Bildungssystem, das
Gesundheitswesen und die Infrastruktur ausgebaut […] werden.
[…] Costa Rica hat es auch nie bereut. Während die hochgerüsteten
Nachbarländer von einem autoritären Regime ins andere und von einer
Krise in die nächste taumelten, konnte das kleine Land sich
jahrzehntelang zu einer stabilen, prosperierenden Demokratie
entwickeln.</blockquote>
<p>Sehr bemerkenswert fand ich auch die Analyse des Autors zu den
Bedingungen für den Erfolg der Abrüstung in Mittelamerika:</p>
<blockquote class="pull-quote">
[Costa Rica] war viel kleiner [als seine Nachbarn], weniger
kapitalkräftig, die Elite relativ arm […] Die Regierungen hatten [die
Armee] allerdings oft vernachlässigt, so dass sie schlecht ausgebildet
und schlecht bewaffnet war, eine schwache Institution.</blockquote>
<p>Also: geringe soziale Stratifikation, wenig physische Basis der
Regierung, anderen Regierungen etwas aufzwingen zu können und eine
schlecht finanzierte Armee haben in dieser (m.E. glaubwürdigen)
Erzählung geholfen, das Militär loszuwerden. Praktischerweise sind das
Politiklinien, die wenigstens mir auch unabhängig von Friedenspolitik im
engeren Sinn attraktiv erscheinen – angefangen vom <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/nicht-schon-wieder-.html">Ende der
Kriegskredite</a> (Verzeihung, „Sondervermögen“; soll keineR sagen, es
habe sich <em>gar nichts</em> getan in Berlin über die letzten 110 Jahre
hinweg).</p>
<div class="dekofig figure">
<img alt="Kopfportrait eines etwa 60-jährigen Mannes im Anzug mit hoher Stirn, dunklen Haaren und einem ernsten Blick." src="/media/2023/figueres-ferrer.jpeg" />
<p class="caption">Der Held der Auflösung des Militärs in Costa Rica: José Figueres
Ferrer, hier im September 1973 (<a class="reference external" href="http://fototeca.iiccr.ro/picdetails.php?picid=37504X7X10">Bildquelle</a>).</p>
</div>
<p>Nun will ich gerne eingestehen, dass mein traditionell zuversichtlicher
Blick in eine militärfreie Zukunft ohne <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/patriotische-raison.html">Strammstehen,
Tschingdarassabum, bunte Kappen und Orden</a> in nur wenigen Momenten meines
Lebens nicht bei vielen ZeitgenossInnenen auf ungläubige bis
schnappatmende Einwände gestoßen wäre: anfangs „aber… die Russen?!“,
dann rasch „aber… die Moslems?!“ und jetzt wieder (meist) „aber… die
Russen?!“</p>
<p>Ganz unabhängig davon, ob Tschingdarassabum und Menschentotschießen
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Verh%C3%A4ltnism%C3%A4%C3%9Figkeitsprinzip_(Deutschland)">geeignet, notwendig und angemessen</a> sind, um Konflikte zwischen
den Entietäten zu lösen, denen sich die verschiedenen ZeitgenossInnen
zugehörig fühlten: Costa Rica ist tatsächlich gut ohne ausgekommen,
und das, obwohl sich recht schnell ein deutliches Wohlstandsgefälle
zu den militärbesetzten Nachbarstaaten einstellte<a class="footnote-reference" href="#wohl" id="id1">[1]</a>.</p>
<p>Zu den qualitativen Effekten der Auflösung des Militärs lohnt ein Blick
in die (vermutlich für Mittelamerika stark unvollständige) <a class="reference external" href="https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_coups_and_coup_attempts_by_country">Liste der
Putschversuche in der englischen Wikipedia</a><a class="footnote-reference" href="#de" id="id2">[2]</a>. Wie der DLF-Autor
Schumann schon andeutet, fanden in den Nachbarstaaten – wenn nicht wie
in Nicaragua ohnehin über Jahrzehnte das Militär faktisch an der Macht
war – alle paar Jahre mal Militärputsche statt (für Honduras
verzeichnet: 1956, 1963, 1972, 1975, 1978 und 2009).</p>
<p>Für Costa Rica hingegen ist nach dem 1.12.1948 nur ein Putschversuch
notiert, und der ist gescheitert. De facto war das sieben Jahre nach der
Auflösung der Armee ein Versuch der alten Garde, sich wieder die Lizenz
zum Schießen und Töten sowie die Alimentierung für dieses Treiben zu
verschaffen. Es handelte sich nämlich um eine <a class="reference external" href="https://en.wikipedia.org/wiki/Calderonista_invasion_of_Costa_Rica">vom Somoza-Regime in
Nicaragua gestützte Rebellion</a>, in der „Calderonistas“, Ex-Soldaten aus
der Zeit des vorherigen Potentaten Rafael Calderón, versuchten, wieder
einen „normalen“ Staat zu bekommen. Das ist durchaus auch eine
Erinnerung daran, dass, wer <em>jetzt</em> Militär macht, eben auch ein
schweres Erbe für <em>später</em> schafft.</p>
<p>Los gings Anfang Januar 1955, als diese Truppen mit Ölgeld aus dem
damals ebenfalls erzreaktionär regierten Venezuela vom Herrschaftsgebiet
des später in der sandinistischen Revolution untergegangenen
Somoza-Clans aus in die costaricanische Kleinstadt Ciudad Quesada
einfielen; venezuelanische Militärflugzeuge beschossen derweil
verschiedene Städte in Costa Rica. SpielerInnen des Klassikers <a class="reference external" href="https://luding.org/Skripte/GameData.py/DEgameid/286">Junta</a>
kennen das Szenario.</p>
<p>Die Regierung in San José rief daraufhin die OAS an, die
(eingestandenermaßen überraschenderweise) Druck auf Nicaragua ausübte;
dazu mobilisierte die Regierung in San José ihre Polizei, stellte
Milizen auf und widmete vorübergehend Zivilflugzeuge um, was angesichts
hinreichender Popularität der Regierung genug war, um die Invasion
zusammenbrechen zu lassen.</p>
<p>Klar wärs schöner gewesen, wenn der versuchte Putsch etwa durch einen
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kapp-Putsch">zünftigen Generalstreik beendet</a> worden wäre statt durch doch ziemlich
paramilitärisches Gedöns. Klar ist aber auch, dass erstens
Militärquatsch deutlich weniger Schaden anrichtet, wenn es insgesamt
weniger davon gibt, und zweitens, dass auch ohne Militär Grobiane von
außen nicht einfach tun und lassen können, was sie wollen.</p>
<p>Es wird nur für die Grobiane von innen schwieriger, sich richtig grob zu
benehmen und bei ihren Streitigkeiten mit den Grobianen von außen <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/view-with-netsurf.html">halbe
Regionen zu verwüsten</a>. Und vielleicht ist entsprechend radikale
Abrüstung ja auch mal von unten statt wie in Costa Rica von oben zu
bewerkstelligen? Das wäre besser, denn auf eine Figur wie Ferrer werden
wir im Land von Clausewitz wahrscheinlich noch lang warten müssen.</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="wohl" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>Wie immer ist es schwierig, „Wohlstand” zu definieren und
noch mehr zu quantifizieren. Wer an Metriken wie den <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Index%20der%20menschlichen%20Entwicklung">HDI</a> glaubt, wird
Costa Rica 2018 bei 0.78 finden, gegenüber Nachbarstaaten wie El
Salvador bei 0.68 oder Honduras bei 0.62 (zum Vergleich sieht das UNDP
die BRD bei 0.94); aber dass der <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Totenschiff">Billigflaggen</a>-Staat Panama bei
0.79 und damit gleichauf mit Costa Rica steht, sagt wohl mehr über die
Metrik als über reale Verhältnisse im Hinblick auf gutes Leben aus.</td></tr>
</tbody>
</table>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="de" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id2">[2]</a></td><td>In der <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Putschen_und_Putschversuchen#20._Jahrhundert">Liste der Putsche in der deutschen Wikipedia</a> hat sich
noch niemand den beängstigend großen Schuh angezogen, solche
Aktivitäten in Mittelamerika zu sammeln.</td></tr>
</tbody>
</table>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Rechts im Bild ein Bahnsteig, links ein endloser Güterzug. Auf jedem Wagen stehen zwei Panzer." src="/media/2023/2013-bruchsal-panzer.jpeg" />
<p class="caption">Was ist der Unterschied zwischen der badischen Stadt Bruchsal und
San José, der Hauptstadt von Costa Rica? Nun: Im Bahnhof von San José
würde nicht plötzlich – wie hier im Juni 2013 – ein Güterzug voller
Panzer stehen.</p>
</div>
<p>Bevor deren 75. Jubiläumsjahr vorbei ist, möchte ich an eine
der ganz großen zivilisatorischen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts
erinnern: 1948 löste der damalige Präsident José Figueres Ferrer das
Militär in Costa Rica auf, und es hat kein Rezidiv gegeben, obwohl die
Nachbarstaaten diesen, ach ja, <em>Fort-</em>Schritt nicht hinbekommen haben –
vom Rest der Welt ganz zu schweigen.</p>
<p>Ich brauchte auch erst eine Erinnerung daran und bekam die im
Deutschlandfunk-<a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/kalenderblatt-100.html?drsearch:date=2023-12-01">Kalenderblatt am 1.12.2023</a>. Der 1. Dezember ist der
Jahrestag von Ferrers Inititative und ist seit 2020 in Costa Rica ein
Feiertag („abolió el ejército“ – take that, „Volkstrauertag“). Peter
B. Schumann erwähnte in seinem kleinen Beitrag gute Gründe zum Feiern:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Die Kaserne wurde zum Nationalmuseum und der Wehretat zum
Entwicklungsbudget. Damit konnten das Bildungssystem, das
Gesundheitswesen und die Infrastruktur ausgebaut […] werden.
[…] Costa Rica hat es auch nie bereut. Während die hochgerüsteten
Nachbarländer von einem autoritären Regime ins andere und von einer
Krise in die nächste taumelten, konnte das kleine Land sich
jahrzehntelang zu einer stabilen, prosperierenden Demokratie
entwickeln.</blockquote>
<p>Sehr bemerkenswert fand ich auch die Analyse des Autors zu den
Bedingungen für den Erfolg der Abrüstung in Mittelamerika:</p>
<blockquote class="pull-quote">
[Costa Rica] war viel kleiner [als seine Nachbarn], weniger
kapitalkräftig, die Elite relativ arm […] Die Regierungen hatten [die
Armee] allerdings oft vernachlässigt, so dass sie schlecht ausgebildet
und schlecht bewaffnet war, eine schwache Institution.</blockquote>
<p>Also: geringe soziale Stratifikation, wenig physische Basis der
Regierung, anderen Regierungen etwas aufzwingen zu können und eine
schlecht finanzierte Armee haben in dieser (m.E. glaubwürdigen)
Erzählung geholfen, das Militär loszuwerden. Praktischerweise sind das
Politiklinien, die wenigstens mir auch unabhängig von Friedenspolitik im
engeren Sinn attraktiv erscheinen – angefangen vom <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/nicht-schon-wieder-.html">Ende der
Kriegskredite</a> (Verzeihung, „Sondervermögen“; soll keineR sagen, es
habe sich <em>gar nichts</em> getan in Berlin über die letzten 110 Jahre
hinweg).</p>
<div class="dekofig figure">
<img alt="Kopfportrait eines etwa 60-jährigen Mannes im Anzug mit hoher Stirn, dunklen Haaren und einem ernsten Blick." src="/media/2023/figueres-ferrer.jpeg" />
<p class="caption">Der Held der Auflösung des Militärs in Costa Rica: José Figueres
Ferrer, hier im September 1973 (<a class="reference external" href="http://fototeca.iiccr.ro/picdetails.php?picid=37504X7X10">Bildquelle</a>).</p>
</div>
<p>Nun will ich gerne eingestehen, dass mein traditionell zuversichtlicher
Blick in eine militärfreie Zukunft ohne <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/patriotische-raison.html">Strammstehen,
Tschingdarassabum, bunte Kappen und Orden</a> in nur wenigen Momenten meines
Lebens nicht bei vielen ZeitgenossInnenen auf ungläubige bis
schnappatmende Einwände gestoßen wäre: anfangs „aber… die Russen?!“,
dann rasch „aber… die Moslems?!“ und jetzt wieder (meist) „aber… die
Russen?!“</p>
<p>Ganz unabhängig davon, ob Tschingdarassabum und Menschentotschießen
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Verh%C3%A4ltnism%C3%A4%C3%9Figkeitsprinzip_(Deutschland)">geeignet, notwendig und angemessen</a> sind, um Konflikte zwischen
den Entietäten zu lösen, denen sich die verschiedenen ZeitgenossInnen
zugehörig fühlten: Costa Rica ist tatsächlich gut ohne ausgekommen,
und das, obwohl sich recht schnell ein deutliches Wohlstandsgefälle
zu den militärbesetzten Nachbarstaaten einstellte<a class="footnote-reference" href="#wohl" id="id1">[1]</a>.</p>
<p>Zu den qualitativen Effekten der Auflösung des Militärs lohnt ein Blick
in die (vermutlich für Mittelamerika stark unvollständige) <a class="reference external" href="https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_coups_and_coup_attempts_by_country">Liste der
Putschversuche in der englischen Wikipedia</a><a class="footnote-reference" href="#de" id="id2">[2]</a>. Wie der DLF-Autor
Schumann schon andeutet, fanden in den Nachbarstaaten – wenn nicht wie
in Nicaragua ohnehin über Jahrzehnte das Militär faktisch an der Macht
war – alle paar Jahre mal Militärputsche statt (für Honduras
verzeichnet: 1956, 1963, 1972, 1975, 1978 und 2009).</p>
<p>Für Costa Rica hingegen ist nach dem 1.12.1948 nur ein Putschversuch
notiert, und der ist gescheitert. De facto war das sieben Jahre nach der
Auflösung der Armee ein Versuch der alten Garde, sich wieder die Lizenz
zum Schießen und Töten sowie die Alimentierung für dieses Treiben zu
verschaffen. Es handelte sich nämlich um eine <a class="reference external" href="https://en.wikipedia.org/wiki/Calderonista_invasion_of_Costa_Rica">vom Somoza-Regime in
Nicaragua gestützte Rebellion</a>, in der „Calderonistas“, Ex-Soldaten aus
der Zeit des vorherigen Potentaten Rafael Calderón, versuchten, wieder
einen „normalen“ Staat zu bekommen. Das ist durchaus auch eine
Erinnerung daran, dass, wer <em>jetzt</em> Militär macht, eben auch ein
schweres Erbe für <em>später</em> schafft.</p>
<p>Los gings Anfang Januar 1955, als diese Truppen mit Ölgeld aus dem
damals ebenfalls erzreaktionär regierten Venezuela vom Herrschaftsgebiet
des später in der sandinistischen Revolution untergegangenen
Somoza-Clans aus in die costaricanische Kleinstadt Ciudad Quesada
einfielen; venezuelanische Militärflugzeuge beschossen derweil
verschiedene Städte in Costa Rica. SpielerInnen des Klassikers <a class="reference external" href="https://luding.org/Skripte/GameData.py/DEgameid/286">Junta</a>
kennen das Szenario.</p>
<p>Die Regierung in San José rief daraufhin die OAS an, die
(eingestandenermaßen überraschenderweise) Druck auf Nicaragua ausübte;
dazu mobilisierte die Regierung in San José ihre Polizei, stellte
Milizen auf und widmete vorübergehend Zivilflugzeuge um, was angesichts
hinreichender Popularität der Regierung genug war, um die Invasion
zusammenbrechen zu lassen.</p>
<p>Klar wärs schöner gewesen, wenn der versuchte Putsch etwa durch einen
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kapp-Putsch">zünftigen Generalstreik beendet</a> worden wäre statt durch doch ziemlich
paramilitärisches Gedöns. Klar ist aber auch, dass erstens
Militärquatsch deutlich weniger Schaden anrichtet, wenn es insgesamt
weniger davon gibt, und zweitens, dass auch ohne Militär Grobiane von
außen nicht einfach tun und lassen können, was sie wollen.</p>
<p>Es wird nur für die Grobiane von innen schwieriger, sich richtig grob zu
benehmen und bei ihren Streitigkeiten mit den Grobianen von außen <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/view-with-netsurf.html">halbe
Regionen zu verwüsten</a>. Und vielleicht ist entsprechend radikale
Abrüstung ja auch mal von unten statt wie in Costa Rica von oben zu
bewerkstelligen? Das wäre besser, denn auf eine Figur wie Ferrer werden
wir im Land von Clausewitz wahrscheinlich noch lang warten müssen.</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="wohl" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>Wie immer ist es schwierig, „Wohlstand” zu definieren und
noch mehr zu quantifizieren. Wer an Metriken wie den <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Index%20der%20menschlichen%20Entwicklung">HDI</a> glaubt, wird
Costa Rica 2018 bei 0.78 finden, gegenüber Nachbarstaaten wie El
Salvador bei 0.68 oder Honduras bei 0.62 (zum Vergleich sieht das UNDP
die BRD bei 0.94); aber dass der <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Totenschiff">Billigflaggen</a>-Staat Panama bei
0.79 und damit gleichauf mit Costa Rica steht, sagt wohl mehr über die
Metrik als über reale Verhältnisse im Hinblick auf gutes Leben aus.</td></tr>
</tbody>
</table>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="de" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id2">[2]</a></td><td>In der <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Putschen_und_Putschversuchen#20._Jahrhundert">Liste der Putsche in der deutschen Wikipedia</a> hat sich
noch niemand den beängstigend großen Schuh angezogen, solche
Aktivitäten in Mittelamerika zu sammeln.</td></tr>
</tbody>
</table>
Saner Timestamps With DIT: In Pelican and Beyond2023-12-23T06:00:00+01:002023-12-23T06:00:00+01:00Anselmtag:blog.tfiu.de,2023-12-23:/saner-timestamps-with-dit-in-pelican-and-beyond.html<div class="contents toc local topic" id="inhalt">
<ul class="simple">
<li><a class="reference internal" href="#sold-on-decimal-internet-time" id="id2">Sold on Decimal Internet Time</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#if-you-use-pelican" id="id3">If you use pelican…</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#if-you-don-t-use-pelican" id="id4">If you don't use pelican…</a></li>
</ul>
</div>
<p>The other day Randall Munroe posted <a class="reference external" href="https://xkcd.com/2867/">XKCD 2867</a>:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="A comic strip: XKCD 2867. See https://explainxkcd.com/2867/ for a transcript and a discussion." src="/media/2023/xkcd-2867.png" />
<p class="caption"><a class="reference external" href="https://xkcd.com/2867/">CC-BY-NC Randall Munroe</a></p>
</div>
<p>This lament about time calculus struck me as something of a weird (pun
alarm) synchronicity, as one evening or two before that I had written a
few lines of flamboyant time-related code.</p>
<p>Admittedly, I was neither concerned with “sin to ask” nor with
„impossible to know“: Both are a consequence of the <a class="reference external" href="https://en.wikipedia.org/wiki/Relativity_of_simultaneity">theory of
relativity</a>, which literally states that (against Newton) there is no
absolute time and hence when two clocks are in two different places,
even synchronising them once is deep science.</p>
<div class="section" id="sold-on-decimal-internet-time">
<h2>Sold on Decimal Internet Time</h2>
<p>No, my coding was exclusively about the entirely unnecessary trouble of
having to account for time zones, daylight savings time, factors of 60,
24, sometimes 30, 31, 29, or 28, and quite a few other entirely
avoidable warts in our time notation. Civil time on Earth is not
complicated because of physics. On human scales of time, space,
velocity, gravitation, and precision, it is not particularly hard to
define an absolute time even though it physically does not exist.</p>
<p>Rather, civil time calculations are difficult because of the (pun alarm)
Byzantine legacy from Babylon – base-60 and base-12, seven-day weeks,
moon calendar – exacerbated by <a class="reference external" href="https://en.wikipedia.org/wiki/Railway_time">misguided attempts of patching</a> that
legacy up for the railway age (as in: starting in 1840, by and large
done about 1920). On top of that, these patches don't work
particularly well even for rail travel. I speak <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/boston-tucson-on-amtrak-day-3.html##time-chaos-16-20">from recent
experience</a> in this particular matter.</p>
<p>Against this backdrop I was almost instantly sold on <a class="reference external" href="https://djeekay.net/dit/">DIT</a>, the Decimal
Internet Time apparently derived from a plan a person named Anarkat (the
Mastodon link on the spec page is gone now) proposed:
Basically, you divide the common day in what currently is the time zone
UTC-12 into 10 parts and write the result in decimal. Call the integer
part “Dek” and the first two digits after the dot “Sim”. That's a
globally valid timestamp precise to about a (Babylonian) minute. For
example, in central Europe what's now 14:30 (or 15:30 during daylight
savings time; sigh!) would be 0.62 in DIT, and so would Babylonian 13:30
in the UK or 8:30 in Boston, Mass. This may look like a trivial
simplification, but makes a universe of a difference in how much less
painful time calculations become.</p>
<p>I admit I'd much rather have based time keeping on the second (the <a class="reference external" href="https://en.wikipedia.org/wiki/International_System_of_Units">SI</a>
unit of time), but I have to give Anarkat that the day is much more
important in most people's lives than the second. Thus, their plan
obviously is a lot saner for human use than any I would have come up
with (“let's call the kilosecond <em>kes</em> and use that instead of an
hour…”)<a class="footnote-reference" href="#crit" id="id1">[1]</a>.</p>
</div>
<div class="section" id="if-you-use-pelican">
<h2>If you use pelican…</h2>
<p>Since I think that this would be a noticeably better world if we adopted
DIT (clearly, in a grassrootsy step-by-step process), I'd like to do a
bit of propaganda for it. Well, a tiny bit perhaps, but I <em>am</em> now
giving the timestamps of the posts on this blog in StarDIT, which is an
extension of DIT where you count the days in a (Gregorian, UTC-12) year
and number the years from the “Holocene epoch”, which technically means
“prepend a one to the Gregorian year number“ (in other words, add 10'000
to “AD”).</p>
<p>Like DIT itself, with sufficient adoption StarDIT would make some
people's lives significantly simpler, in this case in particular
historians (no year 0 problem any more!). I would like that a lot, too,
as all that talk about “Domini” doesn't quite cater to my enlightened
tastes.</p>
<p>How do I do produce the starDITs? Well, I first wrote a rather trivial
extension for my blog engine, <a class="reference external" href="http://getpelican.com/">pelican</a>, which adds an attribute
<tt class="docutils literal">starDIT</tt> to posts. You will find it as <tt class="docutils literal">ditdate.py</tt> in my <a class="reference external" href="https://codeberg.org/AnselmF/pelican-exts">pelican
plugins repo</a> on codeberg. Activate it by copying the file into your
blog's <tt class="docutils literal">plugins</tt> directory and adding <tt class="docutils literal">"ditdate"</tt> to the <tt class="docutils literal">PLUGINS</tt>
list in your <tt class="docutils literal">pelicanconf.py</tt>. You can then use the new attribute in
your templates. In mine, there is something like:</p>
<pre class="literal-block">
<a href="http://blog.tfiu.de/mach-mit-bei-dit.html">DIT</a>
<abbr class="StarDIT">{{ article.starDIT[:-4] }}</abbr>
(<abbr class="date">{{ article.date.strftime("%Y-%m-%d") }}</abbr>)
</pre>
</div>
<div class="section" id="if-you-don-t-use-pelican">
<h2>If you don't use pelican…</h2>
<p>I have also written a Python module to convert between datetimes and
DITs which shows a Tkinter UI when called as a program:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="A small grey window on top of some bright background; sans-serif letters say 12023:351 (small) 1.08.5 (large)." src="/media/2023/dit-py-screenshot.png" />
</div>
<p>I have that on my desktop now. And since alarmingly many people these
days use a web browser as their primary execution platform, I have also
written some HTML/Javascript to have the DIT on a web page and its title
(<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/media/2023/dit.html">also hosted here</a>).</p>
<p>Both of these things are in my <a class="reference external" href="https://codeberg.org/AnselmF/dit-py">dit-py repo on codeberg</a>, available
under CC0: Do with them whatever you want. (Almost) anything furthering
the the cause of DIT is – or so I think I have argued above – very
likely progress overall.</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="crit" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>If you speak German or trust automatic translation, I have a
longer elaboration of DIT aspects I don't like <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/mach-mit-bei-dit.html">in a previous
blogpost</a>.</td></tr>
</tbody>
</table>
</div>
<div class="contents toc local topic" id="inhalt">
<ul class="simple">
<li><a class="reference internal" href="#sold-on-decimal-internet-time" id="id2">Sold on Decimal Internet Time</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#if-you-use-pelican" id="id3">If you use pelican…</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#if-you-don-t-use-pelican" id="id4">If you don't use pelican…</a></li>
</ul>
</div>
<p>The other day Randall Munroe posted <a class="reference external" href="https://xkcd.com/2867/">XKCD 2867</a>:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="A comic strip: XKCD 2867. See https://explainxkcd.com/2867/ for a transcript and a discussion." src="/media/2023/xkcd-2867.png" />
<p class="caption"><a class="reference external" href="https://xkcd.com/2867/">CC-BY-NC Randall Munroe</a></p>
</div>
<p>This lament about time calculus struck me as something of a weird (pun
alarm) synchronicity, as one evening or two before that I had written a
few lines of flamboyant time-related code.</p>
<p>Admittedly, I was neither concerned with “sin to ask” nor with
„impossible to know“: Both are a consequence of the <a class="reference external" href="https://en.wikipedia.org/wiki/Relativity_of_simultaneity">theory of
relativity</a>, which literally states that (against Newton) there is no
absolute time and hence when two clocks are in two different places,
even synchronising them once is deep science.</p>
<div class="section" id="sold-on-decimal-internet-time">
<h2>Sold on Decimal Internet Time</h2>
<p>No, my coding was exclusively about the entirely unnecessary trouble of
having to account for time zones, daylight savings time, factors of 60,
24, sometimes 30, 31, 29, or 28, and quite a few other entirely
avoidable warts in our time notation. Civil time on Earth is not
complicated because of physics. On human scales of time, space,
velocity, gravitation, and precision, it is not particularly hard to
define an absolute time even though it physically does not exist.</p>
<p>Rather, civil time calculations are difficult because of the (pun alarm)
Byzantine legacy from Babylon – base-60 and base-12, seven-day weeks,
moon calendar – exacerbated by <a class="reference external" href="https://en.wikipedia.org/wiki/Railway_time">misguided attempts of patching</a> that
legacy up for the railway age (as in: starting in 1840, by and large
done about 1920). On top of that, these patches don't work
particularly well even for rail travel. I speak <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/boston-tucson-on-amtrak-day-3.html##time-chaos-16-20">from recent
experience</a> in this particular matter.</p>
<p>Against this backdrop I was almost instantly sold on <a class="reference external" href="https://djeekay.net/dit/">DIT</a>, the Decimal
Internet Time apparently derived from a plan a person named Anarkat (the
Mastodon link on the spec page is gone now) proposed:
Basically, you divide the common day in what currently is the time zone
UTC-12 into 10 parts and write the result in decimal. Call the integer
part “Dek” and the first two digits after the dot “Sim”. That's a
globally valid timestamp precise to about a (Babylonian) minute. For
example, in central Europe what's now 14:30 (or 15:30 during daylight
savings time; sigh!) would be 0.62 in DIT, and so would Babylonian 13:30
in the UK or 8:30 in Boston, Mass. This may look like a trivial
simplification, but makes a universe of a difference in how much less
painful time calculations become.</p>
<p>I admit I'd much rather have based time keeping on the second (the <a class="reference external" href="https://en.wikipedia.org/wiki/International_System_of_Units">SI</a>
unit of time), but I have to give Anarkat that the day is much more
important in most people's lives than the second. Thus, their plan
obviously is a lot saner for human use than any I would have come up
with (“let's call the kilosecond <em>kes</em> and use that instead of an
hour…”)<a class="footnote-reference" href="#crit" id="id1">[1]</a>.</p>
</div>
<div class="section" id="if-you-use-pelican">
<h2>If you use pelican…</h2>
<p>Since I think that this would be a noticeably better world if we adopted
DIT (clearly, in a grassrootsy step-by-step process), I'd like to do a
bit of propaganda for it. Well, a tiny bit perhaps, but I <em>am</em> now
giving the timestamps of the posts on this blog in StarDIT, which is an
extension of DIT where you count the days in a (Gregorian, UTC-12) year
and number the years from the “Holocene epoch”, which technically means
“prepend a one to the Gregorian year number“ (in other words, add 10'000
to “AD”).</p>
<p>Like DIT itself, with sufficient adoption StarDIT would make some
people's lives significantly simpler, in this case in particular
historians (no year 0 problem any more!). I would like that a lot, too,
as all that talk about “Domini” doesn't quite cater to my enlightened
tastes.</p>
<p>How do I do produce the starDITs? Well, I first wrote a rather trivial
extension for my blog engine, <a class="reference external" href="http://getpelican.com/">pelican</a>, which adds an attribute
<tt class="docutils literal">starDIT</tt> to posts. You will find it as <tt class="docutils literal">ditdate.py</tt> in my <a class="reference external" href="https://codeberg.org/AnselmF/pelican-exts">pelican
plugins repo</a> on codeberg. Activate it by copying the file into your
blog's <tt class="docutils literal">plugins</tt> directory and adding <tt class="docutils literal">"ditdate"</tt> to the <tt class="docutils literal">PLUGINS</tt>
list in your <tt class="docutils literal">pelicanconf.py</tt>. You can then use the new attribute in
your templates. In mine, there is something like:</p>
<pre class="literal-block">
<a href="http://blog.tfiu.de/mach-mit-bei-dit.html">DIT</a>
<abbr class="StarDIT">{{ article.starDIT[:-4] }}</abbr>
(<abbr class="date">{{ article.date.strftime("%Y-%m-%d") }}</abbr>)
</pre>
</div>
<div class="section" id="if-you-don-t-use-pelican">
<h2>If you don't use pelican…</h2>
<p>I have also written a Python module to convert between datetimes and
DITs which shows a Tkinter UI when called as a program:</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="A small grey window on top of some bright background; sans-serif letters say 12023:351 (small) 1.08.5 (large)." src="/media/2023/dit-py-screenshot.png" />
</div>
<p>I have that on my desktop now. And since alarmingly many people these
days use a web browser as their primary execution platform, I have also
written some HTML/Javascript to have the DIT on a web page and its title
(<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/media/2023/dit.html">also hosted here</a>).</p>
<p>Both of these things are in my <a class="reference external" href="https://codeberg.org/AnselmF/dit-py">dit-py repo on codeberg</a>, available
under CC0: Do with them whatever you want. (Almost) anything furthering
the the cause of DIT is – or so I think I have argued above – very
likely progress overall.</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="crit" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>If you speak German or trust automatic translation, I have a
longer elaboration of DIT aspects I don't like <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/mach-mit-bei-dit.html">in a previous
blogpost</a>.</td></tr>
</tbody>
</table>
</div>
Mach mit bei DIT2023-12-17T06:00:00+01:002023-12-17T06:00:00+01:00Anselmtag:blog.tfiu.de,2023-12-17:/mach-mit-bei-dit.html<p>[In case you're coming here from an English-language article, <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/saner-timestamps-with-dit-in-pelican-and-beyond.html">see
here</a>]</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="A small grey window on top of some bright background; sans-serif letters say 12023:351 (small) 1.08.5 (large)." src="/media/2023/dit-py-screenshot.png" />
<p class="caption">Hier zeigt meine DIT-Uhr die Zeit (und das Datum) in meinem
sawfish-Dock. Nein, das ist kein Startrek-Unfug. Ich hoffe
stattdessen, dass etwas in dieser Art im Laufe der Zeit zum
In-Accessoire werden wird: Wer keins hat, <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/tag/digitalisierung.html">darf nicht mehr
Digitalisierung sagen</a> [nun: glücklicherweise hat niemand, der_die
sowas wollen könnte, Mittel, mit denen so ein Verbot durchzusetzen
wäre].</p>
</div>
<div class="contents toc local topic" id="inhalt">
<ul class="simple">
<li><a class="reference internal" href="#heraus-aus-der-babylonischen-verwirrung" id="id2">Heraus aus der babylonischen Verwirrung!</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#deseks-vielleicht-nicht-so-nutzlich" id="id3">Deseks: Vielleicht nicht so nützlich</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#good-riddance-zeitzonen" id="id4">Good riddance, Zeitzonen</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#das-datum-zur-zeit-stardit" id="id5">Das Datum zur Zeit: StarDIT</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#implementation-python-und-javascript" id="id6">Implementation: Python und Javascript</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#cave-fuhrende-nullen" id="id7">Cave führende Nullen</a></li>
</ul>
</div>
<div class="section" id="heraus-aus-der-babylonischen-verwirrung">
<h2>Heraus aus der babylonischen Verwirrung!</h2>
<p>Es gibt nach 3000 Jahren nicht mehr allzu viele Gründe, sauer auf die
großen <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Babylon#Geschichte">KriegsherrInnen aus Babylon</a> und ihre mesopotamischen
KollegInnen zu sein. Mit dem babylonischen Klerus sieht das anders aus:
Nicht nur <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/wasch-mir-den-pelz.html#id1">sexagesimale Koordinaten</a> etwa in der Astronomie geht auf
ihn zurück, sondern auch all der krumme Kram mit Faktoren von 60 oder 24
oder 7, mit dem wir uns völlig ohne Not<a class="footnote-reference" href="#tage" id="id1">[1]</a> immer noch in der
Zeitrechnung herumschlagen.</p>
<p>Keine Schuld haben die mesopotamischen PriesterInnen am Ärgernis
Zeitzonen und dem damit zusammenhängenden Sommerzeit-Elend, aber ich
wollte auch die schon ewig loswerden, <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/boston-tucson-on-amtrak-day-3.html#time-chaos-16-20">nicht nur wie neulich aus
Betroffenheit</a>.</p>
<p>So hat die <a class="reference external" href="https://djeekay.net/dit/">Decimal Internet Time</a> (DIT) mein Herz (fast) im Sturm
genommen, ein Vorschlag, die Zeit durch Zehnteln des Tages zu notieren.
Dieser Stundenersatz heißt <em>Dek</em> (von Dekatag) und entspricht fast
zweieinhalb (nämlich 24/10) babylonischen Stunden.</p>
<p>Selbst für sehr grobe Zeitangaben werden Deks in der Regel nicht
reichen, weshalb sie in hundert <em>Sim</em>s (von De<strong>cim</strong>al Minute)
aufgeteilt werden. So ein Sim entspricht 86 Sekunden, ist also ziemlich
nahe an einer babylonischen Minute. Das wäre wohl so die Einheit für
Verabredungen: „Mittagessen um neun komma fünfundsiebzig“ oder
meinetwegen „fünfungzwanzig vor null“, denn um die 100 Sekunden warten
sollten für niemand ein Problem sein, und viel genauer fährt die Bahn
nicht mal in der Schweiz. Aber weils Dezimal ist, wärs auch kein
Problem, einfach nach den Zehnern aufzuhören: „Ich breche dann um 7.8
auf“, eine Angabe, die etwa auf eine Viertelstunde genau ist – sehr
menschengemäß in meinem Buch.</p>
<p>Ich finde das <em>total</em> plausibel; wenn euch das demgegenüber komisch
vorkommt, ist das, ich muss es euch sagen, sehr parallel zur Abneigung
von in imperialen Einheiten aufgewachsenen Leuten, etwas wie „ein Meter
Fünfundachtzig“ zu sagen, wo doch „six foot two inches“ <em>soo</em> viel
intuitiver ist.</p>
<p>Um ein Gefühl für die Dezimalzeit zu bekommen, hätte ich folgende
Kurzreferenz für BRD-Gewohnheiten anzubieten:</p>
<table border="1" class="docutils">
<colgroup>
<col width="14%" />
<col width="86%" />
</colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td>DIT</td>
<td>MEZ in Worten</td>
</tr>
<tr><td>0</td>
<td>Mittag (13:00)</td>
</tr>
<tr><td>1.5</td>
<td>Nachmittag (~16:30)</td>
</tr>
<tr><td>2</td>
<td>Früher Abend (~18:00)</td>
</tr>
<tr><td>3</td>
<td>Abend (20:00)</td>
</tr>
<tr><td>4.5</td>
<td>Mitternacht</td>
</tr>
<tr><td>6</td>
<td>Unchristliche Zeit (3:30)</td>
</tr>
<tr><td>7.5</td>
<td>Morgen (7:00)</td>
</tr>
<tr><td>9</td>
<td>Vormittag (10:30)</td>
</tr>
</tbody>
</table>
</div>
<div class="section" id="deseks-vielleicht-nicht-so-nutzlich">
<h2>Deseks: Vielleicht nicht so nützlich</h2>
<p>Weniger begeistert bin ich von der kleinsten Zeiteinheit von DIT, der
Dezimalsekunde, Desek oder kurz Sek; das ist ein Tag/100'000, gegenüber
einem Tag/86'400 bei der <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Internationales%20Einheitensystem">SI</a>-Sekunde.</p>
<p>Als SI-Taliban hätte ich die ganze dezimale Zeitrechnung ja ohnehin
lieber auf die Sekunde aufgebaut und die Kilosekunde (ungefähr eine
Viertelstunde) als Stundenersatz etabliert. Zwar gebe ich zu, dass die
DIT-Wahl des Bezugs auf den Tag <em>für menschliche Nutzung</em> ein besserer
Plan ist als die Kilosekunde (von der es 86.4 in einem Tag gibt, was
eingestandenermaßen blöd ist).</p>
<p>Aber für rein menschliche Nutzung (Verabredungen, Tagesplan,
Fahrpläne…) spielen Zeiten im Sekundenbereich in der Regel keine Rolle,
und so hätte ich die Deseks einfach rausgelassen und gesagt: Wers
genauer braucht, soll zu den PhysikerInnen gehen und von denen die
Sekunde nehmen. Dass ein Sim ziemlich genau aus 86.4 von diesen
SI-Sekunden besteht, ist eher eine putzige Kuriosität als eine
praktische Schwierigkeit, und jedenfalls nicht nennenswert lästiger als
die 60 Sekunden, die eine babylonische Minute hat.</p>
<p>Und nein, die physikalische Sekunde als Tag/100,000 umzudefinieren lohnt
den Aufwand nicht; dafür ist die Erdrotation längst zu ungenau, und dann
wir <a class="reference external" href="https://www.nature.com/articles/d41586-022-03783-5">wollen ohnehin den Schaltsekunden-Unfug nicht mehr</a>. Die Sekunde
ist Physik, die braucht nichts mit menschlichen Zeiten zu tun zu haben.
Insofern: Es wäre schöner, wenn es keine Desek gäbe, aber ich will auch
nicht streiten.</p>
</div>
<div class="section" id="good-riddance-zeitzonen">
<h2>Good riddance, Zeitzonen</h2>
<p>Der neben der Nutzung des Dezimalsystems zweite große Fortschritt von
DIT ist, dass sie auf der ganzen Welt einheitlich verläuft. Es gibt
also in DIT keine Zeitzonen mehr.</p>
<p>Mehr nebenbei ist das so gemacht, dass das babylonische 12 Uhr, die
Mittagszeit bzw. 5 Deks in DIT, in der aktuellen UTC-12-Zeitzone (der
„frühesten“, die es gibt), tatsächlich ungefähr mit der Kulmination der
Sonne, also einer naiven Mittagsdefinition, zusammenfällt. Aber das
spielt – im Gegensatz zum etwas antibritisch klingenden Sentiment <a class="reference external" href="https://djeekay.net/dit/">in
der DIT-Spec</a> – eigentlich keine Rolle. Relevant ist nur, dass
DIT-Uhren auf der ganzen Welt den gleichen Wert anzeigen. Ich darf
meine <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/boston-tucson-on-amtrak-day-3.html#time-chaos-16-20">Fantasie von neulich</a> für DIT aktualisieren:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Wäre es wirklich ein Problem, wenn Menschen, die in Kasachstan
leben, 2 Deks für eine gute Zeit fürs Mittagessen halten würden und
sich die Leute in New York eher so gegen siebeneinalb Deks über ihres
hermachten? Ich wette, alle würden sich schnell dran gewöhnen. Es ist
jedenfalls einfacher als das Sommerzeit-Mantra „spring forward, fall
back“.</blockquote>
<p>Eingestanden: Wenn ich DIT entworfen hätte, hätte ich die auf die
Referenz 12 babylonische Stunden entfernt von UTC verzichtet, denn alle
anständigen Zeitstempel sind bereits jetzt in UTC. Wenn mensch für die
DIT davon weggeht, verschränken sich Datum und Zeit bei der Umrechnung
dieser anständigen Zeitstempel zu DIT – beim Übergang von babylonischer
Zeit zu DIT kann sich also auch das Datum ändern.</p>
<p>Das ist eine Komplikation, die keinen erkennbaren Nutzen hat; es ist
eben <em>kein</em> Privileg, dass die Sonne um 5 Deks kulminiert, und so ist
der Versuch albern, dabei möglichst wenige Menschen „zu bevorzugen“.
Aber seis drum.</p>
</div>
<div class="section" id="das-datum-zur-zeit-stardit">
<h2>Das Datum zur Zeit: StarDIT</h2>
<p>Insbesondere spielt das keine Rolle mehr, wenn mensch auch das Datum
in DIT schreibt. Dazu gibt es eine Erweiterung von DIT zu größeren
Zeiträumen hin, die im Vorschlag StarDIT genannt wird. Ob die
Gesellschaft schon durchnerdet genug ist, um mit so einem Namen
durchzukommen? Weiß nicht.</p>
<p>An sich ist, wo wir schon bei Namen sind, ja auch das I, „Internet“, in
DIT nicht so richtig seriös. Ich würde es vielleicht lieber als
„International“ lesen – Internationalismus ist und bleibt einer der
sympathischeren Ismen.</p>
<p>Im StarDIT-Plan jedenfalls besteht das Datum aus (gregorianischem) Jahr
zu einer leicht entchristlichten Epoche sowie der laufenden Tagesnummer
innerhalb eines Jahres, mit einem Doppelpunkt getrennt, also für heute
etwa 12023:350. Wer Wochen haben will, nimmt den Zehneranteil und
schreibt ein x dahinter; aktuell haben wir also die Woche 35x.</p>
<p>Zehntagewochen bergen ein wenig das Risiko, dass aus fünf Arbeitstagen
acht werden; ein analoger Effekt hat schon dem <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Franz%C3%B6sischer%20Revolutionskalender">Französischen
Revolutionskalender</a> (in meiner Geschichtserzählung) den Hals
gebrochen. Aber wir müssen ja gerade sowieso über drastische
Arbeitszeitverkürzung reden, um irgendwie die immer noch wachsende
CO₂-Emission in den Griff zu kriegen. Da könnte der Übergang zu
DIT durchaus mit einem Zwischenmodell mit weiterhin fünf Tagen
Lohnarbeit, dafür dann auch fünf Tagen Selbstbestimmung („Wochenende“)
zusammengehen – bevor die Lohnarbeit weiter abnimmt, natürlich.</p>
<p>Putzig, wenn auch nicht allzu praktikabel für den Alltag, finde ich die
DIT-Idee, die christliche Epoche (zu meinen eigenen Bedenken vgl.
<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/jost-burgi-der-sinus-und-umberto-eco.html#bce">Fußnote 1 hier</a>) durchs Holozän-Jahr zu ersetzen. Das ist wie das
normale Gregorianische Jahr, nur dass die Zählung 9'999 vdCE anfängt
(das heißt: Zählt einfach 10'000 zu ndCE-Jahren dazu).</p>
<p>Es ist sicher prima, wenn die Leute nicht mehr durch Kennungen wie „v.
Chr“ oder „n. Chr“ letztlich fromme Märchen verbreiten, und es ist auch
großartig, wenn das Jahr-0-Problem (es gibt nämlich kein Jahr 0: die
derzeitige Jahreszählung geht direkt von 1 v. zu 1 n., und drum ist auch
die DIT-Referenzepoche etwas krumm) zumindest aus der
post-mittelsteinzeitlichen Geschichtsschreibung komplett verschwindet.
Ob jedoch das ein Deal ist, wenn mensch dafür mit einer Extraziffer in
Jahreszahlen bezahlen muss? Fünf ist, haha, eben <a class="reference external" href="https://www.nd-aktuell.de/artikel/811239.fuenf-finger-rolf-und-das-chaos.html">nicht zwingend
Trümpf</a>.</p>
<p>Andererseits: Das StarDIT ist trivial aus der gewohnten Jahreszahl
auszurechnen, und realistisch würden die Leute auch mit DIT im Alltag
wohl weiterhin „Dreiundzwanzig“ oder „Zwanziger Jahre“ sagen und nicht
„Zwölftausenddreiundzwanzig“ oder „zwölftausendzwanziger Jahre“.
Insofern: Meinen Segen haben sie.</p>
</div>
<div class="section" id="implementation-python-und-javascript">
<h2>Implementation: Python und Javascript</h2>
<p>Um nun mit gutem Beispiel voranzugehen, will ich selbst ein Gefühl für
DIT bekommen. Dazu habe ich ein Python-Modul geschrieben, das
Konversionen von Python-Datetimes von und nach DIT unterstützt. Das ist
so wenig Code, dass ich lieber niemand verführen würde, das als
Dependency zu importieren. Drum habe ich es auch nicht ins pyPI
geschoben; guckt einfach in mein <a class="reference external" href="https://codeberg.org/AnselmF/dit-py">codeberg-Repo</a>. Meine vorgeschlagene
Vorgehensweise ist copy-paste (oder halt einfach das Modul in den
eigenen Quellbaum packen).</p>
<p>Das Modul funktioniert auch als Programm; legt es dazu einfach in euren
Pfad und macht es ausführbar. Es zeigt dann eine DIT-Uhr in einem
Tkinter-Fenster an. Ich habe das in meinen Sawfish-Dock aufgenommen –
siehe das Eingangsbild.</p>
<p>Ich habe außerdem noch ein Stück Javascript geschrieben, das DITs
ausrechnen und anzeigen kann. Es ist eingebettet in der Datei dit.html
<a class="reference external" href="https://codeberg.org/AnselmF/dit-py">im Repo</a> oder unter <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/media/2023/dit.html">https://blog.tfiu.de/media/2023/dit.html</a>
erreichbar. Menschen, die (<em>ganz</em> anders als ich) breit Tabs in ihren
Browsern nutzen, können die Webseite öffenen und haben mit etwas Glück
(wenn der Browser nämlich das Javascript auch …</p></div><p>[In case you're coming here from an English-language article, <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/saner-timestamps-with-dit-in-pelican-and-beyond.html">see
here</a>]</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="A small grey window on top of some bright background; sans-serif letters say 12023:351 (small) 1.08.5 (large)." src="/media/2023/dit-py-screenshot.png" />
<p class="caption">Hier zeigt meine DIT-Uhr die Zeit (und das Datum) in meinem
sawfish-Dock. Nein, das ist kein Startrek-Unfug. Ich hoffe
stattdessen, dass etwas in dieser Art im Laufe der Zeit zum
In-Accessoire werden wird: Wer keins hat, <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/tag/digitalisierung.html">darf nicht mehr
Digitalisierung sagen</a> [nun: glücklicherweise hat niemand, der_die
sowas wollen könnte, Mittel, mit denen so ein Verbot durchzusetzen
wäre].</p>
</div>
<div class="contents toc local topic" id="inhalt">
<ul class="simple">
<li><a class="reference internal" href="#heraus-aus-der-babylonischen-verwirrung" id="id2">Heraus aus der babylonischen Verwirrung!</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#deseks-vielleicht-nicht-so-nutzlich" id="id3">Deseks: Vielleicht nicht so nützlich</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#good-riddance-zeitzonen" id="id4">Good riddance, Zeitzonen</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#das-datum-zur-zeit-stardit" id="id5">Das Datum zur Zeit: StarDIT</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#implementation-python-und-javascript" id="id6">Implementation: Python und Javascript</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#cave-fuhrende-nullen" id="id7">Cave führende Nullen</a></li>
</ul>
</div>
<div class="section" id="heraus-aus-der-babylonischen-verwirrung">
<h2>Heraus aus der babylonischen Verwirrung!</h2>
<p>Es gibt nach 3000 Jahren nicht mehr allzu viele Gründe, sauer auf die
großen <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Babylon#Geschichte">KriegsherrInnen aus Babylon</a> und ihre mesopotamischen
KollegInnen zu sein. Mit dem babylonischen Klerus sieht das anders aus:
Nicht nur <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/wasch-mir-den-pelz.html#id1">sexagesimale Koordinaten</a> etwa in der Astronomie geht auf
ihn zurück, sondern auch all der krumme Kram mit Faktoren von 60 oder 24
oder 7, mit dem wir uns völlig ohne Not<a class="footnote-reference" href="#tage" id="id1">[1]</a> immer noch in der
Zeitrechnung herumschlagen.</p>
<p>Keine Schuld haben die mesopotamischen PriesterInnen am Ärgernis
Zeitzonen und dem damit zusammenhängenden Sommerzeit-Elend, aber ich
wollte auch die schon ewig loswerden, <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/boston-tucson-on-amtrak-day-3.html#time-chaos-16-20">nicht nur wie neulich aus
Betroffenheit</a>.</p>
<p>So hat die <a class="reference external" href="https://djeekay.net/dit/">Decimal Internet Time</a> (DIT) mein Herz (fast) im Sturm
genommen, ein Vorschlag, die Zeit durch Zehnteln des Tages zu notieren.
Dieser Stundenersatz heißt <em>Dek</em> (von Dekatag) und entspricht fast
zweieinhalb (nämlich 24/10) babylonischen Stunden.</p>
<p>Selbst für sehr grobe Zeitangaben werden Deks in der Regel nicht
reichen, weshalb sie in hundert <em>Sim</em>s (von De<strong>cim</strong>al Minute)
aufgeteilt werden. So ein Sim entspricht 86 Sekunden, ist also ziemlich
nahe an einer babylonischen Minute. Das wäre wohl so die Einheit für
Verabredungen: „Mittagessen um neun komma fünfundsiebzig“ oder
meinetwegen „fünfungzwanzig vor null“, denn um die 100 Sekunden warten
sollten für niemand ein Problem sein, und viel genauer fährt die Bahn
nicht mal in der Schweiz. Aber weils Dezimal ist, wärs auch kein
Problem, einfach nach den Zehnern aufzuhören: „Ich breche dann um 7.8
auf“, eine Angabe, die etwa auf eine Viertelstunde genau ist – sehr
menschengemäß in meinem Buch.</p>
<p>Ich finde das <em>total</em> plausibel; wenn euch das demgegenüber komisch
vorkommt, ist das, ich muss es euch sagen, sehr parallel zur Abneigung
von in imperialen Einheiten aufgewachsenen Leuten, etwas wie „ein Meter
Fünfundachtzig“ zu sagen, wo doch „six foot two inches“ <em>soo</em> viel
intuitiver ist.</p>
<p>Um ein Gefühl für die Dezimalzeit zu bekommen, hätte ich folgende
Kurzreferenz für BRD-Gewohnheiten anzubieten:</p>
<table border="1" class="docutils">
<colgroup>
<col width="14%" />
<col width="86%" />
</colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td>DIT</td>
<td>MEZ in Worten</td>
</tr>
<tr><td>0</td>
<td>Mittag (13:00)</td>
</tr>
<tr><td>1.5</td>
<td>Nachmittag (~16:30)</td>
</tr>
<tr><td>2</td>
<td>Früher Abend (~18:00)</td>
</tr>
<tr><td>3</td>
<td>Abend (20:00)</td>
</tr>
<tr><td>4.5</td>
<td>Mitternacht</td>
</tr>
<tr><td>6</td>
<td>Unchristliche Zeit (3:30)</td>
</tr>
<tr><td>7.5</td>
<td>Morgen (7:00)</td>
</tr>
<tr><td>9</td>
<td>Vormittag (10:30)</td>
</tr>
</tbody>
</table>
</div>
<div class="section" id="deseks-vielleicht-nicht-so-nutzlich">
<h2>Deseks: Vielleicht nicht so nützlich</h2>
<p>Weniger begeistert bin ich von der kleinsten Zeiteinheit von DIT, der
Dezimalsekunde, Desek oder kurz Sek; das ist ein Tag/100'000, gegenüber
einem Tag/86'400 bei der <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Internationales%20Einheitensystem">SI</a>-Sekunde.</p>
<p>Als SI-Taliban hätte ich die ganze dezimale Zeitrechnung ja ohnehin
lieber auf die Sekunde aufgebaut und die Kilosekunde (ungefähr eine
Viertelstunde) als Stundenersatz etabliert. Zwar gebe ich zu, dass die
DIT-Wahl des Bezugs auf den Tag <em>für menschliche Nutzung</em> ein besserer
Plan ist als die Kilosekunde (von der es 86.4 in einem Tag gibt, was
eingestandenermaßen blöd ist).</p>
<p>Aber für rein menschliche Nutzung (Verabredungen, Tagesplan,
Fahrpläne…) spielen Zeiten im Sekundenbereich in der Regel keine Rolle,
und so hätte ich die Deseks einfach rausgelassen und gesagt: Wers
genauer braucht, soll zu den PhysikerInnen gehen und von denen die
Sekunde nehmen. Dass ein Sim ziemlich genau aus 86.4 von diesen
SI-Sekunden besteht, ist eher eine putzige Kuriosität als eine
praktische Schwierigkeit, und jedenfalls nicht nennenswert lästiger als
die 60 Sekunden, die eine babylonische Minute hat.</p>
<p>Und nein, die physikalische Sekunde als Tag/100,000 umzudefinieren lohnt
den Aufwand nicht; dafür ist die Erdrotation längst zu ungenau, und dann
wir <a class="reference external" href="https://www.nature.com/articles/d41586-022-03783-5">wollen ohnehin den Schaltsekunden-Unfug nicht mehr</a>. Die Sekunde
ist Physik, die braucht nichts mit menschlichen Zeiten zu tun zu haben.
Insofern: Es wäre schöner, wenn es keine Desek gäbe, aber ich will auch
nicht streiten.</p>
</div>
<div class="section" id="good-riddance-zeitzonen">
<h2>Good riddance, Zeitzonen</h2>
<p>Der neben der Nutzung des Dezimalsystems zweite große Fortschritt von
DIT ist, dass sie auf der ganzen Welt einheitlich verläuft. Es gibt
also in DIT keine Zeitzonen mehr.</p>
<p>Mehr nebenbei ist das so gemacht, dass das babylonische 12 Uhr, die
Mittagszeit bzw. 5 Deks in DIT, in der aktuellen UTC-12-Zeitzone (der
„frühesten“, die es gibt), tatsächlich ungefähr mit der Kulmination der
Sonne, also einer naiven Mittagsdefinition, zusammenfällt. Aber das
spielt – im Gegensatz zum etwas antibritisch klingenden Sentiment <a class="reference external" href="https://djeekay.net/dit/">in
der DIT-Spec</a> – eigentlich keine Rolle. Relevant ist nur, dass
DIT-Uhren auf der ganzen Welt den gleichen Wert anzeigen. Ich darf
meine <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/boston-tucson-on-amtrak-day-3.html#time-chaos-16-20">Fantasie von neulich</a> für DIT aktualisieren:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Wäre es wirklich ein Problem, wenn Menschen, die in Kasachstan
leben, 2 Deks für eine gute Zeit fürs Mittagessen halten würden und
sich die Leute in New York eher so gegen siebeneinalb Deks über ihres
hermachten? Ich wette, alle würden sich schnell dran gewöhnen. Es ist
jedenfalls einfacher als das Sommerzeit-Mantra „spring forward, fall
back“.</blockquote>
<p>Eingestanden: Wenn ich DIT entworfen hätte, hätte ich die auf die
Referenz 12 babylonische Stunden entfernt von UTC verzichtet, denn alle
anständigen Zeitstempel sind bereits jetzt in UTC. Wenn mensch für die
DIT davon weggeht, verschränken sich Datum und Zeit bei der Umrechnung
dieser anständigen Zeitstempel zu DIT – beim Übergang von babylonischer
Zeit zu DIT kann sich also auch das Datum ändern.</p>
<p>Das ist eine Komplikation, die keinen erkennbaren Nutzen hat; es ist
eben <em>kein</em> Privileg, dass die Sonne um 5 Deks kulminiert, und so ist
der Versuch albern, dabei möglichst wenige Menschen „zu bevorzugen“.
Aber seis drum.</p>
</div>
<div class="section" id="das-datum-zur-zeit-stardit">
<h2>Das Datum zur Zeit: StarDIT</h2>
<p>Insbesondere spielt das keine Rolle mehr, wenn mensch auch das Datum
in DIT schreibt. Dazu gibt es eine Erweiterung von DIT zu größeren
Zeiträumen hin, die im Vorschlag StarDIT genannt wird. Ob die
Gesellschaft schon durchnerdet genug ist, um mit so einem Namen
durchzukommen? Weiß nicht.</p>
<p>An sich ist, wo wir schon bei Namen sind, ja auch das I, „Internet“, in
DIT nicht so richtig seriös. Ich würde es vielleicht lieber als
„International“ lesen – Internationalismus ist und bleibt einer der
sympathischeren Ismen.</p>
<p>Im StarDIT-Plan jedenfalls besteht das Datum aus (gregorianischem) Jahr
zu einer leicht entchristlichten Epoche sowie der laufenden Tagesnummer
innerhalb eines Jahres, mit einem Doppelpunkt getrennt, also für heute
etwa 12023:350. Wer Wochen haben will, nimmt den Zehneranteil und
schreibt ein x dahinter; aktuell haben wir also die Woche 35x.</p>
<p>Zehntagewochen bergen ein wenig das Risiko, dass aus fünf Arbeitstagen
acht werden; ein analoger Effekt hat schon dem <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Franz%C3%B6sischer%20Revolutionskalender">Französischen
Revolutionskalender</a> (in meiner Geschichtserzählung) den Hals
gebrochen. Aber wir müssen ja gerade sowieso über drastische
Arbeitszeitverkürzung reden, um irgendwie die immer noch wachsende
CO₂-Emission in den Griff zu kriegen. Da könnte der Übergang zu
DIT durchaus mit einem Zwischenmodell mit weiterhin fünf Tagen
Lohnarbeit, dafür dann auch fünf Tagen Selbstbestimmung („Wochenende“)
zusammengehen – bevor die Lohnarbeit weiter abnimmt, natürlich.</p>
<p>Putzig, wenn auch nicht allzu praktikabel für den Alltag, finde ich die
DIT-Idee, die christliche Epoche (zu meinen eigenen Bedenken vgl.
<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/jost-burgi-der-sinus-und-umberto-eco.html#bce">Fußnote 1 hier</a>) durchs Holozän-Jahr zu ersetzen. Das ist wie das
normale Gregorianische Jahr, nur dass die Zählung 9'999 vdCE anfängt
(das heißt: Zählt einfach 10'000 zu ndCE-Jahren dazu).</p>
<p>Es ist sicher prima, wenn die Leute nicht mehr durch Kennungen wie „v.
Chr“ oder „n. Chr“ letztlich fromme Märchen verbreiten, und es ist auch
großartig, wenn das Jahr-0-Problem (es gibt nämlich kein Jahr 0: die
derzeitige Jahreszählung geht direkt von 1 v. zu 1 n., und drum ist auch
die DIT-Referenzepoche etwas krumm) zumindest aus der
post-mittelsteinzeitlichen Geschichtsschreibung komplett verschwindet.
Ob jedoch das ein Deal ist, wenn mensch dafür mit einer Extraziffer in
Jahreszahlen bezahlen muss? Fünf ist, haha, eben <a class="reference external" href="https://www.nd-aktuell.de/artikel/811239.fuenf-finger-rolf-und-das-chaos.html">nicht zwingend
Trümpf</a>.</p>
<p>Andererseits: Das StarDIT ist trivial aus der gewohnten Jahreszahl
auszurechnen, und realistisch würden die Leute auch mit DIT im Alltag
wohl weiterhin „Dreiundzwanzig“ oder „Zwanziger Jahre“ sagen und nicht
„Zwölftausenddreiundzwanzig“ oder „zwölftausendzwanziger Jahre“.
Insofern: Meinen Segen haben sie.</p>
</div>
<div class="section" id="implementation-python-und-javascript">
<h2>Implementation: Python und Javascript</h2>
<p>Um nun mit gutem Beispiel voranzugehen, will ich selbst ein Gefühl für
DIT bekommen. Dazu habe ich ein Python-Modul geschrieben, das
Konversionen von Python-Datetimes von und nach DIT unterstützt. Das ist
so wenig Code, dass ich lieber niemand verführen würde, das als
Dependency zu importieren. Drum habe ich es auch nicht ins pyPI
geschoben; guckt einfach in mein <a class="reference external" href="https://codeberg.org/AnselmF/dit-py">codeberg-Repo</a>. Meine vorgeschlagene
Vorgehensweise ist copy-paste (oder halt einfach das Modul in den
eigenen Quellbaum packen).</p>
<p>Das Modul funktioniert auch als Programm; legt es dazu einfach in euren
Pfad und macht es ausführbar. Es zeigt dann eine DIT-Uhr in einem
Tkinter-Fenster an. Ich habe das in meinen Sawfish-Dock aufgenommen –
siehe das Eingangsbild.</p>
<p>Ich habe außerdem noch ein Stück Javascript geschrieben, das DITs
ausrechnen und anzeigen kann. Es ist eingebettet in der Datei dit.html
<a class="reference external" href="https://codeberg.org/AnselmF/dit-py">im Repo</a> oder unter <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/media/2023/dit.html">https://blog.tfiu.de/media/2023/dit.html</a>
erreichbar. Menschen, die (<em>ganz</em> anders als ich) breit Tabs in ihren
Browsern nutzen, können die Webseite öffenen und haben mit etwas Glück
(wenn der Browser nämlich das Javascript auch im Hintergrund laufen
lässt) eine DIT-Anzeige in der Tab-Bar.</p>
<p>Und ich gebe ab jetzt die Publikationsdaten in diesem Blog (auch) als
DITs an. Wie das geht, beschreibe ich demnächst mal.</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Comic: XKCD 2867. Vgl. https://explainxkcd.com/2867/ fürs Transskript und eine Diskussion." src="/media/2023/xkcd-2867.png" />
<p class="caption">Passend zu diesem Post hat letzte Woche auch XKCD 2867 die
Schwierigkeiten von Zeitberechnungen diskutiert. Zugegebenermaßen:
Die Schwierigkeiten der Uhrensynchronisation („impossible to know“) in
der Physik ändern sich durch DIT nicht; wir wissen seit mehr als 100
Jahren, dass es keine universelle Zeit gibt. Aber für unsere kleine
Erde und die langsamen Menschen auf ihr würde die DIT das alles sofort
einfach machen. Comic <a class="reference external" href="https://xkcd.com/2867/">CC-BY-NC Randall Munroe</a>.</p>
</div>
</div>
<div class="section" id="cave-fuhrende-nullen">
<h2>Cave führende Nullen</h2>
<p>Ich will nicht verschweigen, dass die Trennung von Deks und Sims ein
Problem einlädt, das es ganz ähnlich auch schon beim aktuellen
babylonischen System gibt, aber dort vielleicht nicht ganz so riskant
ist: möglicherweise fehlende führende Nullen. DITs werden ja mit
Dezimaltrennzeichen geschrieben: 3.40.22, was noch etwas rationaler als
0.34022 Tage nach Mitternacht in UTC-12 geschrieben werden könnte. Das
schlichte Verschieben der Kommas kann aber eine Falle sein.</p>
<p>Wenn ich nämlich fünf Sims nach drei Dek schreiben will, könnte ich (vor
allem, wenn das über ein paar Ecken Programmcode geht) versucht sein,
aus 3 und 5 auch 3.5 zu machen – aber das ist drei Dek und <em>fünfzig</em>
Sim. Natürlich ist das bei „fünf nach drei“ jetzt gerade auch nicht
anders, aber weil da eher Doppelpunkte als die
US-/C-/Python-Dezimaltrenner („.“) geschrieben werden, ist der Fehler
vielleicht nicht so verlockend: „3:5“ sieht eher problematisch aus,
während 3.5 Deks eine völlig legale und sinnvolle Bezeichnung ist, nur
eben nicht für „3 Deks und 5 Sims“.</p>
<p>Wenn ihr DIT-manipulierenden Code schreibt, empfele ich daher, die
DITs lieber nicht als Tripel von ganzen Zahlen zu manipulieren– das
verführt zu Fehlern dieser Art – sondern als eine einzige
Fließkommazahl. Das hat zwar wegen der ungenauen Darstellung dezimaler
Fließkommazahlen in den üblichen IEEE-floats seine eigenen Fallen, aber
ein gelegentliches 4.99.99 statt eines 5 ist überhaupt kein
Weltuntergang in der Dezimalzeit.</p>
<p>Wenn alle, die schon mal wegen sexagesimalen Zeiten und Zeitzonen-Mist
geflucht haben (und das sind wohl alle, die je mit Daten und Zeiten im
Computer gearbeitet haben), die DIT-Gedanken in die Gesellschaft tragen,
mag via DIT durchaus etwas Schmerz aus den Datumsrechnungen der Zukunft
entfernbar sein. Irgendwie haben wir Nerds ja auch den Rest der
Gesellschaft überredet, dass Rechner für sie zu irgendwas gut sind.
Vielleicht können wir als kleine Entschuldigung für diese Gemeinheit
ihnen zumindest die Zeitrechnung etwas einfacher machen?</p>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="tage" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>„ohne Not“ im Unterschied zu, sagen wir, der Verteilung von
Tagen auf Jahre; das nämlich kann gar nicht einfach sein, weil das
Verhältnis von Tages- zu Jahreslänge (1/365.247...) weder ganzzahlig
noch hinreichend konstant ist.</td></tr>
</tbody>
</table>
</div>
Ach Bahn, Teil 14: „HalloDummy ABC-Dummy“2023-12-11T19:00:00+01:002023-12-11T19:00:00+01:00Anselmtag:blog.tfiu.de,2023-12-11:/ach-bahn-teil-14-hallodummy-abc-dummy.html<div class="contents toc local topic" id="inhalt">
<ul class="simple">
<li><a class="reference internal" href="#die-neueste-templating-katastrophe-der-bahn" id="id2">Die neueste Templating-Katastrophe der Bahn</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#bahncard-sabotage" id="id3">Bahncard-Sabotage</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#unklare-motivationslagen" id="id4">Unklare Motivationslagen</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#die-neue-pflicht-zum-rumfummeln" id="id5">Die neue Pflicht zum Rumfummeln</a></li>
</ul>
</div>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Eine rote Scheckkarte im Gegenlicht. Ein Magnetstreifen ist sichtbar, ein Schriftzug „Bahncard 50“, aber nichts, was elektronisch aussieht." src="/media/2023/bahncard-gegenlicht.jpeg" />
<p class="caption">Eine 2023er-Bahncard im Gegenlicht: Das ist wirklich nur Plastik (und
ein Magnetstreifen) und mithin vom Fußabdruck her kaum mehr als 10g
CO₂e. Klar wäre fahrscheinlos noch besser, aber „digital“ gehts
jedenfalls nicht emissionsärmer.</p>
</div>
<div class="section" id="die-neueste-templating-katastrophe-der-bahn">
<h2>Die neueste Templating-Katastrophe der Bahn</h2>
<p>Ich bin ja seit langem <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-13-besser-wirds-am-xx-xx-xxxx.html">faszinierter</a> <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-11-wenn-geschenke-schlechte-laune-machen.html">Beobachter</a> der
<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-7-endlich-ehrlich.html">Templating</a>-<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-3-ade-du-schone-lounge.html">Katastrophen</a> der Deutschen Bahn. Stellt euch also meine
Begeisterung vor, als heute auf eine Anfrage an <tt class="docutils literal">kundendialog@bahn.de</tt>
(ja, das gibts, auch wenn die Bahn das in ihren Kontaktangeboten gut
tarnt) eine ganz neue, ich möchte fast sagen freche Variante hinzukam:</p>
<blockquote class="pull-quote">
<p>X-Mailer: Siebel 23.10.0.0 SIA [2023_10]</p>
<p>Vorgangsnummer: 1-1719.....</p>
<p>HalloDummy ABC-Dummy,</p>
<p>vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir werden uns schnellstmöglich mit
Ihnen in Verbindung setzen und Ihre Anfrage gerne beantworten.</p>
<p>Aufgrund eines ungewoehnlich hohen Mailaufkommens lassen sich derzeit
jedoch laengere Wartezeiten nicht vermeiden.</p>
<p>Bitte haben Sie noch ein wenig Geduld und sehen Sie von weiteren
Nachfragen zum Bearbeitungsstand ab. Wir informieren Sie, sobald Ihr
Anliegen bearbeitet wurde.</p>
<p>Bitte antworten Sie nicht auf diese E-Mail, da dies eine automatisch
erstellte Eingangsbestätigung Ihrer Anfrage ist.</p>
</blockquote>
<p>(whitespace ist normalisiert)</p>
<p>Ganz falsch ist das nicht: Wer sich an den Bahn-Support wendet, wird
dort zumindest wie ein ABC-Dummy <em>behandelt</em>, das kann ich nach meinen
bisherigen Erfahrungen (cf. den <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/tag/bahn.html">Bahn-Tag</a>) mit Bestimmtheit behaupten.</p>
<p>Gut gefällt mir auch die Kombi von “schnellstmöglich“ (mit Umlaut) und
ungewoehnlich (7-bit-sauber), und weiter ist ein Vergleich
aufschlussreich mit einer kurzfristig deutlich weniger katastrophalen
Template-Antwort von vor einem Jahr (4.12.2022), die so anfing:</p>
<blockquote class="pull-quote">
<p>X-Mailer: Siebel 22.5.0.0 SIA [2022_05]</p>
<p>Vorgangsnummer: 1-157...</p>
<p>Sehr geehrter Herr <richtiger Name>,</p>
<p>vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir werden uns schnellstmöglich mit Ihnen in
Verbindung setzen und Ihre Anfrage gerne beantworten.
Aufgrund eines ungewoehnlich hohen Mailaufkommens lassen sich derzeit jedoch
laengere Wartezeiten nicht vermeiden.</p>
</blockquote>
<p>Der Siebel-Mailer hat also einen Versionssprung gemacht (oder eher: ist
ein Jahr älter geworden), irgendwer hat Leerzeilen eingefügt; dass, wenn
etwas über mindestens ein Jahr besteht, es ganz bestimmt nicht mehr
„ungewoehnlich“ ist, ist dabei nicht aufgefallen, und auch nicht die
Mischung aus echten Umlauten und Umschreibungen.</p>
</div>
<div class="section" id="bahncard-sabotage">
<h2>Bahncard-Sabotage</h2>
<p>In der Mail, auf die hin die ABC-Dummy-Antwort kam, ging es übrigens um
Pläne, über die ich <a class="reference external" href="https://www.heise.de/news/Digitalisierung-Bahncards-der-Deutschen-Bahn-zukuenftig-nur-noch-in-der-DB-App-9569817.html">bei Heise</a> gestolpert bin. Offenbar überlegt die
Bahn, nun auch noch mit dem Mittel der Bahncard den Menschen ihre
grässliche Navigator-App überzuhelfen. Das ist keine schöne Aussicht
für mich, nachdem ich schon mit dem 49-Euro-Ticket <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-12-digitales-49-euro-ticket.html">endlos Zeit</a> mit
dem <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/alles-kaputt-first-bedenken-second.html#addition-1">Quatsch verschwenden</a> musste – und dabei vielleicht immer noch
Ärger mit Schaffnern hätte bekommen können (vgl. <a class="reference external" href="https://wiki.freiheitsfoo.de/pmwiki.php?n=Main.Deutschlandticket">49-Euro-Ticket im
freiheitsfoo-Wiki</a>).</p>
<p>Eine alternative Interpretation zum gewaltsamen App-Überhelfen wäre,
dass die Bahn die Bahncard killen will; diese Vermutung scheint auch
plausibel, weil bei den aktuellen Buchungsformular-Experimenten der Bahn
auch mal Prototypen dabei waren, die zur Einstellung einer Bahncard 50
sieben Klicks verlangten. Im heutigen Prototypen zähle ich noch vier,
aber eigentlich frage ich mich schon lange, warum sich das Interface die
letzten Fahrtziele, aber nicht den Bahncard-Besitz merken kann.</p>
<p>Tatsächlich hat mich die Frage nach den Motiven der Bahn schon heute
morgen bewegt, und so habe ich ein wenig in der Forumsdiskussion
rumgeklickt. Auf plausible Thesen jenseits von surveillance capitalism
bin ich nicht gestoßen, aber doch auf <a class="reference external" href="https://www.heise.de/forum/heise-online/Kommentare/Digitalisierung-Bahncards-der-Deutschen-Bahn-zukuenftig-nur-noch-im-DB-Navigator/Was-hier-wieder-gejammert-wird-das-ist-absolut-richtig-so/posting-43428130/show/">diesen Beitrag von elknipso</a>.
Ich fand ihn – ganz vorne das hier:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Smartphones sind absoluter Standard, man kann nicht bei allem auf den
letzten Fortschrittsverweigerer Rücksicht nehmen.</blockquote>
<p>(und seine Followups des gleichen Autors) – in seiner Ignoranz, Vermessen-
und Verwirrtheit wirklich sehr bemerkenswert.</p>
</div>
<div class="section" id="unklare-motivationslagen">
<h2>Unklare Motivationslagen</h2>
<p>Ich könnte elknipsos Haltung, eigenes Verhalten als allgemeine Maxime zu
setzen, ja vielleicht noch nachvollziehen, wenn erkennbar wäre, welchen
Nutzen <em>er</em> von einer App-Bahncard hätte. Aber er hat, soweit ich das
erkennen kann, darüber keinen Moment nachgedacht. Die Frage, ob
das, was da vorgeschlagen wird, überhaupt einen Nutzen hat, und wenn ja,
ob dieser Nutzen in einem irgendwie angemessenem Verhältnis zu den
Kosten steht, diese Frage <em>stellt</em> sich ihm ganz offenbar im
Zusammenhang mit einem ferngewarteten Programm („App“) gar nicht.</p>
<p>Sehen wir doch kurz nach: Auf der Nutzenseite ist eigentlich nur die
Plastikersparnis erkennbar, und würde die Bahn einfach QR-Codes
ausstellen und den Leuten selbst überlassen, wie sie die herzeigen
wollen, könnte ich das gelten lassen. Allerdings ist eine Einsparung
von vielleicht 10g CO₂e<a class="footnote-reference" href="#berners" id="id1">[1]</a> wirklich nicht der Rede wert in
einem Geschäft, in dem der <em>Kilometer</em> IC-Reise in der Größenordnung von
100g liegt und zumindest eine Bahncard 50 erst ab deutlich über 1000
Kilometern irgendwie lohnend wird.</p>
<p>Im Gegensatz dazu ist der Plan der Bahn soweit ersichtlich, <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-12-digitales-49-euro-ticket.html">wie beim
49-Euro-Ticket</a> die QR-Codes so gut es geht in den erwähnten „DB
Navigator“ einzusperren. Das sind dann 70 Megabyte Irrsinn und
Tracking, die nur dazu dienen, ein Bild anzuzeigen. Na ja: das Decoding
wird von der libpng des Hostsystems übernommen, und die Bildanzeige
vermutlich auch von irgendwas, das nicht bei den 70 MB mitkommt; diese
sind mithin nicht viel mehr als ein Symlink auf eine Bilddatei.</p>
<p>Angsichts solch hemmungsloser Verschwendung im „Digitalen” über
Ressourceneinsparung auch nur zu spekulieren, das ist bereits jenseits
von absurd. Dennoch ganz geschwind hinterher: Eine Minute Telefon mit
Netz (so lang fummelt mensch dann ja doch mit dem Mist) sind auch schon
in der Größenordnung 50g CO₂e, und mit dem Fußabdruck des Telefons
fangen wir mal lieber gar nicht an. Nein: Ökologischer als Plastikkarte
geht jedenfalls nicht mit irgendwas, das elektrisch ist.</p>
</div>
<div class="section" id="die-neue-pflicht-zum-rumfummeln">
<h2>Die neue Pflicht zum Rumfummeln</h2>
<p>Stattdessen wäre eine App-Bahncard für relevant viele Menschen (nämlich
die, die zum Kontrollzeitpunkt gerade oder grundsätzlich kein
„Smartphone“ in der Hand haben) ungleich viel mehr Gefummel gegenüber
einer Karte, die mensch einfach aus dem Geldbeutel zieht. Elknipso
könnte sich von den Effekten dieser Sorte digitaler Fummelei überzeugen
an den Eingängen der DB-Lounges, wo seit <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-3-ade-du-schone-lounge.html">dem App-Zwang</a> die Schlangen
trotz deutlich geschrumpfter NutzerInnenzahl viel länger gewoden sind.</p>
<p>Wie kommt nur wer auf die Idee, öffentlich für einen so offensichtlich
schlechten Deal zu sprechen? Das ist noch nicht mal dann zu erklären,
wenn der Redner <em>tatsächlich</em> nicht begriffen haben sollte, dass auf
einem „Smartphone“ <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/bahnbonus-ohne-google-id-und-auf-dem-eigenen-rechner.html">jede Erwartung von Privatsphäre illusorisch</a> ist –
oder das dem Redner wurst ist: Hier <em>ist</em> kein Nutzen, und auch für
Leute mit extern gemanagten Rechnern eigentlich nur Nerv.</p>
<p>Unter diesem Vorzeichen erscheint die Rede vom „Fortschrittsverweigerer“
nochmal besonders verdreht. Es ist vielleicht nicht <em>immer</em> ganz einfach,
genau zu bestimmen, in welcher Richtung genau das Fort ist, zu dem
mensch gerne schreiten möchte. In <em>diesem</em> Fall aber würde doch niemand
außer ganz radikalen Technophoben bestreiten, dass der Fortschritt 1976
war, als mit dem Apple II sich „normale“ Menschen erstmals EDV
unabhängig von großen und zentralen Infrastrukturen hinstellen konnten.</p>
<p>Der Rückschritt hing dann vielleicht weniger direkt an Apple. Aber
die vollständig remote gemanagten und häufig wieder zu dummen Terminals
degradierten Endgeräte vom iPhone-Typ, die ab 2007 die breite Mehrheit
der Nutzenden wieder in die <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/S/360">/360-Welt</a> – nur halt etwas bunter und
wackliger – zurückkatapultierten: Das war unbestreitbar ein Rollback in
eine Sorte EDV, die in den 1990er Jahren für ein paar Momente lang
überwunden schien.</p>
<p>Ich kenne elknipsos Motivationslage nicht und finde auch keine
Hypothese, die erklären könnte, warum er wohl mit so einem Rant an die
Öffentlichkeit ging. Doch ist seine Position ein Musterbeispiel für
das, was ich in <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/antisprache-digitalisierung.html">Antisprache: Digitalisierung</a> beschrieben habe: Dass
etwas mit einem elektronischen Spielzeug geht (und möglichst auch nur
genau mit diesem) ist durch Verknüpfung mit einem in der einen oder
anderen Weise positiv besetzten Begriff magisch der rationalen
Betrachtung von Zweck und Nutzen enthoben.</p>
<div class="addition docutils container" id="addition-1">
<p class="addition-header">Nachtrag (2024-01-29)</p>
<p>Nach gerade mal anderthalb Monaten hat die Bahn mit mit ein paar
zusammengeklickten Marketingfloskeln reagiert. Wie üblich war <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-7-endlich-ehrlich.html">jede
Menge CSS-Quatsch</a> im Text, und auch die restlichen Floskeln
verdienen keine weitere Erwähnung. Aber weil ich meine Anmerkungen so
geistreich finde und weil ich zweifele, dass dass das bei der Bahn
jemand mit <em>etwas</em> Aufmerksamkeit liest, dokumentiere ich meine
Antwortmail auf die Antwortmail kurz mal hier:</p>
<pre class="literal-block">
Liebe Mitarbeiter/in der Bahn,
On Mon, Jan 29, 2024 at 03:00:10PM +0100, kundendialog@bahn.de wrote:
> schätzen wir sehr und nehmen Ihre Kritik ernst. Der Trend in der
> Gesellschaft geht seit Jahren klar in Richtung Digitalisierung.
Wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, Feedback zu Ihren Vorgesetzten
zu geben, sagen Sie Ihnen doch bitte:
KundInnen schätzen keine zusammengeklickten hohlen Floskeln, wenn sie
sich beschwert haben -- da ist in der Tat gar keine Antwort noch
besser. Ideal wäre es natürlich, wenn es ein Budget für Antworten
gäbe, die wirklich auf die Anfragen eingehen.
Und Digitalisierung heißt nun mal nicht, es den Menschen schwerer zu
machen. Dazu gehört für mich jedenfalls alles, was ich nicht auf
meinem Rechner machen kann oder für das ich eine Android-Emulation
brauche. Dazu gehört doppelt alles, für das ich eine Apple- oder
Google-Id oder Apps aus schattigen Raupkopier-Stores brauche, weil
die Bahn es *noch nicht mal* hinbekommt, wenigstens f-droid zu
bespielen.
Das scheint mir bei den aktuellen Plänen erneut der Fall zu sein.
Wie kompliziert kann es sein, einen Barcode über eine Webseite
auszuliefern?
> BahnCard-Kundschaft – altersübergreifend – genutzt. Mit ihr
> profitieren Reisende von vereinfachten Prozessen. So ist die
Nein, die *Bahn* profitiert *vielleicht* von vereinfachten Prozessen.
Die KundInnen hingegen müssen eine metrische Tonne Daten an Google,
Apple, die Bahn …</pre></div></div><div class="contents toc local topic" id="inhalt">
<ul class="simple">
<li><a class="reference internal" href="#die-neueste-templating-katastrophe-der-bahn" id="id2">Die neueste Templating-Katastrophe der Bahn</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#bahncard-sabotage" id="id3">Bahncard-Sabotage</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#unklare-motivationslagen" id="id4">Unklare Motivationslagen</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#die-neue-pflicht-zum-rumfummeln" id="id5">Die neue Pflicht zum Rumfummeln</a></li>
</ul>
</div>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Eine rote Scheckkarte im Gegenlicht. Ein Magnetstreifen ist sichtbar, ein Schriftzug „Bahncard 50“, aber nichts, was elektronisch aussieht." src="/media/2023/bahncard-gegenlicht.jpeg" />
<p class="caption">Eine 2023er-Bahncard im Gegenlicht: Das ist wirklich nur Plastik (und
ein Magnetstreifen) und mithin vom Fußabdruck her kaum mehr als 10g
CO₂e. Klar wäre fahrscheinlos noch besser, aber „digital“ gehts
jedenfalls nicht emissionsärmer.</p>
</div>
<div class="section" id="die-neueste-templating-katastrophe-der-bahn">
<h2>Die neueste Templating-Katastrophe der Bahn</h2>
<p>Ich bin ja seit langem <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-13-besser-wirds-am-xx-xx-xxxx.html">faszinierter</a> <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-11-wenn-geschenke-schlechte-laune-machen.html">Beobachter</a> der
<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-7-endlich-ehrlich.html">Templating</a>-<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-3-ade-du-schone-lounge.html">Katastrophen</a> der Deutschen Bahn. Stellt euch also meine
Begeisterung vor, als heute auf eine Anfrage an <tt class="docutils literal">kundendialog@bahn.de</tt>
(ja, das gibts, auch wenn die Bahn das in ihren Kontaktangeboten gut
tarnt) eine ganz neue, ich möchte fast sagen freche Variante hinzukam:</p>
<blockquote class="pull-quote">
<p>X-Mailer: Siebel 23.10.0.0 SIA [2023_10]</p>
<p>Vorgangsnummer: 1-1719.....</p>
<p>HalloDummy ABC-Dummy,</p>
<p>vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir werden uns schnellstmöglich mit
Ihnen in Verbindung setzen und Ihre Anfrage gerne beantworten.</p>
<p>Aufgrund eines ungewoehnlich hohen Mailaufkommens lassen sich derzeit
jedoch laengere Wartezeiten nicht vermeiden.</p>
<p>Bitte haben Sie noch ein wenig Geduld und sehen Sie von weiteren
Nachfragen zum Bearbeitungsstand ab. Wir informieren Sie, sobald Ihr
Anliegen bearbeitet wurde.</p>
<p>Bitte antworten Sie nicht auf diese E-Mail, da dies eine automatisch
erstellte Eingangsbestätigung Ihrer Anfrage ist.</p>
</blockquote>
<p>(whitespace ist normalisiert)</p>
<p>Ganz falsch ist das nicht: Wer sich an den Bahn-Support wendet, wird
dort zumindest wie ein ABC-Dummy <em>behandelt</em>, das kann ich nach meinen
bisherigen Erfahrungen (cf. den <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/tag/bahn.html">Bahn-Tag</a>) mit Bestimmtheit behaupten.</p>
<p>Gut gefällt mir auch die Kombi von “schnellstmöglich“ (mit Umlaut) und
ungewoehnlich (7-bit-sauber), und weiter ist ein Vergleich
aufschlussreich mit einer kurzfristig deutlich weniger katastrophalen
Template-Antwort von vor einem Jahr (4.12.2022), die so anfing:</p>
<blockquote class="pull-quote">
<p>X-Mailer: Siebel 22.5.0.0 SIA [2022_05]</p>
<p>Vorgangsnummer: 1-157...</p>
<p>Sehr geehrter Herr <richtiger Name>,</p>
<p>vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir werden uns schnellstmöglich mit Ihnen in
Verbindung setzen und Ihre Anfrage gerne beantworten.
Aufgrund eines ungewoehnlich hohen Mailaufkommens lassen sich derzeit jedoch
laengere Wartezeiten nicht vermeiden.</p>
</blockquote>
<p>Der Siebel-Mailer hat also einen Versionssprung gemacht (oder eher: ist
ein Jahr älter geworden), irgendwer hat Leerzeilen eingefügt; dass, wenn
etwas über mindestens ein Jahr besteht, es ganz bestimmt nicht mehr
„ungewoehnlich“ ist, ist dabei nicht aufgefallen, und auch nicht die
Mischung aus echten Umlauten und Umschreibungen.</p>
</div>
<div class="section" id="bahncard-sabotage">
<h2>Bahncard-Sabotage</h2>
<p>In der Mail, auf die hin die ABC-Dummy-Antwort kam, ging es übrigens um
Pläne, über die ich <a class="reference external" href="https://www.heise.de/news/Digitalisierung-Bahncards-der-Deutschen-Bahn-zukuenftig-nur-noch-in-der-DB-App-9569817.html">bei Heise</a> gestolpert bin. Offenbar überlegt die
Bahn, nun auch noch mit dem Mittel der Bahncard den Menschen ihre
grässliche Navigator-App überzuhelfen. Das ist keine schöne Aussicht
für mich, nachdem ich schon mit dem 49-Euro-Ticket <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-12-digitales-49-euro-ticket.html">endlos Zeit</a> mit
dem <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/alles-kaputt-first-bedenken-second.html#addition-1">Quatsch verschwenden</a> musste – und dabei vielleicht immer noch
Ärger mit Schaffnern hätte bekommen können (vgl. <a class="reference external" href="https://wiki.freiheitsfoo.de/pmwiki.php?n=Main.Deutschlandticket">49-Euro-Ticket im
freiheitsfoo-Wiki</a>).</p>
<p>Eine alternative Interpretation zum gewaltsamen App-Überhelfen wäre,
dass die Bahn die Bahncard killen will; diese Vermutung scheint auch
plausibel, weil bei den aktuellen Buchungsformular-Experimenten der Bahn
auch mal Prototypen dabei waren, die zur Einstellung einer Bahncard 50
sieben Klicks verlangten. Im heutigen Prototypen zähle ich noch vier,
aber eigentlich frage ich mich schon lange, warum sich das Interface die
letzten Fahrtziele, aber nicht den Bahncard-Besitz merken kann.</p>
<p>Tatsächlich hat mich die Frage nach den Motiven der Bahn schon heute
morgen bewegt, und so habe ich ein wenig in der Forumsdiskussion
rumgeklickt. Auf plausible Thesen jenseits von surveillance capitalism
bin ich nicht gestoßen, aber doch auf <a class="reference external" href="https://www.heise.de/forum/heise-online/Kommentare/Digitalisierung-Bahncards-der-Deutschen-Bahn-zukuenftig-nur-noch-im-DB-Navigator/Was-hier-wieder-gejammert-wird-das-ist-absolut-richtig-so/posting-43428130/show/">diesen Beitrag von elknipso</a>.
Ich fand ihn – ganz vorne das hier:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Smartphones sind absoluter Standard, man kann nicht bei allem auf den
letzten Fortschrittsverweigerer Rücksicht nehmen.</blockquote>
<p>(und seine Followups des gleichen Autors) – in seiner Ignoranz, Vermessen-
und Verwirrtheit wirklich sehr bemerkenswert.</p>
</div>
<div class="section" id="unklare-motivationslagen">
<h2>Unklare Motivationslagen</h2>
<p>Ich könnte elknipsos Haltung, eigenes Verhalten als allgemeine Maxime zu
setzen, ja vielleicht noch nachvollziehen, wenn erkennbar wäre, welchen
Nutzen <em>er</em> von einer App-Bahncard hätte. Aber er hat, soweit ich das
erkennen kann, darüber keinen Moment nachgedacht. Die Frage, ob
das, was da vorgeschlagen wird, überhaupt einen Nutzen hat, und wenn ja,
ob dieser Nutzen in einem irgendwie angemessenem Verhältnis zu den
Kosten steht, diese Frage <em>stellt</em> sich ihm ganz offenbar im
Zusammenhang mit einem ferngewarteten Programm („App“) gar nicht.</p>
<p>Sehen wir doch kurz nach: Auf der Nutzenseite ist eigentlich nur die
Plastikersparnis erkennbar, und würde die Bahn einfach QR-Codes
ausstellen und den Leuten selbst überlassen, wie sie die herzeigen
wollen, könnte ich das gelten lassen. Allerdings ist eine Einsparung
von vielleicht 10g CO₂e<a class="footnote-reference" href="#berners" id="id1">[1]</a> wirklich nicht der Rede wert in
einem Geschäft, in dem der <em>Kilometer</em> IC-Reise in der Größenordnung von
100g liegt und zumindest eine Bahncard 50 erst ab deutlich über 1000
Kilometern irgendwie lohnend wird.</p>
<p>Im Gegensatz dazu ist der Plan der Bahn soweit ersichtlich, <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-12-digitales-49-euro-ticket.html">wie beim
49-Euro-Ticket</a> die QR-Codes so gut es geht in den erwähnten „DB
Navigator“ einzusperren. Das sind dann 70 Megabyte Irrsinn und
Tracking, die nur dazu dienen, ein Bild anzuzeigen. Na ja: das Decoding
wird von der libpng des Hostsystems übernommen, und die Bildanzeige
vermutlich auch von irgendwas, das nicht bei den 70 MB mitkommt; diese
sind mithin nicht viel mehr als ein Symlink auf eine Bilddatei.</p>
<p>Angsichts solch hemmungsloser Verschwendung im „Digitalen” über
Ressourceneinsparung auch nur zu spekulieren, das ist bereits jenseits
von absurd. Dennoch ganz geschwind hinterher: Eine Minute Telefon mit
Netz (so lang fummelt mensch dann ja doch mit dem Mist) sind auch schon
in der Größenordnung 50g CO₂e, und mit dem Fußabdruck des Telefons
fangen wir mal lieber gar nicht an. Nein: Ökologischer als Plastikkarte
geht jedenfalls nicht mit irgendwas, das elektrisch ist.</p>
</div>
<div class="section" id="die-neue-pflicht-zum-rumfummeln">
<h2>Die neue Pflicht zum Rumfummeln</h2>
<p>Stattdessen wäre eine App-Bahncard für relevant viele Menschen (nämlich
die, die zum Kontrollzeitpunkt gerade oder grundsätzlich kein
„Smartphone“ in der Hand haben) ungleich viel mehr Gefummel gegenüber
einer Karte, die mensch einfach aus dem Geldbeutel zieht. Elknipso
könnte sich von den Effekten dieser Sorte digitaler Fummelei überzeugen
an den Eingängen der DB-Lounges, wo seit <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-3-ade-du-schone-lounge.html">dem App-Zwang</a> die Schlangen
trotz deutlich geschrumpfter NutzerInnenzahl viel länger gewoden sind.</p>
<p>Wie kommt nur wer auf die Idee, öffentlich für einen so offensichtlich
schlechten Deal zu sprechen? Das ist noch nicht mal dann zu erklären,
wenn der Redner <em>tatsächlich</em> nicht begriffen haben sollte, dass auf
einem „Smartphone“ <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/bahnbonus-ohne-google-id-und-auf-dem-eigenen-rechner.html">jede Erwartung von Privatsphäre illusorisch</a> ist –
oder das dem Redner wurst ist: Hier <em>ist</em> kein Nutzen, und auch für
Leute mit extern gemanagten Rechnern eigentlich nur Nerv.</p>
<p>Unter diesem Vorzeichen erscheint die Rede vom „Fortschrittsverweigerer“
nochmal besonders verdreht. Es ist vielleicht nicht <em>immer</em> ganz einfach,
genau zu bestimmen, in welcher Richtung genau das Fort ist, zu dem
mensch gerne schreiten möchte. In <em>diesem</em> Fall aber würde doch niemand
außer ganz radikalen Technophoben bestreiten, dass der Fortschritt 1976
war, als mit dem Apple II sich „normale“ Menschen erstmals EDV
unabhängig von großen und zentralen Infrastrukturen hinstellen konnten.</p>
<p>Der Rückschritt hing dann vielleicht weniger direkt an Apple. Aber
die vollständig remote gemanagten und häufig wieder zu dummen Terminals
degradierten Endgeräte vom iPhone-Typ, die ab 2007 die breite Mehrheit
der Nutzenden wieder in die <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/S/360">/360-Welt</a> – nur halt etwas bunter und
wackliger – zurückkatapultierten: Das war unbestreitbar ein Rollback in
eine Sorte EDV, die in den 1990er Jahren für ein paar Momente lang
überwunden schien.</p>
<p>Ich kenne elknipsos Motivationslage nicht und finde auch keine
Hypothese, die erklären könnte, warum er wohl mit so einem Rant an die
Öffentlichkeit ging. Doch ist seine Position ein Musterbeispiel für
das, was ich in <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/antisprache-digitalisierung.html">Antisprache: Digitalisierung</a> beschrieben habe: Dass
etwas mit einem elektronischen Spielzeug geht (und möglichst auch nur
genau mit diesem) ist durch Verknüpfung mit einem in der einen oder
anderen Weise positiv besetzten Begriff magisch der rationalen
Betrachtung von Zweck und Nutzen enthoben.</p>
<div class="addition docutils container" id="addition-1">
<p class="addition-header">Nachtrag (2024-01-29)</p>
<p>Nach gerade mal anderthalb Monaten hat die Bahn mit mit ein paar
zusammengeklickten Marketingfloskeln reagiert. Wie üblich war <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-7-endlich-ehrlich.html">jede
Menge CSS-Quatsch</a> im Text, und auch die restlichen Floskeln
verdienen keine weitere Erwähnung. Aber weil ich meine Anmerkungen so
geistreich finde und weil ich zweifele, dass dass das bei der Bahn
jemand mit <em>etwas</em> Aufmerksamkeit liest, dokumentiere ich meine
Antwortmail auf die Antwortmail kurz mal hier:</p>
<pre class="literal-block">
Liebe Mitarbeiter/in der Bahn,
On Mon, Jan 29, 2024 at 03:00:10PM +0100, kundendialog@bahn.de wrote:
> schätzen wir sehr und nehmen Ihre Kritik ernst. Der Trend in der
> Gesellschaft geht seit Jahren klar in Richtung Digitalisierung.
Wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, Feedback zu Ihren Vorgesetzten
zu geben, sagen Sie Ihnen doch bitte:
KundInnen schätzen keine zusammengeklickten hohlen Floskeln, wenn sie
sich beschwert haben -- da ist in der Tat gar keine Antwort noch
besser. Ideal wäre es natürlich, wenn es ein Budget für Antworten
gäbe, die wirklich auf die Anfragen eingehen.
Und Digitalisierung heißt nun mal nicht, es den Menschen schwerer zu
machen. Dazu gehört für mich jedenfalls alles, was ich nicht auf
meinem Rechner machen kann oder für das ich eine Android-Emulation
brauche. Dazu gehört doppelt alles, für das ich eine Apple- oder
Google-Id oder Apps aus schattigen Raupkopier-Stores brauche, weil
die Bahn es *noch nicht mal* hinbekommt, wenigstens f-droid zu
bespielen.
Das scheint mir bei den aktuellen Plänen erneut der Fall zu sein.
Wie kompliziert kann es sein, einen Barcode über eine Webseite
auszuliefern?
> BahnCard-Kundschaft – altersübergreifend – genutzt. Mit ihr
> profitieren Reisende von vereinfachten Prozessen. So ist die
Nein, die *Bahn* profitiert *vielleicht* von vereinfachten Prozessen.
Die KundInnen hingegen müssen eine metrische Tonne Daten an Google,
Apple, die Bahn und vermutlich einige hundert andere Unternehmen
weitergeben *und* dann noch mit wackligen Telefonen und der
regelmäßig kaputten Auth der Bahn rumfummeln, wo es vorher ganz
einfach eine kleine Karte gab, die mensch einmal im Jahr aus dem
Briefkasten ziehen konnte.
> 25/50 rein digital anzubieten. Damit profitieren BahnCard-Nutzende
> von einem rein digitalen Produkterlebnis und reisen zukünftig
> ausnahmslos klimafreundlich und plastiklos. Wenn Sie noch eine
Ich will kein "Produkterlebnis", ich will bahnfahren.
Und das ohne Apple- oder Google-Id und ohne die entsetzliche
Navigator-App. Und zumindest *potenziell* auch ganz ohne Computer,
wenn mir mal danach ist. Solange das geht, könnte ich ein Minimum an
Verständnis haben dafür, dass die Bahn keine Post mehr verschicken
will.
Aber bitte verschonen Sie mich mit dem "Platiklos"-Bullshit -- das
ist *völliger* Unfug (Abschützung auf
https://blog.tfiu.de/ach-bahn-teil-14-hallodummy-abc-dummy.html).
Und bitte verschonen Sie mich bei einer eventuellen Antwort mit
zusammengeklickten Pseudo-Antworten. Dann noch lieber gar nicht.
> Frage haben, zögern Sie bitte nicht uns anzurufen. Rund um die Uhr
Oh, das habe ich in anderer Sache auch mal probiert. Nach diesen
Erfahrungen wäre mein guter Rat, diese Zeile aus dem Antwort-Template
rauszunehmen :-)
-- Anselm Flügel [oder sowas]
</pre>
</div>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="berners" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>Die Footprint-Schätzungen sind nach Mike Berners-Lee,
<a class="reference external" href="https://greystonebooks.com/products/how-bad-are-bananas">How Bad Are Bananas</a>, wobei ich für die Plastikkarte eine kräftige
Plastiktüte angenommen habe.</td></tr>
</tbody>
</table>
</div>
War Gavrilo Princip ein radikaler Tierschützer?2023-12-09T12:00:00+01:002023-12-09T12:00:00+01:00Anselmtag:blog.tfiu.de,2023-12-09:/war-gavrilo-princip-ein-radikaler-tierschutzer.html<div class="contents toc local topic" id="inhalt">
<ul class="simple">
<li><a class="reference internal" href="#blutrunstige-blaubluter-vs-moderne-wirtschaft-0-1" id="id2">Blutrünstige Blaublüter vs. moderne Wirtschaft 0:1</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#ein-attentat-als-posse" id="id3">Ein Attentat als Posse</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#mit-stil-gescheitert" id="id4">Mit Stil gescheitert</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#irre-twists-galore" id="id5">Irre Twists Galore</a></li>
</ul>
</div>
<p>Ein treuer Leser dieser Seiten hat mich neulich auf ein paar der
bizarreren Faktoide aus der Wikipdia hingewiesen. Zunächst: Im <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Franz%20Ferdinand%20von%20%C3%96sterreich-Este">Artikel
zu Franz Ferdinand von Österreich-Este</a> – dessen Tod unmittelbarer
Auslöser des ersten Weltkriegs war –, heißt es:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Wie aus den vollständig erhaltenen Schusslisten hervorgeht, erlegte
Franz Ferdinand im Laufe seines Lebens 274.889 Stück Wild. Darunter
bei Großwildjagden auf seinen langen Weltreisen viele exotische Tiere
wie Tiger, Löwen und Elefanten. Allein im Jahr 1911 erlegte er 18.799
Stück Wild, „Tagesrekord“ waren an einem Junitag 1908 2763
Lachmöwen.</blockquote>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Ausschnitt eines gemalten Bildes: Hirsche fliehen einen Berg runter und springen in Panik in ein abgesperrtes Becken. Dort schwimmen sie dann. An der Seite stehen Menschen in einem Pavillion und schießen die Hirsche ab." src="/media/2023/eingestellte-jagd.jpeg" />
<p class="caption">Wer sich fragt, wie wer wie Franz Ferdinand 25 Tiere am Tag abknallen
konnte: Nun, es hängt davon ab, wie viel Mühe sich andere geben. Hier
ist ein Ausschnitt aus einem Bild eines unbekannten Künstlers von
1758, das illustriert, wie es auch ein eher unbeweglicher Mann wie
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Karl%20Theodor%20%28Pfalz%20und%20Bayern%29">Kurfürst Karl Theodor</a> von der Pfalz hinbekam, bei Dilsberg (das
Wasser ist der Neckar) in großer Zahl Hirsche zu erschießen. Das
ganze Bild könnt ihr im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg sehen.</p>
</div>
<div class="section" id="blutrunstige-blaubluter-vs-moderne-wirtschaft-0-1">
<h2>Blutrünstige Blaublüter vs. moderne Wirtschaft 0:1</h2>
<p>Um solche Zahlen in Perspektive zu bringen: Franz Ferdinand soll 1872
zum ersten Mal Tiere umgebracht haben und hatte bis 1914 Zeit dafür,
also gut 40 Jahre. Zwecks rundem Ergebnis nehmen wir an, dass er
sonntags nicht schoss; dann hat er im Schnitt an jedem Tag seines
Jägerlebens 300'000/40/300 = 25 Tiere niedergemäht oder etwas wie zwei
pro Stunde, wenn wir annehmen, dass auch er schlafen und essen musste.</p>
<p>Das ist ein kleiner Schlachthof. Beim Versuch, eine Ahnung zu
bekommen, wie sich das wohl mit einem professionellen Schlächter der
Moderne vergleicht, habe ich über <a class="reference external" href="https://forum.fleischbranche.de/forum/vorstellung-neu/vorstellung-personen/362-arbeiten-als-kopfschlachter-in-schlachth%C3%B6fen">diesen Thread auf fleischbranche.de</a>
den Begriff „Kopfschlachter“ kennengelernt (Bedeutung: Schlächter im
Akkord) und dann das hier gelesen:</p>
<blockquote class="pull-quote">
bei den schweinen haut ihr ja ganz gut rein mit 1000 stück. bei uns
läuft schweineschlachtung nur nebenher 2x die woche, da haben wir dann
um die 250 stück, in 2,5 std. sind wir damit durch. Bei
rinderschlachtung haben wir meist so zwischen 200 bis 350 stück, jetzt
zur kälteren jahreszeit wirds wieder mehr, momentan um die 300 an dem
einen schlachthof. an dem kleinen schlachthof wo ich auch arbeite sind
es nur um die 70 stück, meist große bullen, in etwa 6 std. da hier das
band langsamer läuft muss jeder einzelne hier mehr machen. ich muss hier
die tiere reintreiben, schießen, aufhängen, abstechen, kopf abschneiden,
vorderfüße abschneiden und brust und vorderoberschenkel vorenthäuten.
ich benutze den Dick Stahl mit dem grauen griff und arbeite meist mit
swibo messern. ausrüstung und klamotten muss bei uns jeder selbst
kaufen, sogar das dreckszeug waschen muss jeder in eigen regie machen.</blockquote>
<p>In einem modernen Schlachthof töten die ArbeiterInnen (aber klarerweise
auch im Team) also etwas wie 100 Schweine pro Stunde; bei Rindern geht
es etwas langsamer. Damit wirkt Franz Ferdinands Mittel von zwei Tieren
pro Stunde nicht mehr so sensationell.</p>
<p>Dennoch muss mensch sich fragen: Was macht einen Menschen so
blutrünstig? In <em>diesem</em> Fall kann mensch <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/schurken-und-engel-teil-2.html">den Standardmechanismus</a>
der Selektion von SchurkInnen im Wettbewerb schon mal ausschließen, der
Erzherzog war ja bereits in seine „hohe“ Position reingeboren.</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Eine Fayence-Gruppe: Grün gekleidete Menschen mit Dreispitz fummeln die eingeweide eines erschlagenen Hirsches aus ihm raus." src="/media/2023/hirsch-fayence.jpeg" />
<p class="caption">Auch das Original dieser Fayence ist im Kurpfälzischen Museum zu
sehen, und auch das kommt aus der Zeit von Karl Theodor – nur für den
Fall, dass wer Zweifel hatte, dass diese Leute die blutigen Aspekte
ihrer Ballerei nicht im Auge hatten.</p>
</div>
</div>
<div class="section" id="ein-attentat-als-posse">
<h2>Ein Attentat als Posse</h2>
<p>Es ist vielleicht nicht wichtig, ihn zu kennen, aber der Gavrilo Princip
aus der Überschrift war der Mensch, der Franz Ferdindand (und
versehentlich auch seine Frau) am Veitstag 1914 in Sarajevo erschossen
hat. Es wäre ein schöner Twist in der Weltgeschichte, wenn er das in
Wirklichkeit getan hätte, um dem Franz Ferdinand'schen Gemetzel eine
Ende zu setzen.</p>
<p>Aber nein, die <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Attentat%20von%20Sarajevo">Wikipedia-Seite zum Sarajevo-Anschlag</a> lässt leider
keinen Hauch von Zweifel zu: Princip war doch nur einer von all den
anderen Patrioten, die aus objektiv unerfindlichen Gründen <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/uber-die-gute-gewalt.html">ständig
aufeinander schießen</a> müssen. Immerhin war sein Club (im Gegensatz zu
<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/hart-durchgreifen-gegen-aggressoren-.html">Genscher und Co</a>) noch hinter einem Gesamt-Jugoslawien her und hatte
zusätzlich einen Namen, wie ihn <a class="reference external" href="https://www.petitnicolas.com/">der kleine Nick</a> nicht besser hätte
wählen können: „Die Schwarze Hand“.</p>
<p>Überhaupt sind es zunächst Namen und Titel, die die Lektüre des
Wikipedia-Artikels lohnend machen. Ich wähle mal ein paar aus:</p>
<ul class="simple">
<li>Marschall Oberst Graf Rumerskirch</li>
<li>Kriegsminister Alexander Ritter von Krobatin</li>
<li>Oberst Dragutin Dimitrijević als Chef der Verschöwrung, der, logisch,
bestimmt mit dem russischen Militärattaché in Belgrad, General Wiktor
Artamonow, unter einer Decke steckte (<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Eat%20The%20Rich">Eat the Rich</a>!)</li>
<li>Ottokar Graf Czernin</li>
<li>Franz Conrad von Hötzendorf als „Vertreter der Kriegspartei“ („seit
1907“)</li>
</ul>
<p>Auch der Verlauf der Verschwörung wirkt absolut wie eine Groteske aus
Wiener Vorstadttheatern:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Gegen zehn Uhr fuhr die Kolonne an Mehmedbašić vorbei, der eine Bombe
werfen sollte, aber nichts unternahm. Er erklärte seine Untätigkeit
später damit, dass er von Ilić die Anweisung bekommen habe, die Bombe
nur dann zu werfen, wenn er den Wagen des Thronfolgers erkenne. Dies sei
ihm aber nicht gelungen.</blockquote>
<p>Die Identifikation des Ziels scheint für die Verschwörer tatsächlich
ziemlich schwierig gewesen zu sein, denn wenig später „erkundigte sich
[ein weiterer Attentäter] bei einem Polizisten, in welchem Fahrzeug der
Erzherzog säße“. Der Polizist gab eine zutreffende Antwort, und so traf
die Bombe, die der Attentäter daraufhin warf, Franz Ferdindand sogar. Sie
prallte aber ab und explodierte woanders. Der Attentäter versuchte nach
dem Wurf, sich heldenhaft-romantisch mit Zyankali umzubringen, aber das
Zeug war zu alt, und außerdem hat er jede Menge davon vor Aufregung
verschüttet.</p>
</div>
<div class="section" id="mit-stil-gescheitert">
<h2>Mit Stil gescheitert</h2>
<p>Angesichts dieser Szene ging Princip – er hätte weiter hinten auf Franz
Ferdinand schießen sollen – erstmal ins Kaffeehaus. Wie <em>kann</em> jemand
mit solchen Reflexen eigentlich aus dem k.u.k.-Reich austreten wollen?
In der Stil-Wertung ist das jedenfalls ganz oben dabei, gleich zusammen
mit „Let's go bowling“<a class="footnote-reference" href="#lebow" id="id1">[1]</a>.</p>
<p>Franz Ferdindand machte derweil auf dicke Hose und ließ im Wesentlichen
einfach weiterfahren, obwohl es dieses eine Mal wirklich weitere
Attentäter <em>gab</em>:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Vaso Čubrilović sagte später aus, dass er nicht geschossen habe, weil
ihm die Herzogin leid getan hätte, Cvetko Popović sagte aus, dass er
Angst gehabt habe und in diesem Augenblick nicht gewusst habe, was mit
ihm geschehe.</blockquote>
<p>Sagt, was ihr wollt: Wenn alle PatriotInnen den ethischen Kompass
hätten, nichts zu machen, wenn (mehr oder minder) Unbeteiligte darunter
leiden würden – oder ersatzweise hinreichend viel Angst –, dann wäre das
hier eine viel bessere Welt. <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Vaso%20%C4%8Cubrilovi%C4%87">Der mit dem Mitleid</a> ist übrigens in der
späteren Volksrepublik Jugoslawien Minister für Forstwirtschaft
geworden. Mein erster Gedanke, als ich das gelesen habe: In dieser
Position wird er vermutlich mit den deutsch-jugoslawischen Karl
May-Verfilmungen der 1960er beschäftigt gewesen sein. <em>Trotzdem</em> ist er
in dieser ganzen Geschichte klar mein Lieblingscharakter.</p>
<p>Princip schließlich – und auch das wusste ich nicht – kam zu seinem
tödlichen Schuss nicht etwa in einer
Kennedy-fährt-durch-Dallas-Situation mit großem Aufzug, sondern weil
sich der erzherzögliche Chauffeur verfahren hatte und ausgerechnet vor
dem Starbucks^W Delikatessengeschäft Moritz Schiller anhielt, in dem
Princip sich mit einem Käffchen über die fehlexplodierte Bombe
hinwegtröstete.</p>
<p>Übrigens waren wohl nicht nur die Waldtiere wenigstens teilweise ganz
zufrieden mit Princips Schuss. EinE Wikipedia-AutorIn verrät:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Der Tod des Thronfolgers löste in Österreich-Ungarn keine allgemeine
Trauer aus. Der Gesandte in Bukarest und spätere Außenminister Ottokar
Graf Czernin erinnerte sich später, in Wien und Budapest habe es mehr
Erfreute als Trauernde gegeben.</blockquote>
</div>
<div class="section" id="irre-twists-galore">
<h2>Irre Twists Galore</h2>
<p>Die ganze Franz Ferdinand-Geschichte ist voll von irren Twists. So
wusste ich zum Beispiel bis zu meinem jüngsten Wikipedia-Binge auch
nicht, dass Princip im Jahr 1918 in Theresienstadt sein Leben verloren
hat.</p>
<p>Theresienstadt? Ja. Es stellt sich heraus, dass <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/KZ%20Theresienstadt">das
Konzentrationslager</a> in der deutsch besetzten Tschechoslowakei
entfernte Vorgänger in k.u.k.-Zeiten hatte, nämlich ein Gefängnis für
verschärfte Haftbedingungen in der „Kleinen Festung“. Es war später
tatsächlich der Keim, aus dem die deutsche Besatzungsmacht und ihre
Gestapo Anfang der 1940 ihr „Vorzeige-KZ“ schuf.</p>
<p>Mein „sein Leben verloren“ von oben ist sicher die freundlichste
mit der Wirklichkeit verträgliche Formulierung. Der k.u.k.-Apparat –
der Princip nur dehalb nicht direkt justiziell umbrachte, weil er zum
Tatzeitpunkt nach damaligem Recht minderjährig gewesen war – hielt
Princip bis 1916 durchweg in Ketten, und auch danach noch in
feuchtkalten, dunklen Zellen vollständig isoliert. Irgendein Wärter
muss ihn dennoch mit Tuberkulose infiziert haben, denn daran ist er am
28. April 1918 mit nicht mal 25 Jahren gestorben, ein paar Monate, bevor
die Donaumonarchie ebenfalls das Zeitliche segnete.</p>
<p>Wie üblich bei PatriotInnen ist Princip eine zutiefst tragische Figur,
denn die Staaten, die Österreich-Ungarn folgten, waren ziemlich durchweg
nochmal fürchterlicher als dieses (was sicherlich auf
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/St%C3%A4ndestaat%20%28%C3%96sterreich%29">Dollfus-Österreich</a> zutrifft; über das Zwischenkriegs-Jugoslawien
weiß ich zu wenig).</p>
<p>Princips geritzte letzten Worte allerdings machen schon etwas her, zumal
er da offenbar eingesehen hatte, dass die Mängel der Donaumonarchie
bestimmt nicht ein auf einen Mangel an Grenzen zwischen den „Völkern“
zurückgingen, sondern dass es eigentlich auch damals schon um oben und
unten hätte gehen sollen:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Unsere Geister schleichen durch Wien und raunen durch die Paläste und
lassen die Herren erzittern.</blockquote>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="lebow" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>Wer dieses Zitat nicht kennt, sollte ganz schnell das
Coen-Meisterwerk <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/The%20Big%20Lebowski">Big Lebowski</a> angucken. Der Film ist im
vorliegenden Zusammenhang auch befriedigend, weil …</td></tr></tbody></table></div><div class="contents toc local topic" id="inhalt">
<ul class="simple">
<li><a class="reference internal" href="#blutrunstige-blaubluter-vs-moderne-wirtschaft-0-1" id="id2">Blutrünstige Blaublüter vs. moderne Wirtschaft 0:1</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#ein-attentat-als-posse" id="id3">Ein Attentat als Posse</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#mit-stil-gescheitert" id="id4">Mit Stil gescheitert</a></li>
<li><a class="reference internal" href="#irre-twists-galore" id="id5">Irre Twists Galore</a></li>
</ul>
</div>
<p>Ein treuer Leser dieser Seiten hat mich neulich auf ein paar der
bizarreren Faktoide aus der Wikipdia hingewiesen. Zunächst: Im <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Franz%20Ferdinand%20von%20%C3%96sterreich-Este">Artikel
zu Franz Ferdinand von Österreich-Este</a> – dessen Tod unmittelbarer
Auslöser des ersten Weltkriegs war –, heißt es:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Wie aus den vollständig erhaltenen Schusslisten hervorgeht, erlegte
Franz Ferdinand im Laufe seines Lebens 274.889 Stück Wild. Darunter
bei Großwildjagden auf seinen langen Weltreisen viele exotische Tiere
wie Tiger, Löwen und Elefanten. Allein im Jahr 1911 erlegte er 18.799
Stück Wild, „Tagesrekord“ waren an einem Junitag 1908 2763
Lachmöwen.</blockquote>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Ausschnitt eines gemalten Bildes: Hirsche fliehen einen Berg runter und springen in Panik in ein abgesperrtes Becken. Dort schwimmen sie dann. An der Seite stehen Menschen in einem Pavillion und schießen die Hirsche ab." src="/media/2023/eingestellte-jagd.jpeg" />
<p class="caption">Wer sich fragt, wie wer wie Franz Ferdinand 25 Tiere am Tag abknallen
konnte: Nun, es hängt davon ab, wie viel Mühe sich andere geben. Hier
ist ein Ausschnitt aus einem Bild eines unbekannten Künstlers von
1758, das illustriert, wie es auch ein eher unbeweglicher Mann wie
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Karl%20Theodor%20%28Pfalz%20und%20Bayern%29">Kurfürst Karl Theodor</a> von der Pfalz hinbekam, bei Dilsberg (das
Wasser ist der Neckar) in großer Zahl Hirsche zu erschießen. Das
ganze Bild könnt ihr im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg sehen.</p>
</div>
<div class="section" id="blutrunstige-blaubluter-vs-moderne-wirtschaft-0-1">
<h2>Blutrünstige Blaublüter vs. moderne Wirtschaft 0:1</h2>
<p>Um solche Zahlen in Perspektive zu bringen: Franz Ferdinand soll 1872
zum ersten Mal Tiere umgebracht haben und hatte bis 1914 Zeit dafür,
also gut 40 Jahre. Zwecks rundem Ergebnis nehmen wir an, dass er
sonntags nicht schoss; dann hat er im Schnitt an jedem Tag seines
Jägerlebens 300'000/40/300 = 25 Tiere niedergemäht oder etwas wie zwei
pro Stunde, wenn wir annehmen, dass auch er schlafen und essen musste.</p>
<p>Das ist ein kleiner Schlachthof. Beim Versuch, eine Ahnung zu
bekommen, wie sich das wohl mit einem professionellen Schlächter der
Moderne vergleicht, habe ich über <a class="reference external" href="https://forum.fleischbranche.de/forum/vorstellung-neu/vorstellung-personen/362-arbeiten-als-kopfschlachter-in-schlachth%C3%B6fen">diesen Thread auf fleischbranche.de</a>
den Begriff „Kopfschlachter“ kennengelernt (Bedeutung: Schlächter im
Akkord) und dann das hier gelesen:</p>
<blockquote class="pull-quote">
bei den schweinen haut ihr ja ganz gut rein mit 1000 stück. bei uns
läuft schweineschlachtung nur nebenher 2x die woche, da haben wir dann
um die 250 stück, in 2,5 std. sind wir damit durch. Bei
rinderschlachtung haben wir meist so zwischen 200 bis 350 stück, jetzt
zur kälteren jahreszeit wirds wieder mehr, momentan um die 300 an dem
einen schlachthof. an dem kleinen schlachthof wo ich auch arbeite sind
es nur um die 70 stück, meist große bullen, in etwa 6 std. da hier das
band langsamer läuft muss jeder einzelne hier mehr machen. ich muss hier
die tiere reintreiben, schießen, aufhängen, abstechen, kopf abschneiden,
vorderfüße abschneiden und brust und vorderoberschenkel vorenthäuten.
ich benutze den Dick Stahl mit dem grauen griff und arbeite meist mit
swibo messern. ausrüstung und klamotten muss bei uns jeder selbst
kaufen, sogar das dreckszeug waschen muss jeder in eigen regie machen.</blockquote>
<p>In einem modernen Schlachthof töten die ArbeiterInnen (aber klarerweise
auch im Team) also etwas wie 100 Schweine pro Stunde; bei Rindern geht
es etwas langsamer. Damit wirkt Franz Ferdinands Mittel von zwei Tieren
pro Stunde nicht mehr so sensationell.</p>
<p>Dennoch muss mensch sich fragen: Was macht einen Menschen so
blutrünstig? In <em>diesem</em> Fall kann mensch <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/schurken-und-engel-teil-2.html">den Standardmechanismus</a>
der Selektion von SchurkInnen im Wettbewerb schon mal ausschließen, der
Erzherzog war ja bereits in seine „hohe“ Position reingeboren.</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Eine Fayence-Gruppe: Grün gekleidete Menschen mit Dreispitz fummeln die eingeweide eines erschlagenen Hirsches aus ihm raus." src="/media/2023/hirsch-fayence.jpeg" />
<p class="caption">Auch das Original dieser Fayence ist im Kurpfälzischen Museum zu
sehen, und auch das kommt aus der Zeit von Karl Theodor – nur für den
Fall, dass wer Zweifel hatte, dass diese Leute die blutigen Aspekte
ihrer Ballerei nicht im Auge hatten.</p>
</div>
</div>
<div class="section" id="ein-attentat-als-posse">
<h2>Ein Attentat als Posse</h2>
<p>Es ist vielleicht nicht wichtig, ihn zu kennen, aber der Gavrilo Princip
aus der Überschrift war der Mensch, der Franz Ferdindand (und
versehentlich auch seine Frau) am Veitstag 1914 in Sarajevo erschossen
hat. Es wäre ein schöner Twist in der Weltgeschichte, wenn er das in
Wirklichkeit getan hätte, um dem Franz Ferdinand'schen Gemetzel eine
Ende zu setzen.</p>
<p>Aber nein, die <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Attentat%20von%20Sarajevo">Wikipedia-Seite zum Sarajevo-Anschlag</a> lässt leider
keinen Hauch von Zweifel zu: Princip war doch nur einer von all den
anderen Patrioten, die aus objektiv unerfindlichen Gründen <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/uber-die-gute-gewalt.html">ständig
aufeinander schießen</a> müssen. Immerhin war sein Club (im Gegensatz zu
<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/hart-durchgreifen-gegen-aggressoren-.html">Genscher und Co</a>) noch hinter einem Gesamt-Jugoslawien her und hatte
zusätzlich einen Namen, wie ihn <a class="reference external" href="https://www.petitnicolas.com/">der kleine Nick</a> nicht besser hätte
wählen können: „Die Schwarze Hand“.</p>
<p>Überhaupt sind es zunächst Namen und Titel, die die Lektüre des
Wikipedia-Artikels lohnend machen. Ich wähle mal ein paar aus:</p>
<ul class="simple">
<li>Marschall Oberst Graf Rumerskirch</li>
<li>Kriegsminister Alexander Ritter von Krobatin</li>
<li>Oberst Dragutin Dimitrijević als Chef der Verschöwrung, der, logisch,
bestimmt mit dem russischen Militärattaché in Belgrad, General Wiktor
Artamonow, unter einer Decke steckte (<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Eat%20The%20Rich">Eat the Rich</a>!)</li>
<li>Ottokar Graf Czernin</li>
<li>Franz Conrad von Hötzendorf als „Vertreter der Kriegspartei“ („seit
1907“)</li>
</ul>
<p>Auch der Verlauf der Verschwörung wirkt absolut wie eine Groteske aus
Wiener Vorstadttheatern:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Gegen zehn Uhr fuhr die Kolonne an Mehmedbašić vorbei, der eine Bombe
werfen sollte, aber nichts unternahm. Er erklärte seine Untätigkeit
später damit, dass er von Ilić die Anweisung bekommen habe, die Bombe
nur dann zu werfen, wenn er den Wagen des Thronfolgers erkenne. Dies sei
ihm aber nicht gelungen.</blockquote>
<p>Die Identifikation des Ziels scheint für die Verschwörer tatsächlich
ziemlich schwierig gewesen zu sein, denn wenig später „erkundigte sich
[ein weiterer Attentäter] bei einem Polizisten, in welchem Fahrzeug der
Erzherzog säße“. Der Polizist gab eine zutreffende Antwort, und so traf
die Bombe, die der Attentäter daraufhin warf, Franz Ferdindand sogar. Sie
prallte aber ab und explodierte woanders. Der Attentäter versuchte nach
dem Wurf, sich heldenhaft-romantisch mit Zyankali umzubringen, aber das
Zeug war zu alt, und außerdem hat er jede Menge davon vor Aufregung
verschüttet.</p>
</div>
<div class="section" id="mit-stil-gescheitert">
<h2>Mit Stil gescheitert</h2>
<p>Angesichts dieser Szene ging Princip – er hätte weiter hinten auf Franz
Ferdinand schießen sollen – erstmal ins Kaffeehaus. Wie <em>kann</em> jemand
mit solchen Reflexen eigentlich aus dem k.u.k.-Reich austreten wollen?
In der Stil-Wertung ist das jedenfalls ganz oben dabei, gleich zusammen
mit „Let's go bowling“<a class="footnote-reference" href="#lebow" id="id1">[1]</a>.</p>
<p>Franz Ferdindand machte derweil auf dicke Hose und ließ im Wesentlichen
einfach weiterfahren, obwohl es dieses eine Mal wirklich weitere
Attentäter <em>gab</em>:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Vaso Čubrilović sagte später aus, dass er nicht geschossen habe, weil
ihm die Herzogin leid getan hätte, Cvetko Popović sagte aus, dass er
Angst gehabt habe und in diesem Augenblick nicht gewusst habe, was mit
ihm geschehe.</blockquote>
<p>Sagt, was ihr wollt: Wenn alle PatriotInnen den ethischen Kompass
hätten, nichts zu machen, wenn (mehr oder minder) Unbeteiligte darunter
leiden würden – oder ersatzweise hinreichend viel Angst –, dann wäre das
hier eine viel bessere Welt. <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Vaso%20%C4%8Cubrilovi%C4%87">Der mit dem Mitleid</a> ist übrigens in der
späteren Volksrepublik Jugoslawien Minister für Forstwirtschaft
geworden. Mein erster Gedanke, als ich das gelesen habe: In dieser
Position wird er vermutlich mit den deutsch-jugoslawischen Karl
May-Verfilmungen der 1960er beschäftigt gewesen sein. <em>Trotzdem</em> ist er
in dieser ganzen Geschichte klar mein Lieblingscharakter.</p>
<p>Princip schließlich – und auch das wusste ich nicht – kam zu seinem
tödlichen Schuss nicht etwa in einer
Kennedy-fährt-durch-Dallas-Situation mit großem Aufzug, sondern weil
sich der erzherzögliche Chauffeur verfahren hatte und ausgerechnet vor
dem Starbucks^W Delikatessengeschäft Moritz Schiller anhielt, in dem
Princip sich mit einem Käffchen über die fehlexplodierte Bombe
hinwegtröstete.</p>
<p>Übrigens waren wohl nicht nur die Waldtiere wenigstens teilweise ganz
zufrieden mit Princips Schuss. EinE Wikipedia-AutorIn verrät:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Der Tod des Thronfolgers löste in Österreich-Ungarn keine allgemeine
Trauer aus. Der Gesandte in Bukarest und spätere Außenminister Ottokar
Graf Czernin erinnerte sich später, in Wien und Budapest habe es mehr
Erfreute als Trauernde gegeben.</blockquote>
</div>
<div class="section" id="irre-twists-galore">
<h2>Irre Twists Galore</h2>
<p>Die ganze Franz Ferdinand-Geschichte ist voll von irren Twists. So
wusste ich zum Beispiel bis zu meinem jüngsten Wikipedia-Binge auch
nicht, dass Princip im Jahr 1918 in Theresienstadt sein Leben verloren
hat.</p>
<p>Theresienstadt? Ja. Es stellt sich heraus, dass <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/KZ%20Theresienstadt">das
Konzentrationslager</a> in der deutsch besetzten Tschechoslowakei
entfernte Vorgänger in k.u.k.-Zeiten hatte, nämlich ein Gefängnis für
verschärfte Haftbedingungen in der „Kleinen Festung“. Es war später
tatsächlich der Keim, aus dem die deutsche Besatzungsmacht und ihre
Gestapo Anfang der 1940 ihr „Vorzeige-KZ“ schuf.</p>
<p>Mein „sein Leben verloren“ von oben ist sicher die freundlichste
mit der Wirklichkeit verträgliche Formulierung. Der k.u.k.-Apparat –
der Princip nur dehalb nicht direkt justiziell umbrachte, weil er zum
Tatzeitpunkt nach damaligem Recht minderjährig gewesen war – hielt
Princip bis 1916 durchweg in Ketten, und auch danach noch in
feuchtkalten, dunklen Zellen vollständig isoliert. Irgendein Wärter
muss ihn dennoch mit Tuberkulose infiziert haben, denn daran ist er am
28. April 1918 mit nicht mal 25 Jahren gestorben, ein paar Monate, bevor
die Donaumonarchie ebenfalls das Zeitliche segnete.</p>
<p>Wie üblich bei PatriotInnen ist Princip eine zutiefst tragische Figur,
denn die Staaten, die Österreich-Ungarn folgten, waren ziemlich durchweg
nochmal fürchterlicher als dieses (was sicherlich auf
<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/St%C3%A4ndestaat%20%28%C3%96sterreich%29">Dollfus-Österreich</a> zutrifft; über das Zwischenkriegs-Jugoslawien
weiß ich zu wenig).</p>
<p>Princips geritzte letzten Worte allerdings machen schon etwas her, zumal
er da offenbar eingesehen hatte, dass die Mängel der Donaumonarchie
bestimmt nicht ein auf einen Mangel an Grenzen zwischen den „Völkern“
zurückgingen, sondern dass es eigentlich auch damals schon um oben und
unten hätte gehen sollen:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Unsere Geister schleichen durch Wien und raunen durch die Paläste und
lassen die Herren erzittern.</blockquote>
<table class="docutils footnote" frame="void" id="lebow" rules="none">
<colgroup><col class="label" /><col /></colgroup>
<tbody valign="top">
<tr><td class="label"><a class="fn-backref" href="#id1">[1]</a></td><td>Wer dieses Zitat nicht kennt, sollte ganz schnell das
Coen-Meisterwerk <a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/The%20Big%20Lebowski">Big Lebowski</a> angucken. Der Film ist im
vorliegenden Zusammenhang auch befriedigend, weil darin Autos statt
Tiere kaputtgehauen werden.</td></tr>
</tbody>
</table>
</div>
Kritischer Hörtipp: „Afrika im Aufbruch“2023-12-04T15:00:00+01:002023-12-04T15:00:00+01:00Anselmtag:blog.tfiu.de,2023-12-04:/kritischer-hortipp-afrika-im-aufbruch.html<div class="centerfig figure">
<img alt="Eine relativ leere breite Straße mit Hochhäusern drumrum und Palmen drauf." src="/media/2023/luanda-ansicht.jpeg" />
<p class="caption">Luanda im Jahr 2013 (inzwischen sieht es noch viel schlimmer aus):
Hochhäuser, breite Straßen und jede Menge Beton. Will mensch wirklich
zu sowas aufbrechen? Foto CC-BY <a class="reference external" href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Marginal_Avenida_4_de_Fevreiro_Luanda_March_2013_03_(cropped).JPG">Fabio Vanin</a></p>
</div>
<p>Im November brachte der Deutschlandfunk im <em>Hintergrund</em> (täglich 18:40
bis 19:00) eine kleine Reihe mit dem Titel „Afrika im Aufbruch“. Das
war zunächst recht erfreulich, denn die Erzählung dabei war nicht die
typische beim europäischen Blick nach Süden.</p>
<p>Es war nämlich nicht (in erster Linie) die Rede von Mord, Totschlag,
Bürgerkrieg mit Macheten oder „Wellen“ von Menschen, die „gegen unsere
Grenzen branden“. Es lohnt sich durchaus, sich die alternativen und
vermutlich erheblich repräsentativeren Erzählungen anzuhören:</p>
<ul class="simple">
<li><a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/afrika-kultur-kolonialismus-kuenstler-100.html">Koloniales überwinden, sich selbst bestimmen</a></li>
<li><a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/afrika-rohstoffe-energiewende-100.html">Eigene Rohstoffe, eigene Wertschöpfung</a></li>
<li><a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/afrika-nigeria-nollywood-frauen-100.html">Nollywood und Emanzipation im Kino</a></li>
<li><a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/afrika-fintech-smartphones-100.html">Fortschritt mit Bezahl-Apps und Co.</a></li>
<li><a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/afrika--konflikte-kriege-mediation-frieden-100.html">Konflikte, Kriege und Wege zum Frieden</a> (na ja, wahrscheinlich
unvermeidlich)</li>
<li><a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/afrika-genom-forschung-gentechnik-100.html">Genomforschung in der Wiege der Menschheit</a></li>
</ul>
<p>Im Detail allerdings tun viele der Geschichten doch weh. Ich bin selbst
schon hineingewachsen in eine Welt, in der der Name „3. Welt-Laden“
nicht mehr ohne Anführungszeichen denkbar war, in der Probleme mit
Begriffen wie „Entwicklungsland“ Gemeinplätze waren. Das Wort behauptet
ja ganz offen, dass „die anderen“ sich doch bitte „entwickeln“ sollen,
etwas weniger offen dazuzudenken „zu uns hin“. Damals haben kritischere
Menschen vielleicht „Trikont“ gesagt (<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Trikont-Verlag">Folgen</a>), woraus heute eher
„globaler Süden“ geworden ist.</p>
<p>In der DLF-Serie hingegen wird nun zwar durchaus im Kultur- und
Identitätsbereich von Dekolonisierung geredet, ökonomisch aber ist
fast alles geradezu erschreckend orthodox. In der <a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/afrika-rohstoffe-energiewende-100.html">Sendung vom 14.11.</a>
zum Beispiel sagt ein Manager eines südafrikanischen „Start-ups“, das
Rohstoffextraktion mit Großindustrie verbinden will:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Wir haben die Chance, eine brandneue Megaindustrie in Afrika
aufzubauen. Die Batterien sollen zuerst hier auf dem Kontinent genutzt
werden. Siebzig Prozent Afrikas hat keine stabile Energieversorgung,
ohne Strom keine Industrialisierung. Wenn wir dieses Problem durch
Speichermöglichkeiten lösen, kann mehr produziert werden, Jobs werden
geschaffen und Armut abgebaut.</blockquote>
<p>Der Gedanke, dass Armut heute <em>nicht</em> daher kommt, dass die Leute zu
wenig arbeiten (bzw. produzieren), blitzt zwar kurz vorher im
Zusammenhang mit Botswana mal auf, aber hier wie auch ganz schlimm in
der Bezahl-Apps-Folge ist die Präsupposition ganz klar, dass auch „die
Afrikaner“ unseren Unsinn kopieren sollen.</p>
<p>Und Unsinn ist es, wenn sich möglichst viele Menschen jeden Tag für eine
Stunde in einen rollenden Blechkäfig einsperren, um dann für acht
Stunden lästigen Mist zu tun, der typischerweise unter Freisetzung von
viel Dreck die Welt in der Regel schlechter macht (Herstellung von
<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/geschichte-carl-benz-bei-wilhelm-i.html">Autos</a> und anderen Waffen, <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/genf-vs-die-dauerbeflimmerung.html">Werbung</a> und anderen <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/newszone-urteil-keine-rauschmedien-pravention.html">Rauschmedien</a>,
Finanz-„Produkten“ und anderen legalen Suchtstoffen, Einfamilenhäusern
und Ölpipelines, Glyphosat und High Fructose Corn Syrup und so weiter
und so fort).</p>
<p>Um den Irrsinn ganz rund zu machen, haben die TeilnehmerInnen dieser
Veranstaltung trotz historisch <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/begeht-die-erduberlastungssekunde-1-1-2023-00-00-10.html">notwendig einmaliger</a> Verschwendung
von Naturressourcen <em>immer noch</em> (und nicht mal ohne Grund) Schiss, ob
sie nächstes Jahr noch ein Dach über dem Kopf haben oder ob die Rente
„zum Leben reicht”, mehr Angst vermutlich als Durchschnittmenschen in
weiten Teilen des gegenwärtigen Afrika.</p>
<p>Würde mensch dagegen einfach vernünftig überlegen, was das Minimum an
Produktion ist, das die Grundbedürfnisse aller Menschen dauerhaft und
verlässlich deckt, und zwar bei minimaler Belastung für Umwelt <em>und</em>
Mensch: Nun, <em>das</em> wäre dann wirklich das „Überspringen“ von Fehlern des
Nordens, das mal kurz in der <a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/afrika-fintech-smartphones-100.html">Sendung vom 16.11.</a> anklang. Stattdessen
macht Antje Diekhans das Überspringen dort fest zunächst an Festnetz-
gegen Mobiltelefonie und mittelbar ausgerechnet an „Fintech“ – mal
ehrlich: lässt sich eine wüstere Verschwendung menschlicher Kreativität
vorstellen?</p>
<p>Dabei gestehe ich offen, dass ich keine Ahnung habe, wer in den
verschiedenen Gegenden dieses Fünftels der Landfläche der Erde
weniger europäische Ansätze vertritt. Klar wird die Wachstums-Religion
in Afrika so verbreitet sein wie hier auch. Insofern mag mensch
argumentieren, dass <em>Afrika im Aufbruch</em> einfach guter Journalismus ist,
also eine Betrachtung der Welt, wie sie halt mal ist. Vielleicht passt
mir auch nur das Wort „Aufbruch“ nicht, obwohl ja niemand sagt, dass
du nur wohin aufbrechen kannst, wo es besser ist.</p>
<p>Auf die im Eingangsbild symbolisierte <a class="reference external" href="https://www.euronews.com/2021/05/27/a-weekend-in-luanda-angola-africa-s-manhattan-waits-to-be-discovered">Entwicklung in Luanda</a> (verlinkt
ist die Regierungsversion) hat mich übrigens ein Vortrag von Boniface
Mabanza Bambu im Juni 2023 hingewiesen. Von ihm gibt es auch einiges
Kontrastprogramm zur Aufbruch-Serie im Netz, z.B. <a class="reference external" href="http://unevenearth.org/2019/06/the-right-to-say-no/">seinen Artikel in
Uneven Earth vom Juni 2019</a> oder auch ein Interview mit dem
programmatischen Titel <a class="reference external" href="https://taz.de/Handelsexperte-ueber-EU-Afrika-Beziehung/!5919386/">Die EU sollte Afrika in Ruhe lassen</a> in der taz
vom April (<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/wie-im-klischee.html">vgl. dazu</a>). Oder, wegen der BASF-Connection für Leute im
Rhein-Neckar-Raum besonders relevant, seine Abhandlung <a class="reference external" href="https://www.basflonmin.com/marikana-and-south-africa-eight-years-later/">zum achten
Jahrestag des Marikana-Massakers</a>.</p>
<div class="centerfig figure">
<img alt="Eine relativ leere breite Straße mit Hochhäusern drumrum und Palmen drauf." src="/media/2023/luanda-ansicht.jpeg" />
<p class="caption">Luanda im Jahr 2013 (inzwischen sieht es noch viel schlimmer aus):
Hochhäuser, breite Straßen und jede Menge Beton. Will mensch wirklich
zu sowas aufbrechen? Foto CC-BY <a class="reference external" href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Marginal_Avenida_4_de_Fevreiro_Luanda_March_2013_03_(cropped).JPG">Fabio Vanin</a></p>
</div>
<p>Im November brachte der Deutschlandfunk im <em>Hintergrund</em> (täglich 18:40
bis 19:00) eine kleine Reihe mit dem Titel „Afrika im Aufbruch“. Das
war zunächst recht erfreulich, denn die Erzählung dabei war nicht die
typische beim europäischen Blick nach Süden.</p>
<p>Es war nämlich nicht (in erster Linie) die Rede von Mord, Totschlag,
Bürgerkrieg mit Macheten oder „Wellen“ von Menschen, die „gegen unsere
Grenzen branden“. Es lohnt sich durchaus, sich die alternativen und
vermutlich erheblich repräsentativeren Erzählungen anzuhören:</p>
<ul class="simple">
<li><a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/afrika-kultur-kolonialismus-kuenstler-100.html">Koloniales überwinden, sich selbst bestimmen</a></li>
<li><a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/afrika-rohstoffe-energiewende-100.html">Eigene Rohstoffe, eigene Wertschöpfung</a></li>
<li><a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/afrika-nigeria-nollywood-frauen-100.html">Nollywood und Emanzipation im Kino</a></li>
<li><a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/afrika-fintech-smartphones-100.html">Fortschritt mit Bezahl-Apps und Co.</a></li>
<li><a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/afrika--konflikte-kriege-mediation-frieden-100.html">Konflikte, Kriege und Wege zum Frieden</a> (na ja, wahrscheinlich
unvermeidlich)</li>
<li><a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/afrika-genom-forschung-gentechnik-100.html">Genomforschung in der Wiege der Menschheit</a></li>
</ul>
<p>Im Detail allerdings tun viele der Geschichten doch weh. Ich bin selbst
schon hineingewachsen in eine Welt, in der der Name „3. Welt-Laden“
nicht mehr ohne Anführungszeichen denkbar war, in der Probleme mit
Begriffen wie „Entwicklungsland“ Gemeinplätze waren. Das Wort behauptet
ja ganz offen, dass „die anderen“ sich doch bitte „entwickeln“ sollen,
etwas weniger offen dazuzudenken „zu uns hin“. Damals haben kritischere
Menschen vielleicht „Trikont“ gesagt (<a class="reference external" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Trikont-Verlag">Folgen</a>), woraus heute eher
„globaler Süden“ geworden ist.</p>
<p>In der DLF-Serie hingegen wird nun zwar durchaus im Kultur- und
Identitätsbereich von Dekolonisierung geredet, ökonomisch aber ist
fast alles geradezu erschreckend orthodox. In der <a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/afrika-rohstoffe-energiewende-100.html">Sendung vom 14.11.</a>
zum Beispiel sagt ein Manager eines südafrikanischen „Start-ups“, das
Rohstoffextraktion mit Großindustrie verbinden will:</p>
<blockquote class="pull-quote">
Wir haben die Chance, eine brandneue Megaindustrie in Afrika
aufzubauen. Die Batterien sollen zuerst hier auf dem Kontinent genutzt
werden. Siebzig Prozent Afrikas hat keine stabile Energieversorgung,
ohne Strom keine Industrialisierung. Wenn wir dieses Problem durch
Speichermöglichkeiten lösen, kann mehr produziert werden, Jobs werden
geschaffen und Armut abgebaut.</blockquote>
<p>Der Gedanke, dass Armut heute <em>nicht</em> daher kommt, dass die Leute zu
wenig arbeiten (bzw. produzieren), blitzt zwar kurz vorher im
Zusammenhang mit Botswana mal auf, aber hier wie auch ganz schlimm in
der Bezahl-Apps-Folge ist die Präsupposition ganz klar, dass auch „die
Afrikaner“ unseren Unsinn kopieren sollen.</p>
<p>Und Unsinn ist es, wenn sich möglichst viele Menschen jeden Tag für eine
Stunde in einen rollenden Blechkäfig einsperren, um dann für acht
Stunden lästigen Mist zu tun, der typischerweise unter Freisetzung von
viel Dreck die Welt in der Regel schlechter macht (Herstellung von
<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/geschichte-carl-benz-bei-wilhelm-i.html">Autos</a> und anderen Waffen, <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/genf-vs-die-dauerbeflimmerung.html">Werbung</a> und anderen <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/newszone-urteil-keine-rauschmedien-pravention.html">Rauschmedien</a>,
Finanz-„Produkten“ und anderen legalen Suchtstoffen, Einfamilenhäusern
und Ölpipelines, Glyphosat und High Fructose Corn Syrup und so weiter
und so fort).</p>
<p>Um den Irrsinn ganz rund zu machen, haben die TeilnehmerInnen dieser
Veranstaltung trotz historisch <a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/begeht-die-erduberlastungssekunde-1-1-2023-00-00-10.html">notwendig einmaliger</a> Verschwendung
von Naturressourcen <em>immer noch</em> (und nicht mal ohne Grund) Schiss, ob
sie nächstes Jahr noch ein Dach über dem Kopf haben oder ob die Rente
„zum Leben reicht”, mehr Angst vermutlich als Durchschnittmenschen in
weiten Teilen des gegenwärtigen Afrika.</p>
<p>Würde mensch dagegen einfach vernünftig überlegen, was das Minimum an
Produktion ist, das die Grundbedürfnisse aller Menschen dauerhaft und
verlässlich deckt, und zwar bei minimaler Belastung für Umwelt <em>und</em>
Mensch: Nun, <em>das</em> wäre dann wirklich das „Überspringen“ von Fehlern des
Nordens, das mal kurz in der <a class="reference external" href="https://www.deutschlandfunk.de/afrika-fintech-smartphones-100.html">Sendung vom 16.11.</a> anklang. Stattdessen
macht Antje Diekhans das Überspringen dort fest zunächst an Festnetz-
gegen Mobiltelefonie und mittelbar ausgerechnet an „Fintech“ – mal
ehrlich: lässt sich eine wüstere Verschwendung menschlicher Kreativität
vorstellen?</p>
<p>Dabei gestehe ich offen, dass ich keine Ahnung habe, wer in den
verschiedenen Gegenden dieses Fünftels der Landfläche der Erde
weniger europäische Ansätze vertritt. Klar wird die Wachstums-Religion
in Afrika so verbreitet sein wie hier auch. Insofern mag mensch
argumentieren, dass <em>Afrika im Aufbruch</em> einfach guter Journalismus ist,
also eine Betrachtung der Welt, wie sie halt mal ist. Vielleicht passt
mir auch nur das Wort „Aufbruch“ nicht, obwohl ja niemand sagt, dass
du nur wohin aufbrechen kannst, wo es besser ist.</p>
<p>Auf die im Eingangsbild symbolisierte <a class="reference external" href="https://www.euronews.com/2021/05/27/a-weekend-in-luanda-angola-africa-s-manhattan-waits-to-be-discovered">Entwicklung in Luanda</a> (verlinkt
ist die Regierungsversion) hat mich übrigens ein Vortrag von Boniface
Mabanza Bambu im Juni 2023 hingewiesen. Von ihm gibt es auch einiges
Kontrastprogramm zur Aufbruch-Serie im Netz, z.B. <a class="reference external" href="http://unevenearth.org/2019/06/the-right-to-say-no/">seinen Artikel in
Uneven Earth vom Juni 2019</a> oder auch ein Interview mit dem
programmatischen Titel <a class="reference external" href="https://taz.de/Handelsexperte-ueber-EU-Afrika-Beziehung/!5919386/">Die EU sollte Afrika in Ruhe lassen</a> in der taz
vom April (<a class="reference external" href="https://blog.tfiu.de/wie-im-klischee.html">vgl. dazu</a>). Oder, wegen der BASF-Connection für Leute im
Rhein-Neckar-Raum besonders relevant, seine Abhandlung <a class="reference external" href="https://www.basflonmin.com/marikana-and-south-africa-eight-years-later/">zum achten
Jahrestag des Marikana-Massakers</a>.</p>